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  • 01.01.2007 | Vermögensabschöpfung

    Reform der Rückgewinnungshilfe

    von ORR Lutz Bertram Fette, Hannover

    Das Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten ist im Oktober im Bundesgesetzblatt (BGBl I, 2350) verkündet worden und tritt zum 1.1.07 in Kraft. Das Änderungsgesetz enthält lang ersehnte Klarstellungen. Es beruht auf dem Ergebnis einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, deren „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten“ seit 2004 vorliegt (PStR 04, 172). Die geplanten Regelungen beheben die erkannten gesetzlichen Defizite und verbessern die Effektivität der Vermögensabschöpfung im Bereich der Rückgewinnungshilfe. Da die Bußgeld- und Strafsachenstellen in Zusammenarbeit mit der Steufa stets die Rückgewinnungshilfe zugunsten des Steuerfiskus betreiben, ist das Änderungsgesetz gerade auch im Steuerstrafverfahren von Bedeutung. 

     

    Reform der Rückgewinnungshilfe
    • Fristverlängerung nach § 111b Abs. 3 StPO
    Die Frist, um die der Ermittlungsrichter Sicherungsmaßnahmen ohne Vorliegen dringender Gründe verlängern kann, soll von 3 auf 6 Monate gestreckt werden. Dies gibt den Ermittlungsbehörden mehr zeitlichen Spielraum, um den Verdacht gegen den Täter entsprechend zu erhärten.

     

    • Rechtsweg bei Rechtsbehelfen gegen Vollstreckungsmaßnahmen
    Bisher war umstritten, ob Einwendungen gegen Maßnahmen der Vollstreckung im zivilrechtlichen oder im strafprozessualen Rechtsweg geltend gemacht werden müssen. Nach 111b Abs. 5 StPO n.F. sind nun die Strafgerichte für sämtliche Einwendungen zuständig, die bei der Durchführung der Vermögenssicherungsmaßnahmen entstehen, somit insbesondere auch für zwangvollstreckungsrechtliche Rechtsbehelfe wie den Drittwiderspruch.

     

    • Erleichterung der Mitteilungspflichten
    Zukünftig ist den Verletzten einer Straftat nur noch der Vollzug eines dinglichen Arrestes, nicht mehr deren Anordnung mitzuteilen (§ 111e Abs. 3 StPO n.F.). Damit wird verhindert, dass Verletzte sich an die StA wenden, obwohl im Ergebnis keine Vermögenswerte gesichert werden konnten. Gleichzeitig enthält § 111e Abs. 4 StPO n.F. die Möglichkeit der Mitteilung über den elektronischen Bundesanzeiger, welche die Verfahren mit einer Vielzahl von Verletzten erheblich vereinfachen.

     

    • Allgemeine Vollstreckungs- und Zustellungskompetenz der StA
    Durch Änderung des § 111f Abs. 3 S. 3 StPO erhält die StA auch bei Vollziehung des Arrestes u.a. in Forderungen nicht nur eine nachrangige, sondern eine originäre Zuständigkeit. Damit erhält die StA bzw. die Bußgeld- und Strafsachenstelle des FA insgesamt die einheitliche Vollziehungskompetenz für Anordnungen der Vermögenssicherung

     

    Nach § 111f Abs. 4 StPO n.F. wird klargestellt, dass Zustellungen nicht nur dem Gerichtsvollzieher vorbehalten bleiben, sondern dass die StA sich auch ihrer Ermittlungspersonen in dieser Sache bedienen kann. Davon erfasst werden über § 404 AO auch die Beamten der Steufa. Damit wird die bisherige Praxis – Zustellung durch den Steuerfahnder – auch gesetzlich abgesichert.

     

    • Rangvorrang zugunsten des Verletzten vor Drittgläubigern
    Im Gegensatz zu den mittels Beschlagnahme gesicherten Gegenständen (§ 111g StPO) und der Vollziehung eines Arrestes in Grundstücke (§ 111h StPO) mangelte es bisher bei der Sicherung in das bewegliche Vermögen zugunsten Verletzter an einer gesetzlichen Regelung, die auch dem Verletzten eine Rangwahrung gegenüber anderen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gewährleistete. Nach der Sicherung der Vermögenswerte durch den Staat griff das Prioritätsprinzip mit allen Unwägbarkeiten und Umgehungsmöglichkeiten. Eine analoge Anwendung der §§ 111g, h StPO wurde zwar teilweise diskutiert, diese Meinung konnte sich aber nicht durchsetzen (LG Berlin 9.12.03, wistra 04, 159; Frommhold, NJW 04, 1083; Hees, ZRP 04, 37).

     

    § 111g StPO n.F. ist nun auf die Vollziehung eines dinglichen Arrests in das bewegliche Vermögen erweitert worden. Auf diese Weise erfolgt nach Zulassung der Vollstreckung des Verletzten durch den Richter ein Rangrücktritt des Staates zugunsten des vollstreckenden Verletzten und damit eine Privilegierung gegenüber anderen Gläubigern. Im Steuerstrafverfahren rückt das die Steuerforderung vollstreckende FA an die Stelle der StA bzw. Bußgeld- und Strafsachenstelle. Gleichzeitig wird diese Besserstellung durch einen neuen Abs. 4 in § 111h StPO auch auf die Vollziehung in Schiffe, Schiffsbauwerke oder Luftfahrzeuge ausgedehnt.

     

    Gerade diese Neuerung macht die Rückgewinnungshilfe für den Verletzten allgemein und im Steuerstrafverfahren für den Fiskus als Verletzten effektiv. Denn nur durch die Rangwahrung ist gewährleistet, dass die durch den ersten Zugriff gesicherten Vermögenswerte letzten Endes auch dem Verletzten wirtschaftlich zugeführt werden können. Nicht umgesetzt wurde eine Privilegierung des Verletzten auch für den Fall der zwischenzeitlichen Insolvenz des Täters. Somit besteht in diesen Fällen für den vollstreckenden Verletzten das Risiko
    • der einmonatigen Rückschlagsperre des § 88 InsO und
    • der Geltendmachung von Anfechtungsrechten durch den Insolvenzverwalter.

     

    Zu Recht aber hält sich der Staat an dieser Stelle aus dem Konflikt mehrerer Gläubiger heraus. Da das Vermögen dem Täter durch die Insolvenz entzogen ist, müssen die Maßnahmen des Strafverfahrens nicht mehr bemüht werden, um ihm die Früchte der Tat zu entziehen.

     

    • Auffangrechtserwerb des Staates
    Kern der Neuregelung ist die Lösung des Zusammentreffens von Verletztenansprüchen (FA) und dem staatlichen Verfallsanspruch (StA). So konnte bisher wegen des prinzipiellen Vorrangs der Ansprüche Verletzter aus der Tat nach § 73 Abs. 1 S. 2 StGB nicht ausgeschlossen werden, dass der Täter den aus der Tat erlangten Vermögensvorteil auch nach Verurteilung zurückerhält. Dies war die gesetzliche Folge in den Fällen, in denen durch die Art der Straftat Verletzte vorhanden sind, diese aber entweder namentlich nicht ermittelt werden konnten oder diese ihre Ansprüche nicht durchzusetzen versuchten – z.B. weil es sich bei einer Vielzahl von Verletzten bei jedem Einzelnen um Kleinbeträge handelt oder weil die Verletzten nach wie vor in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Täter stehen.

     

    § 111i StPO n.F. enthält nun eine verlängerte Aufrechterhaltung der Sicherungsmaßnahmen sowie einen Auffangrechtserwerb des Staates. Nach § 111i Abs. 3 StPO können Sicherungsmaßnahmen in den Fällen, in denen Ansprüche Verletzter einer Verfallentscheidung entgegenstehen, für eine Dauer von 3 Jahren nach Erlass des Urteils aufrechterhalten werden. Nach Ablauf dieser Frist fallen die gesicherten Vermögenswerte an den Staat, soweit inzwischen keine Befriedigung der Verletzten durch den Täter selbst oder aus den gesicherten Werten erfolgte (§ 111i Abs. 5 StPO).

     

    Das Eigentum an beschlagnahmten Gegenständen geht gemäß § 73e Abs. 1 StGB auf den Staat über. Im Falle der Vollziehung eines dinglichen Arrestes erhält der Staat einen entsprechenden Zahlungsanspruch zugesprochen. Diese Regelungen gelten auch im objektiven Verfahren (§ 76a StGB i.V. mit § 111i Abs. 8 StPO n.F.).

     

    • Erleichterung der Notveräußerung nach Rechtskraft des Urteils
    Vermögenswerte können veräußert werden, wenn deren Verderb droht oder die weitere Aufbewahrung unverhältnismäßige Kosten verursacht. Diese Notveräußerung kann auch auf andere Weise als durch den Gerichtsvollzieher geschehen (§ 111l Abs. 6 StPO n.F., Zollauktion.de).

     

    • Weitere Beschwerde gegen Beschlüsse der Landgerichts
    Der Eingriff des Staates mittels der Vermögensabschöpfung kann gravierende Folgen für den Betroffenen haben. Auch wenn im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Ermittlungsbehörden an übermäßigen Maßnahmen gehindert sind, so können gerade im unternehmerischen Bereich sichernde Maßnahmen zum Risiko für die wirtschaftliche Existenz werden.

     

    Um der Intensität des Eingriffs Rechnung zu tragen, hat der Gesetzgeber durch Änderung des § 310 StPO den Beschwerdeweg verlängert. Bei Arrestanordnungen mit einem Wert von über 20.000 EUR besteht nun die Möglichkeit, gegen Entscheidungen des LG weitere Beschwerde zur Entscheidung durch das OLG zu erheben.

     

    Die Erfahrungen aus der Praxis haben gezeigt, dass die Arrestsummen in Steuerstrafverfahren diesen Betrag in den meisten Fällen übersteigen. Insofern wird der verlängerte Beschwerdeweg die Regel sein, auf die sich Verteidiger und Ermittlungsbehörden einstellen sollten. .
     

    Quelle: Ausgabe 01 / 2007 | Seite 8 | ID 90017

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