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  • · Fachbeitrag · Neues Widerrufsrecht

    Widerruf des Mieters legal vermeiden

    von RA Dr. Hans Reinold Horst, Hannover / Solingen

    | Wer - auch als privater - Vermieter mit Unternehmereigenschaft jetzt Wohnungsmietverträge abschließt, ohne dass der Mieter die Wohnung zuvor besichtigt hat, kann rechtliche Nachteile erleiden, wenn in diesem Fall der Mietvertrag außerhalb von Geschäftsräumen bei gleichzeitiger Anwesenheit von Mieter und Vermieter unterzeichnet wird. Der folgende Beitrag zeigt, wie betroffene Vermieter sich hier schützen können. |

    1. Gesetzliche Grundlage

    Dies folgt aus dem „Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung“ vom 20.9.13, das am 13.6.14 in Kraft getreten ist (BGBl I 13, 3642). Hinter dieser etwas sperrigen Bezeichnung verbirgt sich eine Änderung des Widerrufsrechts, das normalerweise bei Haustürgeschäften und bei abgeschlossenen Verträgen im Fernabsatz (z.B. online-Handel) eingreift. Der neue § 312 Abs. 4 BGB bindet auch Wohnungsmietverträge in die Widerrufsrechte mit ein, wenn die Wohnung zuvor nicht besichtigt wurde.

    2. Mieter muss Verbraucher sein

    Nach § 312 Abs. 1 BGB muss für das Vorliegen eines Haustürgeschäfts der Vermieter Unternehmer und der Mieter Verbraucher sein. Dies sind nach § 310 Abs. 3 BGB i.V. mit § 13 BGB ausschließlich natürliche Personen, die Verträge zu privaten Zwecken abschließen. Der Vertragsabschluss darf also nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Der Wohnraummietvertrag mit einer Privatperson ist daher als Verbrauchervertrag einzuordnen, wenn der Vermieter seinerseits Unternehmer (§ 14 BGB) ist.

    3. Vermieter muss Unternehmer sein

    Die Unternehmereigenschaft kann allenfalls bei privaten Vermietern fraglich sein. Bei der Einordnung als Unternehmer kommt es weder auf gewerberechtliche, noch auf steuerrechtliche Betrachtungen an. Entscheidend ist allein die privatrechtliche Wertung (§ 14 BGB).

     

    a) Großzügigere Auffassung

    Bei der Frage, wann die Vermietung von Wohnungen als eine unternehmerische Tätigkeit anzusehen ist, will Heinrichs (NJW 96, 2190) auf die Rechtsprechung zum Begriff des Gewerbebetriebs abstellen und die dort entwickelten Grundsätze heranziehen. Dies deckt sich mit der vom Wortlaut des § 14 BGB her gebotenen Betrachtung und einer älteren Auffassung in der Rechtsprechung. Auch das OLG Hamm (MDR 06, 1165) führt diese Linie fort und wertet im Anschluss an den BGH (NJW 02, 368) die Verwaltung eigenen Vermögens durch Anlage in Mietshäusern nicht als gewerbliche Tätigkeit (ebenso Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., Rn. 3 zu § 13, Rn. 2 zu § 14). Selbst der Zusammenschluss in einer GbR ändere unabhängig von der Höhe der verwalteten Werte an der Verbrauchereigenschaft des Vermieters nichts. Etwas anderes könne sich nur aus dem Umfang der mit der Vermögensverwaltung verbundenen Geschäfte ergeben (BGH, a.a.O). Beide Entscheidungen ergingen zum Bau- und Verbraucherkreditrecht, betreffen aber Investoren in ihrer Eigenschaft als Vermieter.

     

    Damit ist von der Unternehmereigenschaft des Vermieters ohne Weiteres auszugehen, wenn er aus der Vielzahl (Grenze etwa bei der ständigen Verwaltung von 10 Wohnungen und mehr (dazu näher Börstinghaus, ZGS 02, 5) oder aus der Größe der vermieteten Objekte seinen alleinigen Lebensunterhalt bestreitet. Gleiches gilt auch, wenn die Grundstücksverwaltung wegen der Größe eines Objekts oder wegen der Vielzahl mehrerer Objekte einen - auch zeitlich so großen Umfang einnimmt, dass sie die auf Vertragserzielung gerichtete Tätigkeit des Vermieters im Wesentlichen bestimmt, auch wenn er noch über andere Einnahmequellen verfügt. Zumindest kann das Tatbestandsmerkmal des Unternehmers i.S. von § 14 BGB schon bei mehreren Wohnungen erfüllt sein, wenn diese häufiger neu vermietet werden (Pfeifer, Das neue Mietrecht 2001, 105). Erforderlich ist aber gewerbsmäßiges Handeln. Eine reine Vermögensverwaltung reicht nicht (Börstinghaus ZGS 02, 5).

     

    Rechtsprechungsübersicht / Unternehmereigenschaft

    Vermieter ist kein Unternehmer

    • Vermietung eines Wohnhauses mit 8 Wohnungen (LG Waldshut-Tiengen DWW 08, 259),

     

    Vermieter ist Unternehmer 

    • Zwei Einfamilienhäuser und eine Einliegerwohnung (LG Karlsruhe NJW-RR 92, 973),
    • Mehrere Wohnblöcke, nicht aber 5 Wohnungen und 3 Gewerbeeinheiten (OLG Düsseldorf ZEV 10, 417).
     

    b) Strengere Auffassung

    Demgegenüber ist eine neue und wesentlich strengere Auffassung im Vordringen begriffen, die den Unternehmerbegriff des § 14 BGB mit Rücksicht auf die zugrunde liegenden EG-Verbraucherschutzrichtlinien weit auslegt (AG Hannover NZM 10, 197; AG Lichtenberg MM 07, 262). Mit diesem verbraucherschutzorientierten Ansatz wird der Vermieter schon dann als Unternehmer eingeordnet, wenn er mehrere einzelne Wohnungen vermietet und daher wiederholt in die Situation kommt, Mietverträge abzuschließen (AG Hannover, a.a.O.) oder schon, wenn er im Wettbewerb mit anderen eine Wohnung planmäßig und dauerhaft zum Zwecke der Gewinnerzielung vermietet, unabhängig von Regelmäßigkeit und Umfang dieser Tätigkeit (AG Lichtenberg, a.a.O.).

     

    c) Bewertung

    Diese - weite - Auffassung ist abzulehnen. Sie orientiert sich nicht mehr am Wortlaut des § 14 BGB, sondern überspannt ihn. Nur gelegentliches Tätigwerden ist nicht mit „gewerblich“ gleichzusetzen. Deshalb ist die Verwaltung eigenen Vermögens solange keine gewerbliche Tätigkeit, wie sie nicht den zumindest für eine partielle gewerbliche Tätigkeit erforderlichen zeitlichen und organisatorischen Aufwand erfordert (so ausdrücklich: BGH NJW 02, 368). Die Gegenansicht (OLG Düsseldorf WuM 04, 603), die allein schon die Vermietung selbst ohne Rücksicht auf deren zeitlichen und organisatorischen Umfang als unternehmerische Tätigkeit und nicht mehr als Verwaltungstätigkeit begreift, verkennt völlig das Wesen einer Immobilienbewirtschaftung. Sie lässt sich nur als völlig praxisfremd und ideologisch motiviert bezeichnen. Denn die Vermietung ist gerade unverzichtbares Element der Immobilienverwaltung, stellt sie doch das einzige Gegenfinanzierungsmittel für ständig anfallende laufende Kosten, Beiträge, Gebühren und Steuern, vor allem aber für Instandhaltung, Reparatur und Modernisierung dar. Immobilienverwaltung ist also ohne Vermietung gar nicht denkbar. Die Vermietung pauschal aus der Vermögensverwaltungstätigkeit auszugliedern, hieße den Vermögenswert schlicht nicht zu bewirtschaften, also brachliegen zu lassen.

    4. Verbrauchervertrag

    Ist der Vermieter im privatrechtlichen Sinne Unternehmer (Wohnungsunternehmen, private Grundstücksverwaltungen größeren Ausmaßes) und der Mieter Verbraucher, liegt ein Verbrauchervertrag vor (§ 310 Abs. 3 BGB).

     

    Beachte | Nur dann hat der Mieter grundsätzlich ein Widerrufsrecht bezüglich des unterschriebenen Mietvertrags. Die Frist beträgt 14 Tage. Sie gilt aber nur, wenn der Vermieter ordnungsgemäß über die Widerrufsmöglichkeiten sowie über die Folgen eines Widerrufs belehrt hat. Im Einzelnen:

     

    Checkliste / Widerrufsbelehrung

    Der Vermieter muss den Mieter über folgende Punkte informieren:

    • wesentliche Eigenschaften der Wohnung,
    • Identität, Anschrift und Telefonnummer des Vermieters,
    • Höhe der monatlichen Miete,
    • Zahlungsmodalitäten und Vertragsbeginn,
    • Bestehen der gesetzlichen Mängelhaftungsrechte (Mietminderung, Schadenersatz und Aufwendungsersatz),
    • Kündigungsmöglichkeiten bei unbefristeten Verträgen und die Vertragsdauer bei befristeten Verträgen,
    • Bedingungen der Kaution,
    • Bedingungen, die Fristen und das Verfahren des Widerrufs,
    • Bezug der gesetzlichen Musterwiderrufsformulierung aus dem Bundesgesetzblatt (BGBl 13 I Nr. 58, S. 3665),
    • Wertersatz, den der Mieter leisten muss, wenn er das Widerrufsrecht ausübt, nachdem er vom Vermieter ausdrücklich den Beginn des Mietverhältnisses vor Ablauf der Widerrufsfrist verlangt hat.
     

    Der Vermieter kann zur Erfüllung dieser Informationspflichten auf den Inhalt des vorliegenden Mietvertrags sowie auf die genannte Bezugsmöglichkeit des gesetzlichen Musters einer Widerrufserklärung verweisen. Die Verwendung dieses Musters ist aber für den Mieter nicht zwingend; es genügt jede eindeutige formlose Erklärung.

     

    Hat der Vermieter nicht ordnungsgemäß über die aufgeführten Punkte belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist des Mieters um zwölf Monate auf dann ein Jahr und 14 Tage!

    5. Empfehlungen für Vermieter als Unternehmer

    Damit es soweit gar nicht kommt, gilt als dringende Praxisempfehlung: Wohnraum sollte nie ohne dessen vorherige Besichtigung durch den Mieter vermietet werden. Naturgemäß ist das immer schwierig, wenn ein Mieter von auswärts sich für die Wohnung interessiert oder wenn es z.B. um die Vermietung von Ferienwohnungen und Ferienhäusern geht.

     

    Wird vorher besichtigt, können Mieter und Vermieter weiterhin bei persönlicher Anwesenheit gleichzeitig den Mietvertrag auch außerhalb von Geschäftsräumen, also z.B. in der Privatwohnung, unterzeichnen.

     

    PRAXISHINWEIS | Andernfalls ist dringend zu raten, den ausgefüllten Mietvertrag in zwei Exemplaren dem Mieter per Post zuzusenden. Dabei ist der Mieter aufzufordern, zunächst zu unterzeichnen und die beiden unterzeichneten Vertragsexemplare ebenfalls per Post an den Vermieter zurückzureichen. Erst dann unterschreibt der Vermieter. Nur so kann er wirklich sicher sein, dass er zwei identisch ausgefüllte Vertragsexemplare mit identischem Inhalt und identischen Anlagen unterzeichnet. Das nach dem Mieter vom Vermieter unterzeichnete Formular ist dann mit allen Anlagen fest verbunden dem Mieter zurückzuleiten.

     

     

    Diese Regeln sind auch für die Änderung oder für die Aufhebung bestehender Mietverträge zu beachten. Das gilt insbesondere für Mieterhöhungen und für Aufhebungsverträge, die bei gleichzeitiger Anwesenheit der Vertragsparteien zunächst besprochen und dann durch Unterschrift abgeschlossen werden. Auch von einem solchen Vorgehen ist zukünftig dringend abzuraten. Gibt es vorgreifliche Gründe, die eine vorherige gemeinsame Besprechung und gleichzeitige Unterzeichnung notwendig machen, so müssen dem Mieter die entsprechenden Informationen über die genannten Punkte sowie die Widerrufsbelehrung mitgeteilt werden. Aus Beweisgründen sollte dabei schriftlich verfahren werden. Zudem sollten Vertragsänderungen in ihrer Wirkung oder Beendigungszeitpunkte zeitlich gestreckt werden. So kann verhindert werden, dass bereits umgesetzte Verträge binnen der Widerrufsfrist von 14 Tagen vom Mieter widerrufen werden können.

     

    Und zum Schluss die gute Botschaft: Ist der Vermieter nicht Unternehmer, so ändert sich nichts an der bisherigen Praxis zur Wohnungsvermietung.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2014 | Seite 158 | ID 42826161