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  • 10.10.2013 · IWW-Abrufnummer 133183

    Verwaltungsgericht Frankfurt/Main: Beschluss vom 26.04.2005 – 21 BG 6932/04

    Ein Arzt, der in alkoholisiertem Zustand während des Notdienstes ein Kraftfahrzeug führt sowie als Wiederholungstäter auf dem Weg zur Praxis alkoholisiert ein Fahrzeug führt, verstößt gegen seine Berufspflichten.
    Trotz strafrechtlicher Verurteilung ist in diesem Falle die Ahndung mit einer berufsrechtlichen Sanktion nicht unverhältnismäßig.


    Berufungsgericht für Heilberufe

    VG Frankfurt am Main
    26.04.2005
    21 BG 6932/04
    In der Heilberufsgerichtssache
    pp.
    wegen Berufsvergehens
    hat das Berufsgericht für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main in seiner Sitzung vom 26.04.2005 durch
    Vorsitzende Richterin am VG Loizides als Vorsitzende,
    ehrenamtlicher Richter Dr. med. Stein als Beisitzer und
    ehrenamtlicher Richter Prof. Dr. med. Deppe als Beisitzer
    beschlossen:
    Tenor:
    Dem Beschuldigten wird wegen Verstoßes gegen seine ärztlichen Berufspflichten ein Verweis erteilt.
    Die Kosten des Verfahrens hat der Beschuldigte zu tragen.
    Die Gebühr wird auf 250,00 Euro festgesetzt.
    Tatbestand:
    1
    GRÜNDE
    2
    I
    Der Beschuldigte legte unter seinem Geburtsnamen XY das ärztliche Staatsexamen am 11.05.1978 in A-Stadt ab, die Approbation wurde ihm am 26.05.1978 von der Landesärztekammer Nordrhein-Westfalen erteilt. Am 08.12.1978 promovierte er an der Universität in A-Stadt. Seit seiner Heirat mit Frau B C am 06.10.2003 führt er den Familiennamen C.
    3
    Seit dem 11.01.1999 betreibt er eine Einzelpraxis in R-Stadt, D-Straße. Die Kassenzulassung hat er seit dem 24.11.1998. Mit Urteil des Amtsgerichts R-Stadt vom 16.07.2004 (Az.: 961 Ds-114 Js 28484/03-1014) wurde der Beschuldigte wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und unter Einbeziehung der mit Urteil des Amtsgerichts M-Stadt vom 08.09.2003 (Az.: 5900 Js 13812/02) verhängten Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Die mit Urteil vom 08.09.2003 und mit dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts M-Stadt vom 08.01.2004 (Az.: 5900 Js 13812/02) gebildeten Gesamtstrafen wurden mit diesem Urteil aufgelöst. Ferner entschied das Gericht, dass dem Beschuldigten für die Dauer von einem Jahr und sechs Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden dürfe.
    4
    In dem Urteil wurde folgender Sachverhalt als erwiesen festgestellt:
    5
    "1. Der Angeklagte befuhr am 30.07.2002 gegen 01.05 Uhr als Führer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen Z-#### den Inneren Ring in H-Stadt. Er war aufgrund der Einnahme von alkoholischen Getränken fahruntauglich. Die Untersuchung der um 02.17 Uhr entnommenen Blutprobe ergab einen Wert von 1,47 Promille. Der Maximalwert kann auch 1,89 Promille betragen haben.
    6
    2. Anlässlich der Blutentnahme beleidigte er auf der Polizeistation M-Stadt II den Polizeibeamten P mit den Worten: "Zu mehr als dem Erlernen des Polizeiberufes hat Ihr Verstand wohl nicht ausgereicht."
    7
    3. Obwohl ihm aufgrund des Vorfalles vom 30.07.2002 der Führerschein abgenommen wurde, nahm er bereits am 12.08.2002 wiederum am Straßenverkehr und erneut alkoholisiert teil. Er befuhr gegen 10.00 Uhr mit dem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen Z-XX ### die M-Straße in R-Stadt. Seine Blutalkoholkonzentration betrug um 11.25 Uhr bereits 1,62 Promille. Der Maximalwert kann auch 2,1 Promille betragen haben.
    8
    Der Angeklagte bezeichnet sich selbst als Alkoholiker."
    9
    Weiter heißt es in dem vorbezeichneten Urteil des Amtsgerichts R-Stadt vom 16.07.2004 wie folgt:
    10
    "Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe konnte nochmals gemäß § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Obwohl der Angeklagte bereits mehrere Male einschlägig in Erscheinung getreten und ein Bewährungsversager ist, besteht die begründete Erwartung, dass er sich diese Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig keine Straftaten mehr begehen wird. Allein der Bewährungsbruch ist kein ausreichender Grund die Bewährung zu versagen (Tröndle/Fischer, § 56 Rz 6).
    11
    Die Verfehlungen des Angeklagten beruhen auf dessen krankhaftem Alkoholismus. Seine Taten haben ihre Ursache nicht in erster Linie auf einer Missachtung der Rechtsordnung, sondern sind vielmehr Folgen seiner Krankheit.
    12
    Auf Grund der mündlichen Verhandlung ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte mittlerweile von dem ernsthaften Willen getrieben wird, seinen Alkoholismus zu bekämpfen, weswegen er seit geraumer Zeit sich wieder in psychotherapeutischer Behandlung befindet. Dafür spricht vor allem, dass der Angeklagte seinen Hang zum Alkohol nicht überspielt hat sondern vielmehr ein offenes und vorbehaltloses Eingeständnis seines Alkoholismus abgegeben hat. Auch die weiteren Lebensumstände sprechen dafür, dass der Angeklagte nicht wieder strafrechtlich in Erscheinung treten wird. Der Angeklagte ist immer noch approbierter und niedergelassener Arzt in R-Stadt. Zudem befindet er sich wieder in einer festen Partnerschaft, so dass das soziale und berufliche Umfeld des Angeklagten durch seine Krankheit in der Vergangenheit noch nicht zerstört werden konnte und es für ihn immer noch erstrebenswerte Ziele gibt, für die es sich lohnt, den Alkoholismus zu bekämpfen."
    Gründe
    13
    III
    Nach Bekannt werden dieses Sachverhaltes leitete die Landesärztekammer Hessen ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten ein, in welchem diesem rechtliches Gehör gewährt wurde.
    14
    Am 22.12.2004 ging beim beschließenden Berufsgericht die Anschuldigungsschrift der Landesärztekammer Hessen vom 08.12.2004 ein, mit welcher dem Beschuldigten vorgeworfen wird, seine ärztlichen Berufspflichten gemäß §§ 22 Heilberufsgesetz (HBG), 1 Abs. 2 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen (BO) dadurch verletzt zu haben, dass er am 30.07.2002 in H-Stadt bei Ausübung des ärztlichen Notdienstes nach einem Patientenbesuch den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen Z-U ### fuhr, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntauglich war, und anlässlich der Blutentnahme den Polizeibeamten P mit den Worten "Zu mehr als dem Erlernen des Polizeiberufs hat Ihr Verstand wohl nicht ausgereicht" beleidigte, und am 12.08.2002 in R-Stadt auf dem Weg in seine Praxis öffentliche Straßen in erheblich alkoholisiertem, fahruntüchtigem Zustand und ohne Fahrerlaubnis mit dem PKW Z-XX 410 befuhr.
    15
    Im gerichtlichen Verfahren hat sich der Beschuldigte mit Schriftsatz vom 31.01.2005 dahingehend eingelassen, es bestehe bei ihm seit April 2003 eine durchgängig nachweisbare Abstinenz. Nach Verbüßung der Haftstrafe zu 2/3 vom 12.03.2004 bis 10.09.2004 sei er seit dem 13.09.2004 bis dato ohne Beanstandungen in seiner Arztpraxis tätig. Seine Zulassung als Vertragsarzt der Krankenkassen bestehe nach wie vor. Er bedauere sein Fehlverhalten außerordentlich, ernsthaft und umfassend. Die ab September 2002 erneut aufgenommene psychotherapeutische Behandlung bei Herrn Dr. S in R-Stadt, die bis zum Sommer 2003 mit wöchentlichen Terminen fortgeführt worden sei, habe definitiv ab April 2003 bei ihm den bis dato erhaltenen Zustand der Alkoholabstinenz erbracht.
    16
    IV
    Das Berufsgericht kann vorliegend ohne Durchführung einer Hauptverhandlung durch Beschluss entscheiden, weil die Beteiligten sich im Rahmen der Anhörung gemäß § 67 Abs. 1 Satz 3 HBG mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben und die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 HBG im übrigen vorliegen.
    17
    Das in der Anschuldigungsschrift vom 08.12.2004 inkriminierte und oben unter Abschnitt II zusammenfassend dargestellte Verhalten des Beschuldigten verstößt gegen die ihm gemäß § 22 HBG (vgl. auch § 1 Abs. 2 BO) obliegende Verpflichtung, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihm im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen.
    18
    Ein Arzt, der unter erheblicher Alkoholeinwirkung ein Kraftfahrtzeug führt, wie dies hier geschehen ist, verletzt seine Pflicht, sich der Achtung und des Vertrauens würdig zu zeigen, die der ärztliche Beruf erfordern. Trunkenheit am Steuer ist ein besonders gefährliches Verkehrsdelikt. Gerade einem Arzt müssen sowohl die alkoholbedingten Ausfallerscheinungen eines Kraftfahrers und die daraus folgende besondere Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ebenso bewusst sein, wie die Schwere der für Unfallopfer möglicherweise eintretenden Folgen. Er handelt als Angehöriger des ärztlichen Berufsstandes verantwortungslos, wenn er - dazu im Wiederholungsfall - in verkehrsuntüchtigem Zustand sein Kraftfahrtzeug führt (vgl. Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Bremen, Beschluss vom 04.12.1974 - HB 1/1974; Sammlung von Entscheidungen der Berufsgericht für Heilberufe, herausgegeben von Luyken und anderen, Deutscher Ärzte-Verlag, Köln, A 1.8 Nr. 9). Ebenso verletzt er diese Pflicht unter Beschädigung des Ansehens der Ärzteschaft in der Öffentlichkeit, wenn er anlässlich der von Polizeibeamten im Rahmen ihrer Berufsausübung pflichtgemäß durchgeführten Blutentnahme diese, wie geschehen, beleidigt.
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    Da in vorliegendem Falle sowohl bei dem Vorfall am 30.07.2002 als auch am 12.08.2002 ein Zusammenhang mit seiner Berufsausübung bestand - Ausübung des ärztlichen Notdienstes nach einem Patientenbesuch; auf dem Weg in seine Praxis - liegt auch ein berufsrechtlicher Überhang vor.
    20
    Grundsätzlich steht die Verurteilung des Beschuldigten im Strafverfahren einer Beurteilung im berufsgerichtlichen Verfahren nicht entgegen, da der in Art. 103 Abs. 3 GG aufgestellte Grundsatz des Verbots der Doppelbestrafung sich nur auf das Verbot einer Doppelbestrafung aufgrund allgemeiner Strafgesetze bezieht. Der Verhängung einer berufsgerichtlichen Maßnahme als Maßnahme nach einer strafgerichtlichen Verurteilung steht dieser Grundsatz nicht entgegen (vgl. Berufsgericht für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht R-Stadt, Urteil vom 07.11.1994 - Az.: 21 BG 12/92 m.w.N.-). Die in § 50 HBG bezeichneten Maßnahmen in berufsgerichtlichen Verfahren dienen nämlich nicht der Sühne für begangenes Unrecht, sondern sollen die Angehörigen des Berufsstandes anhalten, ihre besonderen, über die allgemeinen Pflichten der Staatsbürger hinausgehenden Berufspflichten als Ärzte zu erfüllen. Sie haben insoweit ausschließlich Ordnungsfunktion zur Wahrung des Ansehens und der Funktionsfähigkeit der Ärzteschaft.
    21
    Allerdings kann im Einzelfall eine strafgerichtliche Verurteilung auch den disziplinarrechtlichen Erfordernissen gerecht werden, so dass eine hinzutretende berufsgerichtliche Ahndung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen würde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.10.1969, NJW 70, 504; Berufsgericht für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht R-Stadt, Urteil vom 07.11.1994, a.a.O.).
    22
    Angesichts der Schwere der Tat, wie sie sich aus dem Tatbestand des Urteils des Amtsgerichts R-Stadt vom 16.07.2002 (vgl. oben unter Abschnitt II) ergibt, in Verbindung mit dem Umstand, dass der oben dargestellte Zusammenhang zur Berufsausübung besteht, erfordern die mit dem berufsgerichtlichen Verfahren dargestellten disziplinarischen Ziele der Wahrung des Ansehens der Ärzteschaft in der Öffentlichkeit sowie des Anhaltens des Beschuldigten zu berufsgerechtem Verhalten in der Zukunft vorliegend die Verhängung einer berufsgerichtlichen Sanktion.
    23
    Im Hinblick auf die verhängten strafrechtlichen Sanktionen und die vom Beschuldigten schriftsätzlich zum Ausdruck gebrachte Einsicht in sein Fehlverhalten sowie den Umstand, dass er angemessene therapeutische Hilfe in Anspruch genommen hat, um seine Alkoholsucht in den Griff zu bekommen, erscheint der Ausspruch eines Verweises im Bereich der unteren Sanktionsmöglichkeiten gemäß § 67 HBG als ausreichend, um das Ansehen der Ärzteschaft in der Öffentlichkeit durch Ausspruch dieser Missbilligung zu wahren und gleichzeitig den Beschuldigten für die Zukunft zu berufsgerechtem Verhalten anzuhalten.
    24
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 HBG.
    25
    Die Festsetzung der Verfahrensgebühr beruht auf § 78 Abs. 2 HBG und ist in der Höhe mit dem für Beschlussverfahren reduzierten Mindestgebührenbetrag von 250,00 Euro angesetzt.

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