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  • · Fachbeitrag · Schadenersatz

    Entgeltfortzahlung ‒ in fünf Schritten Ihre Regressansprüche nach § 6 EFZG erfolgreich durchsetzen

    von RA Michael Röcken, Bonn, ra-roecken.de

    | Einer Ihrer Arbeitnehmer ist bei einem fremd verschuldeten Unfall verletzt und ist arbeitsunfähig erkrankt. Sie als Arbeitgeber sind nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) verpflichtet, die Vergütung sechs Wochen weiterzuzahlen (§ 3 Abs. 1 EFZG). Da der Ausfall Ihres Mitarbeiters jedoch durch einen Dritten verschuldet wurde, sieht das Gesetz vor, dass Sie sich dieses Geld zurückholen können ( PP 08/2020, Seite 9 ). Worauf Sie achten müssen und wie Sie vorgehen, zeigt dieser Beitrag. |

    1. Prüfen Sie, ob eine Primärverletzung vorliegt

    Die gesetzliche Grundlage dafür, dass Sie sich Ihr Geld zurückholen können, ist § 6 EFZG. Wird Ihr Arbeitnehmer durch das Verhalten eines Dritten verletzt, hat er gegenüber diesem zunächst einmal einen Schadenersatzanspruch. Dieser geht hinsichtlich der Entgeltfortzahlung auf Sie als Arbeitgeber über. Es besteht ein gesetzlicher Forderungsübergang.

     

    Hierzu muss zunächst eine Verletzung des Arbeitnehmers bestehen, die zur Arbeitsunfähigkeit (AU) führt. Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen einer Primär- und einer Sekundärverletzung. Erleidet Ihr Arbeitnehmer z. B. einen Autounfall, sind die direkten gesundheitlichen Folgen die Primärverletzung. Erwachsen ihm daraus später weitere Beeinträchtigungen, liegt eine Sekundärverletzung vor. Maßgeblich für die AU des Arbeitnehmers und damit haftungsbegründend ist allein die Primärverletzung ‒ vorausgesetzt, Sie können sie beweisen.

     

    • Beispiel: Beweiskraft der AU-Bescheinigung für die Primärverletzung
    Der Unfallverursacher haftet
    Der Unfallverursacher haftet nicht

    Ihr Arbeitnehmer erleidet unverschuldet einen Verkehrsunfall. Er bricht sich hierbei beide Beine und ist arbeitsunfähig erkrankt. Der Beinbruch ist die Primärverletzung. Aus der Arbeitsunfähigkeits-(AU-)Bescheinigung Ihres Mitarbeiters geht hervor, dass der Beinbruch und damit die AU durch den Unfall verursacht wurde. Der Unfallverursacher haftet.

    Wenn Ihr Arbeitnehmer jedoch z. B. nach einem Unfall eine Verletzung der Halswirbelsäule (HWS) behauptet, aber eine AU-Bescheinigung vorlegt, aus der die Art der Verletzung und deren Bezug zum Unfall nicht hervorgeht, reicht diese, nicht aus (Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 15.07.2016, Az. 13 S 51/16). Hier müsste ggf. per Gutachten nachgewiesen werden, dass der Unfall die HWS-Verletzung hervorgerufen und damit die AU verursacht hat.

     

    2. Stellen Sie fest, ob wirklich ein Dritter der Verursacher ist

    Der Schadenersatzanspruch des Mitarbeiters muss sich gegen einen Dritten richten. Haben Sie den Unfall verursacht, besteht Ihr Anspruch auf Forderungsübergang nicht. Gleiches gilt, wenn ein Familienangehöriger § 116 Abs. 6 S. 1 Sozialgesetzbuch [SGB] X), der Lebenspartner (§ 11 Abs. 1 Lebenspartnerschaftsgesetz) oder ein Kollege Ihres Mitarbeiters im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit (§§ 104, 105 SGB VII) den Schaden verursacht hat.

     

    MERKE | Wenn ein Dritter nicht allein für den Schaden verantwortlich ist und z. B. Ihr Arbeitnehmer den Unfall mit verursacht hat, besteht ein Mitverschulden nach § 254 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dieses ist beim Schadenersatzanspruch zu berücksichtigen.

     

    3. Holen Sie benötigte Informationen von Ihrem Mitarbeiter ein

    Wenn Ihr Mitarbeiter die AU-Bescheinigung vorlegt, wissen Sie zunächst nur, dass er nicht arbeiten kann und Sie zur Entgeltfortzahlung verpflichtet sind. Ob Sie sich dieses Geld zurückholen können, wissen Sie erst, wenn Ihr Mitarbeiter Sie darüber informiert, dass die AU durch einen Dritten verursacht wurde. Diese Information muss Ihr Mitarbeiter unverzüglich liefern (§ 6 Abs. 2 EFZG). Fragen Sie also direkt nach Erhalt einer unfallbedingten AU-Bescheinigung nach, ob die AU allein durch einen Dritten verschuldet ist.

     

    Fragen Sie Ihren Mitarbeiter auch, ob der Dritte bereits Zahlungen geleistet hat. Wenn dies der Fall ist und Sie die Entgeltfortzahlung bereits geleistet haben, besteht kein Forderungsübergang mehr. Die Forderung des Arbeitnehmers, die hätte übergehen können, ist bereits durch Erfüllung erloschen (§ 362 BGB). Die Folge ist, dass Sie sich mit Ihrem Arbeitnehmer auseinandersetzen müssen. Andererseits kann der Arbeitnehmer auch keine Entgeltfortzahlung verlangen, wenn er bereits Zahlungen vom Dritten erhalten hat.

    4. Prüfen Sie, wann der Anspruch auf Sie übergeht

    Erst wenn Sie Entgelt fortgezahlt haben, geht der Anspruch auf Sie über. Dies ist z. B. relevant, wenn sich die Fortzahlung über mehrere Monate zieht: Wenn sich Ihr Mitarbeiter z. B. am 27.01.2020 verletzt und der Entgeltfortzahlungsanspruch bis zum 08.03.2020 besteht, geht die Forderung jeweils dann auf Sie über, sobald Sie dem Mitarbeiter sein Arbeitsentgelt gezahlt haben.

    5. Erheben Sie Schadenersatzklage

    Wenn Sie durch die Mithilfe Ihres Arbeitnehmers die Kontaktdaten des Verursachers in Erfahrung gebracht haben, können Sie diesen zur Zahlung auffordern. Hierzu müssen Sie nachweisen, in welcher Höhe Sie das Entgelt fortgezahlt haben. Auch wenn es sich hier um eine arbeitsrechtliche Norm handelt, müssen Sie grundsätzlich vor einem Zivilgericht klagen. Holen Sie dafür die Hilfe eines Anwalts ein. Wenn Ihr Schaden unter 5.000 Euro liegt, können Sie auch ohne anwaltliche Hilfe vor dem Amtsgericht klagen.

     

    Mit der Klage müssen Sie zunächst die fälligen Gerichtskosten vorstrecken. Die Gerichtskosten hängen nach § 34 Gerichtskostengesetz von der Summe ab, die Sie vom Schädiger verlangen (sog. Streitwert). Fällig ist ein Gerichtskostenvorschuss von insgesamt drei Gebühren. Klagen Sie eine Summe von 4.000 Euro ein, sind das 381 Euro (1. Instanz; Kostenrechner online unter iww.de/s3275). Die Gerichtskosten werden nach dem Prozess gegen den Schädiger festgesetzt, d. h., der Schädiger muss Ihnen auch die Gerichtskosten erstatten, wenn Sie den Prozess gewinnen.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2020 | Seite 12 | ID 46314227