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  • 26.06.2008 | Abgabenordnung

    § 393 Abs. 2 S. 2 AO: Verwertung von steuerrechtlichen Informationen verfassungswidrig?

    von RA Dr. Carsten Wegner, Berlin
    Nach Ansicht des LG Göttingen verstößt § 393 Abs. 2 S. 2 AO gegen den aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, gegen sich selbst auszusagen. Des Weiteren verstößt die Norm gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Gleichheitssatz. Außerdem bedeutet die Verwendung der im Besteue-rungsverfahren offenbarten Tatsachen für Zwecke der Verfolgung von Allgemeinstraftaten eine verfassungswidrige Zweckänderung. Auch eine verfassungskonforme Auslegung ist nicht möglich (LG Göttingen 11.12.07, 8 KLs 1/07, Abruf-Nr. 081829).

     

    Sachverhalt

    Die beiden Angeschuldigten sind angeklagt, Sozialversicherungsbeiträge (SV) vorenthalten zu haben (§ 266a StGB). Der Einleitung des Strafverfahrens vorausgegangen ist eine reguläre Betriebsprüfung (BP) betreffend die KSt, USt und GewSt. Um einen doppelten Prüfungsaufwand zu vermeiden, wurde zugleich auch eine LSt-Außenprüfung veranlasst und durchgeführt. Im Rahmen der BP erstellte die Betriebsprüferin eine Liste mit fehlenden Unterlagen, die sie benötigte, um sich ein Bild von den gesamten Unternehmensumständen zu machen. Sie erhielt daraufhin von den Angeschuldigten einen Ordner, in dem Rahmenwerkverträge abgeheftet worden waren sowie auch ein Blatt Papier, auf dem es hieß, bestimmte Verträge seien in der Praxis nie angewendet worden. 

     

    Entscheidungsgründe

    Der Steuerpflichtige ist gemäß § 90 Abs. 1 S. 2 AO, § 93 Abs. 1 S. 1 AO, § 200 AO im Besteuerungsverfahren verpflichtet, die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß gegenüber den Finanzbehörden anzugeben; dies gilt selbst dann, wenn er dadurch zugleich ein früheres strafbares Verhalten aufdecken muss. Diese Auskunftspflicht ist im Hinblick auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nach dem Leistungsvermögen mit Zwangsmitteln durchsetzbar (§ 328 AO), steht jedoch im Spannungsverhältnis zu dem strafverfahrensrechtlichen Grundsatz, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst anzuklagen oder gegen sich selbst Zeugnis abzulegen (nemo tenetur se ipsum accusare).  

     

    Das Gesetz löst diesen Konflikt, indem es in § 393 Abs. 1 S. 2und 3 AO den Einsatz von Zwangsmitteln untersagt, soweit der Steuerpflichtige dadurch gezwungen würde, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten, insbesondere wenn insoweit bereits ein Strafverfahren eingeleitet worden ist. Ergänzt wird dieser Schutz in § 393 Abs. 2 AO durch ein begrenztes strafrechtliches Verwendungsverbot der im Steuerverfahren erlangten Kenntnisse für andere Straftaten. § 393 Abs. 2 S. 1 AO untersagt – soweit es um die Verfolgung einer Nichtsteuerstraftat geht – die Verwendung von Tatsachen oder Beweismitteln, die der Steuerpflichtige der Finanzbehörde vor Einleitung des Strafverfahrens oder in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten offenbart hat. Dies gilt gemäß § 393 Abs. 2 S. 2 AO allerdings nicht für Straftaten, an deren Verfolgung ein zwingendes öffentliches Interesse i.S. von § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO besteht.  

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