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  • 05.07.2012

    Finanzgericht München: Beschluss vom 15.03.2012 – 14 V 102/12

    1. Wer Beteiligter eines Leistungsaustausches i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist, richtet sich grundsätzlich nach den zwischen den Beteiligten bestehenden zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen (vgl. z. B. BFH v. 27.1.2011, V R 7/09, BFH/NV 2011, 1030).

    2. Da die Begriffe der „Lieferung” oder „sonstigen Leistung” an tatsächliche Vorgänge anknüpfen, kann die Person des leistenden Unternehmers im Einzelfall aber auch abweichend von den Ergebnissen des Zivilrechts zu bestimmen sein (vgl. z. B. BFH-Urteil v. 28.11.1990, V R 31/8, BStBl II 1991, 381).

    3. Auch ein vorgeschobener, aber erkennbar im eigenen Namen nach außen auftretender „Strohmann” kann als den Umsatz ausführender Unternehmer anzusehen sein.

    4. Das vorgeschobene „Strohmanngeschäft” ist allerdings unbeachtlich, wenn es zwischen dem Leistungsempfänger und dem Strohmann i. S. v. § 177 BGB nur zum Schein (d h. bei in Wirklichkeit gewolltem Eintritt der Rechtsfolgen gegenüber dem Hintermann) abgeschlossen wurde und der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen musste, dass der Strohmann keine eigene (gegebenenfalls auch durch Einschaltung von Subunternehmern zu erfüllende) Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen und insoweit auch keine eigenen Leistungen versteuern wollte


    Beschluss

    In der Streitsache

    hat der 14. Senat des Finanzgerichts München durch … ohne mündliche Verhandlung am 15. März 2012 beschlossen:

    1. Die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2000 bis 2006 jeweils vom 16. Februar 2011 wird für die Dauer des Einspruchsverfahrens ausgesetzt.

    2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

    Gründe

    I.

    Streitig ist, ob das Finanzamt (FA) der Antragstellerin die Umsätze im Zusammenhang mit dem Betrieb von Blockheizkraftwerken zurechnen darf.

    Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Grundstücke an der T-Straße 180 und 182 in N. Für die Streitjahre hatte sie keine steuerpflichtigen Umsätze erklärt.

    Im Rahmen einer Betriebsprüfung traf das FA folgende Feststellungen:

    Am 7. Dezember 1999 hatte die Antragstellerin von der Firma S GmbH mit Sitz an der T-Straße 180 ein Blockheizkraftwerk 180 KW zu einem Kaufpreis von 316.370,05 DM erworben.

    Am 25. Januar 2000 hatte die S GmbH als Betreiber mit den Stadtwerken einen Einspeisevertrag im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Stromerzeugungsanlage auf dem Grundstück an der T-Straße 180 und 182 geschlossen, der bereits am 12. Juli 1999 in Kraft getreten war. Die Vergütung erfolgte auf ein Bankkonto der Antragstellerin.

    Mit Kaufvertrag vom 27. Januar 2003 hatte die Antragstellerin ein Biomassekraftwerk von der Arbeitskreisinnovative I zu einem Kaufpreis von 249.139 EUR erworben. Wegen Mängel wurde das BHKW 2 im Frühjahr 2003 gegen die Lieferung von Pflanzenöl an I zurückgegeben.

    Mit Rechnung vom 7. Februar 2003 hatte die Firma S GbR von der Firma A GmbH für 80.852 EUR ein Blockheizkraftwerk erworben.

    Am 17. Januar 2005 hatten die Stadtwerke und die Firma B GmbH, mit Sitz an der T-Straße 182, einen Einspeisevertrag im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Stromerzeugungsanlage in der T-Straße 180 und 182 geschlossen. Die Zahlungen erfolgten ebenfalls auf das Bankkonto der Antragstellerin.

    Das FA rechnete der Antragstellerin die von den Stadtwerken gezahlten Vergütungen als steuerpflichtige Umsätze zu. Bei der Rückgabe der von I erworbenen Anlage gegen die Lieferung von Pflanzenöl handle es sich um einen Tausch. Als Bemessungsgrundlage wurde der gemeine Wert der erhaltenen Lieferung, der Buchwert der Anlage zum Zeitpunkt des Tausches am 30. April 2003 angenommen und der Umsatzsteuer unterworfen. Da es sich bei I nicht um einen Unternehmer handle, wurde ein Vorsteuerabzug aus dem Kaufvertrag vom 27. Januar 2003 nicht zugelassen.

    Mit Bescheid jeweils vom 16. Februar 2011 setzte das FA die Umsatzsteuer für 2000 auf 374,78 EUR, für 2001 auf 3.173,08 EUR, für 2002 auf 9.775,84 EUR, für 2003 auf 28.967,20 EUR, für 2004 auf 14.507,52 EUR, für 2005 auf 22.658,40 EUR und für 2006 auf 20.902,40 EUR fest.

    Über den dagegen nach der Einlassung des FA unstreitig eingelegten Einspruch ist noch nicht entschieden.

    Mit ihrem bei Gericht gestellten Antrag macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend, dass das FA die Umsatzsteuer ihr gegenüber zu Unrecht festgesetzt habe. Nicht sie, sondern die Firma S GbR sei Steuersubjekt der Betriebsprüfung. Diese Gemeinschaft sei durch den mündlich vereinbarten Zusammenschluss der Gesellschafter I, B GmbH und der S GmbH entstanden. Zweck dieser Gemeinschaft sei die Weiterentwicklung und Forschung an Blockheizkraftwerken. Es sei ausdrücklich vereinbart worden, keinen Gewinn zu erwirtschaften oder Ausschüttungen vorzunehmen. Die Verwertung der Forschungsergebnisse sollte später die Firma S GmbH übernehmen.

    Die Antragstellerin habe aus Gefälligkeit gegenüber ihrem Ehemann, der über keine Bankverbindung verfüge, ihr Bankkonto und den Platz auf ihrem Grundstück für das BHKW zur Verfügung gestellt. Sie selbst habe jedoch keine Geschäfte getätigt.

    Im Übrigen liege für die Jahre 1999 bis 2003 Festsetzungsverjährung vor.

    Die Antragstellerin beantragt,

    die Umsatzsteuerbescheide 2000 bis 2006 jeweils vom 16. Februar 2011 von der Vollziehung auszusetzen.

    Das FA beantragt,

    den Antrag abzulehnen.

    Es weist darauf hin, dass die Antragstellerin selbst mit den Stadtwerken Verträge abgeschlossen habe. Insoweit seien ihr die Umsätze zugerechnet worden.

    Die Antragstellerin habe bereits mit Schreiben vom 5. Juli 2011 Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim FA gestellt, der am 2. August 2011 vom FA für die Jahre 2001 bis 2006 abgelehnt worden sei. Das Jahr 2000 sei versehentlich nicht berücksichtigt worden. Seit dem 18. Mai 2011 drohe jedoch die Vollstreckung hinsichtlich der rückständigen Umsatzsteuer 2000.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten und die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

    II.

    Der Antrag ist zulässig, insbesondere liegen auch die Zugangsvoraussetzung hinsichtlich der Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 2000 vor, weil das FA vorträgt, dass der insoweit gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nur versehentlich nicht abgelehnt worden ist und im Übrigen Vollstreckungsmaßnahmen drohen, § 69 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

    Der Antrag ist auch begründet, da ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO an der Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerbescheide 2000 bis 2006 jeweils vom 16. Februar 2011 bestehen, weil bei der gebotenen summarischen Prüfung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung der zugrunde liegenden Rechtsfragen bewirken (vgl. die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH –, u.a. Beschluss vom 13. Juli 2006 V B 70/06, BFH/NV 2006, 2008).

    Bei summarischer Prüfung ist offen, ob die Vergütungen aus den Verträgen mit den SWM letztlich der Antragstellerin als Umsätze zuzurechnen sind.

    Wer Beteiligter eines Leistungsaustausches im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz in der in den Streitjahren geltenden Fassung (UStG) ist, richtet sich grundsätzlich nach den zwischen den Beteiligten bestehenden zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 27. Januar 2011 V R 7/09, BFH/NV 2011, 1030). Da die Begriffe der „Lieferung” oder „sonstigen Leistung” an tatsächliche Vorgänge anknüpfen, kann die Person des leistenden Unternehmers im Einzelfall auch abweichend von den Ergebnissen des Zivilrechts zu bestimmen sein (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 28. November 1990 V R 31/8, BStBl II 1991, 381). In der Regel ist jedoch derjenige als Leistender anzusehen, der die Lieferung oder sonstige Leistung im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 28. Januar 1999 V R 4/98, BStBl II 1999, 628). Ob und aus welchem Grund der im eigenen Namen Auftretende dabei im Innenverhältnis für fremde Rechnung handelt, ist grundsätzlich unbeachtlich (vgl. z. B. BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BStBl II 2004, 622). Danach kann auch ein vorgeschobener, aber erkennbar im eigenen Namen nach außen auftretender „Strohmann” als den Umsatz ausführender Unternehmer anzusehen sein (vgl. z. B. BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BStBl II 2004,622). Das vorgeschobene „Strohmanngeschäft” ist allerdings unbeachtlich, wenn es zwischen dem Leistungsempfänger und dem Strohmann i. S. v. § 177 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nur zum Schein (d h. bei in Wirklichkeit gewolltem Eintritt der Rechtsfolgen gegenüber dem Hintermann) abgeschlossen wurde und der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen musste, dass der Strohmann keine eigene (gegebenenfalls auch durch Einschaltung von Subunternehmern zu erfüllende) Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen und insoweit auch keine eigenen Leistungen versteuern wollte (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BStBl II 2004, 622 unter II. 4. c.).

    Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das FA die von den Stadtwerken geleisteten Vergütungen der Antragstellerin zu Unrecht als steuerpflichtige Umsätze zugerechnet. Grundsätzlich ist dem FA zwar insoweit zuzustimmen, dass ein Blockheizkraftwerk, mit dem neben Wärme auch Strom erzeugt wird, der ganz oder teilweise, regelmäßig und nicht nur gelegentlich gegen Entgelt in das allgemeine Stromnetz eingespeist wird, der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen aus der Stromerzeugung dient (BFH-Urteil vom 18. Dezember 2008 V R 80/07, BStBl II 2011, 292) und der Betrieb eines Blockheizkraftwerkes die Unternehmereigenschaft des Betreibers begründet, auch wenn dieser daneben nicht anderweitig unternehmerisch tätig ist. Die aus den Einspeisevergütungen erzielten Einnahmen sind der Umsatzsteuer zu unterwerfen.

    Im Streitfall erfolgte jedoch bei summarischer Prüfung kein Leistungsaustausch zwischen den Stadtwerken und der Antragstellerin. Vielmehr wurden die Verträge mit den Stadtwerken mit der S GmbH (Vertrag vom 25. Januar 2000) und mit der B GmbH (Vertrag vom 11. Januar 2005) geschlossen. Nach Aktenlage liegen derzeit keine Beweismittel dafür vor, dass die Antragstellerin selbst Vertragspartner beider Einspeiseverträge gewesen und zivilrechtliche Leistungsbeziehungen mit den Stadtwerken eingegangen ist. Im Übrigen bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verträge zwischen den Stadtwerken und der S GmbH bzw. der B GmbH nur zum Schein abgeschlossen worden sind und in Wirklichkeit die Antragstellerin verpflichtet werden sollte. Auch der Umstand, dass die Zahlungen der Stadtwerke auf das Konto der Antragstellerin gezahlt worden sind, begründet alleine noch keine Unternehmereigenschaft der Antragstellerin.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

    VorschriftenUStG § 1 Abs. 1 Nr. 1

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