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  • 12.09.2019 · IWW-Abrufnummer 211121

    Verfassungsgerichtshof Sachsen: Beschluss vom 27.06.2019 – Vf. 121-IV-18

    Auslegung einer Beschwerdeschrift im Hinblick auf die angegriffenen Rechtsgüter; Möglichkeit einer Verletzung eigener Grundrechte aus der Verfassung des Freistaates Sachsen; Beschlagnahme von Datenträgern und hierauf gespeicherten Daten


    Verfassungsgerichtshof Sachsen

    Beschl. v. 27.06.2019

    Az.: Vf. 121-IV-18

    In dem Verfahren
    über die Verfassungsbeschwerde

    des Herrn S.,
    Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt xxx
    hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen durch die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes xxx, die Richter xxx,  xxx , die Richterin xxx, die Richter xxx, xxx, xxx, die Richterin xxx und den Richter xxx am 27. Juni 2019 beschlossen:

    Tenor:

    Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

    Gründe

    I.

    Mit seiner am 20. Dezember 2018 bei dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen eingegangenen und mit Schreiben vom 14. Februar 2019 ergänzten Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen zwei Beschlüsse des Amtsgerichts - Ermittlungsrichter - Leipzig vom 3. April 2018 (282 ER 05 Gs 1236/18 und 282 ER 05 Gs 1241/18) und zwei Beschlüsse des Landgerichts Leipzig vom 19. November 2018 (8 Qs 40/18 und 8 Qs 41/18), die dem Beschwerdeführer sowie seiner Verteidigerin jeweils am 26. November 2018 zugestellt wurden, sowie alle "damit zusammenhängenden Entscheidungen".

    Hintergrund der Verfassungsbeschwerde ist ein bei der Staatsanwaltschaft Leipzig gegen den als Rechtsanwalt tätigen Beschwerdeführer geführtes Ermittlungsverfahren (221 Js 70806/17) wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Dieses war auf Grund einer am 12. Dezember 2016 beim Finanzamt B. eingegangenen "Mitteilung von Verdachtsgründen" eingeleitet worden. Darin behauptet der Anzeigeerstatter, der Schwiegervater des Beschwerdeführers, bei der Errichtung des Einfamilienhauses des Beschwerdeführers in M. sei zunächst vorgesehen gewesen, das Objekt zu 40,63% gewerblich als Anwaltsbüro zu nutzen, weshalb ein entsprechender Anteil in den Rechnungen der am Bau beteiligten Firmen - wozu auch sein eigenes Unternehmen gehört habe - ausgewiesen werden sollte. Bei der Ausführung sei dann aber hiervon abgewichen worden. Insbesondere seien Wände und Türen versetzt worden, weshalb die vorgesehene Trennung zwischen gewerblich und privat genutztem Teil nun nicht mehr vorhanden sei. Die als Büro anzusehenden Räumlichkeiten hätten nur noch eine Fläche von ca. 30 m2 statt den ursprünglich vorgesehenen ca. 80 m2. Ebenso sei ihm bekannt, dass Möbel und Einrichtungsgegenstände für den Wohnbereich des Hauses als Büroausstattung deklariert worden seien.

    Aus der beigezogenen Ermittlungsakte ergibt sich, dass im Zuge der Ermittlungen durch die Steuerfahndung unter anderem die Umsatzsteuer- sowie Einkommensteuererklärungen des Beschwerdeführers sowie hierzu eingereichte Unterlagen (einschließlich Gewinnermittlung und Anlagenverzeichnis), Schriftverkehr der Finanzbehörden mit dem Beschwerdeführer und die entsprechenden Steuerbescheide aus den Jahren 2012 bis 2016 geprüft wurden. Ein Aktenvermerk vom 23. Juni 2017 hält hierzu fest, dass für die Positionen "Lampensystem" und "Küche M." Vorsteuer geltend gemacht und jährliche Abschreibungsbeträge abgezogen worden seien. Ob noch weitere Positionen des Anlagevermögens das Büro M. beträfen, könne ohne Blick in die Buchhaltung nicht festgestellt werden. Bei Ermittlungen vor Ort sei am Eingang des Grundstücks lediglich ein Briefkasten für die Anwaltskanzlei des Beschwerdeführers, jedoch kein weiterer Hinweis auf dort befindliche Kanzleiräume vorgefunden worden. Nach anschließender Beiziehung der Bauakten wurde eine Berechnung der betrieblichen Nutzfläche vorgenommen und mit den Angaben des Anzeigeerstatters abgeglichen. In einem Aktenvermerk vom 26. Oktober 2017 heißt es hierzu, dessen Angaben erschienen aus Sicht der Steuerfahndung zutreffend; es sei auch kein Umstand bekannt, weshalb der Anzeigeerstatter bewusst falsche Angaben hätte tätigen sollen. Eine Bezifferung des Steuerschadens müsse zunächst offen bleiben, weil eine tatsächlich private Nutzung weiterer Räumlichkeiten entgegen der geplanten unternehmerischen Nutzung nicht ausgeschlossen werden könne. Die Anschrift in M. habe weder auf der Homepage der Kanzlei noch auf dem Briefpapier ausfindig gemacht werden können. Bei der Aktensichtung seien aktivierte Wirtschaftsgüter aufgefallen, deren betriebliche Veranlassung nicht geklärt werden könne.

    Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht - Ermittlungsrichter - Leipzig auf Grundlage der §§ 102, 105 Abs. 1, § 162 Abs. 1 StPO - ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers - am 3. April 2018 einen Durchsuchungsbeschluss (282 ER 05 Gs 1236/18, künftig: Durchsuchungsbeschluss) betreffend die Person des Beschwerdeführers, dessen Wohnung und Geschäftsräume jeweils mit Nebenräumen in M. sowie an drei Standorten in L., C. und B., der Fahrzeuge und der Bankschließfächer des Beschwerdeführers. Gesucht werden sollte unter anderem nach folgenden Gegenständen:

    - Buchhaltungsunterlagen der Rechtsanwaltskanzlei des Beschwerdeführers der Jahre 2012 bis 2016,
    - Termin- und Kalenderaufzeichnungen zu Besprechungsterminen zur anwaltlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers ab dem Jahr 2012.

    Weiterhin erließ das Amtsgericht - Ermittlungsrichter - Leipzig auf Antrag der Staatsanwaltschaft auf Grundlage der §§ 94, 95, 162 StPO i.V.m. § 14 Abs. 2 TMG, § 113 TKG - ebenfalls ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers - am 3. April 2018 einen Beschluss (282 ER 05 Gs 1241/18, künftig: Sicherstellungs- und Herausgabebeschluss) betreffend die Sicherstellung (mittels Sicherung und Spiegelung) sowie die Herausgabe der sich im Gewahrsam der ... AG (künftig: Provider) befindenden gespeicherten elektronischen Daten (insbesondere E-Mails, Onlinespeicher, Medienspeicher, Kontakte, Kalender etc.) des Beschwerdeführers, bezogen insbesondere auf die Domain der Rechtsanwaltskanzlei des Beschwerdeführers und die im Zusammenhang mit dieser Domain betriebenen E-Mail-Accounts und Datenspeicher, sowie die Herausgabe der beim Provider zum E-Mail-Account hinterlegten Bestandsdaten.

    Zur Begründung beider Beschlüsse wird gleichlautend unter anderem ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im Jahr 2012 mit der Errichtung eines Wohnhauses in M. begonnen und gegenüber dem Finanzamt angegeben, dieses Gebäude zu 40,63% betrieblich als Kanzlei zu nutzen. Dabei sei ihm bewusst gewesen, dass eine betriebliche Veranlassung der Nutzung einzelner Räume innerhalb des privaten Wohnhauses nur dann gegeben sei, wenn diese Räume vom privaten Bereich deutlich abgetrennt seien. Tatsächlich bestehe keine räumliche Trennung zwischen den eindeutig privat genutzten und den möglicherweise betrieblich genutzten Räumen des Hauses. Zudem nutze der Beschwerdeführer das Gebäude in einem deutlich geringeren Umfang für den Geschäftsbetrieb seiner Kanzlei als gegenüber dem Finanzamt angegeben. Dennoch habe er in den Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2012 und 2013 Vorsteuern aus Rechnungen für die Lieferung und Montage einer Alarmanlage sowie einer Einbauküche in vollem Umfang sowie aus Rechnungen für Bauleistungen an dem Gebäude entsprechend dem behaupteten Anteil der betrieblichen Nutzung geltend gemacht, und in den Umsatzsteuerjahreserklärungen der Jahre 2013 bis 2016 keine Berichtigung des Vorsteuerabzugs wegen einer im Umfang verminderten betrieblichen Nutzung erklärt, so dass die Umsatzsteuer für die Jahre 2012 bis 2016 "in noch zu ermittelnder Höhe" zu niedrig festgesetzt worden sei. Zudem habe der Beschwerdeführer in den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2013 bis 2016 Betriebsausgaben in Form von Abschreibungen für Gebäude und Einrichtungsgegenstände geltend gemacht, die wegen fehlender betrieblicher Nutzung jedenfalls nicht in dieser Höhe entstanden seien. Dadurch sei die Einkommensteuer für die Jahre 2013 bis 2016 "in noch zu ermittelnder Höhe" zu niedrig festgesetzt worden. Außerdem habe der Beschwerdeführer verschiedene Wirtschaftsgüter vollständig dem Anlagevermögen der Kanzlei zugeordnet, die aber dem privaten Gebrauch zu dienen bestimmt seien. Für diese habe er in den Umsatzsteuererklärungen den Vorsteuerabzug und in den Einkommensteuererklärungen Betriebsausgaben in Form von Abschreibungen geltend gemacht. Der Verdacht ergebe sich zum einen aus Bauzeichnungen, die der Beschwerdeführer der Bauaufsichtsbehörde mit dem Bauantrag vom 9. Februar 2012 vorgelegt habe.

    Der Verdacht gründe zum anderen auf den Angaben des Schwiegervaters des Beschwerdeführers, der mit seinem Unternehmen Bauleistungen am Objekt erbracht habe, nach denen der Beschwerdeführer im Obergeschoss des Hauses tatsächlich lediglich 30 Quadratmeter für Kanzleizwecke nutze, Wände und Türen entgegen den Bauzeichnungen versetzt worden seien und keine Trennung zu den Privaträumen vollzogen worden sei.

    Die Durchsuchung fand am 16. Mai 2018 an allen Objekten zeitgleich statt. Der Provider stellte am 17. Mai 2018 der Ermittlungsbehörde elektronische Daten (Postfachinhalte) per Download-Link zur Verfügung.

    Wie sich aus der beigezogenen Ermittlungsakte ergibt, wurde der Verteidigerin des Beschwerdeführers durch Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 1. Juni 2018 Akteneinsicht gewährt.

    Der Beschwerdeführer legte sowohl gegen den Durchsuchungsbeschluss als auch gegen den Sicherstellungs- und Herausgabebeschluss Beschwerde ein.

    Mit Beschluss vom 19. November 2018 (8 Qs 40/18) verwarf das Landgericht Leipzig die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss als unbegründet. Mit Beschluss vom selben Tag (8 Qs 41/18) stellte das Landgericht im Hinblick auf den Sicherstellungs- und Herausgabebeschluss fest, dass die angefochtene Entscheidung rechtswidrig war, soweit sie die Sicherstellung und Herausgabe elektronischer Daten vor dem 1. Januar 2012 anordnete; im Übrigen verwarf das Landgericht die diesbezügliche Beschwerde als unbegründet. Zur Begründung der abweisenden Entscheidungen führte das Landgericht jeweils aus, im Zeitpunkt des Erlasses der Beschlüsse hätten tatsächliche Anhaltspunkte für den Anfangsverdacht der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO vorgelegen. Diese ergäben sich aus den Bauzeichnungen, die der Beschwerdeführer der Bauaufsichtsbehörde vorgelegt habe, den daraus sich errechnenden Flächen und den Raumbezeichnungen sowie der darauf nicht vorhandenen räumlichen Trennung der einzelnen Räume. Danach sei die angegebene betriebliche Nutzung von 40,63% der Gesamtfläche des Gebäudes nicht möglich. Die tatsächlichen Umstände seien in den Beschlüssen mehr als hinreichend dargestellt worden. Bereits aus der allgemeinen Schilderung in den Beschlüssen ergebe sich, dass durch vermeintlich unrichtige Angaben des Beschwerdeführers gegenüber dem Finanzamt über den Umfang der betrieblichen Nutzung des Gebäudes und die damit im Zusammenhang stehende Geltendmachung von Vorsteuer bzw. Betriebsausgaben in Form von Abschreibungen die Umsatz- und Einkommensteuer der Jahre 2012 bis 2016 betroffen seien. Im Beschluss 8 Qs 40/18 wird weiter ausgeführt, auch die zu durchsuchenden Objekte und Gegenstände, die aufgrund ihrer potentiellen Beweisbedeutung beschlagnahmt werden sollten, seien hinreichend bestimmt bezeichnet. Insbesondere seien die Buchhaltungsunterlagen geeignet nachzuweisen, dass der Beschwerdeführer Ausgaben in einer konkreten Höhe für sein Privathaus tatsächlich in seine Gewinnermittlung eingebracht habe. Aus den Eintragungen in den Terminkalender ließen sich Rückschlüsse ziehen, ob und in welchem Umfang das Gebäude betrieblich genutzt worden sei.

    Durch zeitliche Begrenzung auf die Zeit ab 2012 sei sichergestellt, dass die Eingriffe in Grundrechte messbar und kontrollierbar blieben. Mit vergleichbaren Erwägungen wurde eine Beweisbedeutung der im Sicherstellungs- und Herausgabebeschluss gegenständlichen Daten für die Zeit vor 2012 verneint und dieser Beschluss insofern als unverhältnismäßig erachtet. Wiederum gleichlautend in beiden angegriffenen Beschwerdeentscheidungen wird ausgeführt, die Durchsuchungen seien geeignet und erforderlich gewesen, zur Klärung des Sachverhalts beizutragen. Der mit den Durchsuchungen einhergehende Eingriff in Grundrechte des Beschwerdeführers stehe auch nicht außer Verhältnis zum Zweck der Durchsuchung, dem Auffinden von Beweismitteln zur Verfolgung von Steuerstraftaten. Zwar liege der Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Anwalt und Mandant auch im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und geordneten Rechtspflege, weshalb diese einer besonderen Berücksichtigung bedürfte. Angesichts der Stellung des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt berührten die zur Last gelegten, nicht völlig unerheblichen Straftaten aber ebenfalls die genannten Interessen.

    Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der Grundrechte aus Art. 30 Abs. 1 SächsVerf, Art. 28 Abs. 1 SächsVerf sowie Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 15 SächsVerf. Der den Entscheidungen zugrunde gelegte Anfangsverdacht sei unzureichend und viel zu vage. Nach Mitteilung von Verdachtsgründen durch den Schwiegervater des Beschwerdeführers im Dezember 2016 sei dessen Person und Aussagemotivation über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren nicht abgeklärt und erst im Mai 2018 - nach Vollzug der Durchsuchungsmaßnahme - eine Zeugenvernehmung durchgeführt worden. Im Rahmen der Ermittlungen hätten Unstimmigkeiten in der Mitteilung von Verdachtsgründen erkannt und die Motivationslage des Anzeigenden näher aufgeklärt werden müssen. Bei entsprechender Prüfung der Bauakte hätte erkannt werden müssen, dass diese einen Planungsstand Februar 2012 aufweise und die Bauzeichnungen lediglich den Anforderungen der Sächsischen Bauordnung im vereinfachten Genehmigungsverfahren hätten genügen, insbesondere aber keinen Aufschluss über etwaige Nutzung, Raumverteilung oder spätere Veränderungen hätten geben müssen. Weder der Ermittlungsrichter noch das Landgericht seien ihrer Verpflichtung zur eigenständigen gewissenhaften Überprüfung des Anfangsverdachtes nachgekommen. Die Durchsuchung sei nicht geeignet gewesen. Es sei nicht ansatzweise nachvollziehbar, wie man aus einem Terminkalender oder Buchhaltungsunterlagen Rückschlüsse darauf ziehen wolle, in welchem Maße eine gewerbliche Nutzung eines Objekts in einem zurückliegenden Zeitraum stattgefunden habe. Zudem hätte nicht der komplette Datenbestand der Kanzlei vom Jahre 2004 an bis zur Durchsuchung beschlagnahmt und ausgewertet werden dürfen. Die Durchsuchung sei auch nicht erforderlich gewesen. Finanzverwaltung und Ermittlungsbehörden hätten ausreichend Zeit und Möglichkeiten gehabt, den Verdachtsgründen nachzugehen; es sei jedoch nichts veranlasst worden. Auch hätte es zahlreiche deutlich weniger einschneidende und dabei grundrechtsschonende Ermittlungsmaßnahmen gegeben, etwa die Vereinbarung eines Besichtigungstermins durch die Steuerbehörden. Im Rahmen eines kurzfristigen Ortstermins hätte sich die Veranlagungsstelle von den baulichen Gegebenheiten und der tatsächlichen Nutzung überzeugen können. Jedenfalls hätte der Verdacht vor einer Durchsuchung durch eine Abklärung der Persönlichkeit des Anzeigeerstatters und durch dessen Zeugenvernehmung erhärtet oder zerstreut werden müssen. Eine besondere Eilbedürftigkeit habe nicht vorgelegen, zumal der innere Bauzustand des Gebäudes keine kurzfristigen Änderungen erlaube. Die angegriffenen Entscheidungen verkennten die Stellung des Beschwerdeführers als Berufsgeheimnisträger i.S.d. § 53 StPO. Das Landgericht hätte in der Entscheidung 8 Qs 41/18 konsequenterweise auch die Unverhältnismäßigkeit der Sicherstellung sämtlicher Daten nach dem 31. Dezember 2016 feststellen müssen, weil auch diese mit dem Ermittlungsverfahren nichts zu tun hätten.

    Durch die Beschlagnahme von Datenträgern und hierauf gespeicherter Daten sei in das Recht der Mandanten des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung - welches der Beschwerdeführer in Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 15 SächsVerf verortet - sowie auf ein faires Verfahren eingegriffen worden. Dies müsse auch der Beschwerdeführer geltend machen können, weil die Verfassungsmäßigkeit der Sicherstellung und Beschlagnahme eines einheitlichen Datenbestandes nicht davon abhängen könne, ob der betroffene Berufsgeheimnisträger oder der Mandant rechtlich hiergegen vorgehe.

    Das Staatsministerium der Justiz hat Gelegenheit gehabt, zum Verfahren Stellung zu nehmen.

    II.

    Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie zulässig ist, nicht begründet.

    1. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich ausschließlich gegen die ermittlungsrichterlichen Beschlüsse des Amtsgerichts Leipzig vom 3. April 2018 (den Durchsuchungsbeschluss sowie den Sicherstellungs- und Herausgabebeschluss) und gegen die Beschlüsse des Landgerichts Leipzig vom 19. November 2018 in den jeweiligen Beschwerdeverfahren. Aus der Beschwerdeschrift ergibt sich schon nicht hinreichend, dass der Beschwerdeführer die Durchsuchung selbst oder dabei ergangene Entscheidungen über Sicherstellungen oder Beschlagnahmen zu den - nicht konkret benannten - mit dem Durchsuchungsbeschluss "zusammenhängenden Entscheidungen" zählt. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich mithin weder gegen die am 16. Mai 2018 durchgeführten Durchsuchungen und dabei bewirkten (auch vorläufigen) Sicherstellungen und Beschlagnahmen diverser Gegenstände noch gegen hierauf bezogene richterliche Beschlüsse. Durchsuchung und Beschlagnahme sind getrennte Entscheidungsgegenstände, und der Beschlagnahme einer Sache steht regelmäßig nicht entgegen, dass sie aufgrund einer rechtsfehlerhaften Durchsuchung erlangt worden ist (BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1998 - 2 BvR 446/98 - juris Rn. 10). Für diese Auslegung der Beschwerdeschrift spricht, dass sich die Begründung der Verfassungsbeschwerde ausdrücklich nur auf verfassungsrechtliche Mängel der "angegriffenen Beschlüsse des Amtsgerichts" und der "Beschwerdeentscheidungen des Landgerichts" bezieht und auf die Durchführung der Durchsuchung und Beschlagnahme bezogene Beschlüsse nicht beigefügt wurden. Soweit sich dem Beschwerdevorbringen weiter entnehmen lässt, dass der Beschwerdeführer im Nachgang der durchgeführten Durchsuchung beim Amtsgericht Anträge auf gerichtliche Entscheidung nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO sowie auf Herausgabe bzw. auf Löschung beschlagnahmter oder sichergestellter Gegenstände gestellt hat, teilt er weder den weiteren fachgerichtlichen Verfahrensablauf hierzu mit noch fügt er seiner Verfassungsbeschwerde etwaige gerichtliche Entscheidungen bei.

    2. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 30 Abs. 1 SächsVerf durch den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 3. April 2018 (282 ER 05 Gs 1236/18) und die entsprechende Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Leipzig vom 19. November 2018 (8 Qs 40/18) geltend macht. Im Übrigen ist sie unzulässig, weil sie insofern nicht den an ihre Begründung zu stellenden Anforderungen (§ 27 Abs. 1, § 28 SächsVerfGHG) genügt.

    a) Nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 SächsVerf i.V.m. § 27 Abs. 1 und § 28 SächsVerfGHG ist eine Verfassungsbeschwerde nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer substantiiert die Möglichkeit einer Verletzung eigener Grundrechte aus der Verfassung des Freistaates Sachsen darlegt. Hierzu muss er den Lebenssachverhalt, aus dem er die Grundrechtsverletzung ableitet, aus sich heraus verständlich wiedergeben und im Einzelnen aufzeigen, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll (SächsVerfGH, Beschluss vom 23. Februar 2010 - Vf. 114-IV-09; Beschluss vom 11. April 2018 - Vf. 20-IV-18; st. Rspr.). Neben der Bezeichnung des angegriffenen Hoheitsaktes und des als verletzt angesehenen Rechts sind die Tatsachen darzulegen, die es dem Verfassungsgerichtshof ohne weitere Ermittlungen ermöglichen, die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde zu prüfen. Auf Grundlage der vorgelegten Unterlagen muss der Verfassungsgerichtshof ohne weitere Nachforschungen in der Lage sein zu beurteilen, ob die behauptete Grundrechtsverletzung zumindest möglich erscheint (SächsVerfGH, Beschluss vom 17. Februar 2011 - Vf. 102-IV-10; Beschluss vom 28. August 2015 - Vf. 77-IV-15; BVerfGE 93, 266 [288]). Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde ist es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, sich anhand hinzugezogener Akten den Lebenssachverhalt selbst zu erschließen, aus dem sich eine behauptete Grundrechtsverletzung ergeben soll (SächsVerfGH, Beschluss vom 25. August 2016 - Vf. 100-IV-16; st. Rspr.).

    b) Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen in Bezug auf den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 3. April 2018 (282 ER 05 Gs 1236/18) und die entsprechende Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Leipzig vom 19. November 2018 (8 Qs 40/18).

    Eine Verletzung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 30 Abs. 1 SächsVerf) erscheint möglich, falls es den angegriffenen richterlichen Entscheidungen formell an den erforderlichen Angaben fehlte oder die Durchsuchung in materieller Hinsicht unzulässig, insbesondere unverhältnismäßig war. Bei der im Rahmen der Überprüfung der Durchsuchungsanordnung vorzunehmenden Abwägung können ferner auch die vom Beschwerdeführer zumindest der Sache nach angeführten Grundrechte aus Art. 28 Abs. 1 SächsVerf und Art. 33 SächsVerf Bedeutung erlangen.

    Einer Sachentscheidung steht insofern nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer die Anwendung bundesrechtlicher Verfahrensnormen (§§ 102, 105 StPO) beanstandet. Der Verfassungsgerichtshof ist befugt, die Anwendung von Verfahrensrecht des Bundes durch die sächsischen Fachgerichte auf die Einhaltung der mit dem Grundgesetz gewährten inhaltsgleichen subjektiven Rechte der Verfassung des Freistaates Sachsen zu überprüfen (SächsVerfGH, Beschluss vom 20. Februar 2003 - Vf. 8-IV-03, st. Rspr.). Die als verletzt gerügte Unverletzlichkeit der Wohnung ist in Art. 13 Abs. 1 GG und Art. 30 Abs. 1 SächsVerf inhaltsgleich verbürgt (SächsVerfGH, Beschluss vom 18. Oktober 2001 - Vf. 82-IV-99).

    Hinsichtlich des Eingriffs in dieses Grundrecht durch eine Durchsuchung gelten gemäß Art. 13 Abs. 2 GG und Art. 30 Abs. 2 SächsVerf inhaltsgleiche Schranken.

    c) In Bezug auf den Sicherstellungs- und Herausgabebeschluss vom 3. April 2018 (282 ER 05 Gs 1241/18) und die entsprechende Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Leipzig vom 19. November 2018 (8 Qs 41/18) ist eine Verletzung von Grundrechten des Beschwerdeführers hingegen nicht hinreichend substantiiert dargetan.

    aa) Der Beschwerdeführer hat schon den Lebenssachverhalt, aus dem er die mögliche Grundrechtsverletzung ableitet, nicht ausreichend wiedergegeben. Die Mitteilung des Inhalts des angegriffenen Beschlusses lässt zwar noch die Möglichkeit eines Eingriffs in Grundrechte des Beschwerdeführers erkennen. Die Prüfung, ob solche Grundrechte auch verletzt sind, ist dem Verfassungsgerichtshof aber ohne die - hier nicht erfolgte - Darlegung nicht möglich, welche konkreten Daten sich - beispielsweise aufgrund etwaiger Verträge mit dem Provider als Diensteanbieter i.S.d. § 2 Nr. 1 Telemediengesetz (TMG) - tatsächlich im Gewahrsam, d.h. auf Rechnern oder sonstigen Speichermedien des Providers befanden bzw. befinden, die deshalb von dem Beschluss möglicherweise betroffen sein konnten. Der Beschwerdeführer teilt nicht einmal mit, ob überhaupt und, wenn ja, welche Dienste der Provider für ihn bzw. für die von ihm betriebene Kanzlei tatsächlich erbringt.

    bb) Die Möglichkeit einer Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Grundrechten aus Art. 33 SächsVerf ist in Bezug auf etwa beim Provider gespeicherte E-Mails schon deswegen nicht hinreichend dargelegt, weil der Zugriff auf die auf dem E-Mailserver des Providers möglicherweise gespeicherten E-Mails nicht am insoweit subsidiären Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu messen ist, sondern allein an dem vom rechtskundigen Beschwerdeführer weder ausdrücklich noch hinreichend der Sache nach konkludent als verletzt gerügten Art. 27 SächsVerf. In seinem Anwendungsbereich, der an die Einschaltung Dritter in den Kommunikationsvorgang anknüpft (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 2009, BVerfGE 124, 43 [54 f.]), enthält Art. 27 SächsVerf bezogen auf den Fernmeldeverkehr eine spezielle Garantie, die die allgemeine Gewährleistung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung verdrängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 2009, BVerfGE 124, 43 [56 f.] [BVerfG 16.06.2009 - 2 BvR 902/06]; Urteil vom 14. Juli 1999, BVerfGE 100, 313 [358]; Urteil vom 27. Juli 2005, BVerfGE 113, 348 [364] [BVerfG 27.07.2005 - 1 BvR 668/04]; Urteil vom 2. März 2006, BVerfGE 115, 166 [BVerfG 02.03.2006 - 2 BvR 2099/04] [188 f.]).

    cc) Die Möglichkeit einer Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung durch die Anordnung der Beschlagnahme sonstiger beim Provider gespeicherten Daten ist ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Es fehlt bereits an Darlegungen zur Frage, ob bzw. dass überhaupt personenbezogene Daten auf der vom Sicherstellungs- und Herausgabebeschluss betroffenen Domain des Beschwerdeführers beim Provider gespeichert waren. Allein der Erlass des Sicherstellungs- und Herausgabebeschlusses vom 3. April 2018 (282 ER 05 Gs 1241/18) sowie die hierzu ergangene Beschwerdeentscheidung indizierten allenfalls einen Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts, nicht indes die Möglichkeit von dessen Verletzung.

    dd) Die Möglichkeit einer Verletzung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf) unmittelbar durch den Sicherstellungs- und Herausgabebeschluss wird vom Beschwerdeführer schon deswegen nicht hinreichend dargetan, weil den strafprozessualen Eingriffsnormen des 8. Abschnitts des Ersten Buchs der Strafprozessordnung keine objektiv berufsregelnde Tendenz entnommen werden kann (SächsVerfGH, Beschluss vom 25. Juni 2009 - Vf. 137-IV-08). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer Zusammenschau strafprozessualer Vorschriften, die das Vertrauensverhältnis zu bestimmten Berufsgeheimnisträgern aufgreifen. § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 97 Abs. 1, § 148 StPO begrenzen relevante Eingriffsbefugnisse; sie vermögen aber - als Ausnahmevorschriften zum Schutz bestimmter Vertrauensverhältnisse zwischen Berufsgeheimnisträgern und Mandanten - keinen spezifischen Zusammenhang zwischen der Eingriffsbefugnis, die lediglich unter bestimmten Voraussetzungen begrenzt wird, und der Berufstätigkeit zu begründen (BVerfG, Beschluss vom 12. April 2005, BVerfGE 113, 29 [BVerfG 12.04.2005 - 2 BvR 1027/02] [48]).

    d) Dem Beschwerdeführer fehlt es nicht an dem notwendigen Rechtschutzinteresse für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der nach Vorstehendem zulässigerweise angegriffenen Beschlüsse des Amtsgerichts Leipzig vom 3. April 2018 (282 ER 05 Gs 1236/18) und des Landgerichts Leipzig vom 19. November 2018 (8 Qs 40/18).

    Zwar hat sich durch die am 16. Mai 2018 vollzogene Durchsuchung die in deren richterlicher Anordnung liegende Beschwer erledigt. Da aber die Durchsuchung einen besonders tiefgreifenden Eingriff in das Grundrecht aus Art. 30 Abs. 1 SächsVerf darstellt, und der Beschwerdeführer die direkte Belastung durch den Beschluss nach dessen Bekanntgabe im ordnungsgemäßen Geschäftsgang des Verfassungsgerichtshofes kaum abwenden konnte, besteht ein schutzwürdiges Interesse an einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung fort (vgl. SächsVerfGH, Beschluss vom 18. Oktober 2001 - Vf. 82-IV-99; Beschluss vom 31. März 2005 - Vf. 120-IV-04; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 5. August 1966, BVerfGE 20, 162 [173] [BVerfG 05.08.1966 - 1 BvR 586/62]; st. Rspr.).

    3. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie unbegründet.

    Die angefochtenen Beschlüsse des Amtsgerichts Leipzig vom 3. April 2018 (282 ER 05 Gs 1236/18) und des Landgerichts Leipzig vom 19. November 2018 (8 Qs 40/18) verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht aus Art. 30 Abs. 1 SächsVerf.

    a) Art. 30 Abs. 1 SächsVerf schützt die Unverletzlichkeit der Wohnung, wozu auch Arbeits- und Geschäftsräume wie Anwaltskanzleien gehören können (SächsVerfGH, Beschluss vom 25. Oktober 2007 - Vf. 90-IV-06; Beschluss vom 31. Januar 2008 - Vf. 93-IV-07; Beschluss vom 25. Juni 2009 - Vf. 137-IV-08). Eine Durchsuchung, die in diese grundrechtlich geschützte Sphäre eingreift, ist nur unter den Voraussetzungen des Art. 30 Abs. 2 SächsVerf und - wie alle Maßnahmen im Strafverfahren - unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig. Erforderlich zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung ist jedenfalls der auf konkreten Tatsachen beruhende Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde. Das Gewicht des Eingriffs verlangt dabei Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. November 1981, BVerfGE 59, 95 [97] [BVerfG 10.11.1981 - 2 BvR 1118/80]; Urteil vom 2. März 2006, BVerfGE 115, 166 [197 f.] [BVerfG 02.03.2006 - 2 BvR 2099/04]; Beschluss vom 21. Januar 2008 - 2 BvR 1219/07 - juris Rn. 12; Beschluss vom 10. November 2017 - 2 BvR 1775/16 - juris Rn. 25 f.).

    Bei Maßnahmen, die - wie regelmäßig eine Durchsuchung - ohne vorherige Anhörung des Betroffenen ergehen, soll die Einschaltung des Richters nach Art. 30 Abs. 2 Halbsatz 1 SächsVerf für eine gebührende Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten sorgen. Der anordnungsbefugte Richter muss dabei die beabsichtigte Maßnahme eigenverantwortlich prüfen und hat dafür Sorge zu tragen, dass die sich aus der Verfassung und dem einfachen Recht ergebenden Voraussetzungen der Durchsuchung beachtet werden. Der Verfassungsgerichtshof hat die Entscheidung des Richters aber nicht darauf zu kontrollieren, ob die Anwendung der einfachrechtlichen Durchsuchungsvoraussetzungen und die Subsumtion eines Sachverhalts unter einschlägige Normen den gesetzlichen Bestimmungen entsprachen; er ist allein zur Wahrung des Verfassungsrechts berufen.

    Nur wenn die Anordnung einer Durchsuchung erkennen lässt, dass das Fachgericht Inhalt und Tragweite des Grundrechts aus Art. 30 SächsVerf verkannt hat, ist ein Eingreifen des Verfassungsgerichtshofes angezeigt (SächsVerfGH, Beschluss vom 20. April 2006 - Vf. 40-IV-06; Beschluss vom 28. April 2009 - Vf. 127-IV-08 (HS); st. Rspr.).

    Um den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen, muss ein Durchsuchungsbefehl in formeller Hinsicht bestimmte Mindestangaben enthalten. Der Schutz der Privatsphäre des Betroffenen, die auch von übermäßigen Maßnahmen einer an sich zulässigen Durchsuchung betroffen sein kann, darf nicht allein den Beamten, denen die Durchsuchung obliegt, überlassen bleiben. Es ist vielmehr Aufgabe des Richters, von vornherein für eine angemessene Begrenzung der Zwangsmaßnahme Sorge zu tragen. Ihn trifft insoweit die Pflicht, durch eine geeignete Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sicherzustellen, dass der Eingriff in die Grundrechte messbar und kontrollierbar bleibt (SächsVerfGH, Beschluss vom 18. Oktober 2001 - Vf. 82-IV-99; Beschluss vom 25. Oktober 2007 - Vf. 90-IV-06).

    Ein auf § 102 StPO gestützter schriftlicher Durchsuchungsbeschluss muss den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen in gegenständlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Er hat grundsätzlich auch die zu durchsuchenden Objekte und die Art und den vorgestellten Inhalt derjenigen Beweismittel, nach denen gesucht werden soll, so zu bezeichnen, wie es nach Lage der Dinge geschehen kann (SächsVerfGH, Beschluss vom 25. Oktober 2007 - Vf. 90-IV-06; st. Rspr.).

    Neben diesem formellen Erfordernis unterliegt ein Durchsuchungsbeschluss in materieller Hinsicht dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Zwangsmaßnahme muss zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat geeignet und erforderlich sein. Dies ist nicht der Fall, wenn die Durchsuchung nicht den Erfolg verspricht, geeignete Beweismittel zu erbringen, oder andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Ferner muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des bestehenden Tatverdachts stehen (SächsVerfGH, Beschluss vom 25. Juni 2009 - Vf. 137-IV-08; st. Rspr.). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es grundsätzlich Sache der ermittelnden Behörden ist, über die Zweckmäßigkeit und die Reihenfolge vorzunehmender Ermittlungshandlungen zu befinden. Ein Grundrechtseingriff ist aber jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn naheliegende grundrechtsschonende Ermittlungsmaßnahmen ohne greifbare Gründe unterbleiben oder zurückgestellt werden und die vorgenommene Maßnahme außer Verhältnis zur Stärke des in diesem Verfahrensabschnitt vorliegenden Tatverdachts steht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. November 2005 - 2 BvR 728/05 - juris Rn. 24; Beschluss vom 10. November 2017 - 2 BvR 1775/16 - juris Rn. 27). Im Einzelfall können die Geringfügigkeit der zu ermittelnden Straftat, eine geringe Beweisbedeutung der zu beschlagnahmenden Gegenstände sowie die Vagheit des Auffindeverdachts der Durchsuchung entgegenstehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 2.März 2006, BVerfGE 115, 166 [198] [BVerfG 02.03.2006 - 2 BvR 2099/04]; Beschluss vom 31. August 2010 - 2 BvR 223/10 - juris Rn. 25). In die vorzunehmende Abwägung sind neben dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung auch weitere von der Durchsuchung betroffene Grundrechte, auch solche Dritter, sowie die Schwere des Eingriffs in den jeweiligen Schutzbereich einzustellen.

    So stellt eine Durchsuchung bei einem Rechtsanwalt wegen des Vertrauens, das ihm seine Mandanten entgegenbringen, regelmäßig einen besonders gewichtigen Eingriff nicht nur in seine Privatsphäre, sondern auch in sein Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 28 Abs. 1 SächsVerf) und in das Persönlichkeitsrecht seiner Mandanten dar (SächsVerfGH, Beschluss vom 18. Oktober 2001 - Vf. 82-IV-99; vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. August 1994 - 2 BvR 983/94 und 1258/94 - juris Rn. 14).

    b) Diesen Anforderungen genügt der angegriffene Durchsuchungsbeschluss. Er ist in formeller Hinsicht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (hierzu aa) und hält auch einer Prüfung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (noch) stand (hierzu bb).

    aa) Der Durchsuchungsbeschluss begegnet in formeller Hinsicht keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Er beschreibt den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tatvorwurf hinreichend (hierzu 1) und bezeichnet die zu durchsuchenden Objekte und die Art und den vorgestellten Inhalt derjenigen Beweismittel, nach denen gesucht werden soll so, wie es nach Lage der Dinge geschehen konnte (hierzu 2).

    (1) Vom Ermittlungsrichter ist zu verlangen, dass im Durchsuchungsbeschluss ein dem Beschuldigten angelastetes Verhalten geschildert wird, das - wenn es wirklich begangen worden sein sollte - den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt (SächsVerfGH, Beschluss vom 25. Juni 2009 - Vf. 137-IV-08; vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. September 2006 - 2 BvR 1219/05 - juris Rn. 16).

    Der dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Straftatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO setzt voraus, dass der Täter den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Angesichts dieses Gesetzeswortlauts gehört zu einer im Ermittlungsverfahren ausreichenden vergröbernden Schilderung des Tatverdachts einer Steuerhinterziehung jedenfalls die Angabe, welche Steuer und welcher steuerbare Gegenstand betroffen sind und durch welche Verletzung einer steuerrechtlichen Verpflichtung die Steuerverkürzung oder der Steuervorteil bewirkt worden sein soll (BVerfG, Beschluss vom 4. Juli 2006 - 2 BvR 950/05 - juris Rn. 16).

    Der Durchsuchungsbeschluss genügt im Hinblick auf die Darstellung des Tatvorwurfs nach dem Stand der Ermittlungen diesen rechtsstaatlichen Anforderungen. In den Gründen des Beschlusses wird zum einen generell das etwaige Vorstellungsbild des Beschwerdeführers bei Einreichung seiner Steuererklärungen, werden zum anderen konkrete Tathandlungen und -zeiten angegeben; das Amtsgericht hat sich insoweit nach eigener Überprüfung den Anfangsverdacht erkennbar zu eigen gemacht. Der Beschluss führt aus, dass eine weitergehende Differenzierung hinsichtlich der tatsächlichen gewerblichen Nutzung des Objekts, insbesondere in räumlicher Hinsicht, zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses nicht möglich sei. Dagegen ist nichts zu erinnern, sollte dies doch gerade im Wege der Durchsuchung ermittelt werden. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist zudem, dass kein konkreter Betrag und keine konkrete Spanne angegeben war, um welchen die Steuer verkürzt worden sein soll. Wie sich dem Beschluss unzweifelhaft entnehmen ließ, war zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt, ob und in welchem Umfang der Beschwerdeführer das Gebäude in M. tatsächlich gewerblich nutzte. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass der Beschluss angibt, die Steuern seien "in noch zu ermittelnder Höhe" zu niedrig festgesetzt worden.

    (2) Ferner sind im angegriffenen Durchsuchungsbeschluss die Gegenstände, nach denen gesucht werden sollte, noch so konkret bezeichnet, dass die mit dem Vollzug des Beschlusses betrauten Beamten ohne Weiteres in die Lage versetzt wurden, die Gegenstände in den Durchsuchungsobjekten aufzufinden, so dass der Eingriff messbar und kontrollierbar blieb.

    bb) Die fachgerichtliche Bewertung, die angeordnete Durchsuchung sei zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat geeignet und erforderlich und stehe in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachtes, widerspricht nicht verfassungsrechtlichen Anforderungen.

    (1) Das Amtsgericht ist ohne erkennbaren Verfassungsverstoß von einem zureichenden Anfangsverdacht der Steuerhinterziehung ausgegangen.

    Im Durchsuchungsbeschluss ist der Anfangsverdacht damit begründet worden, dass konkrete Anhaltspunkte bestünden für eine von den durch den Beschwerdeführer beim Finanzamt eingereichten Umsatz- und Einkommensteuererklärungen erheblich abweichende tatsächliche betriebliche Nutzung einzelner Räume des Hauses in M. sowie einzelner Wirtschaftsgüter. Diese Wertung ist auch in Ansehung des Verfassungsbeschwerdevorbringens u.a. zur Verlässlichkeit des Anzeigeerstatters weder willkürlich noch weist sie auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung der Grundrechte des Beschwerdeführers hin.

    (2) Dieser Verdacht gründete entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht auf bloße Vermutungen, sondern auf die durch die Steuerfahndung verifizierten und damit objektivierten Angaben des Anzeigeerstatters.

    Demgegenüber beschränkt sich der Beschwerdeführer - mit unterschiedlichen sprachlichen Wendungen - auf das Vorbringen, der Anfangsverdacht sei viel zu vage gewesen, der Anzeigeerstatter habe "offensichtlich unplausible Angaben" getätigt, die einer Gegenprüfung bedurft hätten, die Ermittlungsbehörden hätten aber vor Erwirkung des Durchsuchungsbeschlusses "keinerlei Aufklärungsmaßnahmen" bzw. "keinerlei Vorabklärung" der Person und Aussagemotivation des Anzeigeerstatters durchgeführt, es sei vielmehr gar nichts veranlasst worden. Damit setzt er sich trotz gewährter Akteneinsicht insbesondere nicht mit den Ermittlungsmaßnahmen von Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung auseinander, die in der Ermittlungsakte dokumentiert sind.

    (3) Das Amtsgericht geht ohne Verfassungsverstoß davon aus, dass die aufzufindenden Buchhaltungsunterlagen des Beschwerdeführers aus den Jahren 2012 bis 2016 (indiziellen) Aufschluss darüber geben könnten, ob dieser Ausgaben in bestimmter Höhe für das Objekt in M. auch in seine Gewinnermittlung eingebracht habe oder nicht.

    Ohne Verfassungsverstoß ist das Amtsgericht auch davon ausgegangen, dass die Durchsicht der Termin- und Kalenderaufzeichnungen des Beschwerdeführers Rückschlüsse darauf zuließen, ob bzw. in welchem Umfang das Objekt in M. einer betrieblichen Nutzung unterlag. Es war davon auszugehen, dass, sollten tatsächlich Mandanten- oder Mitarbeiterbesprechungen in dem Objekt stattgefunden haben, diese auch unter Angabe des Besprechungsorts in den entsprechenden Kalendern notiert worden waren. Allein mit Hilfe der Kalenderaufzeichnungen kann die tatsächliche Nutzung des Objektes für den Geschäftsbetrieb der Kanzlei des Beschwerdeführers zwar direkt nicht belegt werden. Den Eintragungen im Terminkalender kommt indes indizielle Bedeutung für Art und Umfang der tatsächlichen Nutzung zu, die der weiteren Aufklärung des Verdachts dienen könnte, namentlich den Beschwerdeführer vom Tatverdacht entlasten könnte. Der Durchsuchungsbeschluss schließt zwar außerdem nicht aus, dass das Objekt überhaupt - wenn auch "in einem deutlich geringeren Umfang" - für den Geschäftsbetrieb der Kanzlei des Beschwerdeführers genutzt worden sein könnte, so dass etwaige Mandanten- oder Mitarbeiterbesprechungen daher auch in diesem ggf. kleineren Bereich stattgefunden haben können, ohne dass dies zwingend den Tatverdacht ganz oder teilweise ausräumen könnte; auch dann bleibt aber die indizielle Bedeutung im Rahmen der Gesamtbewertung der anderweitigen Anhaltspunkte. Indizwirkung ergäbe sich auch für den umgekehrten Fall, dass sich aus den Kalenderaufzeichnungen keinerlei solche Termine ablesen ließen. Daraus folgte zwar nicht zwingend, dass das fragliche Objekt gar nicht betrieblich genutzt worden war, weil eine steuerrechtlich relevante betriebliche Nutzung des Hauses auch bei ausschließlicher Nutzung etwa zu Archivzwecken ohne jeglichen Besucherverkehr möglich wäre; es ist aber nicht von vornherein ungeeignet, in Verbindung mit weiteren Tatsachen (etwa der Menge des aufgefundenen Archivgutes) Rückschlüsse auf den Umfang, mithin den Anteil einer etwaigen betrieblichen Nutzung, zuzulassen.

    Mit Blick auf den Zeitpunkt der Durchsuchung, der längere Zeit nach dem Ablauf der steuerlichen Veranlagungszeiträume 2012 bis 2016 lag, kann Aufzeichnungen zu Terminen nach dem 31. Dezember 2016 zwar keine direkte Indizwirkung für die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse in den Veranlagungszeiträumen mehr beigemessen werden; bei nach Art und Umfang etwa gleichbleibenden Eintragungen auch in der Zeit nach dem 31. Dezember 2016 sind indes Rückschlüsse auf eine der Auffindesituation entsprechende Nutzung denkbar.

    Im Übrigen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Annahme potentieller Beweiseignung der im Beschluss aufgeführten Gegenstände. Solche werden auch vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht.

    (4) Überdies hält die dem Durchsuchungsbeschluss zugrunde liegende Annahme des Amtsgerichts, die Durchsuchung sei zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich und angemessen, einer verfassungsrechtlichen Überprüfung (noch) stand. Entgegen der Bewertung des Beschwerdeführers haben die Ermittlungsbehörden nicht naheliegende grundrechtsschonende Ermittlungsmaßnahmen ohne greifbare Gründe unterlassen. Auch stand der Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des bestehenden Tatverdachts.

    Insbesondere mussten die Umstände des vorliegenden Falles - auch im Lichte der vom Bundesverfassungsgericht aus dem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG entwickelten speziellen Anforderungen an die Rechtfertigung von Durchsuchungsmaßnahmen (BVerfG, Beschluss vom 10. November 2017 - 2 BvR 1775/16 - juris Rn. 27 m.w.N.) - den Ermittlungsbehörden nicht Anlass geben, vor der Durchführung einer Durchsuchung in Wohn- und Geschäftsräumen den Anzeigeerstatter oder den Beschwerdeführer zu vernehmen.

    Die tatsächlichen Anhaltspunkte, die auf das Vorliegen einer Straftat der Steuerhinterziehung und eine Täterschaft des Beschwerdeführers hindeuteten, waren - anders als in der von der Verfassungsbeschwerde herangezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - nicht lediglich "sehr schwach" ausgeprägt. Vielmehr waren die vom Anzeigeerstatter vorgebrachten Anschuldigungen durch den Abgleich von Steuer- und Bauunterlagen plausibilisiert und - soweit möglich - anhand objektiver Umstände vor Ort verifiziert. Zudem war ihrer Art nach die im Raum stehende Straftat auf die durchsuchten Räumlichkeiten in M. bezogen und setzte eine gezielte Täuschung der Steuerbehörde über deren Nutzung voraus, die nicht nur kurzfristig erfolgt sein sollte; die Entdeckungs- und Beweisschwierigkeiten einer von der erklärten Nutzung abweichenden tatsächlichen Nutzung in einem vom öffentlichen Raum abgeschotteten Bereich kommen hinzu.

    Die in Betracht kommende Straftat war von ihrem Unrechtsgehalt her nicht lediglich im unteren Bereich anzusiedeln, mithin nicht geringfügig, und offenbarte - eine Bestätigung des Verdachts unterstellt - ein nachhaltiges und planvolles Vorgehen des Beschwerdeführers. Als geringfügig gelten Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind (BVerfG, Beschluss vom 29. Januar 2015 - 2 BvR 497/12 - juris Rn. 19). Vorliegend stand der Verdacht einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO im Raum, die im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren bedroht und daher in diesem Sinne schon nicht mehr geringfügig war.

    Bei dieser Sachlage waren die Ermittlungsbehörden zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit nicht gehalten, eine Vernehmung des Anzeigeerstatters als Zeugen durchzuführen, bevor sie eine Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers in Betracht ziehen durften. Eine andere Bewertung ist auch nicht vor dem Hintergrund fehlender Eilbedürftigkeit angezeigt (zu diesem Aspekt BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2014 - 2 BvR 2393/12 - juris Rn. 29). Darüber hinaus war zu berücksichtigen, dass nach dem Kenntnisstand der Ermittlungsbehörden der Anzeigeerstatter der Schwiegervater des Beschwerdeführers war und damit in persönlicher Beziehung zu diesem stand. Bei dieser Sachlage konnte trotz der erfolgten Anzeige nicht ausgeschlossen werden, dass der Anzeigeerstatter im Rahmen einer Vernehmung - etwa wegen einer mittlerweile eingetretenen Versöhnung oder, weil er durch weitere Aussagen seiner eigenen Tochter keinen Nachteil würde zufügen wollen - die zuvor gemachten Angaben relativieren oder sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen würde.

    Inwiefern eine vor der Durchsuchung vorgenommene Beschuldigtenvernehmung den Tatvorwurf hätte entkräften oder endgültig zerstreuen können, ist auch sonst nicht erkennbar. Der Verweis des Beschwerdeführers auf die Möglichkeit der Steuerbehörden, einen Besichtigungstermin zu vereinbaren oder eine Außenprüfung vorzunehmen, und die darüber hinaus behauptete generelle Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers genügt schon deshalb nicht, weil das Kooperationsangebot nicht in gleicher Weise geeignet ist wie die Durchsuchung (SächsVerfGH, Beschluss vom 28. April 2009 - Vf. 127-IV-08 [HS]). Selbst wenn die baulichen Gegebenheiten möglicherweise nicht kurzfristig derart hätten geändert werden können, dass sie den Angaben des Beschwerdeführers in den Steuererklärungen entsprochen hätten, war zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses zumindest nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer einfach zu bewerkstelligende Veränderungen in der Zimmeraufteilung oder -nutzung vornehmen oder die möglicherweise nicht (mehr) bestehende räumliche Trennung zwischen privatem und gewerblich genutzten Teil (wieder) herstellen könnte, um den etwaigen Verstoß abzumildern. Es war mithin nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer hätte geltend machen können, dass die Nutzungsverhältnisse bei einer Besichtigung im Mai 2018 nicht mehr jenen in den Veranlagungszeiträumen 2012 bis 2016 entsprächen, und eine Vernehmung des Beschwerdeführers als Beschuldigten es diesem hätte ermöglichen können, den Nachweis einer tatsächlich abweichenden Nutzung in der Vergangenheit zu erschweren oder gar zu vereiteln.

    (5) Schließlich kann sich der Beschwerdeführer auch nicht mit Erfolg auf seine Eigenschaft als Berufsgeheimnisträger i.S.d. § 53 StPO bzw. auf seine Stellung als Organ der Rechtspflege berufen. Der dieser Tätigkeit innewohnende Schutz des Vertrauensverhältnisses zu seinen Mandanten ist vorliegend nicht in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise ausgehöhlt worden.

    Der besondere Schutz von Berufsgeheimnisträgern (§ 53 StPO) gebietet bei der Anordnung der Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei die besonders sorgfältige Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Die Strafverfolgungsbehörden haben dabei das Ausmaß der - mittelbaren - Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit der Betroffenen zu berücksichtigen. Richtet sich eine strafrechtliche Ermittlungsmaßnahme gegen einen Berufsgeheimnisträger in der räumlichen Sphäre seiner Berufsausübung, so bringt dies regelmäßig die Gefahr mit sich, dass unter dem Schutz des Art. 33 SächsVerf stehende Daten von Nichtbeschuldigten, etwa den Mandanten eines Rechtsanwalts, zur Kenntnis der Ermittlungsbehörden gelangen, die die Betroffenen in der Sphäre des Berufsgeheimnisträgers gerade sicher wähnen durften. Dadurch werden die Grundrechte der Mandanten berührt. Der Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Anwalt und Mandant liegt darüber hinaus auch im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und geordneten Rechtspflege. Diese Belange verlangen eine besondere Beachtung bei der Prüfung der Angemessenheit der Zwangsmaßnahme (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. April 2005, BVerfGE 113, 29 [47 ff.] [BVerfG 12.04.2005 - 2 BvR 1027/02]; Beschluss vom 29. Januar 2015 - 2 BvR 497/12 - juris Rn. 18; st. Rspr.).

    Auch diesen - besonders strengen - Maßstäben wurden die angegriffenen Entscheidungen gerecht. Der Durchsuchungsbeschluss erfasst - mit Ausnahme der Termin- und Kalenderaufzeichnungen und der Buchhaltungsunterlagen - keine Unterlagen, welche möglicherweise dem Zeugnisverweigerungsrecht des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt unterliegen könnten, sondern beschränkt sich auf Unterlagen, bei denen ein Zusammenhang zu den steuerlichen Erklärungen des Beschwerdeführers offensichtlich war. Der durch den Durchsuchungsbeschluss eröffnete Zugriff auf dem Mandantengeheimnis unterliegende Informationen beschränkt sich zudem auf Daten zur äußeren Abwicklung des Mandatsverhältnisses, ohne deren inhaltliche Abwicklung in den Blick zu nehmen. Die Sicherung umfangreicher Mandantendaten bzw. -akten war nicht vom Beschluss umfasst, betraf also nicht die Anordnung der Durchsuchung, sondern allenfalls den Vollzug der Durchsuchung.

    Mit Blick hierauf gewinnt die - vom Landgericht aufgegriffene - verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Auffassung des Amtsgerichts an Gewicht, dass angesichts der Stellung des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt - also eines Organs der Rechtspflege - und des Verdachtes einer Steuerhinterziehung in nicht unerheblicher Höhe die Interessen der Allgemeinheit an einer wirksamen und geordneten Rechtspflege berührt werden.

    III.

    Die Entscheidung ist kostenfrei (§ 16 Abs. 1 Satz 1 SächsVerfGHG).

    RechtsgebieteSächsVerf, SächsVerfGHG VorschriftenArt. 81 Abs. 1 Nr. 4 SächsVerf, § 27 Abs. 1 SächsVerfGHG, § 28 SächsVerfGHG

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