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  • 11.02.2014 · IWW-Abrufnummer 140437

    Kammergericht Berlin: Beschluss vom 24.03.2010 – 4 Ws 37/10, 4 Ws 37/101 AR 410/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    KG Berlin, 24.03.2010 - 4 Ws 37/10

    In der Strafsache
    ...
    hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin
    am 24. 03. 2010
    beschlossen:
    Tenor:

    Auf die weitere Beschwerde des Beschuldigten wird der Haftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 10. August 2009 - 352 Gs 2868/09 - aufgehoben.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Landeskasse Berlin zur Last.
    Gründe

    I.

    Die Staatsanwaltschaft Berlin führt seit dem 2. August 2009 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten G und H gegen den Beschuldigten, der niederländischer Staatsangehöriger ist. Dieser soll die Geschädigten gemeinschaftlich mit den gesondert Verfolgten A und B sowie weiteren, unbekannt gebliebenen Personen, nach deren Ankunft am Flughafen Berlin-Tegel am 17. März 2002 entführt und in der Folge um drei Millionen US-Dollar erpresst haben. Einem gemeinsam mit dem Beschuldigten gefassten Tatplan folgend sollen seine Mittäter die Geschädigten mittels Pkw in ein in Berlin gelegenes Abrissgebäude verbracht und dabei mit vorgehaltenen Schusswaffen bedroht haben. Der Geschädigte G soll von einem der unbekannten Tatgenossen des Beschuldigten einen Schlag mit einem Revolver auf den Kopf erhalten haben, um ihn einzuschüchtern, wodurch der Geschädigte Kopfschmerzen erlitten haben soll. Die Geschädigten sollen über mehrere Tage - zunächst im Keller des Abrissgebäudes, später in einer Berliner Wohnung - mit angelegten Hand- und Fußfesseln festgehalten und unter Vorhalt von Schusswaffen mit Erschießung bedroht worden sein. Der Geschädigte G soll deshalb, der Lösegeldforderung der Entführer folgend, per e-Mail, Fax und Telefon die Auszahlung von 3.401.500 Euro aus seinem Bankguthaben an die Geschädigte H veranlasst haben, die von den gesondert Verfolgten A und B am 21. März 2002 zur Auszahlung nach Hamburg begleitet worden sein soll. Die Geschädigte H. soll das Lösegeld sofort nach Erhalt an A und B übergeben haben und daraufhin im Hamburger Stadtgebiet freigelassen worden sein. Der Geschädigte G. der bis zurGeldübergabe in Berlin festgehalten worden sei, soll ebenfalls am 21. März 2002 freigelassen worden sein.

    In Zuge der Ermittlungen wurde am 21. Oktober 2004 die Wohnung des Beschuldigten in G. durchsucht, die er zusammen mit seiner deutschen Ehefrau und der gemeinsamen Tochter bewohnte und für die er seit dem 1. September 1999 mit alleinigem Wohnsitz amtlich gemeldet war. Am selben Tag erfolgte - in Anwesenheit des Beschuldigten - auch die Durchsuchung der Büroräume der W.GmbH des Beschuldigten in B. Die bei der Durchsuchung der Büroräume beschlagnahmten beiden Personalcomputer wurden dem Beschuldigten am 27. Oktober 2004 wieder ausgehändigt; die Auswertung der Asservate ergab keine Erkenntnisse oder Ermittlungsanhalte.

    Mit Anhörungsschreiben des Polizeipräsidenten in Berlin vom 26. Januar 2005 wurde der Beschuldigte zu einem Termin zur Beschuldigtenvernehmung am 9. Februar 2005 geladen. Unter dem 8. Februar 2005 teilte er schriftlich mit, dass er den Termin nicht wahrnehmen und sich anwaltlich beraten lassen werde. Rechtsanwalt W. meldete sich mit Schreiben vom 14. Februar 2005 unter Vollmachtsvorlage für den Beschuldigten bei der Polizei und teilte mit, dass sich sein Mandant vorerst nicht äußern werde. Er verwies auf das an die Staatsanwaltschaft Berlin gerichtete Akteneinsichtsgesuch vom selben Tage. Trotz mehrfacher Erinnerungen erhielt der Verteidiger des Beschuldigten bis Oktober 2005 keine Akteneinsicht; sodann konnte er lediglich einen Aktenauszug einsehen.

    In Juni 2008 wurden polizeiliche Ermittlungen nach dem aktuellen Aufenthalt des Beschuldigten aufgenommen, die ergaben, dass dieser zum 1. Januar 2006 in die N. verzogen war. Eine Aufenthaltsanfrage an die niederländischen Meldebehörden wurde am 21. Juli 2008 dahingehend beantwortet, dass der Beschuldigte die Niederlande nach Belgien verlassen habe und am 20. Dezember 2006 aus dem Register gelöscht worden sei.

    Am 29. Mai 2009 hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die gesondert Verfolgten A und B erhoben. Das Verfahren ist zum Aktenzeichen (502) 1 Kap Js 1620/03 (30/09) beim Landgericht Berlin anhängig; über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist noch nicht entschieden.

    Gegen den Beschwerdeführer erging auf Antrag der Staatsanwaltschaft am 10. August 2009 Haftbefehl, der auf den Haftgrund der Flucht (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO) gestützt wurde. Der Beschuldigte habe sich in Kenntnis der polizeilichen Ermittlungen vermutlich ins Ausland abgesetzt und sei seit längerer Zeit an seiner Meldeanschrift (in den Niederlanden) nicht mehr aufhältig. Der Verteidiger wurde nicht vorab zu dem Aufenthaltsort des Beschuldigten befragt.

    Die zur Vollstreckung des darauf basierenden Europäischen Haftbefehls eingeleitete internationale Fahndung nach dem Beschuldigten führte zur Mitteilung der belgischen Behörden vom 12. November 2009, der Beschuldigte könne unter seiner Meldeanschrift in K. angetroffen werden, und zu dessen Festnahme in Belgien am 1. Dezember 2009.

    Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2009 meldete sich Rechtsanwalt W. unter Vollmachtvorlage als weiterer Verteidiger des Beschuldigten. Nach Akteneinsicht legte er für den Beschuldigten Beschwerde gegen den Haftbefehl ein, mit der er neben dem Fehlen eines dringenden Tatverdachts insbesondere auch das Fehlen eines Haftgrundes und mangelnde Verhältnismäßigkeit rügt. Er trägt - unter Vorlage der entsprechenden An- und Abmeldebescheinigungen - unter anderem vor, der Angeklagte, der seit 16 Jahren verheiratet sei, lebe aktuell mit seiner Ehefrau und der gemeinsamen, jetzt 14 Jahre alten Tochter in einem gemieteten Einfamilienhaus mit Büroetage unter der rubrizierten Anschrift. Er habe sich am 12. Januar 2007 dort vorschriftsmäßig und unter Angabe seiner vorherigen Anschrift in den Niederlanden angemeldet. In XXXXX, habe er sich mit Wegzugsdatum 20. Dezember 2006 abgemeldet. Als Land, in welches er verzieht, habe er dabei Belgien angegeben, was auch in der Abmeldebescheinigung amtlich registriert worden sei. Der Beschuldigte sei (seit 2000) als selbständiger Unternehmensberater tätig und gehe dieser Beschäftigung auch weiterhin von den Bü- roräumen in seinem Wohnhaus aus nach. Er verdiene damit den Lebensunterhalt der Familie; seine Frau sei seit der Geburt der Tochter und nach einem Unfall im Jahr 1998 nicht erwerbstätig. Er habe, nachdem er am 27. November 2007 wegen eines beruflichen Aufenthalts in Frankfurt an seiner Wohnanschrift von belgischen Polizeibeamten nicht angetroffen worden war, nach Rückkehr am 1. Dezember 2009 telefonischen Kontakt zur Polizeidienststelle in Kapellen aufgenommen und sich auf dortige Bitte in das Polizeirevier begeben. Dort sei er aufgrund des deutschen Festnahme- und Auslieferungsersuchens festgenommen und der Haftrichterin in Antwerpen vorgeführt worden. Seit demselben Tag sei er vom Vollzug der Auslieferungshaft verschont. Den damit verbundenen Auflagen komme er seither beanstandungsfrei nach.

    Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Haftbefehl als unbegründet verworfen. Den dringenden Tatverdacht hält es aufgrund der Aussagen der beiden Geschädigten für. gegeben. Es bestene zumindest der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO, da der Beschuldigte mit einer empfindlichen, Fluchtanreiz bietenden Bestrafung zu rechnen habe. Seine geordneten sozialen Lebensverhältnisse würden dieser Einschätzung nicht entgegenstehen. Zudem habe er sich durch den Wegzug aus den Niederlanden ohne Angabe einer neuen Anschrift bereits einmal dem Zugriff der Ermittlungsbehörden entzogen. Im Hinblick auf das durch die Tat verwirkte Unrecht sei der Erlass des Haftbefehls trotz der Länge der seit der Tat verstrichenen Zeit und der durch die Ermittlungsbehörden verursachten Verzögerungen verhältnismäßig.

    II.

    Die hiergegen gerichtete 7 gemäß § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO zulässige - weitere Beschwerde des Beschuldigten hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des Haftbefehls.

    1.

    Es bestehen bereits Zweifel am Vorliegen eines dringenden Tatverdachts (§ 112 Abs. 1 StPO); Ein solcher liegt nur vor, wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist (vgl. Meyer-Goßner, StP0.52. Aufl., 117 Rdn. 5 m.w.Nachw.).

    Der Beschuldigte bestreitet die Tat. Der Haftbefehl stützt sich auf die Aussagen der Geschädigten G. und H . Diese haben in ihren Vernehmungen zwar übereinstimmend geschildert, sie hätten sich am 17. März 2002 aufgrund einer im Rahmen vorausgehender geschäftlicher Beziehungen getroffenen Verabredung zwischen dem Beschuldigten und dem Geschädigten G. nach Berlin begeben..Am Flughafen Berlin-Tegel seien beide von dem Beschuldigten begrüßt und zu einem vor dem Flughafen wartenden Mercedes 600 gebracht worden. Dort habe der Beschuldigten sie dem als Fahrer fungierenden gesondert Verfolgten B vorgestellt. Sie hätten sodann gemeinsam das Fahrzeug bestiegen, wobei der Beschuldigte auf dem Beifahrersitz, die späteren Geschädigten im Fond des Wagens Platz genommen hätten. Nach kurzer Fahrt, auf der B zahlreiche Telefonate geführt habe, habe dieser den Parkplatz an der Zufahrt Saatwinkler Damm/Stadtautobahn in Höhe des 'Otto-BraunWegs angefahren und dort gehalten. Der gesondert Verfolgte A und eine weitere, unbekannte Person hätten sie dort erwartet. Der Beschuldigte habe das Fahrzeug unter Hinweis auf die mit A für den nächsten Tag vereinbarte Zusammenkunft und den Platzmangel verlassen; A und der unbekannte Mittäter hätten das Fahrzeug bestiegen, wobei A auf dem Beifahrersitz Platz genommen hätte, der Unbekannte rechts hinten eingestiegen sei. Das Fahrzeug sei dann - unter Zurücklassung des Beschuldigten - schnell davon gefahren. Zu einer Einbindung des Beschuldigten in das nachfolgende Entführungs- und Erpressungsgeschehen, in dem er gegenüber den Zeugen nach deren Angaben nicht mehr in Erscheinung getreten ist, äußerten beide im wesentlichen Vermutungen. Sie stellen dabei zwar auf die vorausgegangenen geschäftlichen Beziehungen zwischen dem Beschuldigten und dem Geschädigten G. ab. Ein Motiv fürdie Beteiligung des Beschuldigten an der Entführung und Erpressung wird dabei aber nicht nachvollziehbar. Aus Vermutungen darf der dringende. Tatverdacht jedoch nicht hergeleitet werden (vgl. Meyer--Goßner a.a.O., § 112 Rdn. 7).

    Ob sich die von dem Geschädigten G. in seiner dritten (und bisher letzten) zeugenschaftlichen Vernehmung am. 27. Juli 2004 erstmals aufgestellte Behauptung, der von ihm als B. identifizierte Entführer habe ihm gegenüber während der Zeit, in der er festgehalten wurde, geäußert, er - B. - gehöre "zu M Gruppe"". Würde ihn - G - und Frau H "gut behandeln und (sie) auch freilassen, wenn das Geld fließe und würde (sie) nicht an die russische Gruppe ausliefern", als belastbar erweist, erscheint vor dem Hintergrund vielfältiger und undurchsichtiger wirtschaftlicher Verflechtungen und der von dem Geschädigten geschilderten Verfolgung und Bedrohung seiner Person durch einen Herrn L und dessen "russische Gruppe" fraglich,

    Die weiteren Ermittlungen haben keine den dringenden Tatverdacht begründenden Tatsachen erbracht. Die am 21. Oktober 2004 durchgeführte Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschuldigten verlief ergebnislos. B hat sich bislang nicht zur Sache geäußert; A hat den Beschuldigten oder gar dessen Tatbeteiligung in seinen nicht protokollierten - Angaben gegenüber der ermittelnden Polizeibeamtin nicht erwähnt.

    2.

    Hiervon abgesehen liegen keine Haftgründe vor.

    a)

    Das bisherige Verhalten des Beschuldigten vermag die Annahme, dass er flüchtig ist oder sich verborgen hält (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO) nicht zu belegen. Zwar hat der Beschuldigte Ende 2005 seinen Lebensmittelpunkt, den er zuvor über viele Jahre in Deutschland hatte, dauerhaft in das Ausland verlegt. Im Zusammenhang mit seiner geschäftlichen Tätigkeit ist er zunächst mit seiner Familie in die Niederlande, sein Heimatland, verzogen, Ende 2006 dann nach K, einen nahe der Grenze zu den Niederlanden gelegenen Ort in Belgien. Der Gegenstand des Ermittlungsverfahrens ist ihm aber im Wesentlichen bereits durch die am 21. Oktober 2004 getroffenen Durchsuchungsmaßnahmen, spätestens jedoch durch das polizeiliche Anhörungsschreiben vom 26. Januar 2005 bekannt geworden, auf welches er persönlich und durch Beauftragung eines Rechtsanwalts mit seiner Verteidigung reagiert hat. Ein Zusammenhang zwischen dem Ermittlungsverfahren und der Verlegung seines Lebensmittelpunktes in die Niederlande und später nach Belgien ist daher nicht ohne weiteres nahe liegend (vgl. OLG Karlsruhe StV 1999, 36, 37). Ein Fluchtwillen des Beschuldigten kann daraus nicht hergeleitet werden. Zudem hat sich der Beschuldigte sowohl bei seinem Umzug in die Niederlande, als auch bei seinem Weiterzug

    - nach Belgien jeweils ordnungsgemäß an- und abgemeldet. Auch bei seiner Abmeldung aus den Niederlanden erfolgte dies unter zutreffender Angabe eines Verzugs nach Belgien. Da er dort seit dem 12. Januar 2007 ordnungsgemäß unter der rubrizierten Anschrift angemeldet und bei Anmeldung auch seine vorherige Anschrift in den Niederlanden registriert worden war, wäre sein Aufenthalt durch einfache Anfrage bei den belgischen Meldebehörden zu ermitteln gewesen. Schließlich war der Beschuldigte seit Februar 2005 aktenkundig verteidigt und jederzeit über seinen Verteidiger erreichbar.

    b)

    Auch der Haftgrund der Fluchtgefahr (112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) den das Landgericht jedenfalls bejaht hat, liegt nicht vor; es spricht keine höhere Wahrscheinlichkeit für die Annahme, der Beschuldigte werde sich dem Strafverfahren (zukünftig) entziehen, als für die Erwartung, er werde sich ihm (wie bisher) zur Verfügung halten.

    Abgesehen davon, dass der Beschuldigte sich nach dem Beschwerdevortrag noch im November 2009 in Deutschland aufgehalten hat, kann aus der bloßen Nichtrückkehr eines Ausländers mit Wohnsitz im Ausland nach Deutschland dieser Haftgrund nicht hergeleitet werden. Der Beschuldigte ist nicht verpflichtet, seine Strafverfolgung zu erleichtern. Die Absicht, im Ausland zu bleiben, also einen Zustand aufrechtzuerhalten, der seine Strafverfolgung zu erschweren geeignet ist, kann einem positiven "Sich-Entziehen" im Sinne des ? 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO nicht gleichgestellt werden (OLG Karlsruhe a.a.O.).

    Hinzu kommt, dass der Beschuldigte seinen Lebensmittelpunkt innerhalb der Europäischen Union verlegt hat, so dass der Strafverfolgung durch seinen amtlich registrierten Umzug keine ernsten Hindernisse entgegengesetzt wurden.. Vielmehr ist die Erwirkung und Vollstreckung eines internationalen Haftbefehls - wie vorliegend geschehen - und die Auslieferung an Deutschland problemlos möglich, da der verfahrengegenständliche Sachverhalt auch in Belgien strafbar ist (vgl. LG Offenburg StV 2004, 326 [LG Offenburg 15.12.2003 - 3 Qs 114/03]).

    Der Beschuldigte hat auch nicht erklärt, dass er sich dem in Deutschland gegen ihn laufenden Strafverfahren nicht stellen werde, was als "Sich-Entziehen" im Sinne der genannten Vorschrift gewertet werden könnte (vgl. OLG Hamm NStZ 2006, 138). Er hat im Gegenteil bei der Durchsuchung seiner Büroräume, bei der er zugegen war, mit den polizeilichen Ermittlungsbehörden kooperiert, auf das Anhörungsschreiben vom 26. Januar 2005 schriftlich reagiert und sich im Übrigen anwaltlich vertreten lassen. Auch die vorläufige Festnahme am 1. Dezember 2009 erfolgte durch die belgischen Behörden, nachdem sich der Beschuldigte zu diesen begeben hatte. Allein darin, dass er nach eigenen Angaben gegenüber der belgischen Haftrichterin geäußert hat, er wolle nicht nach Deutschland ausgeliefert werden, kann eine solche Erklärung nicht gesehen werden, zumal sich seine Einwendungen ersichtlich auf die Inhaftnahme bezogen. Zudem, hat er - wiederum nach eigenem Bekunden - zugleich ausdrücklich erklärt, sich jederzeit dem Verfahren in Deutschland stellen zu wollen, weil er unschuldig sei.

    Auch in Kenntnis des gegen ihn erwirkten Haftbefehls hat sich der Beschuldigte dem Verfahren nicht entzogen. Seit dem 1. Dezember 2009 hat er Kenntnis von dem nationalen und dem Europäischen Haftbefehl. Er ist am selben Tag in Belgien vom Vollzug . der Auslieferungshaft verschont worden..Den damit verbundenen Auflagen ist er bislang über drei Monate lang beanstandungsfrei nachgekommen. Versuche, sich der befürchteten Auslieferung zu entziehen, sind nicht ersichtlich.

    Auch die Straferwartung allein kann Fluchtgefahr grundsätzlich nicht begründen. Einerseits erscheint die von der Beschwerde gerügte, von den Ermittlungsbehörden zu vertretende Verfahrensverzögerung geeignet, die konkrete Straferwartung des Beschuldigten im Falle eines Schuldnachweises unabhängig von der Frage nach dem Vorliegen eines minder schweren Falles gemäß § 239a Abs. 2 StGB zu relativieren Andererseits ist auch bei einer sich an der Mindeststrafdrohung des Regelstrafrahmens von§ 239a Abs. 1 StGB orientierenden Straferwartung nach ständiger Rechtsprechung des Kammergerichts (vgl. etwa Beschlüsse des Senats vom 21. Januar 2008 - 4 Ws 4/08 - und vom 27. September 2007 - 4 Ws 133/07 -) zu prüfen, ob Tatsachen gegeben sind, die die hieraus herzuleitende Fluchtgefahr aus- schließen oder mindern können. Solche liegen hier vor. Der Angeklagte ist seit 16 Jahren verheiratet und lebt mit seiner Ehefrau und der gemeinsamen Tochter, die in ?K eine Schule besucht, in einem Haushalt. Er geht seiner bereits seit dem Jahr 2000 ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit aus Büroräumen in dem angemieteten Einfamilienwohnhaus heraus nach und bestreitet aus den damit erzielten Einnahmen den Familien- unterhalt. Seine Umzüge Ende 2005 in die Niederlande und Ende 2006/Anfang 2007 nach Belgien stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit. Dies sind tragfähige soziale, persönliche und beruflichen Bindungen des Beschuldigten, die geeignet erscheinen, .der Fluchtgefahr in erheblichem Maße entgegenzuwirken. Die danach festzustellende soziale Integration des Beschuldigten in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union steht der sozialen Integration im Inland gleich (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Oktober 2005 - 4 Ws 461-462/05 -).

    In Anbetracht dieser Umstände und angesichts des bisherigen Verhaltens des Beschuldigten in Kenntnis des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens und der im Verurteilungsfalle drohenden Strafe ist nicht zu befürchten, dass sich der Beschuldigte dem weiteren Verfahren, und sei es durch Untertauchen, entziehen wird, wenn er auf freiem Fuß bleibt.

    3.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Landeskasse zur Last, da sonst niemand dafür haftet. Über die notwendigen Auslagen war nicht zu entscheiden, da es sich um ein Zwischenverfahren handelt.

    Vorschriften§ 112 Abs. 1 StPO § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO