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  • 15.02.2012 · IWW-Abrufnummer 120423

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 22.06.2011 – 4 K 950/08

    1) Berufsunfähigkeitsrenten, die auf eine bestimmte Laufzeit beschränkt sind oder zu einem früheren Zeitpunkt mit dem Tod des Versicherten enden, sind abgekürzte Leibrenten, deren Ertragsanteile nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a) Satz 4 EStG i.V. mit § 55 Abs. 2 EStDV zu ermitteln sind.



    2) Wer bei Ausfüllen der Anlage KSO keine Angaben zu der Frage nach Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrenten und Renten aus Versicherungsverträgen macht, handelt hinsichtlich der Steuerverkürzung zumindest mit Eventualvorsatz, wenn er tatsächlich solche Leistungen bezogen hat und ihm die generelle Steuerpflicht von Renteneinkünften geläufig ist.


    FG Köln v. 22.06.2011

    4 K 950/08

    Tatbestand
    Die Kläger wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In den zu Grunde liegenden Einkommensteuererklärungen, die unter Mithilfe eines Steuerberaters erstellt worden waren, erklärten sie Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als Dentallabormitarbeiter/Verwaltungsangestellte in Höhe von ca. 40.000 DM / 42.000 DM p.a. und negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zwischen 2.916,01 DM und 19.567 DM. Diese Steuererklärungen legten die Kläger jeweils in dem dem Veranlagungsjahr folgenden Jahr vor. Die jeweils erklärungsgemäß ergangenen Einkommensteuerbescheide wurden bestandskräftig.

    Mit Schreiben vom 17.3.2006 legten die Kläger, nunmehr vertreten durch den Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Verfahren, eine Nacherklärung über den Bezug von Berufsunfähigkeitsrenten der A-Versicherung (A-Versicherung) und der B-Versicherung (B-Versicherung) durch den Kläger ab dem 1.1.1990 vor und baten um Änderung der ergangenen Einkommensteuerbescheide ab dem Jahr 2000. Der steuerliche Berater erklärte hierzu, dass ihm bei der erstmaligen Auftragserteilung der Kläger der bisher unversteuerte Bezug der Berufsunfähigkeitsrenten aufgefallen sei. Der Kläger sei bisher nicht von einer Steuerpflicht ausgegangen. Ein absichtliches Verschweigen liege nicht vor. In den Unterlagen und den jährlichen Änderungsmitteilungen beider Versicherungen werde nicht eindeutig auf eine mögliche Steuerpflicht hingewiesen. Der Vorwurf, dass der Kläger sich über die steuerliche Behandlung nicht oder nicht ausreichend informiert habe, könne ihm nur bedingt gemacht werden, da er von einem anderen Steuerpflichtigen erfahren habe, dass dieser eine Unfallrente beziehe, die vom Finanzamt als steuerfrei behandelt worden sei. Wäre dem Kläger die Steuerpflicht bewusst gewesen, hätte er die bis zum 31.3.2005 geltende Regelung der Steueramnestie in Anspruch nehmen können, was zumindest für einige Jahre zu einer niedrigeren Besteuerung geführt hätte. Erst das seit dem Jahr 2005 geltende Alterseinkünftegesetz habe dazu geführt, dass in den Mitteilungen der A-Versicherung erstmals bzw. verstärkt auf eine mögliche Steuerpflicht hingewiesen worden sei. Erst dadurch habe der Kläger sich gezwungen gesehen, eine fachkundige Auskunft einzuholen. Da somit eine vorsätzliche Steuerhinterziehung ausscheide, komme eine steuerliche Erfassung der Renten in den Streitjahren wegen des Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr in Betracht.

    Der Beklagte schätzte daraufhin unter Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO mit Bescheiden vom 29.9.2006 die Höhe der Renteneinnahmen, die er mit einem Ertragsanteil von jeweils 51% der Besteuerung unterwarf.

    Mit den dagegen gerichteten Einsprüchen wiesen die Kläger darauf hin, dass der Ertragsanteil der Renten nach § 55 EStDV auf der Basis einer Laufzeit von 17 Jahren zu ermitteln sei, da diese am 31.3.2007 mit Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers endeten. Weiterhin bezifferten sie nunmehr die zwischen rd. 42.000 DM und 47.500 DM liegende Höhe der in den Streitjahren bezogenen Renten. Ein auch nur bedingter Vorsatz in Bezug auf die Verkürzung der auf die Renten entfallenden Steuern liege nicht vor. Allenfalls komme eine leichtfertige Steuerverkürzung im Sinne des § 378 AO in Betracht. Bei der Besteuerung von Renteneinkünften in den Streitjahren habe ein von dem Steuergläubiger zu vertretendes Vollzugsdefizit vorgelegen. Damit habe der Steuergläubiger zu der weit verbreiteten Auffassung beigetragen, dass Rentner keine Steuern zu zahlen hätten. Überdies gebe es auch Renten, die steuerfrei seien. Die rechtliche Einordnung von Unfallrenten sei in der Praxis der Finanzbehörden nicht immer eindeutig gewesen. Der Kläger habe angenommen, dass eine privat abgeschlossene Versicherung im Versicherungsfalle nicht zu steuerpflichtigen Einnahmen führe.

    Mit Einspruchsentscheidungen vom 27.2.2008 änderte der Beklagte die Steuerfestsetzungen der Streitjahre in der Weise, dass er die Renten nunmehr in erklärungsgemäßer Höhe und mit Ertragsanteilen von 31 % (A-Versicherung) und 36 % (B-Versicherung) der Besteuerung unterwarf. Dabei ging er davon aus, dass die private Berufsunfähigkeitsrente eine Laufzeit von 21 Jahren habe. Im Übrigen wies er die Einsprüche als unbegründet zurück.

    Der Kläger habe bei der Abgabe der Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre in Bezug auf die die Nichtdeklaration der Renteneinkünfte zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt. Aufgrund der damit vorliegenden Steuerhinterziehung betrage die Festsetzungsfrist gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre und sei damit für alle Streitjahre gewahrt worden. Zur Änderung der bestandskräftigen Bescheide sei er aufgrund des erst nachträglichen Bekanntwerdens des Bezugs der Berufsunfähigkeitsrenten befugt gewesen.

    Ein Vorsatz ausschließender Tatbestandsirrtum in Bezug auf die Steuerpflicht der Renteneinkünfte sei zu verneinen. Nach § 90 Abs. 1 Satz 2 AO hätten die Beteiligten im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offen zu legen. Eine Offenbarungspflicht besteht zumindest für diejenigen Sachverhaltselemente, deren rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft sei. Es stehe dem Steuerpflichtigen nicht frei, den Steuerbehörden aus einem Gesamtsachverhalt nur einen Teil der Tatsachen richtig vorzutragen und sie im Übrigen nach Maßgabe einer nicht offen gelegten, eigenen rechtlichen Bewertung des Vorgangs zu verschweigen, obwohl sie für die steuerliche Beurteilung bedeutsam sein könnten. Der Kläger habe anhand einer seiner Gedankenwelt entsprechenden laienhaften Bewertung der Umstände erkennen können, dass die Berufsunfähigkeitsrenten steuerlich relevant waren. Selbst ein nicht beratener Steuerpflichtiger sei verpflichtet, sich in Zweifelsfragen zu erkundigen und fachliche Informationen einzuholen. Je gewichtiger der steuerlich relevante Vorgang sei, umso mehr sei der Steuerpflichtige gehalten, Informationen über dessen etwaige Besteuerung einzuholen, um sich nicht dem Vorwurf der Gleichgültigkeit und damit des bedingten Vorsatzes auszusetzen. Werde diese Verpflichtung missachtet, so schließe auch eine der Steuerpflicht entgegenstehende irrige Rechtsüberzeugung den Vorsatz nicht aus. So liege es im Streitfall. Der Kläger, der bei der Deklaration seiner übrigen Einkünfte die Hilfe eines steuerlichen Beraters in Anspruch genommen habe, habe lediglich hinsichtlich der beiden Berufsunfähigkeitsrenten auf Erkundigungen bei seinem Steuerberater verzichtet und sich stattdessen auf das Ergebnis eigener Schlussfolgerungen verlassen, deren Grundlage allein der angeblich steuerfreie Bezug einer Unfallrente durch einen anderen Steuerpflichtigen gewesen sei. Damit habe er sich für die ihm günstigere rechtliche Würdigung entschieden und die objektiv bestehende Möglichkeit zur Erlangung einer besseren Erkenntnis nicht ausgeschöpft. Mit diesem Verhalten habe es der Kläger darauf ankommen lassen, dass seine Renteneinkünfte steuerlich nicht erfasst würden und hierdurch eine Steuerverkürzung eintrete.

    Mit der vorliegenden Klage machen die Kläger ergänzend geltend, dass der Beklagte die Feststellungslast für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung trage. Die Erwägungen in der Einspruchsentscheidung reichten aber nicht aus, um diese Feststellung mit der erforderlichen Sicherheit treffen zu können. Unzutreffend sei der Vorhalt, dass die Kläger nicht die zur Vermeidung einer Steuerverkürzung nötige Sorgfalt hätte walten lassen. Sie seien vielmehr der Auffassung gewesen, diese Frage hinreichend geklärt zu haben. Aus der Erinnerung heraus meine der Kläger, bei dem damals beauftragten Steuerbüro im Jahr 1990 nachgefragt zu haben. Dort habe er die Auskunft bekommen, dass die Unfallrenten nicht steuerpflichtig seien. Darüber hinaus hätten die Kläger nicht bei irgendeinem Laien, sondern bei einem Rentenbezieher mit gleichen Voraussetzungen nachgefragt. Diese Person habe aus eigener Erfahrung klar und für die Kläger glaubhaft versichert, dass diese Erwerbsunfähigkeitsrenten keiner Besteuerung unterlägen. Erste Zweifel seien dem Kläger erst gekommen, als ihm im September/Oktober 2005 eine Broschüre über die neue Rentenbesteuerung in die Hand gefallen sei. Da ihm sein bisheriges Steuerbüro keine zufrieden stellende, konkrete Auskunft habe erteilen können, habe er sich dann bei seinem jetzigen Steuerberater erkundigt. Erst nach ausführlicher Erläuterung seien ihm dann der Unterschied zwischen einer Unfallversicherung und einer Berufsunfähigkeitsrente und die Besteuerungsfolgen bei deren Auszahlung durch eine private bzw. eine gesetzliche Versicherung deutlich geworden.

    Wegen des weiteren Vortrages der Kläger wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.6.2011 Bezug genommen.

    Die Kläger beantragen,

    die Einkommensteuerbescheide 1995 bis 1999 vom 29.9.2006 in Form der Einspruchsentscheidung vom 27.2.2008 ersatzlos aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung.

    Mit den im Klageverfahren ergangenen Änderungsbescheiden zur Einkommensteuer 1995 bis 1999 vom 2.4.2008 hat der Beklagte dem Begehren der Kläger entsprochen, den Ertragsanteil der Rente der B-Versicherung mit 31% zu bemessen.



    Entscheidungsgründe
    Die Klage ist unbegründet.

    Die angegriffenen Änderungsbescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

    1. Der Beklagte hat zu Recht die von dem Kläger bezogenen Berufsunfähigkeitsrenten der A-Versicherung und der B-Versicherung als nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung steuerpflichtige Leibrenten behandelt, die mit dem sich aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Satz 4 EStG i.V.m. § 55 Abs. 2 EStDV a.F. für abgekürzte Leibrenten ergebenden Ertragsanteil der Besteuerung zu unterwerfen sind. In der Bemessung des Ertragsanteils mit 31 % liegt hierbei kein Rechtsnachteil für die Kläger.

    Sozialversicherungsrenten, zu denen auch die hier streitgegenständliche Berufsunfähigkeitsrente der A-Versicherung gehört, sind Leibrenten i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG (vgl. dazu BFH-Urteil vom 10.7.2002 X R 46/01, BStBl 2003 II S. 491 m. w. N.). Gleiches gilt für die von dem Kläger bezogene Rente aus der bei der B-Versicherung bestehenden privaten Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 9.2.2005 X R 11/02, BFH/NV 2005, 1053, m. w. N.). Hierbei handelt es sich nicht um eine Schadensersatzrente im Sinne des BFH-Urteils vom 25.10.1994 VIII R 79/91 (BStBl II 1995, 121), für deren Steuerbarkeit es darauf ankommen könnte, ob Ersatz für andere steuerbare Einkünfte geleistet wird. Denn die Auszahlung der Rente setzt nach dem zu Grunde liegenden Versicherungsvertrag vom 17.12.1986 nicht die Feststellung eines konkreten krankheitsbedingten Mehrbedarfs, sondern allein den Eintritt der Berufsfähigkeit zu mindestens 50% während der Dauer der Zusatzversicherung voraus.

    Solche Renten sind, wenn sie auf eine bestimmte Zeit beschränkt sind oder zu einem früheren Zeitpunkt mit dem Tod des Versicherten enden, abgekürzte Leibrenten, deren Ertragsanteile nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Satz 4 EStG i.V.m. § 55 Abs. 2 EStDV zu ermitteln sind. So liegt es im Streitfall, da der Bezug der Berufsunfähigkeitsrente der A-Versicherung mit dem Bezug der Altersrente ab 1.4.2007 und der Bezug der Berufsunfähigkeitsrente der B-Versicherung vertragsgemäß am 1.12.2007 endete. Die für die Bestimmung des Ertragsanteils maßgebende „voraussichtliche Laufzeit” bemisst sich grundsätzlich nach dem Zeitraum zwischen dem Eintritt des Versicherungsfalles (= Eintritt der Berufsunfähigkeit) und dem voraussichtlichen Ablauf des Rentenbezugs. Es kommt nicht darauf an, wann die Rente bewilligt und gezahlt wird und ob einzelne Rentenansprüche z. B. wegen verspäteter Antragstellung nicht gezahlt werden (BFH-Urteil vom 22.1.1991 X R 97/89, BStBl II 1991, 686). Das voraussichtliche Ablaufdatum ist aus Vereinfachungsgründen auf volle Jahre abzurunden (R 167 Abs. 6 EStR 1996; anders noch R 167 Abs. 6 EStR 1993 ). Der voraussichtliche Ablauf des Rentenbezugs ist auch in dem (regelmäßig vorliegenden) Fall maßgebend, dass die Fortzahlung der Rente unter der auflösenden Bedingung des Wegfalls der Berufsunfähigkeit steht und der Versicherer das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit in mehr oder minder regelmäßigen Abständen ärztlich überprüfen lässt (BFH-Urteile vom 9.2.2005 X R 17/04, BFH/NV 2005, 1259, und X R 11/02, a. a. O.). Diese Nachprüfung des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit ist auch im Streitfall entsprechend § 7 der Bedingungen für die private Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung zum 1.1.1992, 1995, 1998 und 2001 erfolgt. Aus einer solchen auflösenden Bedingung kann aber gerade nicht der Schluss gezogen werden, dass die Berufsunfähigkeitsrente jeweils bis zum nächsten Nachprüfungszeitpunkt befristet gewesen wäre und deshalb mehrere hintereinander geschaltete Renten auf Zeit vorlägen, deren Ertragsanteil unter Berücksichtigung der jeweiligen Verlängerung jeweils neu bestimmt werden müsste. Denn aufgrund dieser ärztlichen Überprüfungen ist keine Neugewährung der Berufsunfähigkeitsrente erfolgt, sondern lediglich bestätigt worden, dass die auflösende Bedingung nicht eingetreten ist und deshalb die Rente im bisherigen Umfang weitergewährt wird. Soweit aus dem Urteil des Niedersächsischen FG vom 28.4.1997 IX 329/93 (EFG 1997, 1186), auf das in die Kläger ihre abweichende Rechtsansicht stützen, etwas anderes abzuleiten sein sollte, ist dem auch BFH in den vorgenannten Entscheidungen vom 9.2.2005 explizit entgegengetreten.

    Da der zur Berufsunfähigkeit führende Versicherungsfall bereits am 14.12.1988 eingetreten ist, hat der Beklagte auf der Grundlage einer von ihm angenommenen voraussichtlichen Laufzeit bis zum 1.4./1.12.2007 von nur 17 Jahren den daraus resultierenden Ertragsanteil von 31 % keinesfalls zu hoch bemessen.

    2. Aufgrund des erst nachträglichen Bekanntwerdens des Bezugs der Berufsunfähigkeitsrenten war der Beklagte nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zur Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre befugt. Entgegen der Auffassung der Kläger stand dieser Änderung nicht die Festsetzungsverjährung entgegen. Denn der gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO die zehnjährige Festsetzungsverjährung auslösende Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ist im Streitfall erfüllt.

    a) Gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist die Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist dann, wenn eine Steuererklärung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Die Festsetzungsfrist beträgt bei der Einkommensteuer gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO grundsätzlich 4 Jahre. Sie verlängert sich jedoch auf 5 Jahre im Falle einer leichtfertigen Steuerverkürzung und auf 10 Jahre im Falle einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO). Die Festsetzungsfrist wird bei Eheleuten auch dann wegen Steuerhinterziehung (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) verlängert, wenn (nur) einem der zusammenveranlagten Ehegatten eine Steuerhinterziehung vorzuwerfen ist (BFH-Beschluss vom 20.8.2010 IX B 41/10, BFH/NV 2010, 2239, m. w. N.). Für das Streitjahr 1995 wurde die Einkommensteuererklärung im Folgejahr 1996 abgegeben, so dass am Tag des Ergehens des streitgegenständlichen Änderungsbescheids, 29.9.2006, die zehnjährige Festsetzungsfrist noch nicht verstrichen war. Dies gilt gleichermaßen auch für die übrigen streitgegenständlichen Änderungsbescheide vom 29.9.2006 der Streitjahre 1996 bis 1999.

    b) Für die Frage, ob die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung vorliegen, trägt die Finanzbehörde die Feststellungslast. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist, obwohl der strafverfahrensrechtliche Grundsatz „in dubio pro reo” auch im finanzgerichtlichen Verfahren gilt, das Vorliegen der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung nicht nach der Strafprozessordnung, sondern nach den Vorschriften der AO und der FGO zu beurteilen. Für die Feststellung einer Steuerhinterziehung ist danach kein höherer Grad von Gewissheit notwendig, als für die Feststellung anderer Tatsachen, für die das Finanzamt die Feststellungslast trägt (BFH-Urteil vom 19.3.1998 V R 54/97, BStBl 1998 II S. 466 m. w. N.).

    Steuern werden u.a. dann hinterzogen, wenn der Steuerpflichtige gegenüber der Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder diese pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder sonst nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (§ 370 AO). Steuern sind dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. Die Verkürzung muss vorsätzlich, d.h. mit Wissen und Wollen desjenigen, der die unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben macht oder steuererhebliche Angaben unterlässt, geschehen.

    Vorsätzlich handelt auch, wer es für möglich hält, dass er den Tatbestand verwirklicht oder das billigt oder doch in Kauf nimmt (sog. bedingter Vorsatz, vgl. BFH-Urteil vom 31.7.1996 XI R 74/95, BStBl II 1997, 157). Dabei kann es sich um einen an sich unerwünschten Erfolg handeln, mit dessen möglichem Eintritt der Täter sich aber abfindet. Der Wille muss sich dabei auf die Verwirklichung des Tatbestandes in Kenntnis seiner Tatbestandsmerkmale beziehen. Hierbei reicht es – da sonst nur die Strafbarkeit von Steuerfachleuten in Betracht käme – aus, dass der Täter anhand einer u.U. laienhaften Bewertung der Umstände erkennt, dass ein Steueranspruch existiert, auf den er einwirkt. In diesem Zusammenhang ist auf die konkreten Fähigkeiten des Betroffenen zur möglichen steuerrechtlichen Wertung von Tatbeständen abzustellen. Es genügt daher für die Annahme einer Steuerhinterziehung, wenn sich der Steuerpflichtige aufgrund dieser sog. Parallelwertung in der Laiensphäre des sozialen Sinngehalts seines Verhaltens bewusst ist.

    Ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 Satz 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) liegt (nur) dann vor, wenn der Steuerpflichtige aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erkennt, dass seine Angaben unrichtig oder unvollständig sind bzw. dass ein Verkürzungserfolg eintreten kann. Dabei setzt die Annahme einer Steuerhinterziehung aber insbesondere nicht die Feststellung voraus, dass sich der Steuerpflichtige konkrete Vorstellungen über die korrekte steuerrechtliche Einordnung des von ihm nicht oder unrichtig erklärten Sachverhaltes gemacht hat. Entscheidend ist allein, ob er als steuerpflichtig erkannte Einnahmen bewusst verschwiegen hat. Dabei genügt eine seiner Gedankenwelt entsprechende allgemeine Bewertung (BFH-Urteil vom 21.2.1992 VI R 141/88, BStBl 1992 II S. 565 m. w. N.). Hat der Steuerpflichtige das Bewusstsein der steuerlichen Relevanz der Einnahmen oder ist davon auszugehen, dass er dieses Bewusstsein aufgrund seiner individuellen Fähigkeiten und Vorbildung entwickeln konnte, ist ein Tatbestandsirrtum zu verneinen (Dumke in: Schwarz, Abgabenordnung, § 370 AO, Tz. 130, m. w. N.).

    Die vorsätzliche Steuerhinterziehung ist von der leichtfertigen Steuerverkürzung im Sinne des § 378 AO abzugrenzen. Leichtfertigkeit bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. etwa BFH-Urteil vom 19.2.2002 IV R 37/01 , BStBl II 2003, 385 m.w.N.) einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit und entspricht damit in etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts. Allerdings ist insoweit auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abzustellen. Allgemein unterscheidet sich die (bewusste) Fahrlässigkeit dadurch vom bedingten Vorsatz, dass der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, sie werde nicht eintreten; die bloße Hoffnung auf einen guten Ausgang schließt den Eventualvorsatz dagegen nicht aus (Hellmann in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgaben- und zur Finanzgerichtsordnung, § 370 AO, Tz. 234, m. w. N. der Rspr. des Bundesgerichtshofs – BGH –).

    Das ernsthafte Vertrauen auf die fehlende steuerliche Relevanz eines Vorgangs setzt eine tragfähige Vertrauensgrundlage voraus ( BGH-Urteil vom 23.2.2000 5 StR 570/99 , wistra 2000, 217). Ist sich der Steuerpflichtige über die Steuerrechtslage im unklaren und scheint es ihm zumindest möglich, dass seine Erklärung bei zutreffender Anwendung des Steuerrechts unrichtig oder unvollständig ist, zieht er aber ungeachtet sich aufdrängender Zweifel keine qualifizierten Auskunftspersonen zu Rate, nimmt er den Tatbestand der Steuerhinterziehung zumindest billigend in Kauf. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Steuerpflichtigen die generelle Steuerpflicht von Einkünften der von ihm bezogenen Art bewusst ist, er aber aufgrund sachverhaltlicher Besonderheiten in seinem Fall von der Ausnahme der Steuerfreiheit ausgehen will (vgl. dazu Urteil des Finanzgericht Düsseldorf vom 25.4.2005 16 K 1387/04 E, EFG 2005, 1660). Je gewichtiger der steuerlich relevante Vorgang ist, umso mehr ist der Steuerpflichtige gehalten, Informationen über dessen etwaige Besteuerung einzuholen, um sich nicht dem Vorwurf der Gleichgültigkeit und damit des bedingten Vorsatzes auszusetzen. Wird diese Verpflichtung hartnäckig missachtet, schließt auch eine der Steuerpflicht entgegenstehende irrige Rechtsauffassung den Vorsatz nicht aus (Urteil des FG München vom 6.9.2006 1 K 55/06, EFG 2007, 161; Dumke, a. a. O.). Denn eine verlässliche Grundlage für seine Entscheidung, der Auswahl der in seiner Erklärung offen gelegten Sachverhalte die ihm günstigere Rechtsauffassung zugrunde zu legen, hat er damit nicht geschaffen. Zwar macht der Steuerpflichtige dann keine unrichtigen Angaben im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn er offen oder verdeckt eine ihm günstige unzutreffende Rechtsansicht vertritt, aber die steuerlich erheblichen Tatsachen richtig und vollständig vorträgt und es dem Finanzamt dadurch ermöglicht, die Steuer unter abweichender rechtlicher Beurteilung zutreffend festzusetzen. Es steht dem Steuerpflichtigen aber nicht frei, den Steuerbehörden einen hinsichtlich seiner rechtlichen Relevanz nicht sicher zu beurteilenden Sachverhalt nach Maßgabe einer nicht offen gelegten, eigenen rechtlichen Bewertung des Vorgangs zu verschweigen, obwohl er für die steuerliche Beurteilung bedeutsam sein könnte ( BGH-Urteil vom 10.11.1999 5 StR 221/99 , wistra 2000, 137-141). Vielmehr ist er nach § 90 Abs. 1 Satz 2 AO im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren verpflichtet, die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offen zu legen. Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Steuerpflichtige sich der Hilfe eines steuerlichen Beraters bedient. Enthält der Steuerpflichtige diesem als möglicherweise steuerlich relevant erkannte Tatsachen vor, so nimmt er das daraus resultierende Risiko einer unrichtigen Erklärung auf sich und den möglichen Taterfolg einer Steuerverkürzung zumindest billigend in Kauf ( BGH-Urteil vom 20.5.1976 5 StR 560/75 , DB 1977, 1776; Hellmann, a. a. O., Tz. 226).

    c) Der Kläger hat nach Überzeugung des erkennenden Senats sowohl die objektiven als auch die subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung verwirklicht. Ob dies auch für die mit ihm zusammenveranlagte Klägerin gilt, bedarf im Hinblick auf die hier allein interessierende Rechtsfolge der Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO keiner Entscheidung.

    aa) Der Kläger hat der Finanzbehörde gegenüber über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht und dadurch Steuern verkürzt. Die in den Streitjahren abgegebenen Steuererklärungen enthalten allesamt keine Angaben zu der in der Anlage KSO ausdrücklich genannten Frage nach Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrenten und Renten aus Versicherungsverträgen. Aufgrund dieser unrichtigen Angaben in den Einkommensteuererklärungen wurde die Einkommensteuer in den betroffenen Veranlagungszeiträumen zu gering festgesetzt, also Steuern verkürzt.

    bb) Der Kläger handelte hinsichtlich der Nichtangabe der Berufsunfähigkeitsrenten zumindest mit Eventualvorsatz.

    Der Kläger konnte anhand einer seiner Gedankenwelt entsprechenden laienhaften Bewertung der Umstände erkennen, dass die von ihm rückwirkend ab dem 1.1.1990 bezogenen Berufsunfähigkeitsrenten möglicherweise steuerlich relevant waren, die Frage der Steuerpflichtigkeit dieser Bezüge also klärungsbedürftig war. Dass dem Kläger die generelle Steuerpflicht von Renteneinkünften nicht geläufig gewesen wäre, hat er nicht einmal substantiiert in Abrede gestellt. Der allgemeine Hinweis darauf, dass der Steuergläubiger zu der weit verbreiteten Auffassung beigetragen habe, dass Rentner keine Steuern zu zahlen hätten, reicht hierfür nicht aus. Überdies ergibt sich bereits aus dem eigenen Vortrag des Klägers, dass ihm die Möglichkeit der Steuerpflicht seiner Renteneinkünfte bewusst war. Denn andernfalls hätte kein Anlass bestanden, bei dem sich an den Unfall anschließenden Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik die Auskunft eines Mitpatienten über die angebliche Steuerfreiheit seiner Unfallrente sowie die – nach seiner Erinnerung – gleich lautende Aussage im Rahmen einer Informationsveranstaltung aufmerksam zu registrieren und – so der weitere Vortrag des Klägers – bereits vor Bezug der Renten seinen Steuerberater nach der Steuerpflichtigkeit von „Unfallrenten” zu befragen.

    Angesichts der von ihm erkannten möglichen steuerlichen Relevanz der Berufsunfähigkeitsrenten konnte der Kläger die unklare Frage der steuerlichen Behandlung dieser Bezüge aber nicht bereits durch die Auskunft eines steuerlichen Laien als verlässlich geklärt ansehen. Gleiches gilt für die Auskunft zur Steuerfreiheit von Unfallrenten, die er im Rahmen einer Informationsveranstaltung der Rehabilitationsklinik erhalten haben will. Einzelheiten zum Ablauf dieser Informationsveranstaltung hat der Kläger nicht mitgeteilt. Selbst wenn diese Aussage aber so undifferenziert erfolgt sein sollte, wie der Kläger es vorträgt, so blieb damit doch die Frage der steuerrechtlichen Einordnung der von dem Kläger später bezogenen Renten offen. Denn ausweislich des Rentenbescheides der A-Versicherung und des Anerkenntnisses der Leistungspflicht durch die B-Versicherung handelte es sich bei den von dem Kläger ab dem 1.1.1990 bezogenen Leistungen nicht um Renten aus einer Unfallversicherung sondern um Renten wegen Berufsunfähigkeit bzw. aus einer Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung. Dass bei der Informationsveranstaltung Unfall- und Berufsunfähigkeitsrenten gleichgesetzt worden wären oder sogar eine konkret auf den künftig erwarteten Rentenbezug des Klägers bezogene Beratung erfolgt wäre, kann dem Vortrag des Klägers nicht entnommen werden.

    Ebenso wenig konnte der Kläger auf Grund der von ihm vorgetragenen Auskunft seines damaligen Steuerberaters zur Steuerpflicht von Unfallrenten ernsthaft darauf vertrauen, dass die Berufsunfähigkeitsrenten steuerfrei waren und deshalb bei der Abgabe der Steuererklärungen für die Jahre des Zuflusses dieser Einnahmen nicht offen gelegt werden mussten.

    Dass diese Auskunft auf der Grundlage einer Sachverhaltsschilderung erfolgt wäre, die dem Steuerberater eine rechtliche Einordnung der späteren Renteneinkünfte des Klägers ermöglicht hätte, trägt der Kläger selbst nicht vor. Vielmehr spricht der Umstand, dass die Kläger sich ausweislich der Klagebegründung vom 14.3.2008 zunächst in seiner Erinnerung an eine solche Auskunft unsicher war „Aus der Erinnerung heraus meint der Kläger,… ”) für den nur beiläufigen Charakter der Befragung der Steuerberaters. Für diese Annahme spricht weiterhin mit einiger Deutlichkeit, dass der Kläger die Auskunft anlässlich der Erstellung der Einkommensteuererklärung 1989 eingeholt haben will, bei der die Besteuerung der erst ab dem 1.1.1990 bezogenen Renten noch keine Rolle spielen konnte. Zudem lagen bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung für das Vorjahr 1989 auch die erst im November 1990 und Februar 1991 ergangenen Bewilligungsbescheide für die Berufsunfähigkeitsrenten noch nicht vor, so dass sie nicht Grundlage der Auskunft gewesen sein können. Weitere Einzelheiten zu Inhalt und Ablauf der Nachfrage bei dem Steuerberater im Jahr 1990 hat der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung nicht nennen können.

    Eine solche beiläufige Rechtsauskunft ohne klar umrissene Sachverhaltsgrundlage konnte aber keine verlässliche Grundlage dafür sein, die von dem Kläger bezogenen Berufsunfähigkeitsrenten entgegen ihrer Bezeichnung durch die auszahlenden Versicherungen mit steuerfreien Unfallrenten gleichzusetzen und damit ab dem Jahr 1990 bei der Abgabe der Steuererklärungen für die Veranlagungszeiträume des Zuflusses dieser Einnahmen von der dem Kläger günstigeren Alternative, nämlich der Steuerfreiheit der Berufsunfähigkeitsrenten auszugehen. Insbesondere zeugt es von der billigenden Inkaufnahme einer möglichen Steuerverkürzung, dass der Kläger auf dieser gänzlich ungesicherten Grundlage entschieden hat, bei der Erstellung der Einkommensteuererklärungen für die Jahre ab 1990 durch den damaligen Steuerberater den Sachverhalt des Bezugs der Berufsunfähigkeitsrenten nicht mehr zur Prüfung zu unterbreiten, obwohl sich dies angesichts der zwischenzeitlich vorliegenden Rentenbescheide geradezu aufdrängen musste. Bei dieser Würdigung erscheint dem Senat auch bedeutsam, dass die zwischen ca. 42.000 DM und 47.000 DM p.a. liegenden Rentenbezüge des Klägers rund ein Drittel der Gesamteinnahmen der Eheleute ausmachten und die Frage der steuerlichen Beurteilung dieser Bezüge damit kaum als nachrangig oder unbedeutend angesehen werden konnte. Der Kläger kann sich nicht damit entlasten, dass er die Steuererklärungsformulare, in denen explizit nach Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrenten gefragt wird, anlässlich der Erstellung der Steuererklärungen durch den steuerlichen Berater nicht selber durchgelesen haben will. Sollte dies zutreffen, so folgt gerade daraus die zwingende Notwendigkeit, den Steuerberater über alle Sachverhalte mit möglicher steuerlicher Relevanz zu unterrichten. Denn andernfalls nimmt der Kläger das daraus resultierende Risiko einer unrichtigen Erklärung auf sich und den möglichen Taterfolg einer Steuerverkürzung zumindest billigend in Kauf.

    Auch aus den Umständen, die nach dem Vortrag des Klägers zu der Nacherklärung der Rentenbezüge im März 2006 geführt haben, kann schließlich nicht der Schluss gezogen werden, dass der Kläger bei der Abgabe der Steuererklärungen für die Streitjahre ernsthaft auf die Steuerfreiheit der Berufsunfähigkeitsrenten vertraut hätte. Dem Artikel in der Zeitschrift „Der Steuerzahler”, durch den der Kläger erstmals auf die mögliche Steuerpflicht seiner Rentenbezüge aufmerksam geworden sein will, kann nicht einmal eine Aussage zur Steuerpflicht von Berufsunfähigkeitsrenten entnommen werden. Er befasst sich vielmehr mit Altersrenten und hier insbesondere mit den ab dem Jahr 2005 bestehenden Meldepflichten der Rententräger und den verbesserten Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzämter. Soweit in diesem Artikel auf die „inzwischen … nahezu totale Durchleuchtung von Einkünften und Vermögensverhältnissen” der Rentenbezieher hingewiesen wird, erscheint nachvollziehbar, dass die Kläger dies zum Anlass genommen haben, sich durch Nachfrage bei ihrem langjährigem Steuerberater zu vergewissern, ob die Berufsunfähigkeitsrenten tatsächlich steuerfrei sind, um damit ggf. eine verlässliche Vertrauensgrundlage für die Nichtdeklaration dieser Einkünfte erst zu schaffen. Denn die Ausführungen in dem Artikel waren geeignet, die Befürchtung zu nähren, dass die möglicherweise pflichtwidrig unterbliebene Versteuerung der Rentenbezüge durch die Finanzverwaltung entdeckt und aufgegriffen werden könnte. Ebenso erscheint deshalb nachvollziehbar, dass die Kläger sich zur Überprüfung der ihnen dabei erteilten Auskunft, die der ihrem bisherigen Erklärungsverhalten zu Grunde liegenden günstigeren Rechtsauffassung klar widersprach, an einen neuen Steuerberater gewandt haben, durch den dann die Nacherklärung der Rentenbezüge erfolgte. Andere Schlüsse vermag der Senat auch nicht aus dem Umstand zu ziehen, dass die Kläger die bis zum 31.3.2005 geltenden Regelungen des Strafbefreiungserklärungsgesetzes nicht in Anspruch genommen haben. Selbst wenn dies – trotz Einbeziehung weiterer dann nicht festsetzungsverjährter Veranlagungszeiträume – zu einer niedrigeren Besteuerung geführt hätte, so fehlte es doch in diesem Zeitraum an einem auslösenden Ereignis für die Befürchtung, dass die bislang möglicherweise pflichtwidrig unterbliebene Versteuerung aufgedeckt werden könnte.

    Die Möglichkeit eines Tatumstandsirrtums scheidet aus, da dem Kläger bei einer seiner Gedankenwelt entsprechenden Bewertung die mögliche steuerliche Relevanz des Bezugs der Berufsunfähigkeitsrenten und das Fehlen einer verlässlichen Grundlage für das Vertrauen auf deren Steuerfreiheit bewusst waren. Soweit er trotz der sich deshalb aufdrängenden Zweifel den ihm günstigen Rechtsstandpunkt eingenommen hat, dass die Berufsunfähigkeitsrenten steuerfrei und deshalb in den Steuererklärungen nicht offen zu legen seien, kann es sich nur um einen bloßen Subsumtionsirrtum handeln, der den Vorsatz unberührt lässt und allenfalls als Verbotsirrtum nach § 17 StGB die Schuld ausschließen kann (vgl. dazu Hellmann, a. a. O., Tz. 228, 254 ff. m. w. N.). Ein schuldloses Handeln aufgrund eines solchen Verbotsirrtums kann indessen nicht angenommen werden, da der Kläger diesen Irrtum durch Einholung eines fachkundigen Rates hätte vermeiden können. Dies hätte im Streitfall vorausgesetzt, gegenüber einer solchen sachkundigen Person, etwa dem steuerlichen Berater, den dem Rentenbezug zu Grunde liegenden Sachverhalt offen zu legen und damit eine pflichtgemäße und verantwortungsvolle Auskunftserteilung erst zu ermöglichen.

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    RechtsgebieteEStDV AO, EStGVorschriftenEStDV § 55 Abs 2 AO § 169 Abs 2 Satz 2 AO § 370 EStG § 22 Nr 1

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