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  • 01.10.2006 | Steuerhinterziehung

    Scheinbetriebsausgaben an nicht existente ausländische AG

    von RiLG Dr. Bernhard Frye, Erfurt/Mühlhausen
    Eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung durch Geltendmachung von Scheinbetriebsausgaben setzt den vollen Nachweis voraus, dass die vom Angeklagten geltend gemachten Betriebsausgaben in Wirklichkeit nicht geleistet wurden. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung im Steuerstrafverfahren kann auf Grund einer Gesamtschau mehrerer Indizien erfolgen (LG Mühlhausen 21.6.06, 610 Js 55138/04-9KLs, Rev. eingelegt, Abruf-Nr. 062214).

     

    Sachverhalt

    Der Angeklagte firmierte als Unternehmensberater. Er vermittelte im Zeitraum von knapp 1 ½ Jahren rund 170 angebliche Darlehensverträge mit einem Gesamtvolumen von 1,4 Mrd. DM. Die Darlehen sollten von einer mexikanischen Bank über deren europäische Repräsentanz, die A-AG mit Sitz in Zürich, ausbezahlt werden. Eine Auszahlung der Darlehen hatte aber nicht stattgefunden. Vor Darlehensbeantragung vereinnahmte der Angeklagte von den Darlehensinteressenten jeweils „Bearbeitungsgebühren“ i.H. von insgesamt etwa 7,8 Mio. DM. Davon habe er angeblich 6,6 Mio. DM gewinnmindernd an die Schweizer A-AG weitergeleitet. Das LG Mühlhausen verurteilte den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten. 

     

    Entscheidungsgründe

    Das LG sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte ESt, SolZ und GewSt i.H. von insgesamt etwa 3,7 Mio. DM verkürzt hatte. Entgegen seinen Angaben hatte er keine Bearbeitungsgebühren an die A-AG weitergeleitet, weil es nach Überzeugung des LG die A-AG überhaupt nicht gab. Vielmehr hat der Angeklagte dem FA die Existenz der A-AG nur vorgespiegelt. Dies folgerte das LG aus einer Gesamtschau zahlreicher Indizien, von denen nachfolgend die wichtigsten umrissen sind: 

    • Der Angeklagte hat sich zu nahezu allen Tatumständen eingelassen: Er unterließ gerade nur solche Angaben, welche eine Identifizierung der A-AG ermöglicht hätten, obwohl sie zu seiner Entlastung hätten beitragen können.
    • Eine A-AG ist weder in den Handelsregistern des Kantons Zürich, noch im Telefonbuch von Zürich, noch im elektronischen Telefonbuch für die gesamte Schweiz eingetragen.
    • Auf keinem der zahlreichen Schreiben der angeblichen A-AG ist eine Adresse, lesbare Unterschrift, Telefon- oder Faxnummer, E-Mailadresse, Bankverbindung, Steuernummer, ein Sachbearbeiter, Ansprechpartner, Bearbeitervermerk oder sonstiger Hinweis ersichtlich, der eine Identifizierung der A-AG ermöglicht hätte.
    • Auch der „Darlehensvermittlungsvertrag“ zwischen dem Angeklagten und der angeblichen A-AG lässt jede Angabe zur Identifizierung der A-AG vermissen, während der Angeklagte mit Namen und Adresse vollständig bezeichnet ist.
    • Das beim Angeklagten sichergestellte Briefpapier der A-AG ist ausweislich einer kriminaltechnischen Untersuchung mit einem Tintenstrahldrucker hergestellt worden – für eine AG, die angeblich Milliardenkredite vergibt, mehr als unüblich.
    • Die meisten Schreiben mit dem Briefkopf der A-AG weisen keine Merkmale eines postalischen Versands wie Faltknicke oder Eindruckspuren von Poststempeln auf.
    • Für die Weiterleitung der Bearbeitungsgebühren an die A-AG gibt es keine Überweisungsbelege. Die Einlassung des Angeklagten, die Gelder seien stets von einem Ansprechpartner der A-AG in den Büroräumen des Angeklagten in bar abgeholt worden, war nicht glaubhaft.
    • In den Unterlagen fanden sich keine Hinweise auf vom Angeklagten angeblich durchgeführte Geschäftsreisen nach Zürich.
    • Schließlich ergab eine Auswertung der von den Büroräumen des Angeklagten aus geführten Festnetztelefonate, dass im fraglichen Zeitraum kein Gespräch mit einer A-AG in der Schweiz stattgefunden hat.

     

    Praxishinweis

    Nach § 160 Abs. 1 AO sind nur solche Betriebsausgaben zu berücksichtigen, deren Empfänger der Steuerpflichtige genau benennt. Das gilt nicht im Steuerstrafverfahren. Die Strafverfolgungsbehörden sind daher zur vollen Nachweisführung verpflichtet. Allerdings kann auch im Strafverfahren die Nichtnennung angeblicher Empfänger im Rahmen einer ansonsten umfangreichen Einlassung des Steuerpflichtigen ein Indiz unter mehreren für die Nichtexistenz der angeblichen Empfänger bedeuten. 

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