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  • 13.07.2017 · IWW-Abrufnummer 195106

    Kammergericht Berlin: Beschluss vom 17.03.2017 – 5 Ws 67/17

    In Fällen hoher Steuerschäden kann eine Strafaussetzung zur Bewährung bereits nach Verbüßung der Hälfte der Strafe in besonderem Maße auf das Unverständnis der Bevölkerung stoßen und deren Rechtstreue beeinträchtigen.


    Tenor:

    Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin wird Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 20. Januar 2017 aufgehoben.

    Der Antrag des Verurteilten, die Vollstreckung der Reststrafe aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Januar 2013 zur Bewährung auszusetzen, wird abgelehnt.
    Gründe

    Der Beschwerdegegner befindet sich ... in Strafhaft. Er verbüßt eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und fünf Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Januar 2013 - (536) 2 St Js 1532/08 KLs (9/12) - wegen 2.785 Fällen des gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels, davon in 960 Fällen in Tateinheit mit Steuerhinterziehung und in 974 weiteren Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung.

    Die Hälfte dieser Strafe ist seit dem 16. September 2016 vollstreckt; zwei Drittel der Strafe werden am 11. Februar 2018 vollstreckt sein. Das Strafende ist auf den 2. Dezember 2020 notiert.

    Das Landgericht Berlin - Strafvollstreckungskammer - hat die Vollstreckung der Reststrafe durch Beschluss vom 20. Januar 2017 ab dem 25. Januar 2017 (Tagesende) für die Dauer von vier Jahren zur Bewährung ausgesetzt und den Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung des örtlich zuständigen hauptamtlichen Bewährungshelfers unterstellt.

    1. Die gegen die Aussetzung der Restfreiheitsstrafe gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin ist statthaft (§ 454 Abs. 3 Satz 1 StPO) und rechtzeitig erhoben (§ 311 Abs. 2 StPO).

    2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Entscheidung über eine Aussetzung der Vollstreckung schon nach Verbüßung der Hälfte der Strafe gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB setzt voraus, dass die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit des Verurteilten und seiner Entwicklung im Strafvollzug das Vorliegen besonderer Umstände ergibt, die über eine günstige Prognose nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB hinausgehen. In die Gesamtwürdigung fließen Gesichtspunkte der Schuldschwere, der Generalprävention und damit der Verteidigung der Rechtsordnung ein (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 31. März 2014 - III 2 Ws 103/14 - m. w. N., juris Rn. 11; KG, Beschluss vom 30. Juli 2014 - 2 Ws 270/14 - m. w. N., juris Rn. 3). Dabei ist darauf abzustellen, ob eine Strafaussetzung zur Bewährung auf das Unverständnis der Bevölkerung stoßen und deren Rechtstreue ernstlich beeinträchtigen würde (vgl. BGHSt 24, 40, 46), so dass für die Aussetzung sprechende rein täterbezogene Umstände ausnahmsweise zurücktreten müssen (vgl. BGHSt 24, 64, 69; KG, Beschluss vom 9. Juli 1997 - 5 Ws 425/97 -, juris Rn. 2). An eine Aussetzung sind dabei strenge Maßstäbe anzulegen. Dem Ausnahmecharakter der Regelung des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB entsprechend sind besondere Umstände nur solche, die im Vergleich mit gewöhnlichen Milderungsgründen von besonderem Gewicht sind. Dabei sind sowohl günstige als auch ungünstige Umstände zu beachten (vgl. KG a. a. O.). Besondere Umstände in diesem Sinne liegen nicht vor.

    a) Nach den Urteilsgründen war der Beschwerdegegner Mitglied einer international agierenden Bande, die Waren aus Asien in das Bundesgebiet einschleuste und Abgaben (Zoll, Antidumping-Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) in Höhe von etwa 67 Millionen Euro hinterzog. Der Beschwerdegegner übernahm über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren wichtige Aufgaben innerhalb der Gruppierung. Er bereitete für mehrere Hundert Container-Lieferungen die Zollanmeldungen am Zollamt Dreilinden vor, kümmerte sich später um die Buchführung und erstellte unwahre Dokumente, die für die Zollanmeldungen erforderlich waren. Die Ausführungen der Taten heben die Geschehnisse trotz des umfassenden Geständnisses und der für die Ermittlungsbehörden wertvollen Angaben zu den übrigen Tatbeteiligten von anderen Delikten im Bereich der Steuerhinterziehung durch den enormen Gesamtsteuerschaden und den langen Tatzeitraum deutlich ab. Vor diesem Hintergrund relativiert sich die von der Strafvollstreckungskammer geteilte Einschätzung der Justizvollzugsanstalt des Offenen Vollzuges Berlin, es handele sich lediglich um ein "lebensphasisches Geschehen", zumal der Beschwerdegegner nach den Urteilsfeststellungen mit hoher krimineller Energie handelte und er in Kenntnis der gegen ihn geführten strafrechtlichen Ermittlungen die Taten zunächst hartnäckig fortsetzte. In Fällen wie diesen würde eine Strafaussetzung zur Bewährung bereits nach Verbüßung der Hälfte der Strafe in besonderem Maße auf das Unverständnis der Bevölkerung stoßen und deren Rechtstreue beeinträchtigen (vgl. zu Fällen hoher Steuerschäden: KG, Beschluss vom 14. Mai 2002 - 5 Ws 270/02 -; Senat, Beschluss vom 11. Januar 2017 - 5 Ws 214/16 -).

    b) Zwar können die Tatumstände mit zunehmendem zeitlichen Abstand von den Anlasstaten und Annäherung an den Zweidrittelzeitpunkt gegenüber den für den Verurteilten sprechenden persönlichen Umständen an Gewicht verlieren (vgl. Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 13. Juni 2002 - 63/01 - juris Rdn. 19; Fischer, StGB 64. Auflage, § 57 Rn. 29a). Die für den Beschwerdegegner sprechenden Umstände, seine vorherige Unbestraftheit, die Bereitschaft zur Tataufklärung in der Hauptverhandlung, die beanstandungsfreie Führung im offenen Vollzug und die weit fortgeschrittene Straftatauseinandersetzung, begründen eine günstige Prognose im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB, sind jedoch in ihrer Gesamtschau mit den genannten ungünstigen Umständen auch unter Berücksichtigung des Überschreitens des Halbstrafenzeitpunktes um mehr als sechs Monate noch nicht von solchem Gewicht, dass sie bereits als besondere Umstände im Sinne von § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB gelten könnten.

    3. Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Kosten des zu Ungunsten des Verurteilten eingelegten Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft gehören zu den Verfahrenskosten, die dieser nach § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO zu tragen hat (vgl. BGHSt 19, 226; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 59. Auflage, § 473 Rn. 15). Die im Prüfungsverfahren nach § 57 StGB getroffene Entscheidung ist lediglich eine Nachwirkung des ergangenen Urteils einschließlich der dort ausgesprochenen Kostenfolge (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Januar 2017 - 5 Ws 214/16 -; Gieg in Karlsruher Kommentar, StPO 7. Auflage, § 465 Rn. 3). Von seinen im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen wird der Verurteilte nicht entlastet (vgl. BGH a. a. O.; Meyer-Goßner/Schmitt a. a. O.).

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