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  • 22.03.2021 · IWW-Abrufnummer 221280

    Finanzgericht München: Urteil vom 11.11.2020 – 9 K 2397/18

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.




    In der Streitsache
    1. Kläger
    2.
    prozessbevollmächtigt zu 1-2:
    gegen
    Beklagter
    wegen
    Einkommensteuer 2014
    hat der 9. Senat des Finanzgerichts München durch
    den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht
    die Richterin am Finanzgericht und
    den Richter am Finanzgericht ,
    sowie die ehrenamtlichen Richterinnen und
    auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2020 für Recht erkannt:
    Tenor:

        1.

        Die Klage wird abgewiesen.
        2.

        Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

    Gründe

    I.

    Streitig ist, ob der Beklagte wegen ungeklärter Geldflüsse aus dem Ausland zur Festsetzung von Einkommensteuer im Schätzungsweg berechtigt war.

    Die Kläger sind Eheleute, die seit dem 1. März 2015 in einer im Streitjahr 2014 erworbenen Eigentumswohnung in der X-Straße 21 in M mit Hauptwohnsitz gemeldet sind. Zuvor, nämlich vom 1. Juli 2010 bis 1. März 2015, waren sie in der Y in M mit Hauptwohnsitz gemeldet. Bis zum 1. Juli 2010 haben sie ausweislich der Meldedaten in der W Straße 22 in Z gewohnt. Der Kläger ist russischer Staatsangehöriger; die Klägerin besitzt die deutsche und die kasachische Staatsangehörigkeit. Die Kläger waren in Deutschland steuerlich nicht erfasst.

    Die Steuerfahndungsstelle des beklagten Finanzamts M erhielt aufgrund einer weitergeleiteten Verdachtsanzeige gemäß § 11 Geldwäschegesetz (GwG) der Deutschen Bank Filiale Bonn-Duisburg im Juli 2014 davon Kenntnis, dass der Kläger dort seit 27. Mai 2008 ein Konto unterhielt, für das auch die Klägerin sowie deren - ausweislich der von der Bank gespeicherten Daten - in G lebende Tochter A Verfügungsmacht besaßen. Bei der Kontoeröffnung hatte der Kläger angegeben, dass er Geschäftsführer im Baugewerbe sei. Auf dem Konto waren am 11. März, 7. und 24. April sowie 4. Juni des Streitjahres 2014 vier Geldbeträge in Höhe von insgesamt 235.405 € eingegangen, die von einem Konto bei der S-Bank in Moskau überwiesen worden waren. Die Überweisungen vom 7. und 24. April sowie 4. Juni 2014 wurden von einem Konto mit der Nr. ... getätigt; als Absender war der Kläger angegeben. Bei der Überweisung vom 11. März 2014 war ein Konto Nr. ... und als Absender L.A. angegeben. Die anzeigende Bank teilte mit, dass der Kläger auf Nachfrage erklärt habe, dass er die Gelder von seiner Schwiegermutter zwecks eines Hauskaufs in Deutschland erhalten habe. Diese Angaben hätten jedoch nicht durch Vorlage geeigneter Unterlagen belegt werden können.

    Aufgrund dieser Anzeige stellte die Steuerfahndungsstelle gemäß § 208 Abs. 1 Nr. 3 Abgabenordnung (AO) Ermittlungen an. Mit Schreiben vom 4. Januar 2017 wurde der Kläger um Auskunft zur Herkunft der erhaltenen Geldmittel, zum Namen und Sitz des Bauunternehmens sowie zur Art der Bestreitung seines Lebensunterhalts gebeten. Diese Fragen blieben auch nach Festsetzung eines Zwangsgelds und des Hinweises auf eine anderenfalls zu erwartende Schätzung unbeantwortet.

    In dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Schätzungsbescheid vom 31. August 2017 erfasste der Beklagte die strittigen Geldbeträge als sonstige Einkünfte und setzte gegenüber den Klägern für das Streitjahr eine Einkommensteuer in Höhe von 82.360 € fest.

    Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs trugen die Kläger vor, sie hätten in M eine Eigentumswohnung gekauft, die nur selten genutzt werde. Ihr Hauptwohnsitz befinde sich in Russland. In Deutschland würden keinerlei Einkünfte erzielt und Geschäftstätigkeiten entfaltet. Im Ergebnis würden in Deutschland keinerlei steuerpflichtige Einkünfte existieren. Die Geldmittel für den Kauf der Immobilie seien ausschließlich in Russland erzielt worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteil vom 7. Mai 2017 VIII R 51/14, BFH/NV 2018, 5 [BFH 09.05.2017 - VIII R 51/14]) seien die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung dem Grunde nach mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen. Ein reduziertes Beweismaß sei auch bei der Verletzung der erweiterten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten gemäß § 90 Abs. 2 AO nicht zulässig. Danach reiche allein der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger in der Vergangenheit über ein ausländisches Wertpapierdepot verfügt habe, im Fall der Auflösung dieses Depots auch unter Berücksichtigung eines verminderten Beweismaßes wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht aus, dem Steuerpflichtigen den entsprechenden Kapitalstamm in den Folgejahren unverändert als Grundlage für die Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen. Dieser Sachverhalt sei mit dem des Streitfalls vergleichbar. Die Schätzung sei daher unzulässig.

    Der Beklagte behandelte in einem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid vom 28. Mai 2018 die strittigen Geldbeträge als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit. Infolge der Berücksichtigung des Arbeitnehmerpauschbetrags verminderte sich die Einkommensteuer auf 81.940 €. Mit Einspruchsentscheidung vom 27. August 2018 wies er den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Nach der Rechtsprechung des BFH (Beschluss vom 17. März 1997 I B 123/95, BFH/NV 1997, 730) könne das Finanzamt, wenn der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten gemäß § 90 Abs. 2 AO verletzte und der Sachverhalt anderweitig nicht aufklärbar sei, zum Nachteil des Steuerpflichtigen von einem Sachverhalt ausgehen, für den unter Berücksichtigung der Beweisnähe des Steuerpflichtigen und seiner Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhaltes eine gewisse Wahrscheinlichkeit spreche. Insbesondere dann, wenn die Mitwirkungspflicht sich auf Tatsachen und Beweismittel aus dem alleinigen Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen beziehe, könne das Finanzamt aus der Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen sogar für ihn nachteilige Schlussfolgerungen ziehen. Zu den Mitwirkungspflichten i.S.d. § 90 Abs. 2 AO gehöre auch die Auskunftspflicht. Dieser seien die Kläger trotz mehrmaliger Aufforderung nicht nachgekommen. Daher sei das Finanzamt gemäß § 162 Abs. 1 AO zur Schätzung berechtigt gewesen und habe dabei den Schluss ziehen dürfen, dass der Kläger im Inland steuerpflichtige Einkünfte erzielt habe. Der Kläger selbst habe behauptet, dass er Geschäftsführer in der Baubranche sei. Der Streitfall sei mit dem Sachverhalt des vom Kläger angeführten Urteils in BFH/NV 2018, 5 [BFH 09.05.2017 - VIII R 51/14] nicht vergleichbar, da die Vereinnahmung von insgesamt 235.405 € auf einem Konto des Klägers unstrittig sei. Da in der Baubranche tätige Unternehmen regelmäßig in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft mit einem angestellten Geschäftsführer betrieben würden, werde nunmehr jedoch davon ausgegangen, dass der Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt habe. An einem inländischen Wohnsitz und der daraus folgenden unbeschränkten Steuerpflicht bestünden im Hinblick auf die Meldedaten keine Zweifel. Ein Wohnsitz in Russland sei nach Aktenlage dagegen nicht erkennbar. Abgesehen davon würde ein weiterer Wohnsitz im Ausland an der inländischen Steuerpflicht nichts ändern. Aufgrund des Kontrollmaterials sei davon auszugehen, dass die Kläger in M nicht nur über eine Wohnung verfügten, sondern diese auch tatsächlich bewohnten. Infolgedessen könne auch von einer Ansässigkeit in Deutschland i.S.d. Art. 4 des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens vom 29. Mai 1996 (BStBl I 1996, 1490) - DBA-Russland - ausgegangen werden.

    Zur Begründung der hiergegen gerichteten Klage wird ergänzend zur Einspruchsbegründung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen: Die Kläger hielten sich nur wenige Wochen zu Ferienzwecken in Deutschland, überwiegend aber in Russland auf, wo sich der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen befinde. Daher befinde sich der Wohnsitz i.S.d. Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-Russland ausschließlich in Russland. Es existierten keinerlei Hinweise auf eine steuerpflichtige nichtselbständige oder sonstige Tätigkeit in Deutschland, da es eine solche definitiv nicht gebe. Einkünfte aus einer nichtselbständigen Tätigkeit in Russland wären auch dann, wenn ein Wohnsitz in Deutschland bestünde, nach § 15 Abs. 2 Buchst. b DBA-Russland nur in Russland steuerpflichtig, da der Lohn von einem russischen Arbeitgeber bezahlt werden würde. Auch sonstige Einkünfte wären nach Art. 21 DBA-Russland nur in Russland steuerpflichtig.

    Die Kläger beantragen,

    den Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 31. August 2017 in Gestalt des geänderten Einkommensteuerbescheids vom 28. Mai 2018 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung.

    Mit Beschluss vom 10. Januar 2018, auf den Bezug genommen wird, hat der Senat den von Klägern zusammen mit der Klage gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) abgelehnt.

    Am 4. September 2019 erging gemäß § 79 b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Aufklärungsanordnung, in der die Kläger unter Fristsetzung aufgefordert wurden, die Behauptung, die in 2014 aus Russland überwiesenen Beträge stammten aus Mitteln, die vom Kläger ausschließlich in Russland erzielt worden seien, zu substantiieren und insbesondere anzugeben sowie durch geeignete Nachweise zu belegen, von wem die Mittel stammen, wer Absender der überwiesenen Beträge ist, wann und auf welche Weise diese Mittel erworben wurden, ob und gegebenenfalls wie die Mittel im Ausland versteuert wurden, welche Einkünfte (genaue Art und Höhe) die Kläger im Streitjahr im In- und Ausland erzielt haben sowie ob und gegebenenfalls wie die Kläger oder ein Unternehmen der Kläger im Ausland steuerlich erfasst sind.

    Auf die hierzu mit Schriftsätzen vom 25. Oktober und 3. Dezember 2019 eingereichten Unterlagen wird Bezug genommen.

    Am 11. November 2020 hat Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden. Auf das Protokoll hierzu wird verwiesen.

    II.

    1. Die Klage ist unbegründet. Die vom Beklagten vorgenommene Schätzung ist nicht zu beanstanden.

    a) Eine Schätzung setzt voraus, dass die Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt oder nicht berechnet werden können (§ 162 Abs. 1 AO). Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Erklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt. Zwar ist eine Schätzung unzulässig, wenn es um die Frage geht, ob der Steuerpflichtige überhaupt Steuersubjekt ist, z.B. ob ihm bestimmte Einkünfte zuzurechnen sind. Dies ist mithilfe der Beweismittel festzustellen (BFH-Urteile vom 16. November 1982 VII R 108/77, BStBl II 1983, 226 und vom 10. Juni 1999 V R 82/98, BFH/NV 1999, 1575). Eine Schätzung des Grundsachverhalts kommt jedoch nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung entsprechend § 444 Zivilprozessordnung in Betracht, wenn das Sachverhaltsaufklärungsdefizit auf einer Mitwirkungspflichtverletzung des Steuerpflichtigen beruht. Besteht die Verletzung der Mitwirkungspflichten darin, dass der Steuerpflichtige Tatsachen, die ausschließlich oder überwiegend seiner Wissenssphäre zugehören, nicht offenlegt und ist der Sachverhalt anderweitig nicht aufklärbar, ist keine Entscheidung nach Beweislastregeln zu treffen. Vielmehr kann das Finanzamt zum Nachteil des Steuerpflichtigen von einem Sachverhalt ausgehen, für den unter Berücksichtigung der Beweisnähe des Steuerpflichtigen und seiner Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhaltes eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht. Dies gilt auch für nicht bezifferbare Besteuerungsgrundlagen (vgl. BFH-Urteil vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BStBl II 1989, 462).

    Bei einer Schätzung sind die Besteuerungsgrundlagen so zu ermitteln, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahekommen. Da die Steuer dabei nach bloßen Wahrscheinlichkeitserwägungen festzusetzen ist, liegt es in der Natur einer Schätzung, dass sie mit Unsicherheitsfaktoren verbunden ist (vgl. BFH-Urteil vom 18.Dezember 1984 VIII R 195/8, BStBl II 1986, 226, 228 [BFH 18.12.1984 - VIII R 195/82]). Die Unsicherheiten müssen aber vom Steuerpflichtigen in Kauf genommen werden; denn es muss vermieden werden, dass der pflichtwidrig handelnde Steuerpflichtige besser gestellt wird, als ein Steuerpflichtiger, der den ihm obliegenden Pflichten ordentlich und gewissenhaft nachkommt. Will der Steuerpflichtige eine abweichende Schätzung herbeiführen, muss er erweisbare Tatsachen oder Erfahrungssätze vortragen, die geeignet sind, zu dem Schluss zu gelangen, dass ein anderer als der von der Finanzbehörde geschätzte Betrag wahrscheinlicher ist (BFH-Beschluss vom 5. Februar 1993 VIII B 103/92, BFH/NV 1993, 351).

    b) Es besteht kein Zweifel, dass die Kläger im Streitjahr in Deutschland einen Wohnsitz hatten und daher gemäß § 1 Abs. 1 Satz Einkommensteuergesetz (EStG) unbeschränkt steuerpflichtig waren. Die im AdV-Verfahren mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2018 erstmals aufgestellte Behauptung, sie hätten erst ab 1. März 2015 in M gewohnt, ist offensichtlich unzutreffend. Wie sich aus den in den Steuerakten befindlichen Meldeauskünften ergibt, sind die Kläger zwar erst seit 1. März 2015 in der in 2014 erworbenen Eigentumswohnung in der X-Straße 1 in M gemeldet. Bereits zuvor, nämlich vom 1. Juli 2010 bis 1. März 2015, waren sie aber mit Hauptwohnsitz in der Y in M gemeldet. Aus den von der B- Bank übermittelten Kontoauszügen für den Zeitraum 1. März bis 10. Juni 2014 sind nicht nur die für diese Wohnung geleisteten monatlichen Mietzahlungen, sondern auch Abbuchungen von Strom- Telefon- und Rundfunkrechnungen sowie regelmäßige in der näheren Umgebung getätigte Einkäufe von Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs, wie z.B. Drogerieartikeln, Schuhen und Bekleidung, ersichtlich. Daraus ist zu schließen, dass die Kläger sich in dieser Wohnung nicht nur gelegentlich zu Ferienzwecken aufgehalten haben, sondern dort gelebt und die Wohnung damit zu Wohnzwecken genutzt haben. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung des Klägervertreters rechtfertigt der Umstand, dass für die nachfolgenden Monate des Streitjahres keine Kontoauszüge vorliegen und deshalb keine Geldbewegungen mehr ersichtlich sind, nicht die Annahme, dass solche nicht mehr stattgefunden haben und die Kläger daher keinen Wohnsitz in M (mehr) hatten. Dabei handelt es sich um bloße durch nichts belegte Vermutungen des Klägervertreters. Ausweislich der Meldedaten sind die Kläger am 1. März 2015 aus der Wohnung in der Y-Straße aus- und in die in unmittelbarer Nähe befindliche Wohnung in der X-Straße eingezogen. Es bestehen auch keine sonstigen Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger die Wohnung in der Y-Straße bereits vor diesem Umzug aufgegeben hatten.

    Im Streitfall hat der Kläger seine Mitwirkungspflichten dadurch verletzt, dass er das Auskunftsersuchen vom 4. Januar 2017, das die Steuerfahndung im Rahmen ihrer aufgrund der Verdachtsanzeige nach dem Geldwäschegesetz gemäß § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO anzustellenden Ermittlungen berechtigterweise an ihn gestellt hatte, trotz wiederholter Aufforderung und der Festsetzung eines Zwangsgelds ohne Angabe von Gründen nicht beantwortet hat. Es konnte daher nicht aufgeklärt werden, woher die aus Russland überwiesenen Geldmittel in Höhe von insgesamt 235.405 € stammen, die auf dem bereits seit Mai 2008 bei der Deutschen Bank unterhaltenen inländischen Konto des Klägers eingegangen sind. Andere Erkenntnismittel zu diesen sich im Ausland abspielenden und allein im Wissensbereich der Kläger liegenden Vorgängen standen dem Beklagten nicht zur Verfügung. Die Kläger haben weder im Einspruchsverfahren noch im AdV-Verfahren das Geringste zur Aufklärung dieses Sachverhalts beigetragen. Dieses Verhalten setzt sich auch im vorliegenden Hauptsacheverfahren fort. Die Kläger haben keine der in der Aufklärungsanordnung vom 4. September 2019 gestellten Fragen beantwortet, sondern lediglich für die Jahre 2000, 2014, 2018 und 2019 ausgestellte behördliche Bescheinigungen zur steuerlichen Ansässigkeit eines Steuerzahlers in der russischen Föderation vorgelegt. Daraus geht letztlich nur hervor, dass der Kläger in diesen Jahren und damit auch im Streitjahr in Russland steuerlich erfasst war. Dass der Kläger aus einer in Russland ausgeübten Tätigkeit ausschließlich dort steuerpflichtige Einkünfte erzielt hat, ist hieraus nicht ersichtlich. Angaben zur Art einer in Russland ausgeübten und dort steuerlich erfassten Tätigkeit enthalten diese Bescheinigungen nicht. Auch in der mündlichen Verhandlung wurde keinerlei Auskunft über die Art des Erwerbs und die Versteuerung der überwiesenen Geldmittel erteilt. Die Kläger beschränken sich vielmehr nach wie vor auf rechtliche Überlegungen zu hypothetischen Sachverhaltsvarianten und den fortgesetzten Versuch ihren Wohnsitz in Deutschland und damit ihre unbeschränkte Steuerpflicht zu verschleiern. Dieses Verhalten rechtfertigt erst Recht den vom Beklagten gezogenen Schluss, dass die Geldeingänge aus - bisher verheimlichten - im Inland steuerpflichtigen Einkünften stammen.

    Nicht zu beanstanden ist auch, dass der Beklagte in dem angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheid vom 28. Mai 2018 nunmehr von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ausgegangen ist. Der Kläger hat gegenüber der anzeigenden Bank selbst angegeben, er sei als Geschäftsführer in der Baubranche tätig. Im Einspruchsverfahren hat der Kläger außerdem angegeben, er sei "Alleinverdiener". Vor diesem Hintergrund spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Annahme, der Kläger habe aus einer Anstellung als Geschäftsführer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von den Klägern angeführten BFH-Urteil in BFH/NV 2018, 5 [BFH 09.05.2017 - VIII R 51/14]. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem des Streitfalls schon deshalb nicht vergleichbar, weil der Kläger dort bestritten hatte, dass er weiterhin Kapitaleinkünfte erzielt hatte und dafür auch keine sonstigen Anhaltspunkte bestanden haben. Im Streitfall ergibt sich jedoch bereits aus dem Vortrag des Klägers, er habe die Mittel für den Wohnungskauf durch eine in Russland ausgeübte und dort steuerpflichtige Tätigkeit verdient, dass er Einkünfte erzielt hat.

    Der Annahme von im Inland steuerpflichtigen Einkünften steht auch nicht entgegen, dass keine im Inland ausgeübte Tätigkeit feststellbar ist. Denn nach § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG unterliegen der deutschen Einkommensteuer sämtliche dort aufgezählten Einkünfte, die der Steuerpflichtige während seiner unbeschränkten Einkommensteuerpflicht erzielt. Dass die inländische Besteuerung durch das DBA-Russland beschränkt sein könnte, ist nicht ersichtlich. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Kläger i.S.d. Art. 1 DBA-Russland in der Russischen Föderation ansässig sind. Nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Russland ist eine Person in einem Vertragsstaat ansässig, wenn sie nach dem Recht dieses Staates dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes der Gründung als juristische Person durch Registrierung, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Kriteriums unbeschränkt steuerpflichtig ist. Wie im Zusammenhang mit Beitreibung des Gerichtskostenvorschusses festgestellt werden konnte, waren die Kläger unter der in der Klageschrift angegebenen Adresse .... Moskau nicht erreichbar. Der behauptete Hauptwohnsitz in Moskau wurde auch trotz eines entsprechenden Hinweises im AdV-Beschluss vom 10. Januar 2018 nicht belegt. Es ist daher bereits nicht eindeutig, ob die Kläger in Russland einen Wohnsitz haben und deshalb dort unbeschränkt steuerpflichtig sind. Aus den o.g. Bescheinigungen lässt sich dies gleichfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen. In den Bescheinigungen ist weder die in der Klageschrift angegebene Adresse noch eine andere Adresse in Russland enthalten. Es ist auch nicht erkennbar, aufgrund welcher sonstigen Umstände die bescheinigende Behörde von einer unbeschränkten Steuerpflicht in der Russischen Föderation ausgegangen sein könnte. Zwar ist auf Seite 2 des für 2014 am 5. November 2019 ausgestellten Formulars unter "Angaben zur Dauer des Aufenthalts einer natürlichen Person in der Russischen Föderation" das Kästchen mit der nebenstehenden Angabe "183 Tage oder länger" angekreuzt. Dies allein reicht jedoch zum Nachweis eines die unbeschränkte Steuerpflicht auslösenden dauernden Aufenthalts schon deshalb nicht aus, weil nicht erkennbar ist, ob und auf welche Weise die russische Behörde dies überprüft oder dabei lediglich auf die Angaben des Klägers vertraut hat. Im Übrigen würde der Kläger auch dann, wenn er gemäß der o.g. Bescheinigung auch in Russland unbeschränkt steuerpflichtig und damit i.S.d. Art. 4 Abs. 1 DBA-Russland in beiden Vertragsstaaten ansässig wäre, gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-Russland in Deutschland als ansässig gelten, da jedenfalls nicht feststellbar ist, dass die Kläger in Russland ihren Lebensmittelpunkt gehabt hätten. Dies würde zwar das Besteuerungsrecht in Russland nicht grundsätzlich ausschließen. Auch in diesem Fall könnten unter der weiteren Voraussetzung, dass das Besteuerungsrecht nicht gemäß Art. 15 Abs. 2 DBA-Russland allein Deutschland als Ansässigkeitsstaat zugewiesen ist, die Einkünfte, die durch eine in der Russischen Föderation ausgeübte nichtselbständige Tätigkeit erzielt worden sind, gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Russland dort besteuert werden mit der Folge, dass diese Einkünfte gemäß Art. 23 Abs. 2 Buchst. a von der deutschen Steuer freizustellen wären. Dies setzt jedoch gemäß § 50d Abs. 8 EStG den Nachweis voraus, dass die Russische Föderation auf dieses Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die dort auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden. Ein solcher Nachweis wurde trotz der entsprechenden Aufforderung in der Aufklärungsanordnung vom 4. September 2019 nicht erbracht.

    Gegen die Höhe der geschätzten Einkünfte bestehen gleichfalls keine Bedenken. Es wurde im vorliegenden Verfahren nicht mehr vorgetragen, dass die aus Russland überwiesenen und vom Beklagten als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit behandelten Geldmittel aus Schenkungen von Dritten stammen.

    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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