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  • 21.04.2011 | Steuerstrafverfahren

    EGMR: Aussetzung nach § 396 AO kann Schadenersatz begründen

    von VRiLG Alexander Meyberg, München/Karlsruhe

    Wird ein Steuerstrafverfahren nach § 396 AO ausgesetzt und - unabhängig vom Stand des finanzgerichtlichen Verfahrens - nicht binnen angemessener Frist wieder aufgenommen, begründet dies einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK (EGMR 21.12.10, 974/07 - Wienholtz/Deutschland, Abruf-Nr. 111190).

     

    Sachverhalt

    Das AG hat ein bei ihm nach Aufhebung einer Verurteilung (BGH 20.12.95, 5 StR 412/95, wistra 96, 184) nunmehr anhängiges Steuerstrafverfahren auf Antrag des damaligen Angeklagten und jetzigen Beschwerdeführer W gemäß § 396 AO im Januar 1997 ausgesetzt im Hinblick auf ein zu diesem Zeitpunkt bereits anhängiges Besteuerungsverfahren. In diesem hob das FG im November 2004 einen die Gesellschaft des W belastenden Strafbefehl weitgehend auf. Im Juli 2007 erklärte das FA, es werde einen weiteren Strafbefehl gegen W zurücknehmen, woraufhin W dem AG mitteilte, die Gründe für die Verfahrensaussetzung seien nunmehr gegenstandslos geworden. Das Strafverfahren endete im April 2008 mit einer Einstellung gemäß § 153 StPO.  

     

    Entscheidungsgründe

    W hatte bereits im Dezember 2006 Beschwerde zum EGMR erhoben: Art. 6 Abs. 1 EMRK sei verletzt, weil nicht innerhalb „angemessener Frist“ gegen ihn verhandelt worden war, nun müsse ihm eine „gerechte Entschädigung“ (Art. 41 EMRK) gezahlt werden. Der EGMR erachtet die Beschwerde in der Hauptsache für begründet und hat die Bundesrepublik Deutschland zur Zahlung von 17.000 EUR an W verurteilt.  

     

    Zwar könne es für ein mit einer Sache befasstes Gericht angemessen sein, den Ausgang eines parallel geführten - entscheidungsbeeinflussenden - Verfahrens abzuwarten. Aber selbst wenn eine Grundsatzfrage betroffen wäre, dürfe nicht unbegrenzt auf deren Entscheidung gewartet werden. Das AG habe sich nach einer gewissen Zeit nicht mehr damit begnügen dürfen, sich lediglich nach dem Fortgang des FG-Verfahrens zu erkundigen. Dem Einwand, der Angeklagte selbst habe die Aussetzung beantragt, weil ihm mehr daran gelegen habe, dass die Vorwürfe des FA „von sachkundigen Richtern geprüft“ werden, begegnet der EGMR mit dem Hinweis, dass selbst bei Verfahren, in denen es den Parteien obliegt, Initiativen zu ergreifen, die Gerichte nicht von ihrer Verpflichtung entbunden seien, dafür Sorge zu tragen, dass das Verfahren innerhalb angemessener Frist abläuft. Die aus Art. 6 Abs. 1 EMRK resultierende Verpflichtung, ein Justizsystem so zu organisieren, dass die Gerichte jedem Erfordernis in Bezug auf die „angemessene Frist“ gerecht werden können, umfasse es auch, Mechanismen vorzusehen, dass ein parallel laufendes Verfahren den Abschluss des diesbezüglich ausgesetzten Verfahrens nicht automatisch verzögert.  

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