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  • 16.08.2019 · IWW-Abrufnummer 210639

    Bundesgerichtshof: Beschluss vom 23.05.2019 – 1 StR 479/18


    Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am 23. Mai 2019 gemäß § 44 Satz 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

    Tenor:
    1. Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 4. Mai 2018 auf seinen Antrag und auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Damit ist der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 14. August 2018, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos.


    2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen aufgehoben.


    3. Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen.


    4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.



    Gründe

    1


    Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels in sieben Fällen, wegen Beihilfe zum gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggel in drei Fällen und wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Schmuggel zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Des Weiteren hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen den Angeklagten - als Gesamtschuldner mit dem Nichtrevidenten E. - in Höhe von 106.099,60 Euro angeordnet.


    2


    Die hiergegen eingelegte Revision des Angeklagten hat - nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision, mit der der Verwerfungsbeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 14. August 2018 gegenstandslos wird - nur hinsichtlich der Einziehungsentscheidung Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet ( § 349 Abs. 2 StPO ).




    I.

    3


    Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 106.099,60 Euro gemäß § 73 Abs. 1 , § 73c Satz 1 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.


    4


    1. Die Strafkammer hat folgende für die Einziehungsentscheidung bedeutsame Feststellungen und Wertungen getroffen:


    5


    Der nichtrevidierende Mitangeklagte E. handelte mit Wasserpfeifentabak aus der Schweiz, indem er regelmäßig große Mengen Wasserpfeifentabak bei verschiedenen Wasserpfeifentabaklieferanten in der Schweiz erwarb, diesen entgegen Art. 40 ZK aF i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG , §§ 19 , 21 TabStG ohne Gestellung bei der nächstgelegenen annahmebereiten Zollstelle sowie ohne Anmeldung der fälligen Einfuhrabgaben (Zoll, Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer) über die Grenze in die Bunderepublik Deutschland in das Gemeinschaftsgebiet einführte, um diesen gewinnbringend im Inland an Betreiber diverser Shisha-Bars oder Tabakhändler zu verkaufen.


    6


    Der Angeklagte beteiligte sich in 11 Fällen in unterschiedlicher Weise an den Einfuhrtaten des Mitangeklagten E. . Er fuhr in sieben Fällen jeweils auf dessen Weisung mit einem zuvor hierfür angemieteten Fahrzeug von Deutschland in die Schweiz, wobei er jeweils zuvor Bargeld für den Ankauf des von dem Mitangeklagten E. bestellten Wasserpfeifentabaks erhalten hatte (Fälle 1-5, 8 und 10 der Urteilsgründe). Nach Ankauf des Wasserpfeifentabaks lenkte der Angeklagte den PKW als Fahrer mit dem unversteuerten und unverzollten Wasserpfeifentabak selbst über die Grenze nach Deutschland.


    7


    Der Angeklagte erhielt für jede der Fahrten aus der Schweiz nach Deutschland sowie in Deutschland eine Entlohnung in Höhe von 150 Euro, im Übrigen für Fahrten in der Schweiz in Höhe von 100 Euro. Das Landgericht hat, gestützt auf die Fälle 1-5, 8 und 10 der Urteilsgründe, die Einziehung von Wertersatz der von dem Angeklagten als zollamtlichem Verbringer (Art. 40 ZK) der Waren hinterzogenen Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt 106.099,60 Euro angeordnet.


    8


    2. Die strafrechtliche Vermögensabschöpfung richtet sich vorliegend gemäß Art. 316h Satz 1 EGStGB nach den durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I 2017, 872) eingeführten und am 1. Juli 2017 in Kraft getretenen neuen Regelungen der §§ 73 ff. StGB .


    9


    3. Beim Delikt der Steuerhinterziehung kann die verkürzte Steuer "erlangtes Etwas" i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der Täter die Aufwendungen für diese Steuern erspart (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2018 - 1 StR 36/17 Rn. 18 mwN; Beschlüsse vom 4. Juli 2018 - 1 StR 244/18 Rn. 7; vom 11. Mai 2016 - 1 StR 118/16 Rn. 8; vom 13. Juli 2010 - 1 StR 239/10 , wistra 2010, 406 und vom 28. November 2000 - 5 StR 371/00 Rn. 16 ff.; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 73 Rn. 20; Köhler, NStZ 2017, 497, 503 f.; Reh,wistra 2018, 414, 415).


    10


    Dies gilt jedoch nicht schlechthin, weil die Einziehung an einen durch die Tat beim Täter tatsächlich eingetretenen Vermögensvorteil anknüpft. Im Hinblick auf die Struktur der Tabaksteuer als Verbrauch- bzw. Warensteuer (dazu Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., § 2 Rn. 47 mwN) ergibt sich ein unmittelbar messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren, auf die sich die Hinterziehung der Tabaksteuern bezieht, einen Vermögenszuwachs erzielt, beispielsweise in Form eines konkreten Vermarktungsvorteils. Offene Steuerschulden begründen hingegen - anders als das Landgericht meint - nicht stets über die Rechtsfigur der ersparten Aufwendungen einen Vorteil im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB . Die Abschöpfung nach §§ 73 ff. StGB setzt mehr voraus als die bloße Erfüllung des Steuerstraftatbestandes. Maßgeblich bleibt immer, dass sich ein Vorteil im Vermögen widerspiegelt. Nur dann hat der Täter durch die ersparten (steuerlichen) Aufwendungen auch wirtschaftlich etwas erlangt.


    11


    Der Angeklagte hat die Steuerersparnis in vorgenanntem Sinne zu keinem Zeitpunkt des Tatablaufs wirtschaftlich erlangt. Denn aufgrund der zwischen den Beteiligten getroffenen Abreden war der Wasserpfeifentabak, auf den sich die Hinterziehung der Einfuhrabgaben bezog, allein für den Weiterverkauf durch den Mitangeklagten E. bestimmt, so dass der Angeklagte durch die Taten zu keinem Zeitpunkt selbst einen wirtschaftlichen Vorteil gezogen hat. Als Gegenleistung und mithin "für die Tat" im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt hat er lediglich die Löhne für die von ihm durchgeführten Fahrten, sodass diese gemäß §§ 73 , 73c StGB abzuschöpfen sind.




    II.

    12


    Die Entscheidung über die Einziehung bedarf neuer Verhandlung und Entscheidung. Da das Landgericht die Höhe der von dem Angeklagten erhaltenen Entlohnung nicht im Einzelnen festgestellt hat, sieht sich der Senat gehindert, selbst zu entscheiden. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind ( § 353 Abs. 2 StPO ). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen hinsichtlich der entlohnten Schmuggel- bzw. Begleitfahrten treffen.


    Raum
    Bär
    Hohoff
    Leplow
    Pernice

    Vorschriften§ 349 Abs. 2 StPO, § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB, § 21 Abs. 2 UStG, §§ 19, 21 TabStG, Art. 316h Satz 1 EGStGB, §§ 73 ff. StGB, § 73 Abs. 1 StGB, §§ 73, 73c StGB, § 353 Abs. 2 StPO

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