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  • · Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

    Kann trotz wirksamer Selbstanzeige eine Verbandsgeldbuße verhängt werden?

    von RA Philipp Külz, FA StR, Flick Gocke Schaumburg, Bonn

    | Während insbesondere die Finanzbehörden in früheren Zeiten von den §§ 30 , 130 OWiG nur selten Gebrauch gemacht haben, gibt es nun bei nahezu jeder Sachverhaltskonstellation mit Unternehmensbezug Diskussionen, ob ein Bußgeld gegen das betroffene Unternehmen zu verhängen ist. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen werden hierbei nicht immer mit der gebotenen Sorgfalt geprüft, obwohl Bußgeldentscheidungen gravierende Folgen für die Unternehmen haben können. |

     

    Frage: Ich berate seit einigen Monaten die beiden Geschäftsführer einer GmbH. Diese hatten in den Jahren 2008 bis 2012 vorsätzlich unrichtige Umsatzsteuerjahreserklärungen eingereicht. Der Hinterziehungsbetrag lag jeweils bei 20.000 EUR. Ich habe dem Finanzamt daher im Auftrag meiner Mandanten im September 2015 eine Selbstanzeige i.S. des § 371 AO vorgelegt. Die Behörden haben den Sachverhalt bereits überprüft und mitgeteilt, dass sie meine Nacherklärung als wirksam erachten. Da der Verkürzungsbetrag je Tat 25.000 EUR nicht übersteigt, ist kein Geldbetrag nach § 398a AO zu entrichten. Der zuständige Sachbearbeiter hat jedoch angekündigt, gegen das Unternehmen eine Geldbuße nach § 30 OWiG verhängen zu wollen. Indem der Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO verwirklicht sei, lägen die Voraussetzungen für eine Anknüpfungstat vor; daran könne auch die Selbstanzeige nichts ändern. Ist die Ansicht des Finanzbeamten zutreffend bzw. wäre eine solche Vorgehensweise gesetzeskonform?

     

    Antwort: Die Rechtsauffassung des Finanzbeamten ist nicht richtig, eine Geldbuße nach § 30 OWiG wäre vorliegend rechtswidrig.

     

    Nach § 30 Abs. 1 OWiG kann gegen ein Unternehmen als juristische Person eine Geldbuße festgesetzt werden, wenn eine der in § 30 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 OWiG genannten Leitungspersonen eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen hat, durch die Pflichten, welche die juristische Person treffen, verletzt worden sind oder die zu einer Bereicherung des Unternehmens geführt haben oder führen sollten. § 30 Abs. 1 OWiG wird dementsprechend nicht nur bei einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO, sondern beispielsweise auch bei einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 1 AO angewendet.

     

    Im vorliegenden Fall haben die beiden Geschäftsführer der GmbH unrichtige Umsatzsteuerjahreserklärungen eingereicht und mithin Straftaten begangen, durch die Pflichten, die die GmbH betrafen, verletzt worden sind. Die Besonderheit besteht hier jedoch darin, dass für die handelnden Personen eine strafbefreiende Selbstanzeige i.S. des § 371 AO eingereicht worden ist. Der reine Wortlaut des § 30 Abs. 1 OWiG stellt lediglich auf den Begriff der Straftat ab und schränkt nicht dahingehend ein, ob die Anknüpfungstat noch verfolgbar sein muss oder nicht. Etwas „versteckt“ gelegen und daher offenbar oft übersehen, verschafft aber § 30 Abs. 4 OWiG Klarheit:

     

    • § 30 Abs. 4 S. 1 OWiG macht zwar zunächst deutlich, dass eine Geldbuße auch in einem selbstständigen Verfahren verhängt werden kann. Es ist also nicht erforderlich, dass ein Straf- oder Bußgeldverfahren gegen eine Person i.S. des § 30 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 OWiG eingeleitet wurde; das betreffende Verfahren kann auch eingestellt worden sein. Im Umkehrschluss wird angenommen, dass die Verbandsgeldbuße grundsätzlich in einem verbundenen Verfahren, welches sich sowohl gegen den Täter der Anknüpfungstat als auch gegen das Unternehmen richtet, verhängt werden soll.

     

    • Im vorliegenden Fall ist jedoch § 30 Abs. 4 S. 3 OWiG entscheidend. Danach ist die selbstständige Festsetzung einer Geldbuße gegen die juristische Person ausgeschlossen, wenn die Straftat oder Ordnungswidrigkeit aus rechtlichen Gründen nicht verfolgt werden kann.
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    • Von der Formulierung „aus rechtlichen Gründen nicht verfolgt werden kann“ werden nach einhelliger Meinung auch die Fälle erfasst, in denen Leitungspersonen strafbefreiende Selbstanzeigen abgegeben haben (vergleiche Wegner, PStR 03, 180; Reichling, NJW 13, 2233). Demnach kann gegen die GmbH hier keine Geldbuße nach § 30 OWiG verhängt werden. Sollte dennoch eine Bußgeldentscheidung erfolgen, ist den Geschäftsführern anzuraten, gegen diese Maßnahme vorzugehen.

     

    Auch lediglich rein „steuerrechtlich“ tätige Berater müssen Grundkenntnisse über die §§ 30, 130 OWiG haben - insbesondere auch über das Zusammenspiel dieser beiden Normen. Bereits eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO kann bei Unternehmensbezug dazu führen, dass eine Geldbuße verhängt wird. Die Abgrenzung zwischen N- weitgehend folgenloser - Fahrlässigkeit und Leichtfertigkeit bei der Abgabe unrichtiger Steuererklärungen ist oft ein schmaler Grat. Die Folgen für die betroffenen Unternehmen können indes gravierend sein. Im Falle einer vorsätzlichen Straftat kann die Geldbuße nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 OWiG mittlerweile bis zu 10 Mio. EUR betragen. Daneben soll die Verbandsgeldbuße gemäß § 30 Abs. 3 OWiG i.V. mit § 17 Abs. 4 OWiG den wirtschaftlichen Vorteil überschreiten, der aus der Anknüpfungstat gezogen wurde.

     

    PRAXISHINWEIS | Der Berater sollte sich nicht vorschnell mit den Behörden darauf einigen, ein vermeintlich geringes Bußgeld zu akzeptieren. Nach § 149 Abs. 2 Nr. 3 GewO werden rechtskräftige Bußgeldentscheidungen in das Gewerbezentralregister eingetragen, sofern sie mehr als 200 EUR betragen. Eine solcher Eintrag kann im Zuge öffentlicher Vergabeverfahren die Chancen des Unternehmens, einen Auftrag zu erlangen, erheblich verschlechtern.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Höll, Verbandsgeldbuße: Chancen und Risiken aus Sicht der Verteidigung, PStR 13, 94 ff.
    • Höll/Reichling, Verschärfung der Sanktionsmöglichkeiten gegen juristische Personen und Personenvereinigungen, PStR 12, 167
    Quelle: Ausgabe 01 / 2016 | Seite 27 | ID 43745964

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