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  • 01.10.2006 | Insolvenz

    10 wichtige Regeln für den GmbH-Geschäftsführer in der Krise

    von RA / StB / FA StR Julian Ott, Berlin

    Was muss der GmbH-Geschäftsführer (GF) bei drohender Insolvenz tun, um Strafverfolgung zu vermeiden und persönliche Haftung zu begrenzen? Die folgende Checkliste bietet eine erste Orientierung. Die einzelfallbezogene Beratung verbunden mit der Klärung weiterer Fragen wie z.B. zu Bürgschaft, Eigenkapitalersatz und Amtsniederlegung kann sie nicht ersetzen. 

     

    Checkliste: Der Geschäftsführer in der Krise

    Regel Nr. 1: Insolvenzantrag rechtzeitig stellen 

    Wenn es kriselt, muss eine tagesaktuelle Liquiditätsplanung und ein Überschuldungsstatus nach § 19 InsO erstellt und laufend gepflegt werden. Hierin liegt die einzige Steuerungsmöglichkeit für eine rechtzeitige Insolvenzantragstellung – unverzüglich, spätestens binnen 3 Wochen ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder der Überschuldung (§ 19 InsO). Insolvenzverschleppung ist mit bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe bedroht (§§ 84 Abs. 1 Nr. 2, § 64 Abs. 1 GmbHG). Das Delikt wird von Amts wegen – auf Grund der Aktenübergabe an die StA im Rahmen der Mitteilungspflichten des Insolvenzgerichts – verfolgt. Eine Strafanzeige eines Dritten ist nicht erforderlich, um das Ermittlungsverfahren in Gang zu bringen. Eigener Liquiditätsplan und Überschuldungsstatus sind der einzige Ansatz für eine sachgerechte Verteidigung – ohne diese liegt allein das Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters dem Strafverfahren zu Grunde. Dieses fällt wegen des für den Insolvenzverwalter bei der Beurteilung der Massekostendeckung gebotenen Vorsichtsprinzips und der Einstellung der Aktiva zu Zerschlagungs- statt zu Fortführungswerten immer zu Lasten des GF aus, ein auf Grundlage des going-concern erstellter Status zu seinen Gunsten.  

     

    Regel Nr. 2: Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zahlen  

    Die Nichtabführung wird mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe bestraft (§ 266a StGB). Der GF haftet mit seinem Privatvermögen (§ 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 266a StGB). Selbst eine sich anschließende Privatinsolvenz befreit ihn nicht von der Haftungsschuld gegenüber den Krankenkassen, da nach § 302 Nr. 1 InsO Verbindlichkeiten aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen nicht von der Restschuldbefreiung berührt werden. Arbeitnehmeranteile sind zum Fälligkeitstag zu zahlen, selbst die bloße Verspätung ist strafbar. Im Verwendungszweck der Überweisung ist die Bezeichnung „Arbeitnehmeranteile“ ausdrücklich anzuführen, andernfalls erfolgt Verrechnung nach der BeitragszahlungsVO durch die Krankenkassen und die Strafbarkeit bleibt erhalten. Die Überweisung sollte der GF selbst ausführen, Delegation endet häufig ohne die Tilgungsbestimmung „Arbeitnehmeranteile“ im Verwendungszweck. Sozialversicherung geht vor Löhne, offene Löhne sind nicht strafbar, die Mitarbeiter erhalten für bis zu 3 Monate Insolvenzausfallgeld. 

     

    Regel Nr. 3: Bilanzen rechtzeitig aufstellen  

    Soweit die Erstellung des Jahresabschlusses erst im Herbst des Folgejahres erfolgt, macht sich der GF in der Krise strafbar, denn die handelsrechtlichen Aufstellungsfristen (3 bzw. 6 Monate) wurden nicht beachtet. § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB bedroht diese Verwirklichung des Bankrotttatbestandes mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe. Das Delikt wird regelmäßig angeklagt, weil das Gutachten des Insolvenzverwalters stets Angaben über die ihm vorliegenden Jahresabschlüsse und deren Erstellungsdaten enthält. Als Teil der Insolvenzakten wird dieses immer an die StA weitergeleitet, die ohne großen Ermittlungsaufwand Anklage erhebt.  

     

    Regel Nr 4: Aktuelle BWA erstellen  

    Auch die Vernachlässigung der Buchhaltung unterjährig, für deren Verfolgung sonst kein Anlass besteht, wird in der Unternehmenskrise strafbar. Die Verletzung der Buchführungspflicht ist nach § 283b Abs. 1 Nr. 1 StGB ebenfalls mit Strafe bedroht. Der Strafrahmen erstreckt sich auf bis zu 2 Jahren Freiheitsstrafe. Ebenso wie eine Verurteilung wegen des Bankrottdelikts (§ 283 StGB) wird eine Verurteilung nach § 283b StGB auch außerstrafrechtlich verfolgt: Nach § 6 Abs. 2 S.3 GmbHG kann der Betroffene auf die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils nicht Geschäftsführer einer (anderen) GmbH sein. 

     

    Regel Nr. 5: Keine Bestellungen tätigen 

    Werden Bestellungen in dem Wissen getätigt, dass diese möglicherweise nicht mehr bezahlt werden können, hat sich der GF wegen Betrugs strafbar gemacht. Da im Insolvenzfall regelmäßig Forderungen ausfallen, lassen Gläubiger gerne die Angelegenheit durch Anzeige strafrechtlich unter dem Gesichtspunkt des Betrugs klären. Liegt ein Betrug vor, haftet der GF dem Geschädigten auch mit seinem Privatvermögen (§ 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 263 StGB). Auch diese Forderung ist als Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung in einem sich anschließenden Insolvenzverfahren über das Privatvermögen des GF von der Restschuldbefreiung nicht erfasst.  

     

    Regel Nr. 6: Gesellschafter unterrichten  

    Nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG muss der GF den Gesellschaftern die hälftige Aufzehrung des Stammkapitals anzeigen. Die Unterlassung ist – mit bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe – unter Strafe gestellt. Die Verfolgung des Delikts ist selten, gleichwohl ist es ein Leichtes, wenn ein Überschuldungsstatus vorliegt, dieses strafrechtliche Risiko zu beseitigen. Der GF sollte auf die Beweissicherung achten und einen schriftlichen Gesellschafterbeschluss herbeiführen, in dem die Anzeige der hälftigen Aufzehrung des Stammkapitals bestätigt wird. Die Überprüfung führt außerdem dazu, dass der GF das Risiko seiner persönlichen Haftung nach § 43 Abs. 3 GmbHG besser einschätzen kann, denn Zahlungen entgegen des § 30 GmbHG sind vom GF persönlich zu ersetzen. Abgesehen von der dortigen direkten Haftung für Zahlungen, die das Stammkapital angreifen, sollte der GF auch die Rückzahlung eigenkapitalersetzender Darlehen in der Unternehmenskrise unterlassen.  

     

    Regel Nr. 7: Lohnsteuern in voller Höhe zahlen  

    Die LSt ist zum gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen. Der GF haftet für nicht abgeführte LSt in voller Höhe mit seinem Privatvermögen (§ 69 S. 1 AO und § 34 Abs. 1 S.1 AO). Allerdings stellt der öffentlich-rechtliche Schadenersatzanspruch keine unerlaubte Handlung dar, so dass die Haftungsforderung von der Restschuldbefreiung in einem Insolvenzverfahren über das Privatvermögen des GF erfasst wird. Können Löhne nur anteilig ausgezahlt werden, oder werden Abschläge gezahlt, darf keinesfalls nur die Nettolohnzahlung vorgenommen werden, sondern die anteilige LSt auf den Abschlag ist anzumelden und zum Fälligkeitszeitpunkt abzuführen. Der GF haftet sogar dann, wenn die Nettolöhne aus dem Privatvermögen des Gesellschafters gezahlt werden.  

     

    Mit der anteiligen LSt-Zahlung bei Abschlägen wird die Haftung vermieden, da die LSt an die tatsächlich gezahlten Löhne anknüpft, nicht an die vertraglich geschuldeten. Anders verhält es sich bei den Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung: Diese müssen in voller Höhe gezahlt werden, selbst wenn eine Lohnzahlung vollständig unterbleibt. Abhilfe schafft nur eine vertraglich mit dem Arbeitnehmer vereinbarte Lohnsenkung, die in der Praxis meist deswegen unterbleibt, weil sie sich nachteilig auf die Bemessungsgrundlage des Insolvenzgeldes und später des Arbeitslosengeldes des Arbeitnehmers auswirkt.  

     

    Regel Nr. 8: Umsatzsteuer in voller Höhe zahlen  

    Die persönliche Haftung des GF für USt nach den Vorschriften der § 69 S. 1 AO und § 34 Abs. 1 S. 1 AO wird der Höhe nach begrenzt durch den Grundsatz der anteiligen Tilgung. Eine quotale Haftung des GF mit seinem Privatvermögen kommt dann in Betracht, wenn das FA mit einer geringeren Quote Zahlungen erhält als andere Gläubiger. Kommt der GF der anteiligen Tilgung nicht nach, so haftet er nicht für den insgesamt ausgefallenen Steuerbetrag, sondern nur insoweit, als er das FA gegenüber den übrigen Gläubigern benachteiligt hat. Der GF ist im Haftungsanhörungsverfahren zur Mitwirkung verpflichtet. Gelingt ihm die anspruchsvolle Darstellung der Tilgungsquote anhand aussagekräftiger Unterlagen nicht, schätzt das FA die Tilgungsquote – meist in den sehr hohen Prozentbereich. Eine entsprechende Dokumentation ist zwingend erforderlich.  

     

    Der GF kann sich nicht darauf zurückziehen, nur den quotal geschuldeten USt-Betrag zu begleichen, denn ihm droht die Rechtsfolge des § 26b Abs. 2 UStG, wonach die Nicht- oder nur anteilige Abführung in einer Rechnung ausgewiesene USt mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 EUR belegt werden kann. Diese Zusammenhänge sind rechtssystematisch kaum begründbar, der GF muss aber mit ihnen umgehen. Reichen die liquiden Mittel nicht aus, ist wenigstens die anteilige Quote zum Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen. Bei deren Ermittlung sollte schließlich Berücksichtigung finden, dass § 17 Abs. 2 Nr. 1i.V. mit § 17 Abs. 1 S. 2 UStG zu einer Vorsteuerkorrektur aus Rechnungen führt, die wegen der Insolvenz nicht mehr gezahlt und für den Gläubiger uneinbringlich werden. 

     

    Regel Nr. 9: Steuererklärungen abgeben  

    Für KSt- und GewSt-Vorauszahlungen gilt der Grundsatz der anteiligen Tilgung ohne Einschränkung. Herabsetzungsanträge, die wegen der vorinsolvenzlichen Verlustsituation der GmbH für diese Steuerarten geboten sind, sollten gestellt werden. USt-Voranmeldungen und sonstige Steuererklärungen sind auch wegen des möglichen Verlustrücktragspotenzials zur Minimierung der Haftung zeitnah abzugeben. Dies ist zumeist auch noch während des vorläufigen Insolvenzverfahrens möglich, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Steuererklärungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 InsO). Dessen Möglichkeiten, Schätzungsbeträge durch Abgabe von Steuererklärungen richtig zu stellen, können durch eine nur geringe vorhandene Masse zur Deckung der Steuererklärungskosten begrenzt sein. Nicht selten kommt es wegen Bestandskraft zu einer unnötigen persönlichen Haftung des GF, weil dieser nicht mit dem Argument der fehlenden Haftungsgrundlage – Steuerschulden nicht in dieser Höhe – begegnet werden kann. 

     

    Regel Nr. 10: Keine Zahlungen leisten  

    § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG verbietet dem GF, nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung, Zahlungen zu leisten und macht ihn mit seinem persönlichen Vermögen gegenüber der GmbH ersatzpflichtig. Zahlung ist in diesem Zusammenhang auch die Duldung von Lastschriften. Dies steht im Widerspruch zu den Empfehlungen, Sozialversicherungsbeiträge, LSt und USt zu zahlen. Der Widerspruch ist wegen der bestehenden Gesetzeslage unvermeidbar (Ott, PStR 06, 127 ff.). Eine Haftung gegenüber der GmbH (dem Insolvenzverwalter) wird als nachrangig angesehen, zumal deren Realisierung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraussetzt. Nichtsdestotrotz kann auch die Klage des Insolvenzverwalters (§ 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG) für den GF den Ruin bedeuten. Eine Reduzierung des Haftungsrisikos aus § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG ist nur dadurch denkbar, dass noch geleistete Zahlungen der Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) unterliegen und dem Haftungsanspruch der Anfechtungseinwand entgegengehalten werden kann. Allerdings kommt zu Gunsten des GF letztlich nur die Anfechtbarkeit der Zahlung unter dem Gesichtspunkt der kongruenten Deckung in Frage, weil die Inkongruenz (z.B. Zahlung der LSt mehrere Bankarbeitstage vor Eintritt der Fälligkeit am 10. des Monats) wiederum ein in jedem Fall zu vermeidendes strafrechtliches Risiko birgt, nämlich das der Gläubigerbegünstigung nach § 283c StGB

     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2006 | Seite 230 | ID 90290

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