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  • · Fachbeitrag · Preisgebundener Wohnraum

    Rückwirkende Erhöhung der Kostenmiete bei unwirksamer Schönheitsreparaturklausel

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    • 1.Bei öffentlich gefördertem, preisgebundenem Wohnraum ist der Vermieter - auch rückwirkend - berechtigt, die Kostenmiete einseitig um den Zuschlag nach § 28 Abs. 4 II. BV zu erhöhen, wenn die im Mietvertrag enthaltene Klausel über die Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter unwirksam ist.
    • 2.Der Mieter einer Dachgeschosswohnung ist zur zeitanteiligen Minderung berechtigt, wenn über einen Zeitraum von einer Woche das Dach abgedeckt wird und für ca. vier Monate unmittelbar vor den Fenstern der Wohnung ein Gerüst aufgestellt wird.
     

    Sachverhalt

    Die Beklagte ist Mieterin einer preisgebundenen Dachgeschosswohnung der Klägerin. Diese erhöhte die Kostenmiete wegen Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel ab 12/10 um insgesamt 60,80 EUR monatlich, und forderte diesen Zuschlag unter dem 19.11.10 außerdem rückwirkend ab 1.12.09. Die Beklagte minderte die Miete vom 20.9.10 bis 19.1.11 wegen eines an der Fassade des Gebäudes angebrachten Gerüsts sowie wegen erheblicher Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch die Abdeckung des Daches in der Zeit vom 20. bis 26.9.10. Insoweit hat sie die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Erstattung der zunächst gezahlten Miete erklärt. Das Berufungsgericht hat der Klage der Vermieterin stattgegeben. Die Revision der Beklagten hat in Höhe der vorgenommenen Minderung Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe zu Leitsatz 1

    Der Vermieter preisgebundenen Wohnraums kann einen Zuschlag nach § 28 Abs. 4 II. BV für Schönheitsreparaturen verlangen, wenn sich herausstellt, dass

    • die im Mietvertrag vorgesehene Abwälzung der Schönheitsreparaturen - wie hier - auf den Mieter nicht wirksam ist und

     

    • er deshalb angesichts seiner Verpflichtung zur Ausführung der Schönheitsreparaturen einen geringeren Betrag als die Kostenmiete erhält (BGH MK 10, 119, Abruf-Nr. 101441).

     

    Hieran hält der BGH fest. Da die Erhöhung lediglich den (pauschalen) Zuschlag nach § 28 Abs. 4 II. BV betraf, bedurfte es keiner Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsberechnung über die im Übrigen unveränderte Grundmiete. Die Klägerin durfte den gesetzlich zulässigen pauschalen (Höchst-)Betrag ansetzen, ohne zu erläutern, warum sie nicht einen unterhalb dieser Grenze liegenden Betrag gewählt hatte. Anderenfalls hätte die Klägerin entgegen dem Zweck der Pauschalierung konkrete Berechnungen anstellen müssen. Die Klägerin kann den Zuschlag auch rückwirkend für den Zeitraum ab 1.12.09 verlangen (§ 4 Abs. 8 S. 2 NMV 1970).

     

    Praxishinweis zu Leitsatz 1

    § 8 Abs. 1 WoBindG untersagt es dem Verfügungsberechtigten, die Wohnung gegen ein höheres Entgelt zum Gebrauch zu überlassen als zur Deckung der laufenden Aufwendungen erforderlich ist. Zu den laufenden Aufwendungen gehören die in § 28 II. BV näher umschriebenen Instandhaltungskosten. Die Beklagte war bis zur Mieterhöhung nur zur Entrichtung eines unter der Kostenmiete liegenden Entgelts verpflichtet, da sie bis dahin den nach § 28 Abs. 4 II. BV zulässigen Zuschlag für die Kosten der vom Vermieter zu tragenden Schönheitsreparaturen nicht zu zahlen hatte. Grund: Wegen der unzulässigen Endrenovierungsklausel „der Mieter hat bei Auszug die Bodenbeläge in einen einwandfreien Zustand zu versetzen, sowie sämtliche Tapeten abzureißen und alle Dübeleinsätze zu entfernen“ war die Klägerin von Anfang an selbst zur Vornahme der Schönheitsreparaturen verpflichtet.

     

    Das heißt: Die von ihr geforderte Miete entsprach von Mietbeginn an nicht der gesetzlich zulässigen Kostenmiete. Das rechtfertigt die Mieterhöhung um den Zuschlag gemäß § 28 Abs. 4 II. BV.

     

    Die Beklagte hatte vor dem LG erfolglos geltend gemacht, die Mieterhöhung verstoße gegen Treu und Glauben. Sie habe im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel die Wohnung zum Mietbeginn renoviert. Auch der BGH lässt diesen Einwand nicht gelten. Grund: Der Zuschlag nach § 28 Abs. 4 II. BV dient dazu, die in unregelmäßigen Abständen - je nach Fälligkeit der Schönheitsreparaturen - anfallenden Kosten zeitanteilig auf die Mietzeit zu verteilen. Hieran ändert sich durch eine vom Mieter durchgeführte Anfangsrenovierung nichts. Mit dem Zuschlag werden nicht die Kosten der Anfangsrenovierung abgegolten, sondern die seither eintretende Abnutzung, die eine spätere erneute Renovierung erforderlich machen wird und deren anteilige Kosten durch den pauschal berechneten Zuschlag abgedeckt werden sollen.

     

    Beachten Sie | Der BGH hat weiter ausgeführt: „Die Klägerin hat die Beklagte auch nicht durch eine unwirksame Renovierungsklausel zur Vornahme der Anfangsrenovierung veranlasst, denn eine solche Verpflichtung sei ihr nicht auferlegt gewesen.“ Dies lässt den Schluss zu, dass der Treuwidrigkeitseinwand eines Mieters bei einer unwirksamen Anfangsrenovierungsklausel Erfolg haben könnte.

     

    Entscheidungsgründe zu Leitsatz 2

    Das Berufungsgericht überspannt die an die Darlegung eines Mangels zu stellenden Anforderungen, wenn es den detaillierten und durch Lichtbilder veranschaulichten Vortrag der Beklagten über die Mietmängel für unsubstanziiert hält. Es liegt auf der Hand, dass die Nutzung einer Dachgeschosswohnung erheblich eingeschränkt ist, wenn über einen Zeitraum von rund einer Woche sämtliche Dachziegel entfernt und über eine Bauschuttrutsche in einen Container zum Abtransport befördert werden. Die von der Beklagten eingereichten Lichtbilder belegen zudem, dass ihr Balkon durch herabgefallenen Schutt in Mitleidenschaft gezogen war und dass das unmittelbar vor den Fenstern ihrer Wohnung aufgebaute Gerüst eine erhebliche Beeinträchtigung darstellte.

     

    Praxishinweis

    Die Beklagte hatte vorgetragen, sie habe in dem Zeitraum vom 20.9.10 bis zum 26.9.10 aufgrund der täglich von 7.45 bis 16.45 Uhr andauernden Dacharbeiten erhebliche Lärmbelästigungen ertragen müssen, die sie näher ausgeführt hat. Für den anschließenden Zeitraum bis zum Abbau des Gerüsts sei aufgrund der von dem Gerüst ausgehenden Beeinträchtigungen eine 10-prozentige Minderung angemessen.

     

    Das LG hat dieses durch Lichtbilder belegte Vorbringen zu Unrecht nicht ausreichen lassen. Im Rahmen des § 536 Abs. 1 BGB genügt der Mieter seiner Darlegungslast schon mit der Darlegung eines konkreten Sachmangels, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt. Zum Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung oder einem bestimmten Minderungsbetrag braucht er hingegen nichts vorzutragen.

     

    Das heißt: Bei wiederkehrenden Beeinträchtigungen durch Lärm oder Schmutz genügt der Mieter seiner Darlegungslast grundsätzlich mit einer Beschreibung, aus der sich ergibt,

    • um welche Art von Beeinträchtigungen es geht,
    • zu welchen Tageszeiten,
    • über welche Zeitdauer und
    • in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten.

     

    Dies gilt erst recht, wenn die Umstände das Auftreten derartiger Beeinträchtigungen - wie hier - ohnehin nahelegen. Gegen die Höhe der Minderung (40 Prozent für die Dachabdeckung; 10 Prozent für das Gerüst) hat der BGH keine Einwände erhoben.

     

    Hat der Mieter Fotos von den Beeinträchtigungen (hier: Bauschutt und Gerüst) gefertigt, sollte er diese unbedingt vorlegen und zum Gegenstand seines Vortrags machen. Etwaige Bedenken des Gerichts gegen die Annahme einer mängelbedingten Minderung können - wie die Ausführungen des BGH eindrucksvoll belegen - hierdurch überwunden werden.

     

    MERKE | Die Minderung tritt nach § 536 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes ein. Deshalb ist der immer wieder vorgebrachte Vermietereinwand, der Mieter (oder Pächter) würde die Mietsache, auch wenn sie zu dem vertraglich vorausgesetzten Gebrauch tauglich gewesen wäre, doch nicht gebraucht haben, oder - wie hier - der Mieter habe sich während der Bauarbeiten arbeitszeitbedingt nicht durchgängig in der Wohnung aufgehalten, ohne rechtlichen Belang (so auch BGH NJW 58, 785).

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 05 / 2013 | Seite 77 | ID 38524470