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  • · Fachbeitrag · Berufspolitik

    Status quo zum Bundesrahmenvertrag: Verhandlungen ‒ Schiedsverfahren ‒ Klage

    | Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) sieht vor, dass die Physiotherapieverbände mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-SV) bundeseinheitliche Rahmenverträge aushandeln ( PP 04/2019, Seite 3 und PP 05/2019, Seite 3 ). Bisher sind sich beide Seiten noch nicht einig: Im September 2020 wurden die Verhandlungen ergebnislos abgebrochen, auch das anschließende Schiedsverfahren endete im März 2021 ohne zufriedenstellendes Ergebnis. Zwei Physioverbände haben inzwischen gegen den Schiedsspruch geklagt. PP fasst den Status quo zusammen. |

    Knackpunkt der Verhandlungen: Zeitaufwand und Vergütung

    Der GKV-SV und die vier an den Verhandlungen beteiligten Physiotherapieverbände ‒ der Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten (IFK), der Deutsche Verband für Physiotherapie (PHYSIO-DEUTSCHLAND), der Verband Physikalische Therapie (VPT) und der VDB-Physiotherapieverband ‒ hatten sich zuletzt darauf geeinigt, neben der reinen Behandlungszeit auch den Zeitaufwand für Vor- und Nachbereitung sowie für die Dokumentation in der Leistungsbeschreibung abzubilden. Streitig ist allerdings noch die Vergütungserhöhung für die Leistung in Relation zum erhöhten Zeitaufwand.

     

    • Beispiel: Krankengymnastik

    Eine Einheit Krankengymnastik dauert zurzeit durchschnittlich 20 Minuten und wird mit 21,11 Euro vergütet. Der Minutenpreis beträgt zurzeit 1,06 Euro. Den vertraglich vereinbarten erhöhten Zeitaufwand in der Leistungsbeschreibung abzubilden, hätte eine Erhöhung des Zeitaufwands um durchschnittlich 7,5 Minuten (38 Prozent) bedeutet. Gleichzeitig wollte der GKV-SV die Vergütung pro Einheit aber nur um 21,17 Prozent auf 25,58 Euro steigern. Dadurch wäre der Minutenpreis auf 0,93 Euro gesunken. Die Physiotherapieverbände hatten dagegen sogar einen Minutenpreis von 1,20 Euro gefordert, um ihren Angestellten höhere Gehälter zahlen zu können.

     

    Schiedsverfahren: Preissteigerung von 1,51 Prozent

    Die Schiedsstelle hat die Preissteigerung für Heilmittel auf 1,51 Prozent ab dem 01.04.2021 festgelegt. Die Preissteigerung soll die Erhöhung der Personal-, Sach- und Betriebskosten vom 01.07.2019 bis zum 31.03.2021 ausgleichen. Den Heilmittelverbänden ist 1,51 Prozent zu wenig. Streitig sind u. a. die Parameter, auf deren Basis dieser Wert zustande gekommen ist, denn sie werden auch für künftige Preisverhandlungen maßgebend sein.

    Seit dem 01.04.2021 gilt: neue Preise, aber alte Verträge

    Unhabhängig von den strittigen Punkten Leistungsbeschreibung und Vergütung hatten die Verhandlungsparteien schon einen Rahmenvertrag ausgehandelt ‒ u. a. mit Neuregelungen zur Zulassung, Fort- und Weiterbildung sowie zu Angaben auf der Heilmittelverordnung bzw. deren Änderungsmöglichkeiten. Die Schiedsstelle hat am 27.01.2021 entschieden, dass diese bereits ausgehandelten Vertragsbestandteile ab dem 01.04.2021 in Kraft treten ‒ unabhängig von den Verhandlungen zur Leistungsbeschreibung und zur Vergütung.

     

    Während die Physiotherapieverbände der gleichen Meinung sind, vertritt der GKV-SV die Auffassung, der Vertrag könne nur als Ganzes in Kraft treten, d. h. erst nachdem auch die Leistungsbeschreibung und die Vergütung geregelt sind. Folgerichtig hat der GKV-SV deshalb nur die neue Preisliste veröffentlicht (online unter iww.de/s4866; gültig ab dem 01.04.2021), nicht aber die bereits vereinbarten Teile der Verträge. Damit gelten die bisher bestehenden Rahmenverträge fort, gleichzeitig aber gelten die neuen Preislisten.

    Wie geht es nun weiter?

    Die Physiotherapieverbände stimmen darin überein, dass weitere Verhandlungen und notfalls ein weiteres Schiedsverfahren notwendig sind, um eine Steigerung der Vergütung zu erreichen. Das neue Schiedsverfahren beginnt, wenn einer der Verhandlungspartner die Verhandlungen erneut für gescheitert erklärt. Werden alle mit dem Verfahren verbundenen Fristen beachtet, sind im Juli 2021 erneute Verhandlungen und ggf. ein zweiter Schiedsspruch möglich.

     

    Der IFK und der VDB haben sich entschieden, gegen Teile des Schiedsspruchs zu klagen. Relevant sind dabei zwei Punkte:

     

    • 1. Die per Schiedsspruch fixierte Preiserhöhung (1,51 Prozent) ist zu gering.
    • 2. Die Schiedsstelle hat keine Zahlbeträge für den Fall festgelegt, dass das Schiedsverfahren länger als drei Monate dauert. Genau das hätte sie laut TSVG aber tun müssen. Das Schiedsverfahren hatte am 09.10.2020 begonnen und am 09.01.2021 noch kein Ergebnis gebracht. Die Zahlbeträge sollen die Heilmittelerbringer für eine verspätete Preiserhöhung entschädigen.

     

    PHYSIO-DEUTSCHLAND und der VPT schließen sich der Klage nicht an. Sie sehen ein Missverhältnis zwischen Aufwand und Nutzen: Gerichtsverfahren brauchen mehr Zeit als Verhandlungen und vermutlich werden die Gerichte keine neuen Preise festsetzen, sondern die Angelegenheit wieder an die Schiedsstelle verweisen. Zudem kostet eine Klage die Verbände Geld ‒ zumindest, wenn sie vor Gericht unterliegen: Nach Angaben von physio.de geht es dabei um einen Betrag i. H. v. 70.000 bis 80.000 Euro.

     

    Auf die Frage der Redaktion, ob eine Klage von nur zwei Verbänden Uneinigkeit signalisiere, antwortete die IFK-Vorsitzende Ute Repschläger: „Die vier maßgeblichen Verbände stehen weiterhin eng zusammen und werden zum Beispiel den Weg in ein neues Schiedsverfahren wie gewohnt gemeinsam im Schulterschluss gehen. Bevor IFK und VDB die Klage eingereicht haben, haben wir uns intensiv mit allen Verbänden über die Vor- und Nachteile dessen beraten. Schlussendlich obliegt es aber den Gremien der einzelnen Verbände zu entscheiden, ob der Klageweg bestritten werden soll oder nicht. Den IFK- und VDB-Vertretern ist es wichtig, den Weg vors Gericht zu gehen, um Grundsätzliches klären zu lassen. Und schließlich geht es in Summe nicht zuletzt um einen dreistelligen Millionenbetrag, der aus unserer Sicht der Branche zusteht. Darum werden wir kämpfen.“

    Quelle: Ausgabe 05 / 2021 | Seite 3 | ID 47364880