Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · WEG-Novelle

    Rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

    von RAin Kornelia Reinke, www.schiffer.de, Bonn

    | Der neue § 9a WEG n. F. regelt die Grundlagen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und ersetzt § 10 WEG a. F. Der Gesetzgeber hat dort nun die Rechtsfähigkeit dieser Gemeinschaft geregelt, also die Fähigkeit, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen. Ursprünglich hatte er die Gemeinschaft nicht mit Rechtsfähigkeit ausgestattet. Erst der BGH stellte 2005 klar, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer rechtsfähig sei, soweit sie bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnehme ( BGH 2.6.05, V ZB 32/05, Abruf-Nr.  051926 ). Neben der Rechtsfähigkeit regelt § 9a WEG n. F. den Zeitpunkt der Entstehung, die Bezeichnung der Gemeinschaft, die Kompetenz zur Ausübung von Rechten und die Wahrnehmung von Pflichten der Eigentümer, den Umgang mit Gemeinschaftsvermögen, die Haftung der Eigentümer und die Insolvenzfähigkeit. Der folgende Beitrag schildert zunächst die Einzelheiten § 9a Abs. 1 WEG n. F. betreffend. |

    1. § 9a Abs. 1 S. 1 WEG n. F.

    Nach § 9a Abs. 1 S. 1 WEG n. F. kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie vor Gericht klagen und verklagt werden. Sie ist somit rechts- und prozessfähig. § 9a Abs. 1 S. 1 WEG n. F. entspricht inhaltlich § 10 Abs. 6 S. 1 WEG a. F. und § 5 WEG a. F.

     

    Bewusst vom Gesetzgeber nicht übernommen wurde die Formulierung, nach der die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer „im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums“ Rechte erwerben und Pflichten eingehen kann. Zur Begründung führt er aus, dass die damit angedeutete Beschränkung der Rechtsfähigkeit auf den Verbandszweck dem deutschen Recht fremd sei (BT-Drucksache 19/18791, S. 45 ff.).

     

    PRAXISTIPP | Die Rechtsfähigkeit erstreckt sich somit auf sämtliche Verträge mit Dritten, wie Dienstverträge mit Anwälten, dem Verwalter und Werkverträge mit Handwerkern sowie auf Verträge mit Versicherungen (weitere Beispiele bei Hügel/Elzer, WEG, § 9a Rn. 69).

     

    Die Rechtsfähigkeit erstreckt sich jedoch nicht auf das sachenrechtliche Eigentum. Insoweit bilden die Wohnungseigentümer eine Bruchteilsgemeinschaft. Daran hat auch die Neuregelung des § 9a WEG n. F. nichts geändert. Dingliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum bleiben den Wohnungseigentümern vorbehalten. Darunter fallen vor allem der Verkauf oder Erwerb des gemeinschaftlichen Grundstücks oder Teile davon sowie die Bestellung von Dienstbarkeiten (Hügel/Elzer, a. a. O., Rn. 63). Davon zu unterscheiden ist der Erwerb von Wohnungseigentumsrechten, z. B. an einer Hausmeisterwohnung, Stellplätzen, Abstellraum (Hügel/Elzer, a. a. O., Rn. 78).

     

    Besteht die Wohnungseigentumsanlage aus mehreren Baukörpern (Mehrhausanlage) kann die Gemeinschaftsordnung vorsehen, dass sog. Untergemeinschaften gebildet werden können. Diese können mit einer eigenen Verwaltungszuständigkeit und Beschlusskompetenz ausgestattet sein. So hat der BGH entschieden (BGH 10.11.17, V ZR 184/16), dass durch die Gemeinschaftsordnung für eine Mehrhausanlage den Mitgliedern der für einzelne Gebäude oder Gebäudekomplexe gebildeten Untergemeinschaften die Kompetenz eingeräumt werden kann, unter Ausschluss der anderen Eigentümer die Durchführung von Instandhaltungs-, Instandsetzungs- und Sanierungsmaßnahmen zu beschließen, die ein zu der jeweiligen Untergemeinschaft gehörendes Gebäude betreffen. Voraussetzung: Es wird zugleich bestimmt, dass die durch diese Maßnahmen verursachten Kosten im Innenverhältnis allein von den Mitgliedern der jeweiligen Untergemeinschaft zu tragen sind.

     

    Beachten Sie | Diese Untergemeinschaften können keine Rechte und Pflichten begründen, sind also nicht rechtsfähig (Hügel/Elzer, a. a. O., Rn. 51).

    2. § 9a Abs. 1 S. 2 WEG n. F.

    Nach § 9a Abs. 1 S. 2 WEG n. F. entsteht die rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in dem Zeitpunkt, in dem die Wohnungsgrundbücher angelegt werden. Ab diesem Zeitpunkt sind daher die Vorschriften des WEG anzuwenden. Dies gilt für die Teilung durch Vertrag nach § 3 WEG und nun auch für die Teilung durch den Eigentümer nach § 8 WEG n. F. In diesem Fall entsteht die Gemeinschaft somit als sog. „Ein-Personen-Gemeinschaft“ (BT-Drucksache 19/18791, S. 45 ff.).

     

    Nach bisherigem Recht wurde gemäß § 10 Abs. 7 S. 4 WEG a. F. eine „Ein-Personen-Gemeinschaft“ verneint. Aus diesem Grund entwickelte die Rechtsprechung (BGH 5.6.08, V ZB 85/07) das Institut des „werdenden Eigentümers“. Danach bildeten die Erwerber, für die eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen und denen der Besitz an der erworbenen Wohnung übergeben worden war, vor Entstehen einer Wohnungseigentümergemeinschaft, eine sog. „werdende Gemeinschaft“. Dieses Rechtsinstitut des „werdenden Eigentümers“ / der werdenden Gemeinschaft“ bedarf es nach der Gesetzesänderung nicht mehr.

     

    PRAXISTIPP | Der Gesetzgeber sieht hierin zum einen den Vorteil einer höheren Rechtssicherheit. Für den Rechtsverkehr ist das Anlegen der Wohnungsgrundbücher besser erkennbar als das durch die Rechtsprechung entwickelte Institut des „werdenden Eigentümers“. Zum anderen werden die Anwendbarkeit des WEG und die Entstehung der Eigentümergemeinschaft zeitlich vorverlegt. Die Gemeinschaft kann deshalb mit Anlegen der Wohnungsgrundbücher Versorgungsverträge schon vor dem Einzug des ersten Erwerbers abschließen. Dadurch erübrigt sich das Problem nach dem bisherigen Recht, wonach Verträge, die vor Entstehung der sogenannten „werdenden Gemeinschaft“ vom teilenden Eigentümer geschlossen wurden, anschließend auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übergeleitet werden mussten.

     

    Nach der aktuellen Gesetzeslage kann ab dem Zeitpunkt des Anlegens der Wohnungsgrundbücher die rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auch als „Ein-Personen-Gemeinschaft“ am Rechtsverkehr teilnehmen. Das WEG ist dabei voll anwendbar (BT-Drucksache 19/18791, S. 45 ff.).

     

    Beachten Sie | Da das Anlegen der Wohnungsgrundbücher das entscheidende Kriterium für das Entstehen der Gemeinschaft ist, sollte die Einräumung des Besitzes an den zum Sondereigentum gehörenden Räumen vor Anlegung der Wohnungsgrundbücher vermieden werden.

     

    Die aktuelle Gesetzeslage bietet dem teilenden Eigentümer die Möglichkeit, bereits vor Veräußerung der ersten Einheit Beschlüsse zu fassen und Verträge abzuschließen, z. B. Verwalterverträge oder Versorgungsverträge. Mit diesen müssen die Erwerber leben, da in der Regel die Anfechtungsfrist abgelaufen sein dürfte, wenn die Erwerber gemäß § 8 Abs. 3 WEG n. F. Wohnungseigentümer geworden sind. Diese Problematik hat der Gesetzgeber erkannt, jedoch im Interesse einer flexiblen Verwaltung auf Sondervorschriften für den Zeitraum verzichtet, in dem nur der aufteilende Eigentümer Mitglied der Gemeinschaft ist.

     

    Beachten Sie | Ob im Einzelfall ein Anspruch eines Erwerbers auf einen Aufhebungsbeschluss besteht, hat der Gesetzgeber offengelassen. Diese Frage soll von der Rechtsprechung und Wissenschaft geklärt werden (BT-Drucksache 19/18791, S. 45 ff.).

     

    PRAXISTIPP | Bis dahin ist es für künftige Erwerber ratsam, vor Eintritt in die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Einsicht in alle Protokolle über die gefassten Beschlüsse sowie in Verträge, insbesondere Verwalter- und Versorgungsverträge, zu nehmen.

     

    Die „Ein-Personen-Gemeinschaft“ ist in der Regel Verbraucher im Sinne des § 13 BGB. Die von ihr geschlossenen Verträge müssen deshalb den verbraucherschützenden Vorschriften der §§ 305 ff. BGB genügen. Dabei verkennt der Gesetzgeber nicht die bisherige Rechtsprechung des BGH (25.3.15, VIII ZR 243/13), wonach dieser bislang nur entschieden hat, den Verbraucherschutz jedenfalls dann auf eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu erstrecken, wenn dieser mindestens eine natürliche Person als Verbraucher angehört. Die dahinterliegende Wertung, dass eine natürliche Person ihre Verbrauchereigenschaft nicht dadurch verliert, dass sie in die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eintritt, gilt für eine „Ein-Personen-Gemeinschaft“ ebenso, wenn diese auf den Eintritt von Verbrauchern gerichtet ist (BT-Drucksache 19/18791, S. 45 ff.).

     

    Beachten Sie | Was geschieht, wenn die „Ein-Personen-Gemeinschaft“ ein Bauträger ist, der im Rahmen seines Unternehmenszwecks gewerblich tätig wird, und somit nicht als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB qualifiziert ist, ist bislang nicht geklärt und bleibt damit der Rechtsprechung überlassen.

     

    Besondere Vorschriften zum Ende der Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft gibt es nicht. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dass § 9a Abs. 1 S. 2 WEG n. F. mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringe, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als solche untrennbar an die Existenz des sachenrechtlichen Wohnungseigentums gebunden sei, dessen Verwaltung sie diene.

     

    MERKE | Sie erlösche deshalb, wenn das Wohnungseigentum infolge der Schließung der Wohnungsgrundbücher untergehe. Für eine eventuell notwendige Liquidation des Gemeinschaftsvermögens gelten die allgemeinen Grundsätze (BT-Drucksache 19/18791, S. 45 ff; kritisch dazu Hügel/Elzer, a. a. O., Rn. 38).

     

     

     

    3. § 9a Abs. 1 S. 3 WEG n. F.

    § 9a Abs. 1 S. 3 WEG n. F. regelt die Bezeichnung und entspricht ‒ unter sprachlicher Anpassung ‒ dem bisherigen § 10 Abs. 6 S. 4 WEG a. F. Neben der Bezeichnung „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ kann auch wahlweise die Bezeichnung „Wohnungseigentümergemeinschaft“ verwendet werden, gefolgt von der bestimmten Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks in Form der postalischen Anschrift. Abweichende Bezeichnungen müssen ausgelegt werden. Der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer steht an dieser Bezeichnung ein Namensrecht nach § 12 BGB zu (Palandt/Wicke, BGB, 80. Aufl., § 9a WEG Rn. 4).

    Quelle: Ausgabe 11 / 2021 | Seite 211 | ID 47713161