10.09.2024 · IWW-Abrufnummer 243711
Amtsgericht Köln: Urteil vom 06.12.2023 – 75 IN 486/17
Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
wird die Bestätigung des Insolvenzplans vom 11.10.2023 versagt.
Gründe:
2I.
3Der Insolvenzschuldner legte ‒ nachdem die Version eines ursprünglich eingereichten Insolvenzplans abgeändert wurde ‒ den Insolvenzplan vom 11.10.2023 (vgl. Bl. 521 ff. d.A.) vor.
4Ein Grund für die Vorlage des Insolvenzplans war die Tatsache, dass der Schuldner faktisch die Restschuldbefreiung nicht erlangen konnte, weil beträchtliche Forderungen i.S.d. § 302 Nr. 1 InsO festgestellt wurden. Der Schuldner war durch Urteil vom 23.12.2014 wegen Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt, Betruges und Steuerhinterziehung verurteilt worden.
5Der Insolvenzplan enthielt zu der Gruppenbildung folgende Angaben, wobei allein Gläubiger mit öffentlich-rechtlichen Forderungen vorhanden waren (Gruppe 1: Sozialversicherungsträger mit Ansprüchen i.S.d. § 302 Nr. 1 InsO, Gruppe 2: Finanzamt mit Ansprüchen i.S.d. § 302 Nr. 1 InsO, sowie Gruppe 3: Sozialversicherungsträger mit einfachen Ansprüchen):
6„Gruppenbildung (Überblick)
7Nach § 222 Abs. 1 InsO sind bei der Festlegung der Rechte der Beteiligten im Insolvenzplan Gruppen zu bilden, soweit Beteiligte mit unterschiedlichen Rechtsstellungen betroffen sind. Aus den Beteiligten mit gleicher Rechtsstellung können gem. § 222 Abs. 2 Satz 1 InsO Gruppen gebildet werden, in denen Beteiligte mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zusammengefasst werden. Wirtschaftliche Interessen sind alle im weitesten Sinne auf wirtschaftliche Gegenstände bzw. Phänomene gerichteten Interessen einer bestimmten Person (vgl. Münchner Kommentar zur InsO/Eidenmüller, 3. Aufl., § 222, Rdn 84). Ob wirtschaftliche Interessen gleichartig i.S.d. § 222 Abs. 2 InsO sind, kann anhand von Anknüpfungspunkten bestimmt werden. Als wesentlicher Anknüpfungspunkt für gleichartige wirtschaftliche Interessen ist der Rechtsgrund der Forderung anerkannt (Münchner Kommentar zur lnsO, a.a.O., Rdn 90; Nehrlich/Römermann/Braun, § 222, Rdn 69 ff.;Kübler/Prütting/Bork/Otte, § 222, Rdn 17).
8Die beteiligten lnsolvenzforderungen ergeben sich aus den Forderungsprüfungen und den vom lnsolvenzgericht zur lnsolvenztabelle festgestellten Forderungen. Es ergeben sich demnach folgende Gruppen:
9a) Die Gruppe 1 bilden die Krankenkassen mit ihren nach § 302 Nr. 1 InsO ausgenommenen Forderungen
10Zunächst ist eine Gruppe für die Krankenkassen mit deren Forderungen zu bilden, die bei der Restschuldbefreiung gem. § 302 Nr. 1 InsO privilegiert wären. Da jedoch § 302 Nr. 1 InsO im Planverfahren nicht, auch nicht analog, anwendbar ist, umfasst der Plan auch die Forderungen, welche von einer Restschuldbefreiung ausgenommen wären. Die Gläubiger haben daher bei der Abstimmung über den Insolvenzplan abweichende wirtschaftliche Überlegungen anzustellen (Vgl. AG Köln, B. v. 14.11.2017 — 37 IN 173/15; LG Hamburg, B. v. 15.01.2018 — 326 T 40/17).
11Nach dem derzeitigen Stand sind von den Krankenkassen nach § 302 Nr. 1 InsO ausgenommene Forderungen i.H.v. 339.921,93 € zur Tabelle angemeldet und festgestellt worden.
12Es handelt sich um die Gläubiger mit den lfd. Nummern 1-5,7, 8,11-16 und 18.
13Es wird Bezug genommen auf das beigefügte Gläubigerverzeichnis der Gruppe 1
14‒ Anlage HWD 1 ‒.
15b) Die Gruppe 2 bildet das Land NRW, vertreten durch das Finanzamt Bergheim.
16Dem Finanzamt Bergheim ist eine eigene Gruppe zuzuordnen. Zunächst ist festzustellen, dass auch das Finanzamt Bergheim eine Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet hat, welche nach § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist. Bei der Finanzverwaltung ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese regelmäßig im Gegensatz zu den anderen Insolvenzgläubigern aufgrund von Einkommensteuer- oder Vorsteuererstattungsansprüchen auch nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens Schuldnerin des Schuldners ist/wird. Hieraus folgen wiederum nach Abschluss des lnsolvenzverfahrens nicht nur rechtliche, sondern auch tatsächliche Aufrechnungsmöglichkeiten, welche zu einer abweichenden Interessenslage des Finanzamtes führen (vgl. BGH, B. v. 29.03.2007 — IX ZB 204/05).
17Das Finanzamt Bergheim hat eine Forderung i.H.v. 1.758.892,98 € zur Tabelle angemeldet.
18lnsoweit wird Bezug genommen auf das Gläubigerverzeichnis der Gruppe 2
19‒ Anlage HWD 2 ‒.
20c) Die Gruppe 3 bilden die übrigen lnsolvenzgläubiger mit ihren einfachen lnsolvenzforderungen nach § 38 InsO.
21Bei der Gruppe 3 handelt es sich um eine Pflichtgruppe gem. § 222 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 lnsO.
22Es handelt sich um die Forderungen mit den Ifd. Nr. 6, 9, 10, 17 und 19 i.H.v. 18.270,22 €.
23Darüber verhält sich die Gläubigerliste der Gruppe 3
24‒ Anlage HWD 3 ‒.
25…“
26Das Gericht hat einen Termin zur Erörterung des Insolvenzplans sowie der Stimmrechte sowie zur Abstimmung über den Insolvenzplan bestimmt (Bl. 541 f. d.A.).
27In diesem Termin erschienen Vertreterinnen des Landes NRW (Finanzamt Bergheim) und erklärten, dass kein Einverständnis mit der Gruppenbildung bestehe und „Dem Insolvenzplan wird widersprochen, weil dieser dem Gleichbehandlungsgrundsatz widerspricht. Der Schuldner wird bessergestellt als in einem Insolvenzverfahren oder einem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren. Wir haben keine Erlassmöglichkeiten im Sinne der AO.“ Dies sei dem Schuldner und dessen Bevollmächtigten auch bewusst gewesen.
28Der Insolvenzplan verhielt sich zu diesen Fragen nicht.
29Über den Insolvenzplan wurde abgestimmt. Das Land NRW (Gruppe 2) stimmte dagegen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der nicht-öffentlichen Sitzung vom 31.10.2023 (Bl. 551 ff. d.A.) nebst Anlagen verwiesen.
30II.
31Die Bestätigung des Insolvenzplans wird versagt.
32Die Bestätigung ist von Amts wegen zu versagen, wenn die Vorschriften über den Inhalt und die verfahrensmäßige Behandlung des Insolvenzplans sowie über die Annahme durch die Beteiligten und die Zustimmung des Schuldners in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet worden sind und der Mangel nicht behoben werden kann (§ 250 Nr. 1 InsO).
33Das ist vorliegend der Fall, denn die Vorschriften zur Bildung von Gruppen wurden nicht beachtet, indem zwischen den Gläubigern der Gruppen 1) und 2) differenziert wurde.
341.
35Die Gläubiger sind nicht gem. § 222 Abs. 1 InsO unterschiedlichen Gruppen zuzuordnen.
362.
37Die Gläubiger können ebenfalls nicht gem. § 222 Abs. 2 InsO unterschiedlichen Gruppen zugeordnet werden. Danach können aus den Beteiligten mit gleicher Rechtsstellung Gruppen gebildet werden, in denen Beteiligte mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zusammengefasst werden (§ 222 Abs. 1 S. 1 InsO). Die Gruppen müssen sachgerecht voneinander abgegrenzt werden (§ 222 Abs. 1 S. 2 InsO). Die Kriterien für die Abgrenzung sind im Plan anzugeben (§ 222 Abs. 1 S. 3 InsO).
38Die in dem Insolvenzplan für die Abgrenzung angegebenen Kriterien sind aber nicht sachgerecht i.S.d. Vorschrift. Das Kriterium der Sachgerechtigkeit bildet die Grenze für das gestalterische Ermessen des Planverfassers bei der Gruppenbildung (Spahlinger in: Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, Kommentar zur Insolvenzordnung, Stand: 09.2023, § 222 Rn. 38). Es soll verhindern, dass Gläubiger mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen (künstlich) auf verschiedene Gruppen aufgeteilt werden, um so die Zahl der zustimmenden Gruppen zu erhöhen und dadurch eine die fehlende Zustimmung ersetzende Entscheidung zu ermöglichen (Spahlinger in: Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, a.a.O.).
39Die in dem Insolvenzplan vorgebrachte Begründung wird in der Literatur durchaus vertreten (BeckOK/Geiwitz/von Danckelmann, BeckOK InsO, Stand: 15.01.2023, § 222 Rn. 27). Geiwitz/von Danckelmann verweisen jedoch auf den Beschluss des BGH (Beschl. v. 07.05.2015 ‒ IX ZB 75/14, BeckRS 2015, 11262), in dem es zur Gruppenbildung unter anderem heißt: „In der Gruppe III hat der Schuldner nicht nachrangige Forderungen der Sozialversicherungsträger, Krankenkassen und des Finanzamtes zusammengefasst“. Daraus ergibt sich gerade nicht, dass eine (zulässige) Ein-Personen-Gruppe „Finanzamt“ anerkannt wäre, sondern die ‒ wohl allgemein ‒ anerkannte Gruppe „Gläubiger mit öffentlich-rechtlichen Ansprüchen“ (vgl. statt vieler: Kayser/Thole/Fiebig, InsO, 11. Aufl. 2023, § 222 Rn. 15; Uhlenbruch/Lüer/Streit, InsO, 15. Aufl. 2019, § 222 Rn. 28). Auch in dem Beschluss des BGH (Beschl. v. 29.03.2007 ‒ IX ZB 204/05, NZI 2007, 409), auf den der Schuldner sich bezieht, wird die Zulässigkeit der Gruppenbildung nicht besprochen.
40Die angegebene Aufrechnungsmöglichkeit allein oder als solche rechtfertigt das Anlegen von zwei Gruppen für Gläubiger mit öffentlich-rechtlichen Forderungen, die jeweils gem. § 302 Nr. 1 InsO von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt sind, nicht. An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass die Finanzverwaltung nicht der einzige Gläubiger ist, dem Aufrechnungsmöglichkeiten (nach der Abgabenordnung) zur Verfügung stehen. Die InsO regelt die Aufrechnung in §§ 94 f. InsO. Auch Sozialversicherungsträgern steht die Aufrechnung gem. § 51 SGB I zu. Es mag Einzelfallkonstellationen geben, in denen die Möglichkeit der Bildung von Untergruppen (der Gläubiger mit öffentlich-rechtlichen Forderungen) anders zu beurteilen ist, etwa wenn die Gewissheit oder eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Fiskus Schuldner von Steuerrückerstattungsansprüchen wird. Dies bedarf allerdings im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, da solche Tatsachen vorgetragen sein müssten. Hier sind sie es nicht und solche Tatsachen sind auch nicht sonst ersichtlich. Die Differenzierung dient allein dazu, von der Rechtsfolge des § 245 InsO zu profitieren. So ist dies nicht sachgerecht i.S.d. § 222 Abs. 2 S. 2 InsO.
41Rechtsmittelbelehrung:
42Gegen den Beschluss, durch den die Berichtigung des Insolvenzplans bestätigt oder versagt wird, steht den Gläubigern, der Schuldnerin/dem Schuldner und, wenn dieser keine natürliche Person ist, den an der Schuldnerin/an dem Schuldner beteiligten Personen die sofortige Beschwerde gem. §§ 253 Abs. 1; 4 InsO, § 569 ZPO zu.
43Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes erklärt werden.
44Die sofortige Beschwerde muss innerhalb von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Köln eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.
45Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie soll begründet werden.
46Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
47Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
48Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.