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  • · Fachbeitrag · Digitalisierung

    „Praxisinhaber sollten sich zunächst über den derzeitigen Sinn eines TI-Anschlusses informieren!“

    | Gemäß dem Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) sollen nach den Ärzten und Zahnärzten ab dem 01.01.2026 auch die Heilmittelpraxen an die digitale Telematik-Infrastruktur (TI) angebunden sein. Dieses Datum ruft zahlreiche Anbieter von IT-Hard- und -Software auf den Plan. Sie locken Heilmittelerbringer mit Angeboten, möglichst frühzeitig einen Vertrag abzuschließen. Darüber, welchen Nutzen niedergelassene Physiotherapeuten davon haben, wo die Risiken liegen und wie sie sich am besten auf den Einstieg in die TI vorbereiten, sprach PP-Redakteur Stefan Lemberg mit Dr. Björn Pfadenhauer, Geschäftsführer des Bundesverbands selbstständiger Physiotherapeuten ‒ IFK e. V. |

     

    Frage: Herr Dr. Pfadenhauer, offiziell ist die TI-Anbindung für Physiopraxen zum 01.01.2026 vorgeschrieben. Welchen Nutzen haben niedergelassene Physiotherapeuten davon, jetzt schon mitzumachen?

     

    Antwort: Leider aktuell keinen großen Nutzen. Unseres Erachtens bieten die derzeit und auch Anfang 2026 verfügbaren TI-Anwendungen wie KIM und TIM ‒ allein genommen ‒ nicht den nötigen Mehrwert in der täglichen Arbeit, die einen verpflichtenden Anschluss an die TI für alle Heilmittelerbringer jetzt schon rechtfertigen könnte. Es entstehen Aufwand und Kosten bei gleichzeitig geringem Nutzen. Dadurch besteht die Gefahr, dass die TI insgesamt im Heilmittelbereich kritisch wahrgenommen wird und das zukünftige Potenzial sowie der damit erhoffte Bürokratieabbau in den Hintergrund geraten. Das wäre kontraproduktiv, weil damit die Möglichkeit einer gelingenden und positiv wahrgenommenen Einführung aufs Spiel gesetzt wird. Die gelingende Einführung der TI verlangt von allen Berufsangehörigen Veränderungsbereitschaft und Motivation. Beides ist aus unserer Sicht vorhanden. Es ist unsere feste Überzeugung, dass Schlüsselanwendungen wie die elektronische Heilmittelverordnung (eVO) dazu beitragen können, einen spürbaren Mehrwert durch die Anbindung an die Telematikinfrastruktur in der täglichen Arbeit zu generieren. Derzeit sieht es aber so aus, dass die eVO nicht ‒ wie aktuell noch gesetzlich vorgesehen ‒ zum 01.01.2027 zur Verfügung stehen wird. Warum also sollte man sich jetzt an TI anschließen?

     

    Frage: Wo liegen für Physiopraxen die Risiken eines (zu) frühen Einstiegs in die TI?

     

    Antwort: Ein zu früher Einstieg birgt die Gefahr, dass man schlicht enttäuscht wird, weil es kaum Anwendungen gibt, die genutzt werden können oder bei den vorhandenen Anwendungen nur sehr eingeschränkte Anwendungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Zudem würde man jetzt mit technischen Komponenten versorgt, die bereits veraltet sind, wenn es wirklich interessant in der TI wird. Unter Umständen wären Inhaber dann über Jahre an den heute aktuellen Technikstandard gebunden.

     

    Frage: Warum machen die TI-Anbieter jetzt schon solchen Druck?

     

    Antwort: TI-Dienstleister sehen die Frist zur Pflichtanbindung. Die Umsetzung in den Praxen benötigt Zeit, die die Industrie natürlich in Gänze nutzen möchte.

     

    Frage: Wie sollten Praxisinhaber darauf reagieren?

     

    Antwort: Erst mal nichts überstürzen! Praxisinhaber sollten sich zunächst in der Mitgliederberatung des IFK über den derzeitigen Sinn eines TI-Anschlusses informieren. Wenn in den nächsten Jahren ein TI-Anschluss durch geeignete TI-Anwendungen Sinn machen sollte, ist es wichtig, zunächst die eigenen Anforderungen und Bedürfnisse niederzuschreiben. Anschließend kann man einen Anbieter wählen, der diese Bedürfnisse erfüllen kann. Immerhin ist die Technik die Grundvoraussetzung für die Teilnahme an der TI. Auch empfiehlt es sich, zunächst mit dem bestehenden Dienstleister zu sprechen, da dieser die vorherrschenden Bedingungen kennt und gegebenenfalls durch den bereits bestehenden Vertrag Verhandlungsspielraum besteht. Lassen Sie sich auf jeden Fall ein richtiges Angebot machen und prüfen Sie, ob das Paket zu Ihren Wünschen und Bedürfnissen passt.

     

    Frage: An wen sollten sich Praxisinhaber als Ansprechpartner wenden?

     

    Antwort: In der Regel werden die technischen Komponenten von entsprechenden Dienstleistern in sogenannten „TI-Anschlusspaketen“ angeboten. Der erste Ansprechpartner für den Anschluss an die TI ist daher meistens der eigene IT-Dienstleister, da dieser die vorherrschenden Bedingungen bereits kennt. IFK-Mitglieder können zudem auch unser Informations- und Beratungsangebot nutzen.

     

    Frage: Wie unterstützen Sie als IFK Ihre Mitglieder beim Einstieg in die TI?

     

    Antwort: IFK-Mitglieder haben immer die Möglichkeit, sich in der Mitgliederberatung von einem unserer Experten aus der Geschäftsstelle persönlich zu diesem Thema beraten zu lassen. Zudem nehmen wir unsere Mitglieder schon seit vielen Jahren auf dem Weg zur Telematikinfrastruktur mit, indem wir das Thema regelmäßig in unserem Fachmagazin physiotherapie, in unserem Newsletter, auf unserer Webseite oder bei Veranstaltungen aufbereiten. Wir bieten darüber hinaus konkrete Hilfestellungen: Der IFK stellt seinen Mitgliedern eine Reihe an Merkblättern zur Verfügung, die z. B. bebilderte Schritt-für-Schritt-Anleitungen für die Beantragung der Ausweisdokumente oder nützliche Tipps zu Erstattungen durch den GKV-Spitzenverband beinhalten. Diese Dokumente werden laufend von uns aktualisiert und auf Ergänzungen überprüft. Wenn der TI-Anschluss Sinn macht, werden wir unser Dienstleistungsangebot dazu auch noch erweitern. Zudem wirkte der IFK am Aufbau des elektronischen Gesundheitsberuferegisters (eGBR) mit und ist Teil des eGBR-Fachbeirats. In dieser Rolle prüft der IFK den Ausgabeprozess des elektronischen Heilberufsausweises (eHBA) und der Security Module Card Typ B (SMC-B) aus Sicht der Praxisanwender und trägt mögliche Verbesserungen beim Ausstellen dieser Ausweisdokumente für Politik und Verwaltung zusammen. In diesem Zusammenhang konnten IFK-Mitglieder in einem breit angelegten Pilotprojekt den Beantragungsprozess des eHBA und der SMC-B-Karte testen.

     

    Frage: Wie wird die TI-Anbindung die Rolle der Heilmittelpraxen im Gesundheitswesen verändern?

     

    Antwort: Die TI bietet großes Potenzial für eine zielgerichtete Patientenversorgung. Die Kommunikation zwischen Leistungserbringern kann deutlich vereinfacht werden. Potenzial liegt auch darin, durch sinnvolle Anwendungen Bürokratie spürbar abzubauen. Dafür ist aber wichtig, dass analoge Prozesse nicht einfach digitalisiert werden. Dann hätten wir schlechte digitale Anwendungen. Es ist wichtig, die digitalen Anwendungen so aufzusetzen, dass sie optimiert und mit dem größtmöglichen Nutzen für Patienten und Leistungserbringer neu gedacht werden. Noch stehen jedoch ‒ wie oben bereits erwähnt ‒ nur wenige vorgesehene Anwendungen zur Verfügung. Während einige bereits etabliert sind, werden andere Anwendungen erst nach und nach freigeschaltet. Mit der Anbindung an die TI stehen also vorerst nur wenige funktionseingeschränkte Anwendungen für Physiotherapeuten direkt zur Verfügung. Sobald alle Anwendungen jedoch vollumfänglich genutzt werden können, sind die Physiotherapeuten an ein sinnvolles System angebunden. Insbesondere die elektronische Verordnung (eVO) birgt hier ein großes Potenzial: Ist eine Heilmittelverordnung falsch ausgestellt, hat dies aktuell einen enormen bürokratischen Aufwand zur Folge, da nur wenige Korrekturen von Physiotherapeuten getätigt werden dürfen. Für den Großteil ist eine Kontaktaufnahme mit dem Arzt und dessen Korrektur notwendig ‒ solange kann in den meisten Fällen nicht mit der Behandlung begonnen werden. Mit der eVO ließe sich dieser Aufwand erheblich verringern. Denkbar wäre dabei auch eine digitale Echtzeitprüfung der Verordnung vor Behandlungsbeginn durch die Krankenkassen, sodass die Gefahr von Absetzungen signifikant reduziert werden könnte.

     

    Frage: Wo sehen Sie langfristig den Nutzen einer Anbindung für Physiopraxen?

     

    Antwort: Am Ende kommt die TI-Anbindung der Versorgung zugute, weil mehr Zeit für das wirklich Wichtige, die Behandlung der Patienten, verbracht werden kann. Zudem verbessert dies die interprofessionelle Zusammenarbeit, da alle Beteiligten Zugriff auf die gleichen Informationen haben und diese für das gemeinsame Ziel, die optimale Patientenversorgung, nutzen können. Die gleiche Informationsquelle wie beispielsweise Ärzte nutzen zu können, ist außerdem ein großer Gewinn für den Berufsstand. Nur wenn wir mit der gleichen Informationsbasis arbeiten, können wir mit anderen Professionen des Gesundheitswesens auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Hierfür müssen die Anwendungen aber passgenau für die Physiotherapeuten gestaltet werden. Der IFK ist hierzu in Gesprächen mit verschiedenen Akteuren wie dem Bundesgesundheitsministerium, der gematik und Softwareherstellern.

     

    Herr Dr. Pfadenhauer, vielen Dank für das Gespräch! L

     

    Weiterführender Hinweis

    • Anbindung von Heilmittelpraxen an die TI: Das müssen Physiotherapeuten jetzt wissen (Abruf-Nr. 50439700)
    Quelle: Ausgabe 07 / 2025 | Seite 3 | ID 50421350