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  • · Fachbeitrag · Familienrecht

    Abmachungen in Eheverträgen lassen sich zu einem späteren Zeitpunkt nur schwer revidieren

    von Rechtsanwalt Claus Tempel, Fachanwalt für Familienrecht, Kanzlei Tempel & Kollegen, www.ra-tempel.de 

    | Vereinbaren zwei Selbstständige - im vorliegenden Fall eine Physiotherapeutin und ein Zahnarzt - in einem Ehevertrag die Gütertrennung und schließen den Versorgungsausgleich aus, so hat dies bei einer Scheidung in der Regel Bestand. Rechtliche Ausnahmen sind hier unwahrscheinlich; Maßstab ist, ob einer der Partner ohne die Ehe deutlich besser dagestanden hätte (Beschluss des Bundesgerichtshofs [BGH] vom 8.10.2014, Az. XII ZB 318/11 ). |

    Der Fall

    Für beide Eheleute war es die zweite Ehe, die sie 1994 miteinander schlossen. Sowohl der verwitwete Ehemann als auch die geschiedene Ehefrau brachten je ein Kind im Alter von zehn bzw. elf Jahren mit in die Ehe. Der zwölf Jahre ältere Ehemann betrieb eine gut gehende Zahnarztpraxis, die Ehefrau eine Physiotherapiepraxis mit acht Angestellten. In einem notariellen Ehevertrag verzichteten die Eheleute wechselseitig auf den Versorgungsausgleich, den Zugewinnausgleich durch Vereinbarung von Gütertrennung und auf nachehelichen Unterhalt mit Ausnahme des Betreuungsunterhalts für die Kinder.

     

    • Glossar
    • Versorgungsausgleich: Der Ausgleich der von beiden Eheleuten während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften (zum Beispiel gesetzliche Rentenversicherung, Beamtenversorgung, betriebliche Altersversorgung, berufsständische Altersversorgungen, private Rentenversicherungen).
    • Zugewinnausgleich: Wer in einer Zugewinngemeinschaft gelebt hat, kann im Falle einer Scheidung von seinem Ehegatten die Hälfte der Differenz der während der Ehe erwirtschafteten Vermögen verlangen. Wer keinen notariellen Ehevertrag abgeschlossen hat, lebt automatisch in einer Zugewinngemeinschaft.
    • Gütertrennung:Kein Ausgleich des während der Ehe erwirtschafteten Vermögens.
     

    Nach Scheitern der Ehe im Jahr 2008 machte die Ehefrau im Scheidungsverfahren geltend, der Versorgungsausgleich müsse - obwohl sie darauf in ihrem Ehevertrag verzichtet hatte - zu ihren Gunsten durchgeführt werden. Sie hätte im Jahr 1996 ihre Praxis verkaufen müssen, weil ihr Umsatz deutlich zurückgegangen sei. Dies aufgrund ihrer Alleinverantwortung zur Versorgung beider Kinder, insbesondere des Sohns ihres Ehemanns, der seit dem Tod seiner Mutter besonderer Zuwendung und therapeutischer Hilfe bedurfte. Während der Ehemann in der Ehezeit durch seine berufliche Tätigkeit Rentenanwartschaften beim Versorgungswerk der Zahnärztekammer erwerben konnte, habe sie keine Rentenanrechte erwirtschaftet. Ihre Altersvorsorge habe aus dem Praxiswert und einer aus den Gewinnen der Praxis angesparten Lebensversicherung bestehen sollen. Bei Praxisverkauf habe sie den Erlös für die Praxisverbindlichkeiten und die Prämien der Lebensversicherung verwendet sowie für den Umbau des Hauses des Ehemanns, in dem sie fortan eine kleinere Praxis betrieb. Im Ergebnis forderte die Ehefrau im Zuge des Versorgungsausgleichs die Hälfte der Rentenanwartschaften Ihres Ehemanns - insgesamt gut 386 Euro monatlich.

    Die Entscheidung des BGH

    Der BGH konnte aufgrund der selbstständigen Tätigkeit beider Eheleute eine Unwirksamkeit des Ehevertrags zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht feststellen (Wirksamkeitskontrolle). Auch befand sich kein Ehepartner in einer unterlegenen Verhandlungsposition: beide betrieben zum Zeitpunkt der Eheschließung gut laufende Praxen. Der BGH beschäftigte sich daher näher mit der Frage, ob die Lasten innerhalb der Ehe ungleich verteilt waren (Ausübungskontrolle).

     

    • Hintergrund

    Durch notariellen Ehevertrag können die für den Fall einer Scheidung geltenden gesetzlichen Folgen des nachehelichen Unterhalts, des Güterstands (Zugewinnausgleich) und des Versorgungsausgleichs (Rentenausgleich) vertraglich modifiziert oder ausgeschlossen werden. Der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen darf hierbei aber durch den Ehevertrag nicht beliebig unterlaufen werden. Um dies zu verhindern, wird ein Ehevertrag im Falle der Scheidung einer doppelten Prüfung unterzogen:

     

    • Wirksamkeitskontrolle zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses: War die Vereinbarung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses offenkundig so ausgestaltet, dass sie im Falle der Scheidung zu einer einseitigen Lastenverteilung führt? Und stellt diese einseitige Lastenverteilung einen Verstoß gegen die guten Sitten dar, mit der Folge, dass die gesetzlichen Regelungen an die Stelle des Ehevertrags treten? War ein Ehegatte bei den Verhandlungen deutlich unterlegen?

     

    • Ausübungskontrolle unter Berücksichtigung des Eheverlaufs: Führt die tatsächliche Gestaltung der Ehe dazu, dass sich eine evident einseitige Lastenverteilung ergäbe, wenn ein Ehegatte sich auf die ehevertragliche Regelung beruft? Weicht insbesondere die ursprüngliche Lebensplanung von der tatsächlichen Gestaltung der Ehe grundlegend ab?
     

    Der BGH bekräftigte, dass eine Anpassung des Ehevertrages möglich ist, wenn ein Ehegatte aufgrund einer einvernehmlichen Änderung der Lebensumstände über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlichtweg nicht vereinbar erscheint. Das bedeutet aber nicht, dass in einem solchen Fall automatisch ein Versorgungsausgleich durchgeführt werden muss. Vielmehr müsse durch individuelle Anpassung ein Ausgleich stattfinden. Der benachteiligte Ehegatte dürfe hierdurch jedoch nicht besser gestellt werden, als er ohne die Ehe stünde. Im vorliegenden Fall war also die Frage: Wie stünde es finanziell um die Physiotherapeutin, wenn sie den Zahnarzt nicht geheiratet hätte?

     

    Nach Ansicht des BGH hätte die hypothetische Versorgungsbiografie für die Ehefrau ohne die Eheschließung nicht besser ausgesehen. Denn auch bei unterbliebenem Verkauf der Praxis hätte sie keine Rentenanrechte erworben, sondern Altersvorsorge durch Kapitalaufbau betrieben. Ihr finanzieller Nachteil bestünde also mit oder ohne Eheschließung im fehlenden Kapital und nicht in fehlenden Rentenansprüchen.

     

    MERKE | An dieser Stelle differenziert der BGH streng zwischen Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich. Denn der Zugewinnausgleich betrifft laut BGH die am wenigsten schutzwürdige Ebene des Vermögens. Hierbei steht der Betreuungsunterhalt für Minderjährige an erster Stelle, gefolgt vom Krankheitsunterhalt sowie dem Unterhalt wegen Alters und dem Versorgungsausgleich. Dann folgen Aufstockungs- und Ausbildungsunterhalt und erst ganz am Ende der Zugewinnausgleich. Er ist der entfernteste aller Kernbereiche der gesetzlichen Scheidungsfolgen

     

    Durch den Verkauf der Praxis hatte die Ehefrau also keinen ehebedingten Nachteil auf der Ebene des Versorgungsausgleichs erlitten, sondern auf der am wenigsten schutzwürdigen Ebene des Vermögens: dem Zugewinnausgleich. Allerdings sah der BGH auch hier keine völlige Benachteiligung der Ehefrau. Denn sie hatte aus dem Praxiserlös zumindest ein gemeinsames Haus mitfinanziert und dort einen Vermögenswert erlangt, während der Ehemann nicht unerhebliche Investitionen in sein früheres Haus tätigte, die sich beim späteren Verkauf wohl nicht realisierten.

     

    Ganz ausschließen wollte der BGH die Möglichkeit einer Anpassung über den Zugewinnausgleich grundsätzlich nicht. Dies musste er aber nicht mehr entscheiden, da nur die Durchführung des Versorgungsausgleichs und nicht die Durchführung des Zugewinnausgleichs beantragt war.

     

    FAZIT | Die berufliche Selbstständigkeit eines Ehegatten weckt in der Regel das Bedürfnis, das Unternehmen entweder durch die Herausnahme aus dem Zugewinnausgleich oder durch Vereinbarung von Gütertrennung zu schützen - nicht zuletzt vor jahrelangen Streitigkeiten über den Wert des Unternehmens. Dies akzeptiert die Rechtsprechung.

     

    Der sehr viel sensiblere Bereich des Versorgungsausgleichs wird deutlich besser geschützt. Dennoch lässt die Rechtsprechung hierzu eine Modifikation oder einen völligen Ausschluss mittels Ehevetrag zu. Dies insbesondere bei Doppelverdienern ohne gemeinsame Kinder, wenn jeder für das Alter selbstverantwortlich vorsorgen möchte. Wird die Ehe dann jedoch anders gelebt, als sie geplant war, ist der Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens kaum vorherzusehen - so hatte im vorliegenden Fall die Vorinstanz dem Antrag der Ehefrau noch stattgegeben.

     

    Merke | Für Selbstständige ist der Abschluss eines ausgewogenen Ehevertrags oft empfehlenswert. Dieser sollte aber nicht Jahre oder Jahrzehnte in der Schublade verbleiben, sondern gelegentlich geprüft und angepasst werden. Die Motivation hierzu ist selbstverständlich nicht allzu groß, weder in funktionierender Ehe noch in einer Krise.

     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 15 | ID 43075172