28.06.2022 · IWW-Abrufnummer 229934
Landgericht Berlin: Urteil vom 20.12.2021 – 526 Qs 26/21
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LG Berlin 26. Große Strafkammer
Tenor
I.
1
Die Staatsanwaltschaft Berlin hat unter dem 8. August 2019 beim Amtsgericht Tiergarten ein selbständiges Einziehungsverfahren nach § 76a Absatz 4 StGB mit dem Ziel der Einziehung von am 6. September 2016 in der Wohnung des Beteiligten ... sichergestellter Banknoten in einem nominellen Wert von EUR 82.050,—. Dem Verfahren vorausgegangen waren Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung gegen den Beteiligten zu 1. und wegen Geldwäsche gegen beide Beteiligte sowie gegen gesondert Verfolgte Dritte wegen des Verdachts der Geldwäsche und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Bei der Vollstreckung eines Durchsuchungsbeschlusses für die Wohnung des Beteiligten und damaligen Zeugen ... wurden am Boden einer Schmutzwäschetruhe Banknoten im Wert von EUR 175.000,— aufgefunden. Gegen beide Betroffene wurde ein Verfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche geführt, für welches zunächst sämtliche aufgefundenen Banknoten und später — mit Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten — Ermittlungsrichter — vom 24. Mai 2018 — ... (Bd. 2 BI. 132) — Noten im Umfange des nominellen Gegenwertes von EUR 82.050,00, für ein gegen den Beteiligten ... geführtes Verfahren wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung beschlagnahmt wurden.
2
Mit Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. August 2021 — ... — ist der Antrag der Staatsanwaltschaft Berlin, die aufgefundenen Banknoten im Gegenwert von EUR 82.050,— im selbstständigen Einziehungsverfahren einzuziehen, zurückgewiesen worden, ohne hierin eine Entscheidung über die Beschlagnahmeanordnung zu treffen. Gegen die Entscheidung hat die Staatsanwaltschaft Berlin am selben Tage Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 4. November 2021 begründet. Mit Beschluss vom 23. November 2021 hob das Amtsgericht Tiergarten schließlich auf die Beschwerde der Beteiligen hin die Beschlagnahme der Banknoten durch den Beschluss vom 24. Mai 2018 auf, da der für die Beschlagnahme allein anlassgebende Antrag der Staatsanwaltschaft Berlin auf Einziehung der Banknoten im selbständigen Einziehungsverfahren durch die Zurückweisung des Antrages mit der Entscheidung vom 18. August d.J. fortgefallen sei. Auf die Beschwerde und den damit verbundenen Antrag der Staatsanwaltschaft Berlin vom 25. November 2021 hin, ordnete das Amtsgericht Tiergarten mit Beschluss vom 26. November 2021 die Aussetzung der Vollziehung dieses Beschlusses an, half der Beschwerde im Übrigen aber nicht ab.
3
Mit ihrer Beschwerde vom 25. November 2021 begehrt die Staatsanwaltschaft Berlin die Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Tiergarten vom 23. November 2021.
II.
4
Der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 23. November 2021 ist aufzuheben, weil die Voraussetzungen der Beschlagnahme der verfahrensgegenständlichen Banknoten nach wie vor vorliegen und insbesondere nicht durch die Zurückweisung des Einziehungsantrages der Staatsanwaltschaft Berlin durch das Urteil des Amtsgerichtsgerichts Tiergarten vom 18. August 2021 fortgefallen sind.
5
1. Die ursprüngliche Anordnung der Beschlagnahme durch das Amtsgericht Tiergarten Ermittlungsrichter — mit Beschluss vom 24. Mai 2018 erfolgte unter anderem, weil die Banknoten der Einziehung unterliegen könnten (vgl. § 111 b StPO). Maßnahmen nach den §§ 111b ff. sind nicht allein zulässig, wenn die Einziehung voraussichtlich im subjektiven Verfahren angeordnet werden wird, sondern auch dann, wenn — wie hier — die entsprechende Anordnung in einem auf Einziehung oder Unbrauchbarmachung gerichteten objektiven Verfahren nach 435ff. StPO § 76a StGB zu erwarten ist (vgl. BeckOK StPO/Huber, § 111b Rn. 5). Die Beschlagnahme ist dementsprechend möglich, wenn ein einfacher Tatverdacht dahingehend besteht, dass der betroffene Gegenstand der Einziehung unterliegt, wobei sich der Tatverdacht (vgl. § 152 Absatz 2 StPO) aus den dem Verfahren immanenten Gründen nicht gegen einen bestimmten Beschuldigten richtet (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 18. August 2020 — 2 Ws 107/20, 2 Ws 108/20, 2 Ws 109/20, BeckRS 2020, 21050). Erforderlich ist insoweit, dass zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die verfahrensgegenständlichen Banknoten aus einer rechtswidrigen Tat herrühren, die nicht länger als 30 Jahre zurückliegt und in einem wegen einer Katalogtat des § 76a Absatz 4 Satz 3 StPO geführten Verfahren sichergestellt worden sind, die Betroffenen jedoch nicht verfolgt oder verurteilt werden können.
6
2. Nach Auffassung der Kammer ist nach wie vor die Annahme begründet, dass die verfahrensgegenständlichen Banknoten der Einziehung unterliegen können. Denn die Banknoten sind hier in einem Verfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und damit wegen Katalogtaten i.S.v. S 76a Absatz 4 Satz 3 Nr. 1 f) und Nr. 6 StGB sichergestellt worden und die nämlichen Verfahren gegen die Beteiligten sind nach S 170 Absatz 2 StPO eingestellt worden.
7
Ferner erscheint es nach wie vor aufgrund objektiver Anhaltspunkte auch möglich, dass ein Gericht — in diesem Falle die Berufungskammer — zu der Überzeugung gelangt, dass die Banknoten aus einer rechtswidrigen Tat herrühren, die nicht länger als 30 Jahre zurückliegt und sie aus diesem Grunde einzuziehen sind. Hierfür sprechen objektive Umstände, wie etwa die Wahl des konspirativen Aufbewahrungsortes oder dass die Banknoten einen Vermögenswert darstellen, dessen Besitz in einem erheblichen Missverhältnis zu den nach Aktenlage belegten legalen Einkünften des jeweiligen Beteiligten stehen (vgl. S 437 Satz 1 und 2 Nr. 2 und 3 StPO). Der Umstand, dass das Amtsgericht Tiergarten nicht zu dieser Überzeugung gelangt ist, zwingt nicht zu einer abweichenden Annahme, solange in dem selben Verfahren begründeter Anlass für die Annahme besteht, dass ein Gericht der höheren Ordnung noch zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen kann. Dies aber ist hier der Fall. Denn die nunmehr mit der Angelegenheit befasste Berufungskammer hat die entscheidungserheblichen Tatsachen insoweit erneut festzustellen und sich eine eigene Überzeugung zu bilden.
8
Dass der Tatrichter, der von einer Einziehungsmaßnahme absieht, in entsprechender Anwendung des S 120 Absatz I Satz 2 StPO auch die Anordnung nach den §§ 111b ff. StPO aufheben wollen wird erscheint zwar auf den ersten Blick konsequent, denn nach seiner Überzeugung werden die Gründe i.S.d. §§ 111b Absatz 1, 111e Absatz 1 StPO regelmäßig fehlen, die für die Anordnung einer solchen Maßnahme erforderlich sind. Zutreffend ist es freilich aber auch, dass im Falle des nicht rechtskräftigen Verfahrensabschlusses das mit dem Rechtsmittel befasste Gericht über die Maßnahme anders befinden kann. Entscheidend ist daher, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine abweichende rechtliche Bewertung durch das Rechtsmittelgericht zu erwarten steht. Da in der seit Juli 2017 geltenden und durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 geänderten Fassung des § 111b Absatz 1 StPO für die Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung lediglich eine begründete Annahme dafür erforderlich ist, dass die Voraussetzungen der Einziehung vorliegen, dürfen die Anforderungen, die an die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit gestellt werden, mit der das Rechtsmittelgericht zu einer abweichenden Bewertung kommen mag, nicht all zu hoch gelegt werden. Denn der Reformgesetzgeber war ausdrücklich bestrebt, die Vermögensabschöpfung zu vereinfachen und nicht vertretbare Abschöpfungslücken zu schließen (vgl. etwa RegE BT-Drcks. 18/9525). Dies mag anders zu beurteilen sein, wenn anzunehmen ist, dass das Beschwerdegericht ausnahmsweise die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsmittels als offensichtlich nicht gegeben ansehen wird, wenn sich das Rechtsmittel etwa als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet erweisen sollte oder wenn die angefochtene Entscheidung durch das Revisionsgericht lediglich auf Revisionsgründe hin geprüft wird (vgl. zum Fehlen dringender Gründe i.S.d. § 111b Abs. 3 a.F. StPO OLG Hamburg, Beschluss vom 5. September 2012 - 1 Ws 110/12, BeckRS 2013, 1267).
9
Derartige Einschränkungen sind hier indes nicht ersichtlich. Weder erscheint die Berufung der Staatsanwaltschaft Berlin unzulässig oder offensichtlich unbegründet, noch wird die Berufungskammer allein über eine Rechtsfrage zu befinden haben, sondern vielmehr eigenständige Feststellungen und Entscheidungen zu treffen haben. Dann aber besteht aufgrund der dargestellten objektiven Anhaltspunkte auch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Rechtsmittelgericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft Berlin stattgeben könnte. Anders als bei S 120 Absatz 1 Satz 2 StPO zwingt zudem hier nicht die Unschuldsvermutung und die grundrechtlich besonders geschützte persönliche Freiheit des Einzelnen dazu, den Interessen der Betroffenen Vorrang vor dem staatlichen Interesse an der Sicherung eines geordneten Strafverfahrens einzuräumen.
10
3. Die Beschlagnahme war auch nicht etwa allein deshalb aufzuheben, weil durch die den Antrag auf selbständige Einziehung zurückweisende Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. August 2021 der Anlass für die Beschlagnahme weggefallen war. Zwar ist nach allgemeiner Meinung die Beschlagnahme durch den Abschluss des Strafverfahrens ohne weiteres erloschen und die beschlagnahmte Sache herauszugeben — gemeint ist damit freilich der rechtskräftige Abschluss des Verfahrens (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2005 - III ZR 271/04, NJW 2005, 988, BeckOK StPO/Gerhold, § 98 Rn. 14; KK-StPO/Spillecke, § 111j Rn. 12, 17). Der rechtskräftige Abschluss des Verfahrens ist hier allerdings nicht eingetreten, denn die Staatsanwaltschaft Berlin hat unter dem 25. November 2021 gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. August 2021 Berufung eingelegt.
11
Zwar sind im Übrigen bereits vor Verfahrensabschluss sichergestellte Gegenstände herauszugeben, sobald der Grund der Sicherstellung entfallen ist (vgl. KK-StPO/Greven, StPO § 98 Rn. 32 f.). Auch dies ist hier jedoch nicht der Fall, denn der Grund für die Sicherstellung ist die Gewährleistung der in Betracht kommenden (selbstständigen) Einziehung der Banknoten, die von der Staatsanwaltschaft Berlin nach wie vor betrieben wird und — wie gezeigt — nach wie vor möglich erscheint.
12
4. Die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme ist schließlich auch verhältnismäßig. Denn sie ist geeignet, die Banknoten für die Zwecke der Einziehung zu sichern, wobei ein die Rechte der Betroffenen weniger beeinträchtigendes Mittel nicht ersichtlich ist. Die Beschlagnahme ist schließlich auch angemessen und damit verhältnismäßig im engeren Sinne. Denn die Betroffenen haben nicht vorgetragen auf das Bargeld angewiesen zu sein. Umgekehrt hat die Kammer keinen Anlass am Vortrag der Staatsanwaltschaft Berlin zu zweifeln, wonach damit zu rechnen sei, dass die beschlagnahmten Noten selbst nicht mehr für eine Einziehung zur Verfügung stünden, sollten sie an die Betroffenen herausgegeben werden. Schließlich stimmt die Kammer mit der Einschätzung des Amtsgerichts Tiergarten überein, dass mit einer verfahrensabschließenden Entscheidung durch die Berufungskammer zeitnah zu rechnen ist.
III.
13
Die Landeskasse Berlin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, weil sonst niemand dafür haftet.
20.12.2021
Tenor
- Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin vom 25. November 2021 wird der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 23. November 2021 — ... — aufgehoben.
- Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die den Beteiligten des selbstständigen Einziehungsverfahrens insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse Berlin zur Last.
Gründe
1
Die Staatsanwaltschaft Berlin hat unter dem 8. August 2019 beim Amtsgericht Tiergarten ein selbständiges Einziehungsverfahren nach § 76a Absatz 4 StGB mit dem Ziel der Einziehung von am 6. September 2016 in der Wohnung des Beteiligten ... sichergestellter Banknoten in einem nominellen Wert von EUR 82.050,—. Dem Verfahren vorausgegangen waren Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung gegen den Beteiligten zu 1. und wegen Geldwäsche gegen beide Beteiligte sowie gegen gesondert Verfolgte Dritte wegen des Verdachts der Geldwäsche und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Bei der Vollstreckung eines Durchsuchungsbeschlusses für die Wohnung des Beteiligten und damaligen Zeugen ... wurden am Boden einer Schmutzwäschetruhe Banknoten im Wert von EUR 175.000,— aufgefunden. Gegen beide Betroffene wurde ein Verfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche geführt, für welches zunächst sämtliche aufgefundenen Banknoten und später — mit Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten — Ermittlungsrichter — vom 24. Mai 2018 — ... (Bd. 2 BI. 132) — Noten im Umfange des nominellen Gegenwertes von EUR 82.050,00, für ein gegen den Beteiligten ... geführtes Verfahren wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung beschlagnahmt wurden.
2
Mit Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. August 2021 — ... — ist der Antrag der Staatsanwaltschaft Berlin, die aufgefundenen Banknoten im Gegenwert von EUR 82.050,— im selbstständigen Einziehungsverfahren einzuziehen, zurückgewiesen worden, ohne hierin eine Entscheidung über die Beschlagnahmeanordnung zu treffen. Gegen die Entscheidung hat die Staatsanwaltschaft Berlin am selben Tage Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 4. November 2021 begründet. Mit Beschluss vom 23. November 2021 hob das Amtsgericht Tiergarten schließlich auf die Beschwerde der Beteiligen hin die Beschlagnahme der Banknoten durch den Beschluss vom 24. Mai 2018 auf, da der für die Beschlagnahme allein anlassgebende Antrag der Staatsanwaltschaft Berlin auf Einziehung der Banknoten im selbständigen Einziehungsverfahren durch die Zurückweisung des Antrages mit der Entscheidung vom 18. August d.J. fortgefallen sei. Auf die Beschwerde und den damit verbundenen Antrag der Staatsanwaltschaft Berlin vom 25. November 2021 hin, ordnete das Amtsgericht Tiergarten mit Beschluss vom 26. November 2021 die Aussetzung der Vollziehung dieses Beschlusses an, half der Beschwerde im Übrigen aber nicht ab.
3
Mit ihrer Beschwerde vom 25. November 2021 begehrt die Staatsanwaltschaft Berlin die Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Tiergarten vom 23. November 2021.
II.
4
Der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 23. November 2021 ist aufzuheben, weil die Voraussetzungen der Beschlagnahme der verfahrensgegenständlichen Banknoten nach wie vor vorliegen und insbesondere nicht durch die Zurückweisung des Einziehungsantrages der Staatsanwaltschaft Berlin durch das Urteil des Amtsgerichtsgerichts Tiergarten vom 18. August 2021 fortgefallen sind.
5
1. Die ursprüngliche Anordnung der Beschlagnahme durch das Amtsgericht Tiergarten Ermittlungsrichter — mit Beschluss vom 24. Mai 2018 erfolgte unter anderem, weil die Banknoten der Einziehung unterliegen könnten (vgl. § 111 b StPO). Maßnahmen nach den §§ 111b ff. sind nicht allein zulässig, wenn die Einziehung voraussichtlich im subjektiven Verfahren angeordnet werden wird, sondern auch dann, wenn — wie hier — die entsprechende Anordnung in einem auf Einziehung oder Unbrauchbarmachung gerichteten objektiven Verfahren nach 435ff. StPO § 76a StGB zu erwarten ist (vgl. BeckOK StPO/Huber, § 111b Rn. 5). Die Beschlagnahme ist dementsprechend möglich, wenn ein einfacher Tatverdacht dahingehend besteht, dass der betroffene Gegenstand der Einziehung unterliegt, wobei sich der Tatverdacht (vgl. § 152 Absatz 2 StPO) aus den dem Verfahren immanenten Gründen nicht gegen einen bestimmten Beschuldigten richtet (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 18. August 2020 — 2 Ws 107/20, 2 Ws 108/20, 2 Ws 109/20, BeckRS 2020, 21050). Erforderlich ist insoweit, dass zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die verfahrensgegenständlichen Banknoten aus einer rechtswidrigen Tat herrühren, die nicht länger als 30 Jahre zurückliegt und in einem wegen einer Katalogtat des § 76a Absatz 4 Satz 3 StPO geführten Verfahren sichergestellt worden sind, die Betroffenen jedoch nicht verfolgt oder verurteilt werden können.
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2. Nach Auffassung der Kammer ist nach wie vor die Annahme begründet, dass die verfahrensgegenständlichen Banknoten der Einziehung unterliegen können. Denn die Banknoten sind hier in einem Verfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und damit wegen Katalogtaten i.S.v. S 76a Absatz 4 Satz 3 Nr. 1 f) und Nr. 6 StGB sichergestellt worden und die nämlichen Verfahren gegen die Beteiligten sind nach S 170 Absatz 2 StPO eingestellt worden.
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Ferner erscheint es nach wie vor aufgrund objektiver Anhaltspunkte auch möglich, dass ein Gericht — in diesem Falle die Berufungskammer — zu der Überzeugung gelangt, dass die Banknoten aus einer rechtswidrigen Tat herrühren, die nicht länger als 30 Jahre zurückliegt und sie aus diesem Grunde einzuziehen sind. Hierfür sprechen objektive Umstände, wie etwa die Wahl des konspirativen Aufbewahrungsortes oder dass die Banknoten einen Vermögenswert darstellen, dessen Besitz in einem erheblichen Missverhältnis zu den nach Aktenlage belegten legalen Einkünften des jeweiligen Beteiligten stehen (vgl. S 437 Satz 1 und 2 Nr. 2 und 3 StPO). Der Umstand, dass das Amtsgericht Tiergarten nicht zu dieser Überzeugung gelangt ist, zwingt nicht zu einer abweichenden Annahme, solange in dem selben Verfahren begründeter Anlass für die Annahme besteht, dass ein Gericht der höheren Ordnung noch zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen kann. Dies aber ist hier der Fall. Denn die nunmehr mit der Angelegenheit befasste Berufungskammer hat die entscheidungserheblichen Tatsachen insoweit erneut festzustellen und sich eine eigene Überzeugung zu bilden.
8
Dass der Tatrichter, der von einer Einziehungsmaßnahme absieht, in entsprechender Anwendung des S 120 Absatz I Satz 2 StPO auch die Anordnung nach den §§ 111b ff. StPO aufheben wollen wird erscheint zwar auf den ersten Blick konsequent, denn nach seiner Überzeugung werden die Gründe i.S.d. §§ 111b Absatz 1, 111e Absatz 1 StPO regelmäßig fehlen, die für die Anordnung einer solchen Maßnahme erforderlich sind. Zutreffend ist es freilich aber auch, dass im Falle des nicht rechtskräftigen Verfahrensabschlusses das mit dem Rechtsmittel befasste Gericht über die Maßnahme anders befinden kann. Entscheidend ist daher, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine abweichende rechtliche Bewertung durch das Rechtsmittelgericht zu erwarten steht. Da in der seit Juli 2017 geltenden und durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 geänderten Fassung des § 111b Absatz 1 StPO für die Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung lediglich eine begründete Annahme dafür erforderlich ist, dass die Voraussetzungen der Einziehung vorliegen, dürfen die Anforderungen, die an die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit gestellt werden, mit der das Rechtsmittelgericht zu einer abweichenden Bewertung kommen mag, nicht all zu hoch gelegt werden. Denn der Reformgesetzgeber war ausdrücklich bestrebt, die Vermögensabschöpfung zu vereinfachen und nicht vertretbare Abschöpfungslücken zu schließen (vgl. etwa RegE BT-Drcks. 18/9525). Dies mag anders zu beurteilen sein, wenn anzunehmen ist, dass das Beschwerdegericht ausnahmsweise die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsmittels als offensichtlich nicht gegeben ansehen wird, wenn sich das Rechtsmittel etwa als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet erweisen sollte oder wenn die angefochtene Entscheidung durch das Revisionsgericht lediglich auf Revisionsgründe hin geprüft wird (vgl. zum Fehlen dringender Gründe i.S.d. § 111b Abs. 3 a.F. StPO OLG Hamburg, Beschluss vom 5. September 2012 - 1 Ws 110/12, BeckRS 2013, 1267).
9
Derartige Einschränkungen sind hier indes nicht ersichtlich. Weder erscheint die Berufung der Staatsanwaltschaft Berlin unzulässig oder offensichtlich unbegründet, noch wird die Berufungskammer allein über eine Rechtsfrage zu befinden haben, sondern vielmehr eigenständige Feststellungen und Entscheidungen zu treffen haben. Dann aber besteht aufgrund der dargestellten objektiven Anhaltspunkte auch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Rechtsmittelgericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft Berlin stattgeben könnte. Anders als bei S 120 Absatz 1 Satz 2 StPO zwingt zudem hier nicht die Unschuldsvermutung und die grundrechtlich besonders geschützte persönliche Freiheit des Einzelnen dazu, den Interessen der Betroffenen Vorrang vor dem staatlichen Interesse an der Sicherung eines geordneten Strafverfahrens einzuräumen.
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3. Die Beschlagnahme war auch nicht etwa allein deshalb aufzuheben, weil durch die den Antrag auf selbständige Einziehung zurückweisende Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. August 2021 der Anlass für die Beschlagnahme weggefallen war. Zwar ist nach allgemeiner Meinung die Beschlagnahme durch den Abschluss des Strafverfahrens ohne weiteres erloschen und die beschlagnahmte Sache herauszugeben — gemeint ist damit freilich der rechtskräftige Abschluss des Verfahrens (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2005 - III ZR 271/04, NJW 2005, 988, BeckOK StPO/Gerhold, § 98 Rn. 14; KK-StPO/Spillecke, § 111j Rn. 12, 17). Der rechtskräftige Abschluss des Verfahrens ist hier allerdings nicht eingetreten, denn die Staatsanwaltschaft Berlin hat unter dem 25. November 2021 gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. August 2021 Berufung eingelegt.
11
Zwar sind im Übrigen bereits vor Verfahrensabschluss sichergestellte Gegenstände herauszugeben, sobald der Grund der Sicherstellung entfallen ist (vgl. KK-StPO/Greven, StPO § 98 Rn. 32 f.). Auch dies ist hier jedoch nicht der Fall, denn der Grund für die Sicherstellung ist die Gewährleistung der in Betracht kommenden (selbstständigen) Einziehung der Banknoten, die von der Staatsanwaltschaft Berlin nach wie vor betrieben wird und — wie gezeigt — nach wie vor möglich erscheint.
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4. Die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme ist schließlich auch verhältnismäßig. Denn sie ist geeignet, die Banknoten für die Zwecke der Einziehung zu sichern, wobei ein die Rechte der Betroffenen weniger beeinträchtigendes Mittel nicht ersichtlich ist. Die Beschlagnahme ist schließlich auch angemessen und damit verhältnismäßig im engeren Sinne. Denn die Betroffenen haben nicht vorgetragen auf das Bargeld angewiesen zu sein. Umgekehrt hat die Kammer keinen Anlass am Vortrag der Staatsanwaltschaft Berlin zu zweifeln, wonach damit zu rechnen sei, dass die beschlagnahmten Noten selbst nicht mehr für eine Einziehung zur Verfügung stünden, sollten sie an die Betroffenen herausgegeben werden. Schließlich stimmt die Kammer mit der Einschätzung des Amtsgerichts Tiergarten überein, dass mit einer verfahrensabschließenden Entscheidung durch die Berufungskammer zeitnah zu rechnen ist.
III.
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Die Landeskasse Berlin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, weil sonst niemand dafür haftet.