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  • · Fachbeitrag · Mitvermieteter Garten

    Baumfällkosten sind (umlagefähige) Kosten der Gartenpflege

    von VRinLG Astrid Siegmund, Berlin

    | Der Fall ist alltäglich, die Rechtsfrage interessant, die Instanzrechtsprechung „bunt“: Muss ein nicht mehr standsicherer Baum in einer mitvermieteten Gartenanlage gefällt werden, stellt sich die Frage, wer die ‒ oft erheblichen ‒ Kosten tragen muss. Die Antwort richtet sich danach, ob diese als Kosten der Gartenpflege (§ 2 Nr. 10 BetrKV) oder als nicht laufende Kosten (§ 1 Abs. 1 S. 1 BetrKV) schon nicht als Betriebskosten anzusehen sind. Der BGH hat die Frage nun für zahlreiche Fälle beantwortet. |

     

    Sachverhalt

    Die beklagte Wohnungsgenossenschaft vermietete an die Klägerin im Jahr 1978 eine (Genossenschafts-)Wohnung. Im Jahr 2015 ließ die Beklagte eine seit über 40 Jahren auf dem Anwesen stehende Birke fällen, da der Baum morsch und nicht mehr standfest war. Die Kosten hierfür ‒ knapp 2.500 EUR ‒ legte die Beklagte im Rahmen der Betriebskostenabrechnung 2015 auf die Mieter um. Die abgerechneten Gartenpflegekosten beliefen sich auf rund 4.000 EUR. Auf die Klägerin entfiel von den Kosten des Baumfällens ein Betrag von 415,29 EUR. Die sich aus der Betriebskostenabrechnung 2015 ergebende Nachzahlung leistete die Klägerin unter Vorbehalt.

     

    Die Klägerin verlangte ‒ in den Vorinstanzen erfolglos ‒ die Rückzahlung der auf die Baumfällung entfallenden Betriebskostennachforderung. Die (zugelassene) Revision hatte keinen Erfolg (BGH 10.11.21, VIII ZR 107/20, Abruf-Nr. 227623).

     

    Entscheidungsgründe

    Bezug nehmend auf zwei Entscheidungen aus 2004 und 2016 definiert der BGH zunächst den Anwendungsbereich der Position „Kosten der Gartenpflege“ nach § 2 Nr. 10 BetrKV. Entscheidend war, dass der Baum hier auf einer Gemeinschaftsfläche der Wohnanlage stand.

     

    MERKE | Zu den umlagefähigen Kosten der Gartenpflege gehören nach § 2 Nr. 10 BetrKV die Kosten der Pflege

    • gärtnerisch angelegter Flächen inkl. Erneuerung von Pflanzen und Gehölzen,
    • von Spielplätzen einschließlich der Erneuerung von Sand sowie
    • von Plätzen, Zugängen und Zufahrten, die dem nicht öffentlichen Verkehr dienen.
     

     

    Für welche Flächen dies gilt, lässt sich der Vorschrift nicht entnehmen. Dem BGH zufolge sind (nur) die Kosten der Pflege von zum Wohnanwesen gehörenden, gemeinschaftlichen Gartenflächen umlagefähig, die nicht dem Vermieter oder anderen Mietern zur alleinigen oder der Öffentlichkeit zur allgemeinen Nutzung überlassen sind, unabhängig davon, ob der Mieter diese Gartenfläche auch nutzt (BGH 26.5.04, VIII ZR 135/03, Abruf-Nr. 041817; 10.2.16, VIII ZR 33/15, Abruf-Nr. 184203).

     

    Die Instanzrechtsprechung verneinte die Umlagefähigkeit von Baumfällkosten verbreitet mit der Begründung, es handle sich nicht um „laufende Kosten“ i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 1 BetrKV; der Vermieter erfülle mit der Fällung nur seine Verkehrssicherungspflicht bzw. beseitige lediglich einen Mangel.

     

    Der BGH lenkt den Fokus auf die Frage, was zur ordnungsgemäßen Gartenpflege gehört: Das Fällen und Beseitigen eines morschen, nicht mehr standfesten Baums wird als objektiv erforderliche Maßnahme der Gartenpflege davon umfasst. Der Wortlaut des § 2 Nr. 10 BetrKV nennt zwar nicht ausdrücklich Baumfällarbeiten, aber die Erneuerung von Pflanzen und Gehölzen. Bäume seien sowohl (verholzte) Pflanzen als auch ‒ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ‒ Gehölze. Die fehlende Erwähnung der Beseitigungskosten stehe deren Umlagefähigkeit nicht entgegen, denn das Entfernen von Pflanzen und Gehölzen unterfalle dem Oberbegriff der „Gartenpflege“. Auch die systematische Auslegung führe zur Umlagefähigkeit der Baumfällkosten: Der BGH grenzt die Betriebskosten von den vom Vermieter zu tragenden Erhaltungskosten (Instandsetzung und Instandhaltung, § 555a BGB) ab.

     

    Beachten Sie | Nach § 556 Abs. 1 S. 2 BGB, § 1 Abs. 1 S. 1 BetrKV sind Betriebskosten die Kosten, die dem Eigentümer durch das Eigentum an dem Grundstück oder durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen. Umlagefähige Betriebskosten sind dabei von Kosten der Instandsetzung und -haltung abzugrenzen, die der Vermieter tragen muss. Letztere werden durch Reparatur und Wiederbeschaffung verursacht und müssen zur Erhaltung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs erbracht werden, um die durch Abnutzung, Alterung oder Witterungseinwirkung entstehenden baulichen oder sonstigen Mängel ordnungsgemäß zu beseitigen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrKV). Instandsetzung und -haltung betreffen daher Mängel an der Substanz der Immobilie oder ihrer Teile (BGH 18.12.19, VIII ZR 62/19).

     

    Ein (einzelner) morscher Baum führe ‒ so der BGH ‒ nicht zur Mangelhaftigkeit der Mietsache (Gartenanlage). Da ein Garten aus vielen Pflanzen besteht und eine konkrete Zusammensetzung an Pflanzen nicht geschuldet sei, erfülle die bloße Tatsache eines morschen Baums oder abgestorbener Pflanzen nicht die Tatbestandsvoraussetzung eines Mangels. Der Umstand, dass der Vermieter mit der Entfernung eines morschen Baums zugleich seiner Verkehrssicherungspflicht genüge, sei als rein haftungsrechtlicher Gesichtspunkt nicht maßgebend für die Abgrenzung zwischen Instandhaltungs- und Betriebskosten.

     

    Der BGH wendet sich dann ausführlich der Subsumtion der Kosten der Gartenpflege unter die Betriebskostendefinition des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrKV zu.

     

    MERKE | Für die Annahme laufender Kosten i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 1 BetrKV ist es nicht erforderlich, dass diese jährlich oder in festgelegten Abständen entstehen. Es reicht auch ein mehrjähriger bzw. bedarfsabhängiger Turnus aus (BGH 14.2.07, VIII ZR 123/06, Abruf-Nr. 070889; 11.11.09, VIII ZR 221/08; 10.2.16, VIII ZR 33/15).

     

    Kosten für das Fällen eines abgängigen Baums sind trotz möglicherweise größerer Zeitintervalle mit Blick auf die Besonderheiten der in § 2 Nr. 10 BetrKV als umlagefähig angesehenen Kosten laufende „Kosten der Gartenpflege“. Sie umfassen auch die „Erneuerung von Pflanzen und Gehölzen“, was als Vorstufe regelmäßig das Entfernen der bisherigen Pflanzen und Gehölze voraussetze. Der Erneuerungsbedarf sei in zeitlicher Hinsicht nicht in dem Maße voraussehbar, wie dies bei anderen Betriebskosten der Fall ist, da es sich bei Pflanzen und Gehölzen um Lebewesen handele; sie seien nicht ohne Weiteres mit den anderen, auf baulichen und technischen Gegebenheiten beruhenden Betriebskosten vergleichbar. Ihre Lebensdauer lasse sich nicht sicher vorhersagen. Damit seien der Entstehung von „Kosten der Gartenpflege“ längere, nicht sicher vorherbestimmbare Zeitintervalle immanent.

     

    Teleologische Gesichtspunkte ‒ die Belastung des Mieters mit unvorhergesehenen und regelmäßig hohen Kosten für eine Baumfällung ‒ widersprechen nach der Argumentation des BGH nicht der Umlagefähigkeit. Dem Mieter, der von der Nutzung einer mit Bäumen versehenen Gartenanlage profitiert, sei regelmäßig bewusst, dass dabei der Höhe nach schwankende Kosten anfallen können. Die Höhe von Betriebskosten (allein) sei auch kein maßgebendes Kriterium zur Beurteilung der Frage ihrer grundsätzlichen Umlagefähigkeit.

     

    Beachten Sie | Der BGH stellt klar: Das Betriebskostenrecht gewährleistet nicht pauschal den Schutz des Mieters vor im Einzelfall hohen Kosten. Selbst ein sprunghafter Anstieg einzelner umlagefähiger Kostenpositionen sei für sich genommen kein Grund, um eine Kostentragungspflicht des Mieters für solche Betriebskosten grundsätzlich auszuschließen. Eine allgemeine Abwägung der Interessen von Mieter und Vermieter finde im Betriebskostenrecht ‒ über den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz hinaus ‒ nicht statt. Offen lässt er aber die Frage, ob und unter welchen Umständen der Vermieter gehalten sein kann, die Kosten für das Fällen ‒ oder wohl auch andere sprunghaft angestiegene Kosten für umlagefähige Positionen ‒ nicht in vollem Umfang in das Abrechnungsjahr einzubeziehen, in dem sie anfallen, sondern über mehrere Jahre verteilt umzulegen (BGH 11.11.09, VIII ZR 221/08, Abruf-Nr. 093786).

     

    Der BGH überprüft sein Auslegungsergebnis zu § 2 Nr. 10 BetrKV schließlich auch historisch unter Rückgriff auf die Verordnungsmaterialien (BR-Drucksache 568/03, S. 32). Der Verordnungsgeber habe die Besonderheiten vor Augen gehabt, die sich daraus ergeben, dass eine Gartenanlage für ihren Erhalt mehr benötigt als die regelmäßige Pflege im Sinne eines Erhalts der Pflanzen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Vordergründig klärt der BGH allein die bisher umstrittene Umlagefähigkeit der Fällkosten für einen morschen Baum, dies unter dem Gesichtspunkt einer der Erneuerung einer Bepflanzung zwingend vorgeschalteten Entfernung von abgestorbenen Pflanzen und Gehölzen. Ob sich die Entscheidung auf Fälle übertragen lässt, in denen der Baum aus anderen, etwa nachbarrechtlichen Gründen gefällt werden muss, ist fraglich. Für die Praxis von Interesse ist darüber hinaus der pragmatische Blick des BGH auf die Annahme eines Mangels der Mietsache und die offengelassene Frage, ob und wann der Vermieter gehalten sein kann, die Umlage außergewöhnlich hoher Fäll- (oder allgemein: Betriebs-)Kosten über mehrere Jahre zu „strecken“.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2022 | Seite 132 | ID 48408647