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  • · Fachbeitrag · Sozialrecht

    Verantwortungsbereich der fachlichen Leitung

    von Rechtsanwalt Ralph Jürgen Bährle, Bährle & Partner, Nothweiler

    | In letzter Zeit fragten mehrere Leser bei PP an, welche Verantwortung die fachliche Leitung hat und ob diese persönlich für Fehler haftet, die andere Physiotherapeuten in der Praxis machen. PP gibt Antwort. |

    Wann braucht man einen fachlichen Leiter?

    Eine Therapiepraxis beschäftigt in den folgenden Fällen eine fachliche Leitung:

     

    • Die Praxis wird in der Rechtsform einer juristischen Person (zum Beispiel GmbH, PartG) betrieben. Für die Zulassung nach § 124 SGB V muss diese Praxis eine fachliche Leitung bestellen.

     

    • Der Praxisinhaber ist Therapeut und selbst nach § 124 SGB V zugelassen, aber für längere Zeit (zum Beispiel Elternzeit) nicht im erforderlichen Umfang in der Praxis anwesend. Für die Dauer der Ausfallzeit ist eine fachliche Leitung zu bestellen.

     

    • Es gibt eine Haupt- und eine Zweigpraxis. Nur in der Hauptpraxis ist der Praxisinhaber ständig im erforderlichen Umfang - also ganztägig - anwesend. Ist dies der Fall, ist für die Zweig-/Zweitpraxis eine fachliche Leitung zu bestellen.

     

    MERKE | In den genannten Fällen muss die fachliche Leitung namentlich gegenüber den Krankenkassen benannt werden. Die Zulassung erlischt mit dem Ausscheiden des namentlich benannten fachlichen Leiters, wenn nicht unverzüglich eine andere fachliche Leitung benannt und deren Daten den Krankenkassen mitgeteilt wird.

     

    Anforderungen nach den Zulassungsempfehlungen

    Damit die Zulassung bei Beschäftigung einer fachlichen Leitung erteilt wird, müssen gemäß § 124 SGB V folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

     

    • Der Therapeut, der die fachliche Leitung übernehmen soll, muss zur Führung der Berufsbezeichnung berechtigt sein.

     

    • Die Tätigkeit der fachlichen Leitung muss von wirtschaftlicher Bedeutung sein und zeitlich eine übrige Erwerbstätigkeit übersteigen.

     

    • Der Therapeut, dem die fachliche Leitung übertragen wird, muss ganztägig als Behandler zur Verfügung stehen. Als Mindestanwesenheitspflicht werden 30 Stunden/Woche angenommen.

     

    • Der Therapeut, dem die fachliche Leitung übertragen wird, hat die Durchführung der Behandlung der Patienten, die er nicht selbst behandelt, anderweitig - durch geeignete Maßnahmen - sicherzustellen. Ausgenommen hiervon sind Hausbesuche und die Erbringung von Therapien in Einrichtungen sowie Zeiten beruflicher Abwesenheit von bis zur Dauer von 8 Wochen wegen Krankheit, Urlaub oder Fortbildung.

     

    • Die fachliche Leitung muss der Praxis verbindlich zur Verfügung stehen. Sie unterliegt grundsätzlich der Weisungsbefugnis des Praxisinhabers und kann daher nur angestellten Arbeitnehmern, nicht aber freien Mitarbeitern (die nicht weisungsgebunden sind) übertragen werden.

     

    • Die Aufteilung der fachlichen Leitung auf Teilzeitarbeitsplätze ist grundsätzlich erlaubt, die Aufteilung ist aber auf zwei Therapeuten begrenzt. Die beiden Therapeuten müssen zusammengerechnet 30 Stunden/Woche in der Praxis anwesend sein. In welchem Verhältnis die Mindestanwesenheitszeit zwischen den beiden Arbeitnehmern aufgeteilt wird, ist nicht maßgebend.

    Verantwortungsbereich nach den Zulassungsbedingungen

    Die fachliche Leitung hat nach den Zulassungsbedingungen nur die Verantwortung dafür, dass die Patienten der Praxis ordnungsgemäß und qualifiziert entsprechend der ärztlichen Verordnung behandelt werden. Sie führt sozusagen die Fachaufsicht, dass therapeutische Behandlungen von dazu Befugten an berechtigte Patienten abgegeben werden. Die fachliche Leitung hat also - überspitzt formuliert - darauf zu achten, dass die Patienten auch wirklich von Therapeuten, die berechtigt sind, die verordnete Therapie abzugeben, behandelt werden, und nicht von Unausgebildeten. Stellt sie fest, dass ein Therapeut für eine verordnete Therapie nicht die notwendige Ausbildung hat, muss er einschreiten und die Therapie unterbinden.

     

    • Keine Kontrolle des Behandlungsinhalts

    Die fachliche Leitung umfasst nicht die Befugnis zu kontrollieren, in welcher Art und Weise die übrigen Therapeuten die Behandlung am Patienten erbringen. Diese Befugnis verbleibt beim Praxisinhaber als Arbeitgeber. Die fachliche Leitung darf allein aufgrund der Benennung als fachliche Leitung keine Arbeitgeberbefugnisse ausüben. Die fachliche Leitung darf sich darauf verlassen, dass Therapeuten, die zur Führung der Berufsbezeichnung berechtigt sind, die ärztlich verordnete Behandlung fachgerecht ausführen.

     

    Die Übertragung der fachlichen Leitung alleine bedeutet (noch) nicht, dass die fachliche Leitung andere Aufgaben des Praxisinhabers übernimmt. Der Praxisinhaber bleibt auch nach Benennung eines fachlichen Leiters verantwortlich für

    • die Abrechnung mit den Krankenkassen und die Kontrolle, ob die Verordnungen abrechnungsfähig sind,
    • arbeitsrechtliche Anweisungen an die in der Praxis beschäftigten Arbeitnehmer,
    • Personalführung und Personalführungsfragen (wie zum Beispiel Urlaubsgewährung, Urlaubseinteilung, Personalplanung, Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern),
    • Ansprüche der Patienten an die Praxis, zum Beispiel wenn ein Patient in der Praxis stürzt oder einen Behandlungsfehler behauptet.

     

    • Fortbildungsverpflichtung

    Der Therapeut, der als fachliche Leitung benannt wird, muss gegenüber der/den Krankenkassen schriftlich erklären, dass er die Rahmenverträge und Kassenverträge anerkennt. Die fachliche Leitung ist daher gemäß § 125 Absatz 1 SGB V auch verpflichtet, sich regelmäßig fortzubilden und die Fortbildung nachzuweisen. Wird gegen die Fortbildungsverpflichtung durch die fachliche Leitung verstoßen, treffen die Folgen (= Vergütungskürzung) den Praxisinhaber, der dann seinerseits bei einem vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstoß gegen die Fortbildungspflicht Schadenersatzansprüche in Höhe der gekürzten Vergütung geltend machen kann.

     

    Vertragliche Erweiterungen

    Der Verantwortungsbereich eines fachlichen Leiters kann durch Regelungen im Arbeitsvertrag über den in den Zulassungsempfehlungen definierten Bereich hinaus erheblich erweitert werden. Der Praxisinhaber kann die Tätigkeit des fachlichen Leiters unter Beibehaltung des in den Zulassungsempfehlungen verwendeten Begriffs sehr viel umfangreicher definieren und der fachlichen Leitung zum Beispiel folgende Aufgaben übertragen:

     

    • Kontrolle der Arbeitszeiten der anderen Therapeuten
    • Personaleinsatzplanung (gegebenenfalls mit der Befugnis, über Urlaubsanträge zu entscheiden)
    • Prüfung der ärztlichen Verordnungen auf Abrechnungsfähigkeit
    • Vorbereiten der Abrechnungen

     

    Sind arbeitsvertraglich weitere, über die Zulassungsempfehlungen hinausgehende Tätigkeiten vereinbart, hat die fachliche Leitung diese natürlich auch zu erbringen.

    Haftungsfragen

    Die fachliche Leitung haftet nicht für Behandlungsfehler anderer in der Praxis beschäftigter Personen. Sie haftet aber natürlich für eigene Behandlungsfehler. Wurden der fachlichen Leitung durch den Arbeitsvertrag weitere Aufgaben übertragen und unterlaufen ihr bei deren Ausführung Fehler, haftet die fachliche Leitung hierfür grundsätzlich. Ob und in welchem Umfang aufgrund der grundsätzlich bestehenden Haftung Schadenersatzansprüche des Arbeitgebers berechtigt wären, muss dann im konkreten Einzelfall geprüft werden. Vereinfacht dargestellt gilt, dass Schadenersatzansprüche des Arbeitgebers nur bestehen, wenn der Schaden aufgrund eines vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhaltens bei Ausführung der Tätigkeit entstanden ist.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2014 | Seite 7 | ID 42988630