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  • · Fachbeitrag · Case study

    Keine Belehrung des Betriebsprüfers ‒ Beweisverwertungsverbot erfolgreich durchsetzen

    von RAin Elisabeth Baier, LL.M (LSE), Danckert, Bärlein und Partner, Berlin

    | Der Beitrag befasst sich damit, ob ein Beweisverwertungsverbot gegeben ist, wenn ein Betriebsprüfer den Betroffenen nicht über sein Aussageverweigerungsrecht (§ 55 StPO) belehrt. Eingebettet ist die Frage in einen durch die Verfasserin verteidigten Fall, in dem es um den Vorwurf der Steuerhinterziehung wegen eines angeblich manipulierten Kassensystems in einem gastronomischen Betrieb ging. |

    1. Sachverhalt

    Im März 21 wurde der gastronomische Betrieb des Mandanten M durchsucht. Der Beschluss war auf die §§ 103, 105 StPO (Durchsuchung bei anderen, nicht beschuldigten Personen) gestützt. Der Begleitverfügung der Staatsanwaltschaft (StA) war zu entnehmen, dass diese sich auf ein Verfahren gegen einen Kassenhersteller stützte. Die Nutzer dieses Kassensystems sollten über eine App, die auf ein externes Gerät geladen werde, Teile der in der Kasse erfassten Umsätze rückstandsfrei löschen können, was strafbar gem. § 268 StGB sei. Name und Anschrift des jeweiligen Gewahrsamsinhabers seien zu den Akten zu nehmen ‒ diese Personen seien vorsorglich gem. § 55 StPO zu belehren.

     

    Hinweise darauf, dass irgendeine der während der Durchsuchung anwesenden Personen belehrt worden ist, enthielt der Durchsuchungsbericht nicht. Eine Festplatte oder ein sonstiger Datenträger mit Kassendaten wurde dabei nicht gefunden.

     

    Im Einleitungsvermerk der StA wurde der Verdacht geäußert, dass der Restaurantbetreiber sich der Kasseneinzeldaten durch den Austausch der Festplatte entledigt habe. Technische oder sonstige Gründe, die einen Austausch der Festplatte ohne Datensicherung erforderlich gemacht haben, seien im Zuge der Ermittlungen nicht bekannt geworden. Es lägen daher Anhaltspunkte für eine Urkundenunterdrückung (hier: technische Aufzeichnung) gem. § 274 StGB vor. Der Austausch und spätere Verlust der Festplatte mit den nach dem Steuerrecht aufbewahrungspflichtigen Kasseneinzeldaten begründe darüber hinaus zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung gem. § 370 AO durch den Restaurantbetreiber.

     

    Im Juni 22 wurde eine Betriebsprüfung (BP) angeordnet. Der Steuerfall sei aufgrund der Durchsuchungsmaßnahmen gegen Verantwortliche des Entwicklers der Kassensoftware und des Kassenaufstellers auf den Prüfungsplan aufgenommen worden. Im August 22 fand sodann eine Betriebsbesichtigung statt. Etwa drei Wochen später übergab der M die Kassendaten. Die genauen Hintergründe dieser Übergabe ‒ die vor der Mandatierung stattfand ‒ waren (zunächst) unklar.

     

    PRAXISTIPP | Aus der bis zu diesem Zeitpunkt gewährten Akteneinsicht wurde deutlich, dass die Akte offenkundig unvollständig war. Um die genauen Abläufe aufzuklären, war es aber unerlässlich, die Korrespondenz (Schreiben, E-Mails, Telefonvermerke etc.) zwischen dem Betriebsprüfer und Steuerfahndung vollumfänglich aktenkundig zu machen und den Prüfbericht sowie die Handakten des Betriebsprüfers zu den Akten zu nehmen.

     

    Tatsächlich forderte die StA die von der Verteidigung ergänzend beantragten Unterlagen von der Steuerfahndung und der BP nach.

     

    Der Aktenvermerk zur Betriebsbesichtigung enthielt zwar detaillierte Angaben darüber, wie die Besichtigung ablief. Es gab aber keine Hinweise darauf, dass der M oder ein anderer Anwesender belehrt worden ist. Teil der Akte war nun auch eine Gesprächsnotiz zur Belegübergabe etwa drei Wochen nach der Betriebsbesichtigung, die ebenfalls keinen Hinweis auf eine Belehrung enthielt. Stattdessen hat der Betriebsprüfer in dieser Gesprächsnotiz festgehalten, dass der M darauf hingewiesen worden sei, dass er sich bei vorsätzlichem Zurückhalten von steuerlich relevanten Unterlagen (hier: den Kasseneinzeldaten aus der elektronischen Registrierkasse) strafbar mache und dass dieser daraufhin die Einzeldaten zur Verfügung gestellt habe. Außerdem hätten sich zum Prüfungsbeginn bei der Betriebsbesichtigung Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Steuerzuwiderhandlung ergeben.

    2. Problemaufriss

    Der Betriebsprüfer hat somit nicht nur selbst dokumentiert, dass bereits zu Beginn der Betriebsbesichtigung der Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung vorlag und er dementsprechend bereits zu diesem Zeitpunkt die BP unterbrechen und den M darüber hätte belehren müssen, dass er nicht weiter verpflichtet ist mitzuwirken. Er hat dem M darüber hinaus fälschlicherweise sogar suggeriert, dass er sich strafbar machen würde, wenn er nicht weiter an der BP mitwirkt.

     

    PRAXISTIPP | Mit Blick auf § 152 Abs. 2 StPO sollte auch geprüft werden, inwieweit dieses Verhalten ggf. eine eigene Strafbarkeit des Betriebsprüfers begründen kann, etwa nach § 240 StGB.

     

    Die Aussage, dass die Durchsuchungsmaßnahmen der Steuerfahndung der Grund für die BP waren, legt sogar nahe, dass bereits vor Beginn der Betriebsbesichtigung ein Anfangsverdacht wegen Steuerhinterziehung gegen den M bestanden haben muss ‒ dieser hatte sich schließlich bereits durch die Durchsuchung selbst ergeben. Denn für den Fall, dass eine der verfahrensgegenständlichen Kassen aufgefunden wurde, was vorliegend der Fall war, hatte die StA eine Belehrung der Beteiligten nach § 55 StPO vorgesehen.

    3. Vorgehensweise des Verteidigers

    In einer solchen Situation sollte der Verteidiger der Verwertung der Kassendaten widersprechen.

     

    PRAXISTIPP | Der Verwertung sollte angesichts dieser Sachlage ausdrücklich widersprochen werden. Der Widerspruch sollte am besten gleich zu Beginn des Schriftsatzes ‒ der entsprechend auf Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO lauten sollte ‒ optisch hervorgehoben werden.

     

    Das Beweisverwertungsverbot kann dabei wie folgt hergeleitet werden:

     

    a) Verstoß gegen Belehrungspflichten

    aa) Rechtliche Grundlagen

    Der Betriebsprüfer muss § 10 BpO 2000 beachten und bedenken, dass nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens der Finanzbehörde nach § 393 Abs. 1 S. 2 AO die im Rahmen des Besteuerungsverfahrens eingeräumten Zwangsmittel (§ 328 AO) nicht mehr zustehen (vgl. BFH, BFH/NV 90, 347; BFHE 151, 324 [327] = BStBl II 88, 113). Vorliegend hat die Finanzbehörde gegen die sich aus § 393 Abs. 1, § 397 Abs. 3 AO und § 10 BpO (2000) ergebenden Mitteilungs- und Belehrungspflichten verstoßen.

     

    Nach § 393 Abs. 1 AO ist der Steuerpflichtige, soweit Anlass dazu besteht, darüber zu belehren, dass es im Besteuerungsverfahren unzulässig ist, Zwangsmittel gegen ihn anzuwenden, wenn er dadurch gezwungen wäre, sich selbst wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn gegen ihn wegen einer solchen Tat ein Strafverfahren eingeleitet worden ist.

     

    Spätestens wenn der Beschuldigte dazu aufgefordert wird, Tatsachen darzulegen oder Unterlagen vorzulegen, die im Zusammenhang mit der Straftat stehen, derer er verdächtig ist, ist ihm mitzuteilen, dass ein Steuerstrafverfahren gegen ihn eingeleitet worden ist, § 397 Abs. 3 AO.

     

    Bei einer Außenprüfung dürfen nach § 10 BpO (2000) die Ermittlungen hinsichtlich eines Sachverhalts, auf den sich der Verdacht einer Straftat bezieht, erst fortgesetzt werden, wenn dem Steuerpflichtigen mitgeteilt worden ist, dass ein Strafverfahren eingeleitet worden ist. Der Steuerpflichtige ist dabei, soweit die Feststellungen auch für Zwecke des Strafverfahrens verwendet werden können, darüber zu belehren, dass er nicht gezwungen werden kann, im Besteuerungsverfahren mitzuwirken.

     

    bb) Vorliegen eines Anfangsverdachts

    Die Belehrungspflicht des § 10 BPO bezieht sich auf das Vorliegen eines Anfangsverdachts. Die erst auf Antrag der Verteidigung in der Akte ergänzte Korrespondenz zeigte, dass offenbar auf mehreren Ebenen der Finanzverwaltung falsche Vorstellungen zu den geltenden Belehrungspflichten bestanden. So gab etwa ein Mitarbeiter der Steueraufsicht auf Nachfrage des Betriebsprüfers an, dass für die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens das aus Sicht des Einleitenden Vorliegen eines steuerstrafrechtlichen Anfangsverdachts erforderlich sei. Voraussetzung dafür sei wiederum, dass aufgrund fehlender oder falscher Angaben gegenüber den Finanzbehörden eine Verkürzung von Steuern beabsichtigt war (Versuch) bzw. tatsächlich eingetreten sei (Vollendung) und dass der Steuerpflichtige bzw. Beschuldigte dieses wusste und wollte.

     

    Diese Auskunft ist bedauerlicherweise gleich in zweifacher Hinsicht unzutreffend.

     

    • Zum einen wird hier nicht der Anfangsverdacht definiert, sondern lediglich der Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 AO. Ein Anfangsverdacht ist vielmehr gegeben, wenn es nach kriminalistischer Erfahrung aufgrund konkreter Tatsachen möglich erscheint, dass eine verfolgbare Straftat begangen worden ist (BVerfG 23.7.82, 2 BvR 8/82, NStZ 82, 430). Diese Tatsachen können auch auf das Vorliegen einer Straftat hinweisende Indizien sein (MüKo/Peters, StPO, 2. Aufl. § 152 Rn. 42).

     

    • Ein ebenfalls erst in der ergänzenden Akteneinsicht enthaltenes Rundschreiben des FA für Fahndung und Strafsachen machte deutlich, dass dem Betriebsprüfer bereits vier Monate vor der BP sämtliche Feststellungen der Steuerfahndung bekannt waren. Zum Zeitpunkt der Nachfrage des Betriebsprüfers ‒ letztlich aber spätestens seit der Durchsuchung in den Geschäftsräumlichkeiten des M ‒ war klar, dass dieser eine der verfahrensgegenständlichen Kassen erworben hatte und diese zum Zeitpunkt der Durchsuchung offenbar ausgetauscht worden war. Es ist abwegig, dass die Gesamtbetrachtung dieser Umstände keinen Anfangsverdacht begründen sollte, insbesondere mit Blick auf die Bewertung dieses Sachverhalts durch die Steuerfahndung und die StA.
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    • Dies gilt umso mehr angesichts der Tatsache, dass § 10 BpO vor allem auch dem Schutz des Steuerpflichtigen dient (Gräf/Jäger/Wittig/Ebner, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Band 2, 3. Aufl., § 10 BPO Rn. 2) und durch den Verweis in § 10 Abs. 1 S. 4 BPO auf § 393 Abs. 1 AO auch die von der Rechtsprechung zu § 55 StPO entwickelte Mosaiktheorie gilt (Gräf/Jäger/Wittig/Ebner, a. a. O., Rn. 4). Der Steuerpflichtige soll also nicht in der irrigen Annahme, nach wie vor uneingeschränkt zur Mitwirkung verpflichtet zu sein, dazu verleitet werden, aktiv weitere Tatsachen aus dem unternehmensbezogenen Kontext zu offenbaren, die den gegen ihn bestehenden Verdacht wenigstens mittelbar „als Teilstück in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude“ erhärten (Gräf/Jäger/Wittig/Ebner, a. a. O., m. w. N.).
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    • Genau so liegt es hier aber, denn der unmittelbare Ermittlungsschritt nach Übergabe der Kassendaten durch den Mandanten ‒ das Auslesen derselben ‒ mündete, jedenfalls nach Auffassung der Steuerfahndung, bereits in einen hinreichenden Tatverdacht, sodass vorher naheliegend zunächst ein Anfangsverdacht vorgelegen haben muss.

     

    • Zum anderen kommt es für die Frage, ob im Einzelfall ein Anfangsverdacht vorliegt, gerade nicht allein auf die subjektive Sicht des Einleitenden an, sondern in erster Linie auf die objektive Sachlage (Gräf/Jäger/Wittig/Ebner, a. a. O., Rn. 3). Das wird im Umkehrschluss auch mit Blick auf § 10 Abs. 1 BPO deutlich, der die Mitteilungspflicht des Betriebsprüfers gegenüber der BuStra normiert und zu dem einzelne, hier relevante Anwendungsfragen in dem gleichlautenden Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 31.8.09 wie folgt kommentiert sind:

     

    „§ 10 Abs. 1 S. 2 BpO soll demnach klarstellen, dass es für die Bejahung der Unterrichtungspflicht nicht auf die subjektive Einschätzung des Prüfers/der Prüferin hinsichtlich der Durchführung eines Strafverfahrens ankommt“ (Gleichlt LänderErl 31.8.09, Anwendungsfragen zu § 10 Abs. 1 BpO, BeckVerw 228823).

     

    Weiter heißt es dann sogar: „Somit ist § 10 Abs. 1 S. 2 BpO im Lichte des vorhergehenden Satzes 1 und der allgemeinen strafprozessualen Grundsätze dahingehend auszulegen, dass immer nur dann eine Unterrichtungspflicht an die BuStra begründet wird, wenn Anhaltspunkte für die auch nur mögliche Durchführung eines Strafverfahrens vorliegen. Die Schwelle des Anfangsverdachts nach § 152 Abs. 2 StPO muss dabei noch nicht überschritten sein.“

     

    cc) Verwertungsverbot

    Der Grundsatz, dass niemand im Strafverfahren gegen sich selbst auszusagen braucht, gehört zu den verfassungsrechtlich verankerten Prinzipien des Strafprozesses. Die Anerkennung des Schweigerechts schützt das Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten und ist notwendiger Bestandteil eines fairen Verfahrens. Die Hinweispflicht auf das Recht, nicht auszusagen, dient dazu, die Rechte des Beschuldigten zu wahren. Dies gilt insbesondere, wenn der Beschuldigte durch andere, außerhalb des Straf- und Strafprozessrechts liegende Vorschriften verpflichtet wird, Angaben zu machen (BGHSt, a. a. O.). Im Besteuerungsverfahren und insbesondere auch im Rahmen von Außenprüfungen ist der Steuerpflichtige verpflichtet, umfassende und wahrheitsgemäße Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen zu machen (§ 90 Abs. 1, § 150 Abs. 2 AO), auch, wenn er sich dadurch selbst einer allgemeinen Straftat bezichtigt.

     

    Um sicherzustellen, dass der Steuerpflichtige, gegen den bereits wegen einer Steuerstraftat ermittelt wird, seine Beschuldigtenrechte wahrnehmen kann, enthält das Gesetz die oben aufgeführten Belehrungspflichten über die Aussagefreiheit des Beschuldigten. Ein Verstoß gegen diese Verfahrensvorschriften begründet grundsätzlich ein Verwertungsverbot der unmittelbar hierdurch erlangten Informationen für den Strafprozess (vgl. BGHSt 38, 214 = NJW 92, 1463 = NStZ 92, 294; BGH NJW 05, 2723). Dies gilt, auch wenn und gerade weil es sich bei einer steuerlichen Außenprüfung nicht um eine strafprozessuale Ermittlungsmaßnahme handelt. Vielmehr sind die abschließend in der StPO geregelten Ermittlungsmaßnahmen nur unter ungleich strengeren Voraussetzungen zulässig.

     

    Hierbei kann es nicht darauf ankommen, dass formal ein Verfahren eingeleitet worden ist. Denn nach § 152 Abs. 2 StPO sind die Ermittlungsbehörden verpflichtet, bei Vorliegen eines Anfangsverdachts ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Bei der Frage, ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die einen Anfangsverdacht begründen, steht den Ermittlungsbehörden zwar ein Beurteilungsspielraum zu (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 152 Rn. 4 m. w. N.). Dieser Beurteilungsspielraum ist aber überschritten, wenn er nur zu dem Zweck missbraucht wird, dem Beschuldigten seine Beschuldigtenrechte zu verwehren (BGHSt 38, 214).

     

    Vorliegend wurde sogar explizit festgehalten, zu welchem Zeitpunkt der Betriebsprüfer spätestens einen Anfangsverdacht angenommen hat, und es lagen gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass offenbar weitere Erkenntnisse im Rahmen der BP erlangt werden sollten, ohne dass sich der M auf seine Rechte als Beschuldigter berufen konnte.

     

    b) Verstoß gegen § 136a Abs. 1 StPO

    Das Verhalten des Betriebsprüfers stellt darüber hinaus sogar eine Täuschung i. S. d. § 136a Abs. 1 S. 1 StPO dar.

     

    In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass § 136a StPO bei Vernehmungen für alle Personen gilt, die in offizieller Funktion aufseiten des Staates am Strafverfahren beteiligt sind, auch wenn sie keinen eigenen Strafverfolgungsauftrag haben (MüKo/Schuhr, StPO, a. a. O., § 136a Rn. 12). Vorliegend ist die BP erst aufgrund der Erkenntnisse der Steuerfahndung eingeleitet worden. Die Nrn. 49 Abs. 4 und 149 Abs. 1 der Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) - AStBV (St) 2020 (Anhang 76 d. amtlichen AO-Handbuchs des BMF 2021) verweisen ausdrücklich auf § 136a StPO. Für die BP kann also nichts anderes gelten. Denn sonst könnte die Steuerfahndung durch deren Einsatz die strengen Voraussetzungen der StPO einfach aushebeln. Die BP würde einerseits als strafprozessuale Ermittlungsmaßnahme instrumentalisiert, während andererseits deren (strengere) Voraussetzungen unterlaufen würden.

     

    Die Rechtsstellung des Beschuldigten, das Rechtsstaatsprinzip und die Anforderungen an ein faires Verfahren gebieten einen Schutz im gesamten Strafverfahren, sodass § 136a StPO nicht auf Vernehmungssituationen beschränkt ist, sondern auch auf Übergriffe bei anderen Ermittlungsmaßnahmen (MüKo/Schuhr, StPO, a. a. O Rn. 76).

     

    § 136a StPO untersagt grundsätzlich, dass Fehlinformationen aktiv übermittelt werden, also solche falschen Informationen, die die Sach- bzw. Rechtslage in sinnentstellender Weise unvollständig wiedergeben (MüKo/Schuhr, a. a. O., Rn. 43). Eine verbotene Täuschung liegt dabei vor, wenn die Fehlinformation geeignet ist zu bewirken, dass der Beschuldigte das Bestehen seiner Aussage- bzw. Mitwirkungsfreiheit oder für sie rechtlich relevante Umstände verkennt. Das war hier eindeutig der Fall.

    4. Fazit

    Der Fall zeigt, dass es unumgänglich ist, zunächst auf eine vollständige Akteneinsicht zu bestehen, und gerade die Handakte des Betriebsprüfers und die Korrespondenz zwischen diesem und der Steuerfahndung Interessantes zutage fördern kann ‒ vorliegend etwa die Dokumentation eklatanter Fehlvorstellungen zu den Voraussetzungen eines Anfangsverdachts und letztlich die für die Einstellung des Verfahrens entscheidende Gesprächsnotiz. Die frühe und entschiedene Geltendmachung daraus folgenden Beweisverwertungsverbots hat in diesem Fall dazu geführt, dass das Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2025 | Seite 275 | ID 50550982