Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

    Unterlassen der Berichtigung eines Herabsetzungsantrags

    von RAin Dr. Janika Sievert, LL.M. Eur. und RA/FAStr Alexander Littich, LL.M., ECOVIS L+C Regensburg und Landshut

    | Die vierteljährliche ESt-Vorauszahlung ist in § 37 EStG geregelt und bemisst sich grundsätzlich anhand der ESt entsprechend der letzten Veranlagung. Die Vorauszahlungen können nachträglich an die sich voraussichtlich im laufenden VZ ergebende ESt angepasst, auch verringert, werden. Der Steuerpflichtige ist dabei entsprechend § 150 Abs. 2 AO verpflichtet, in dem Herabsetzungsantrag vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Nach Ansicht einiger Finanzämter muss der Steuerpflichtige seine Angaben aber auch unverzüglich berichtigen, wenn der prognostizierte Gewinn höher ausfällt als im Herabsetzungsantrag mitgeteilt. |

     

    Frage des Steuerberaters: Das FA hatte die ESt-Vorauszahlung für 2015 auf Basis der ESt-Erklärung 2013 festgesetzt. Anfang 2015 beantragte mein Mandant, die Vorauszahlungen herabzusetzen, da sich aufgrund der betriebswirtschaftlichen Auswertung 2014 (BWA 14) ein geringerer Gewinn als im Jahr 2013 abzeichnete. Mein Mandant hat sodann fristgerecht die ESt-Erklärung für 2015 eingereicht, der Gewinn lag deutlich über dem des Jahres 2014. Gegen den Mandanten wurde ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Ihm wurde mitgeteilt, dass die eingereichten Erklärungen als Selbstanzeige gemäß § 371 AO hinsichtlich der festgesetzten ESt-Vorauszahlungen zu werten seien. Es wurde ihm vorgeworfen, er hätte den voraussichtlichen Gewinn für das Jahr 2015 viel zu niedrig angegeben und sei in der Folge seiner Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 2 AO nicht nachgekommen. Die Überprüfung der Wirksamkeit der Selbstanzeigen erfolgt nun im Strafverfahren. Ist das Vorgehen der Finanzverwaltung korrekt?

     

    Antwort des Strafverteidigers: Bei der Frage, ob hier zu Recht eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen der Anzeige- und Berichtigungspflicht angenommen wurde, ist zu prüfen, welche Informationen zum prognostizierten Gewinn im Zeitpunkt der Antragstellung vorlagen.

     

    • Soweit der Mandant zum Zeitpunkt der Antragstellung keine unrichtigen Angaben gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gemacht hat und auf Grundlage des Vorjahresergebnisses und des bislang im laufenden Jahr erzielten Ergebnisses auch für das Jahr 2015 eine geringere Steuerfestsetzung zu erwarten war, waren die Angaben im Herabsetzungsantrag richtig.

     

    • Soweit sich nun während des laufenden Veranlagungsjahres herausstellt, dass der prognostizierte Gewinn, der dem Antrag auf Herabsetzung der ESt-Vorauszahlung zugrunde gelegt wurde, höher ausfällt, hat der Steuerpflichtige keine Berichtigungspflicht gemäß § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO.

     

    • Sollte der Mandant aber den Plan haben, sich mit einem unrichtigen Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen kurzfristig Liquidität zu beschaffen, kann dies zu einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren führen.

     

    Die Finanzverwaltung vertritt aber mittlerweile gehäuft die Auffassung, dass ein Herabsetzungsantrag einen steuerlichen Vorteil gemäß § 370 AO in Form einer sonstigen Steuervergünstigung darstellt. Der Steuerpflichtige habe auch nach Antragstellung laufend zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für den Herabsetzungsantrag, also der prognostizierte, niedrigere Gewinn, zu einem späteren Zeitpunkt weggefallen ist. Sobald der Steuerpflichtige feststellt, dass die Voraussetzungen für den Herabsetzungsantrag weggefallen sind, liegt nach Ansicht einiger Finanzverwaltungen ein nachträgliches Wegfallen der Voraussetzungen einer sonstigen Steuervergünstigung vor. Damit ist der Steuerpflichtige zur unverzüglichen Anzeige nach § 153 Abs. 2 AO verpflichtet. Unterlässt er dies, kann dies zu einer Strafbarkeit nach § 370 AO Abs. 1 Nr. 2 AO führen.

     

    Der Anwendungserlass zu § 153 AO vom 23.5.16 (BMF 23.5.16, IV A 3-S 0324/15/10001, BStBl I 16, 490) widerspricht jedoch dieser Praxis. Hier wird zwar ausdrücklich festgehalten, dass die Anzeige- und Berichtigungspflichten nach § 153 Abs. 1 und Abs. 2 AO sich nicht nur auf Steuererklärungen erstrecken, sondern auf alle Erklärungen des Steuerpflichtigen, die Einfluss auf die Höhe der festgesetzten Steuer oder gewährte Steuervergünstigung gehabt haben, somit explizit auch auf Anträge auf Herabsetzung von Vorauszahlungen. Es wird aber auch ausdrücklich festgehalten, dass keine Verpflichtung besteht, unaufgefordert Angaben zur Erhöhung festgesetzter Vorauszahlungen zu machen, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse und damit die zu erwartenden Steuerzahlungen erst nach einem Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlung geändert haben. Eine Berichtigungspflicht besteht lediglich dann, wenn eine erstmalige Herabsetzung von Vorauszahlungen auf vom Steuerpflichtigen unrichtig bzw. unvollständig gemachten Angaben beruht. Wenn der Mandant aber im Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich von einem niedrigen Gewinn entsprechend dem des Vorjahres ausgehen konnte, besteht nach dem Anwendungserlass eben gerade keine Berichtigungspflicht.

     

    Damit kann auch bei Nichtberichtigung der Vorauszahlungsgrundlagen keine Steuerhinterziehung durch Unterlassen verwirklicht werden. Eine Handhabung der Jahressteuererklärung als Selbstanzeige ist dann mangels Steuerhinterziehung nicht möglich. Anders liegt der Fall aber, wenn der Antrag auf Herabsetzung mit dem Vorjahresergebnis begründet wird und zu diesem Zeitpunkt für den Steuerpflichtigen ‒ z.B. anhand der BWA ‒ bereits absehbar ist, dass der prognostizierte Gewinn doch höher ausfallen wird.

     

    PRAXISHINWEIS | Sollte dennoch der Fall einer unterlassenen Berichtigung vorliegen, wird die Jahreserklärung in der Regel als wirksame Selbstanzeige gemäß § 371 AO gewertet, soweit sie im Übrigen vollständig war. Hier können jedoch zusätzlich Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO festgesetzt werden und ab einer Steuerverkürzung i.H. von 25.000 EUR auch Strafzuschläge gemäß § 398a AO verlangt werden. Zudem sperrt diese Selbstanzeige die Abgabe einer weiteren Selbstanzeige für die vergangenen VZ. Daher sollte die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige im Rahmen der Jahreserklärung nicht einfach akzeptiert, sondern die Voraussetzungen für einen Herabsetzungsantrag im Zeitpunkt der Antragstellung genau überprüft werden.

     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2017 | Seite 319 | ID 44989346

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents