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  • · Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

    Gerichtliche Prüfung der Selbstanzeige - Entscheidung bei Anwendung des § 398a AO

    von RAin Sophia von Hake, LL.M. und RA Philipp Külz, Flick Gocke Schaumburg, Bonn

    | In den letzten Wochen wurde anhand eines prominenten Falles in den Medien ausführlich spekuliert, wie das Gericht die Wirksamkeit der Selbstanzeige bewerten wird. Die folgenden Ausführungen machen deutlich, dass der hierbei häufig in Erwägung gezogene Freispruch verfahrensrechtlich nicht möglich gewesen wäre. |

     

    Frage des Steuerberaters: Einer meiner Mandanten, für den ich eine Selbstanzeige für seine Einkommensteuererklärungen mit einem Hinterziehungsbetrag von jährlich mehr als 50.000 EUR abgegeben habe, ist - aufgrund der jüngsten Berichterstattung in der Presse - mit der Frage an mich herangetreten, ob er mit einem Freispruch rechnen kann, wenn erst das Gericht im Rahmen der Hauptverhandlung - entgegen der Staatsanwaltschaft - seine Selbstanzeige als wirksam erachtet.

     

    Antwort des Verteidigers: Die im Jahr 2011 erfolgte Einführung der § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO, § 398a AO hat zur Folge, dass ein Freispruch für einen Angeklagten bei einem Hinterziehungsbetrag von mehr als 50.000 EUR je Tat nicht mehr möglich ist, auch wenn die Selbstanzeige nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung die Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 AO erfüllt.

     

    In den vorgenannten Fällen führt die Selbstanzeige nicht mehr zur Straffreiheit; vielmehr ist unter bestimmten Voraussetzungen das Absehen von der Strafverfolgung durch die Einstellung des Verfahrens nach § 398a AO möglich. Dies führt prozessual zu erheblichen Problemen, da der Gesetzgeber offensichtlich lediglich die Erschwerung der Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung größeren Ausmaßes im Blick hatte, ohne die damit verbundenen verfahrensrechtlichen Konsequenzen zu bedenken. Das Absehen von der Strafverfolgung setzt bei Taten mit einem Volumen von über 50.000 EUR zunächst voraus, dass der Täter innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichtet (§ 398a Nr. 1 AO) und einen Geldbetrag i.H. von 5 % der hinterzogenen Steuern zugunsten der Staatskasse zahlt (§ 398a Nr. 2 AO).

     

    Sofern eine Selbstanzeige nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 AO nicht erfüllt und es in der Folgezeit zu einer Anklage kommt, sind in solchen Konstellationen zwangsläufig die entsprechenden Fristen noch nicht gesetzt. Kommt das Gericht im Zuge der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass die Selbstanzeige doch den Maßstäben des § 371 Abs. 1 AO entspricht, steht es vor prozessualen Schwierigkeiten. Da die Voraussetzungen des § 398a AO noch nicht erfüllt sind, kommt eine Verfahrenseinstellung zunächst nicht in Betracht. Mit der Rechtsprechung zu § 371 Abs. 3 AO a.F. (BFH 17.3.82, II B 58/81, NJW 82, 1720) ist den Richtern zwar die Kompetenz einzuräumen, dem Angeklagten diese Fristen angemessen zu setzen. Bereits zu diesem Zeitpunkt müsste das Gericht jedoch die Höhe der hinterzogenen Steuern nach seiner eigenen Überzeugung abschließend festgestellt und eine dahingehende Beweisaufnahme durchgeführt haben. Daneben betragen diese Fristen in der Praxis regelmäßig mehrere Wochen; das Gericht darf eine Hauptverhandlung nach § 229 Abs. 1 StPO grundsätzlich aber nur für drei Wochen unterbrechen.

     

    Man könnte in Erwägung ziehen, das Verfahren vorläufig analog § 153a Abs. 2 S. 1 StPO einzustellen. Obwohl § 398a AO an § 153a StPO angelehnt sein soll (BT-Drucks. 17/5067 (neu), S. 20 f.), scheint eine Vergleichbarkeit an dieser Stelle nicht gegeben, da § 153a StPO die Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten voraussetzt. Die Staatsanwaltschaft wird jedoch häufig bei ihrer ursprünglichen Auffassung bleiben, die Selbstanzeige als unwirksam erachten und einer Verfahrenseinstellung gerade nicht zustimmen. Sofern das Gericht das Verfahren ohne die Zustimmung aller Beteiligten vorläufig einstellt, besteht die Problematik, dass der Gesetzgeber für solche Fälle - und auch generell in Bezug auf § 398a AO - kein Rechtsmittel normiert hat.

     

    Falls der Angeklagte die Steuern nachentrichtet und den Betrag von 5 % bezahlt, wird das Verfahren nach § 398a AO eingestellt. Zu einem Freispruch kommt es in solchen Fällen nicht; mangels Vorliegen eines Urteils hat die Staatsanwaltschaft aber auch nicht die Möglichkeit- je nach erstinstanzlicher Zuständigkeit -, Berufung oder Revision gegen diese Entscheidung einzulegen.

     

    Mit der Einführung des § 398a AO hat der Gesetzgeber daher eine Rechtslage herbeigeführt, die alle Verfahrensbeteiligten vor erhebliche Schwierigkeiten stellt. Es obliegt dem Gericht, die Voraussetzungen des § 398a AO zu schaffen, ohne dass das Gesetz eine Möglichkeit zur eigentlich erforderlichen vorläufigen Verfahrenseinstellung vorsieht; der Staatsanwaltschaft sind „die Hände gebunden“, wenn das Gericht diesen Weg einschlägt. Auch der Angeklagte muss der gerichtlichen Einschätzung widerspruchslos Folge leisten und den als zutreffend erachteten Betrag der Höhe nach anerkennen, sofern er keine Verurteilung in Kauf nehmen möchte.

     

    PRAXISHINWEIS | Der Gesetzgeber hat bei der Einführung des § 398a AO wesentliche Problemfelder nicht berücksichtigt; es bedarf dringend der Nachbesserung. Die an dieser Stelle geplanten Gesetzesverschärfungen werden die Bedeutung des § 398a AO weiter erhöhen. Insbesondere ist es vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG geboten, schnellstmöglich eine eindeutige Rechtsschutzmöglichkeit zu schaffen.

     

    Bis dahin erscheint zumindest im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO analog das zutreffende Rechtsmittel zu sein. Die Berater sollten bei Mandaten mit Bezug zu § 398a AO frühzeitig auf eine einvernehmliche Lösung hinwirken, da eine zuverlässige Beratungsempfehlung wegen der unklaren Gesetzeslage derzeit schwerlich möglich erscheint.

     

    Weiterführender Hinweis

     

    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 135 | ID 42629034

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