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  • · Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

    Corona- und Hygienezuschläge

    von Philipp Blanke und Dr. Karsten Webel, Hamburg

    | Viele Gastronomen haben während des ersten Lockdowns von ihren Gästen einen sog. Coronazuschlag für Hygieneaufwendungen erhoben. Fraglich ist, ob dies steuerstrafrechtlich relevant sein kann. |

     

    FRAGE DES STEUERBERATERS: Mein Mandant M betreibt ein Restaurant. Wegen des Mehraufwands aufgrund der coronabedingten Hygieneregeln hat er zwar die Preise nicht erhöht, aber er verlangt von seinen Gästen einen „Coronazuschlag“ i. H. v. 2,50 EUR pro Person. Diesen ergänzt er handschriftlich auf der jeweiligen Rechnung mit einem Hinweis auf den Hygieneaufwand. Dieser begründet sich z. B. durch den hohen Aufwand bei Tischreservierungen, das Nachhalten von Gästedaten, die besonderen Vorschriften beim Eindecken der Tische, die ständige Kontrolle der Toiletten, die Bereitstellung von Desinfektionsmitteln für Personal und Gäste sowie den hohen Verbrauch an Schutzmasken für das Personal. M erfasst die Coronazuschläge mit dem Trinkgeld beim Auszählen der Bareinnahmen auf einem gesonderten Blatt Papier. Ein separates Kassenbuch wird nicht geführt, da der Mandant über eine elektronische Registrierkasse verfügt, die die Anforderungen des § 146a AO an ein elektronisches Kassensystem erfüllt. Am Ende des Monats werden Trinkgeld und „Coronazuschlag“ aufgrund der handschriftlichen Aufzeichnungen getrennt summiert. Für den „Coronazuschlag“ wird ein Eigenbeleg i. H. d. Monatssumme erstellt und entsprechend in der Buchhaltung erfasst. Die handschriftlichen Aufzeichnungen werden nicht zur Buchhaltung genommen. Ist die Behandlung des „Coronazuschlags“ steuerstrafrechtlich problematisch?

     

    ANTWORT DES STRAFVERTEIDIGERS: In vielen Fällen mag ein Zuschlag inhaltlich gut zu begründen sein, da nicht nur höhere Kosten durch die erforderlichen Hygienemaßnahmen entstehen, sondern durch die Abstands- und Hygieneregeln auch das Sitzplatzangebot in vielen Betrieben deutlich reduziert werden muss, sodass viele Restaurants lediglich zu maximal 40 Prozent ausgelastet werden können. Folglich haben viele Betriebe in der aktuellen Situation erhebliche Schwierigkeiten, überhaupt kostendeckend zu arbeiten.

     

    Probleme ergeben sich insoweit jedoch im Hinblick auf die Preisangabenverordnung, nach der Preise für Speisen und Getränke Bedienungsgeld und sonstige Zuschläge einschließen müssen, § 7 Abs. 5 PAngV. Danach ist es schon unzulässig, einen Gesamtpreis auszuweisen und darauf einen Zuschlag für coronabedingten Mehraufwand zu erheben. Das Vorgehen Ihres Mandanten stellt trotz seiner Unzulässigkeit allerdings keine Ordnungswidrigkeit i. S. d. PAngV dar, vgl. § 10 Abs. 2 Nr. 6 PAngV.

     

    Diese Erwägungen sind jedoch für die steuerliche Beurteilung des dargestellten Sachverhalts unbedeutend. Grundsätzlich sind gemäß analoger Auslegung des § 4 Abs. 4 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 EStG Betriebseinnahmen Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und durch den Betrieb veranlasst sind.

     

    Folglich sind „Coronazuschläge“ ebenfalls Betriebseinnahmen und entsprechend in die jeweilige Gewinnermittlung einzubeziehen. Sieht der Gastwirt davon ab, da er dies nur für einen angemessenen Ausgleich der Kosten und Verluste durch die Coronapandemie hält, liegt darin eine Steuerhinterziehung i. S. d. § 370 Abs. 1 AO, sofern diese Mehreinnahmen höher sind als die steuerlich berücksichtigungsfähigen Kosten. Eventuelle Verluste durch die Auswirkungen der Coronapandemie finden insoweit jedoch keine Berücksichtigung.

     

    Werden die „Coronazuschläge“ erfasst, ist Folgendes zu beachten: Gem. § 146 Abs. 1 S. 1 AO sind die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und -ausgaben sind täglich festzuhalten. Dies kann mithilfe einer offenen Ladenkasse, einer elektronischen Registrierkasse oder einer PC-Kasse erfolgen. Im Fall einer elektronischen Erfassung müssen die Anforderungen des § 146a AO an elektronische Kassensysteme erfüllt werden. Aus § 146 Abs. 1 S. 4 AO ergibt sich, dass § 146 Abs. 1 S. 1 und 2 AO dann nicht anwendbar sind. Folge: Eine tägliche „Inventur“ des Kassenbestands ist nicht notwendig, da alle Geschäftsvorfälle über das elektronische Kassensystem erfasst werden.

     

    Hier erfasst M zwar alle Einnahmen in einer ordnungsgemäßen elektronischen Registrierkasse, der erhobene „Coronazuschlag“ wird aber nicht berücksichtigt. Im Rahmen einer Betriebsprüfung muss der Prüfer daher die Buchführung partiell verwerfen und u. U. Hinzuschätzungen hinsichtlich der Summe der vereinnahmten Zuschläge vornehmen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Angaben des M unzutreffend sein könnten, § 162 AO. Mit der Schätzung muss das Ziel verfolgt werden, der tatsächlich entstandenen Steuer möglichst nahe zu kommen. Nimmt der Prüfer eine Schätzung vor, ist auch die Weiterleitung an die BuStra naheliegend. Im Strafverfahren ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein deutlich strengerer Beweismaßstab gilt, da bezüglich der Richtigkeit der Schätzung keine vernünftigen Zweifel verbleiben dürfen. Letztendlich müsste der Richter überzeugt sein, dass der M Besteuerungsgrundlagen in einer bestimmten Mindesthöhe verschwiegen und dadurch mindestens einen bestimmten Steuerbetrag hinterzogen hat. Es ist mithin nicht zwingend, dass eine steuerliche Schätzung auch zu einer strafrechtlichen Sanktion führt.

     

    PRAXISTIPP | Um eine den Anforderungen der AO entsprechende ordnungsgemäße Buchführung wiederherzustellen, müsste eine entsprechende Programmierung des „Coronazuschlags“ im elektronischen Kassensystem erfolgen, indem eine entsprechende Warengruppe eingeführt und genutzt wird. Nur in diesem Fall sind die Kasseneinzeldaten vollständig und richtig. Die Alternative, am Ende des Tages die Summe des vereinnahmten Zuschlags als handschriftliche Ergänzung z. B. auf dem Z-Bon zu vermerken, ist hingegen nicht anzuraten, da sämtliche Erlöse vollständig mithilfe des elektronischen Aufzeichnungssystems zu erfassen sind, damit die Aufzeichnungen ordnungsgemäß sind, Nr. 2.2.3 S. 1 AEAO zu § 146.

     

    Wichtig ist aber in jedem Fall, eine plausible, nachvollziehbare und taggenaueDokumentation vorzunehmen, um etwaige Prüfungsfeststellungen und darauf basierende Hinzuschätzungen zu vermeiden bzw. ihnen entsprechend substanziiert entgegentreten zu können.

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2021 | Seite 143 | ID 47138020

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