· Modernisierung
Mieterhöhung nach energetischer Modernisierung: Das sind die Begründungsanforderungen

von VRinLG Astrid Siegmund, Berlin
| Hat der Vermieter Modernisierungsmaßnahmen i. S. v. § 555b Nr. 1, 3, 4, 5 oder 6 BGB durchgeführt, kann er die Miete durch Erklärung in Textform erhöhen, §§ 559 Abs. 1 S. 1, 559b Abs. 1 S. 1 BGB. In der Erklärung muss er u. a. erläutern und (im Streitfall i. d. R.) beweisen, dass und weshalb es sich bei seiner Maßnahme um eine Modernisierung handelt. Das kann bei energetischen Modernisierungsmaßnahmen schwierig sein. Die Schwierigkeiten beginnen mit dem Begriff der „Endenergie“, deren „nachhaltige“ Einsparung erläutert werden muss. Mehrere Fälle aus Bremen geben dem BGH Gelegenheit, „Licht“ in die Sache zu bringen. |
Sachverhalt
Der Kläger ist seit 10/00 Mieter einer in einem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnung der Beklagten. Mit Schreiben vom 12.1.16 kündigte die Beklagte die Modernisierung der in dem Haus befindlichen Heizungsanlage durch den Austausch des vorhandenen Niedertemperaturkessels gegen einen modulierend geregelten Gas-Brennwertkessel sowie die Durchführung eines „hydraulischen Abgleichs“ an. Nach der Durchführung der Arbeiten erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 19.7.16 eine Erhöhung der monatlichen Grundmiete ab dem 1.10.16 von 319,40 EUR um 20 EUR auf 339,40 EUR. Der Kläger zahlte diesen Erhöhungsbetrag bis einschließlich April 2018.
Der Kläger verlangt die Rückzahlung seiner Ansicht nach wegen der Modernisierungsmieterhöhung zu viel gezahlter Miete in Höhe von 380 EUR und die Feststellung, dass die Grundmieterhöhung um 20 EUR monatlich nicht wirksam sei. Das AG hat der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat das LG nach einer ergänzenden Begutachtung durch den Sachverständigen zurückgewiesen. Die (zugelassene) Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung (BGH 26.3.25, VIII ZR 280/23, Abruf-Nr. 248194; vgl. auch BGH 26.3.25, VIII ZR 281/23; VIII ZR 282/23; VIII ZR 283/23).
Entscheidungsgründe
Aus Sicht des BGH kann die Unwirksamkeit der auf § 559 BGB a. F. gestützten Mieterhöhung mit der Begründung des LG nicht festgestellt und der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der Erhöhungsbeträge aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB nicht bejaht werden. Für die begehrte Feststellung und den Rückzahlungsanspruch entscheidend war die Beantwortung der Frage, ob die Beklagte die Durchführung einer Modernisierungsmaßnahme im Sinne des § 555b Nr. 1 BGB nachweisen kann, durch die in Bezug auf die Mietsache Endenergie nachhaltig eingespart wird (energetische Modernisierung).
Nachhaltige Einsparung von Endenergie
Nach dem BGH kommt es bei einer baulichen Veränderung im Sinne von § 555b Nr. 1 BGB und damit für eine nachhaltige Einsparung von Endenergie (energetische Modernisierung) lediglich darauf an, dass überhaupt eine messbare Einsparung erzielt wird und diese dauerhaft ist, nicht jedoch auf deren Größenordnung (st. Rspr., BGH 23.11.22, VIII ZR 59/21, NJW 23, 360; 3.3.04, VIII ZR 151/03, WuM 04, 288 [für preisgebundenen Wohnraum]; Rechtsentscheid 10.4.02, VIII ARZ 3/01, BGHZ 150, 277, 282 f. [zu § 3 MHG]; siehe auch BT-Drucksache 8/1782, S. 6 [zu § 3 MHG]).
Die Folgefrage ist, wie eine solche Einsparung zu ermitteln ist. Das LG ist davon ausgegangen, dass eine nachhaltige Einsparung von Endenergie anhand des tatsächlichen Verbrauchs in dem Gebäude, in dem sich das Mietobjekt befindet, innerhalb eines Zeitraums von vier bis fünf Jahren vor und nach der von dem Vermieter ergriffenen Maßnahme festgestellt werden muss. Diesen Ansatz hält der BGH aus mehreren Gründen für unzutreffend. Nach § 559 Abs. 1 BGB a. F. in Verbindung mit § 555b Nr. 1 BGB a. F. kann der Vermieter eine Mieterhöhung bereits verlangen, wenn nach dem Abschluss der Modernisierungsarbeiten im (Ex-ante-)Zeitpunkt der Abgabe der Mieterhöhungserklärung eine messbare und dauerhafte Einsparung von Endenergie zu erwarten ist und diese allein auf die bauliche Veränderung zurückzuführen ist. Dabei kann die Frage, ob durch die bauliche Veränderung in Bezug auf die Mietsache Endenergie nachhaltig eingespart wird (§ 555b Nr. 1 BGB), grundsätzlich nicht ausschließlich nach dem tatsächlichen Energieverbrauch in dem Gebäude beurteilt werden.
PRAXISTIPP | Der Begriff der Endenergie wird in der Begründung des Mietrechtsänderungsgesetzes erläutert (BT-Drucksache 17/10485, S. 19). Danach ist unter „Endenergie“ die Menge an Energie zu verstehen, die der Anlagentechnik eines Gebäudes (Heizungsanlage, raumlufttechnische Anlage, Warmwasserbereitungsanlage) zur Verfügung stehen muss, um die für den „Endverbraucher“ (also insbesondere den Mieter) erforderliche Nutzenergie sowie die Verluste der Anlagentechnik bei der Übergabe, der Verteilung, der Speicherung und der Erzeugung im Gebäude zu decken. Die zur Versorgung eines Gebäudes benötigte Endenergie wird an der „Schnittstelle“ Gebäudehülle gemessen und dort etwa in Form von Heizöl, Erdgas, Braunkohlebriketts, Holzpellets, Strom oder Fernwärme übergeben. Der Begriff der Endenergie ist damit weiter als der der Nutzenergie, unter der die Menge an Energie verstanden wird, die für eine bestimmte Energiedienstleistung am Ort des Verbrauchs (z. B. erwärmter Raum, warmes Wasser etc.) erforderlich ist. Jedoch finden hier weder die Umwandlungsverluste der Anlagentechnik (z. B. Heizkessel) und des Verteilungssystems (z. B. Leitungssystem einer Zentralheizung) noch die für den Betrieb der Anlagentechnik benötigte Hilfsenergie (z. B. Pumpenstrom) Beachtung (vgl. BT-Drucksache, a. a. O.). |
Eine Einsparung von Endenergie wird nach der Vorstellung des Gesetzgebers zum einen typischerweise erzielt, wenn zur Erbringung derselben Energiedienstleistung am Ort des Verbrauchs weniger Nutzenergie als vor der Modernisierung erforderlich ist (z. B. durch Wärmedämmung der Gebäudehülle oder einen Fenstertausch). Zum anderen kommt es zu einer solchen Einsparung, wenn die Nutzenergie mit größerer Effizienz (z. B. durch Erneuerung des Heizkessels oder die Verringerung der Wärmeverluste zwischen Heizkessel und Heizkörpern) zur Verfügung gestellt wird (BT-Drucksache, a. a. O.), also für die gleiche Menge Nutzenergie weniger „zu bezahlende“ Endenergie aufgewandt werden muss (BT-Drucksache., a. a. O.).
Beachten Sie | Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 555b Nr. 1 BGB a. F. muss die Endenergieeinsparung „durch“ die bauliche Veränderung herbeigeführt, also von dieser verursacht worden sein. Der vom LG als Maßstab herangezogene tatsächliche Energieverbrauch in einem Gebäude vor und nach einer solchen Maßnahme wird jedoch nicht allein durch die jeweilige bauliche Veränderung, sondern durch eine Vielzahl von Parametern bestimmt, die sich im Regelfall im Vorfeld weder sicher abschätzen noch im Nachhinein (vollständig) aufklären und feststellen lassen. So wird der tatsächliche Verbrauch von Endenergie in einem Gebäude insbesondere auch durch das Wetter, den Leerstand einzelner Wohnungen, die Anzahl der Bewohner und deren Nutzerverhalten beeinflusst. Allein durch den Vergleich des tatsächlichen Energieverbrauchs in dem Gebäude vor und nach der baulichen Veränderung lässt sich daher ‒ auch bei Vornahme einer sogenannten Witterungsbereinigung, wie sie der Sachverständige hier durchgeführt hat ‒ nicht sicher abschätzen, ob und inwieweit Endenergie gerade durch die bauliche Veränderung eingespart worden und ob diese Einsparung von Dauer ist.
Gesetzgeber hat Darlegung für Vermieter vereinfacht
Der Gesetzgeber hat diese Schwierigkeiten gesehen. Er hat ‒ um die Darlegung der mit der Modernisierungsmaßnahme verbundenen Energieeinsparung für den Vermieter zu vereinfachen ‒ bestimmt, dass der Vermieter sowohl bei deren Ankündigung gemäß § 555c Abs. 3 BGB a. F. (inhaltlich identisch mit der n. F.), als auch i. R. d. Mieterhöhungserklärung (§ 559b Abs. 1 S. 3 BGB i. V. m. § 555c Abs. 3 BGB a. F.) auf anerkannte Pauschalwerte Bezug nehmen kann (BT-Drucksache 17/10485, S. 14, 17, 20 f., 25). Die Bemühungen des Gesetzgebers um eine Vereinfachung liefen jedoch ins Leere, wenn die Energieeinsparung letztlich doch über den tatsächlichen Verbrauch bestimmt werden müsste. Den anerkannten Pauschalwerten kann deshalb nicht mit Erfolg ein individuelles Nutzerverhalten entgegengesetzt werden.
Der Vermieter hat auch keine Möglichkeit, das Nutzerverhalten der Mieter vor und nach der baulichen Maßnahme zu beeinflussen ‒ ebenso wenig, wie der einzelne Mieter mit Blick auf das Nutzerverhalten der anderen Bewohner in dem von ihm bewohnten Gebäude. Das wiederum hätte zur Folge, dass der Vermieter ‒ bei einem Abstellen auf den tatsächlichen Verbrauch ‒ vor Beginn der Modernisierung kaum absehen könnte, ob er deren Kosten im Wege einer Mieterhöhung zumindest teilweise überhaupt auf die Mieter umlegen kann. Das gilt vor allem, wenn mit der Modernisierung erstmals eine zentrale Versorgung installiert wird und dem Vermieter tatsächliche Verbrauchsdaten für die Zeit vor der Modernisierung gar nicht vorliegen (können).
Beachten Sie | Die Annahme des LG, dass ein belastbarer Durchschnittswert für den jährlichen Energieverbrauch durch den tatsächliche Energieverbrauch innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor und nach der Maßnahme ‒ den das LG jeweils mit vier bis fünf Jahren bemessen hat ‒ zu der Bestimmung des Durchschnittswerts herangezogen wird, führt ‒ so der BGH ‒ zudem faktisch zu einer „Sperrfrist“ für die Geltendmachung der Modernisierungsmieterhöhung. Eine solche sieht das Gesetz nicht vor. Sie würde den Vermieter auch unverhältnismäßig belasten, denn die Kosten der Modernisierung fielen bei ihm an, ohne dass er sie nach Abschluss der Arbeiten zeitnah auf den Mieter umlegen könnte. Es fehle dann auch an einem Anreiz für die Vornahme der Modernisierung.
Hinzu kam hier, dass die Heizungsanlage fehlerhaft eingestellt war. Das wirkte sich auf die vom Sachverständigen ermittelten, vom LG zugrunde gelegten tatsächlichen Verbrauchswerte aus. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen aber allein die durch eine ‒ auf Dauer angelegte ‒ bauliche Veränderung hervorgerufenen Einsparungen den Vermieter zu einer ‒ ebenfalls dauerhaften ‒ Erhöhung der Miete berechtigen (vgl. BT-Drucksache 17/10485, S. 18, 24). Würde man für den Vergleich des Energieverbrauchs vor und nach der baulichen Maßnahme immer die tatsächlichen ‒ möglicherweise wie hier fehlerhaften ‒ Einstellungen der Heizungsanlage zugrunde legen, liefe der Vermieter Gefahr, aufgrund der Auswirkungen eines ‒ ggf. erst nachträglich aufgetretenen ‒ Bedienungsfehlers auf den Energieverbrauch dauerhaft auf eine Mieterhöhung verzichten zu müssen, obwohl es bei einer ordnungsgemäßen Bedienung der neu installierten Heizungsanlage zu einer nachhaltigen Einsparung von Endenergie gekommen wäre und bei einer Behebung des Fehlers auch jederzeit noch kommen könnte. Bei einem solchen Vergleich sei daher maßgeblich auf eine fehlerfrei eingestellte Heizungsanlage abzustellen. Der Mieter sei mit Blick auf einen solchen ‒ hier festgestellten ‒ Bedienungsfehler gegenüber dem Vermieter nicht schutzlos gestellt. Soweit hierin eine Pflichtverletzung liegt, könne der Mieter gegenüber seinem Vermieter jedenfalls einen Schadenersatzanspruch nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB geltend machen.
PRAXISTIPP | Der BGH leitet aus dem Gesetz und den gesetzgeberischen Zielen zusammenfassend ab, dass der Vermieter eine Mieterhöhung bereits verlangen kann, wenn nach dem Abschluss der zu Modernisierungszwecken vorgenommenen Arbeiten zum (Ex-ante-)Zeitpunkt der Abgabe der Mieterhöhungserklärung eine (allein) durch die erfolgte bauliche Veränderung hervorgerufene messbare und dauerhafte Einsparung von Endenergie zu erwarten ist. Dies habe der Tatrichter unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten ‒ ggf. mit sachverständiger Hilfe ‒ zu beurteilen. Dabei könne aber auch auf anerkannte Pauschalwerte ‒ z. B. die in der (zum hier maßgeblichen Zeitpunkt geltenden) Bekanntmachung der Regeln zur Datenaufnahme und Datenverwendung im Wohngebäudebestand vom 7.4.15 (BAnz AT vom 21.5.15 B 2 [jetzt vom 8.10.20, BAnz AT vom 14.12.21 B 1]; siehe hierzu BT-Drucksache 17/10485, S. 20 f., 25) ‒ zurückgegriffen werden. Die Feststellung einer solchen Einsparung nur mithilfe eines Vergleichs der tatsächlichen Jahresverbrauchswerte vor und nach der Maßnahme komme dagegen grundsätzlich nicht in Betracht. |
Relevanz für die Praxis
Die energetische Modernisierung (§ 555b Nr. 1 BGB) mit der ‒ durch die Einführung der Kappungsgrenze zum 1.1.2019 begrenzten ‒ Möglichkeit der Kostenumlage auf den Mieter ist kein Selbstzweck. Der Tatbestand soll Anreize für Maßnahmen mit ressourcenschonenden und klimaschützenden Effekten bieten. Er droht leerzulaufen, wenn die Hürden für eine ‒ infolge der Kappungsgrenze in § 559 Abs. 3a BGB n. F. ‒ teilweise Beteiligung des Mieters an den Kosten so hoch aufgestellt werden, dass sie eine Mieterhöhung faktisch ausschließen. Das ‒ auch technische ‒ Problem hat bereits der Gesetzgeber gesehen und deshalb den Rückgriff auf allgemein anerkannte Pauschalwerte bei der Ankündigung von energetischen Modernisierungsmaßnahmen in § 555c Abs. 3 BGB eingeführt. In der Begründung des Gesetzentwurfs zur Neuordnung des Modernisierungsrechts (Mietrechtsänderungsgesetz 2013, BT-Drucksache 17/10485) hat er zudem detaillierte (Fundstellen-)Hinweise gegeben, wo diese „anerkannten Pauschalwerte“ zu finden sind. Dass für die Mieterhöhung nichts anderes gelten kann (und soll), hat der BGH nun klargestellt.
Die Entscheidung sollte Vermietern die Erstellung „gerichtsfester“ Ankündigungen energetischer Modernisierungsmaßnahmen und Mieterhöhungen erleichtern, Mietern deren Überprüfung. Das Einholen kostenintensiver Sachverständigengutachten sollte überwiegend entbehrlich sein, der von einem Sachverständigen zu leistende Aufwand sich jedenfalls erheblich reduzieren lassen. Die Entscheidung zeigt aber auch, dass wir Juristen ein Minimum an Bereitschaft brauchen, uns auf die technisch erscheinenden Fragestellungen einzulassen. Sie sind mit Rechtsfragen verknüpft, die nicht (formal) auf einen Sachverständigen abgeladen werden können.