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  • · Fachbeitrag · Mietspiegel

    Finger weg von 20 Jahre alten Mietspiegeln!

    von RiOLG a.D. Günther Geldmacher, Düsseldorf

    | Erfüllt der Mietspiegel einer Gemeinde nicht die gesetzlichen Vorgaben, kann der Vermieter sein Erhöhungsverlangen auch mit einem veralteten Mietspiegel begründen. Doch wie alt darf der Mietspiegel sein, um dem Mieter die notwendigen Informationen zu liefern? Ein sage und schreibe 20 Jahre alter Mietspiegel war Anlass für den BGH, sich mit dieser Frage zu beschäftigen. |

     

    Sachverhalt

    Die Beklagte ist seit 4/14 Mieterin einer 79 qm großen Wohnung des Klägers. Mit Schreiben der Hausverwaltung vom 19.1.17 forderte dieser die Beklagte vergeblich auf, einer Erhöhung der Kaltmiete ab 1.4.17 um 60 EUR auf insgesamt monatlich 360 EUR zuzustimmen. Das Erhöhungsverlangen war allein auf einen Mietspiegel für die Stadt M aus dem Jahr 1998 gestützt. Der Kläger war der Ansicht, die Wohnung sei in die Kategorie 8B dieses Mietspiegels mit einer Mietpreisspanne von 9 DM bis 14 DM einzuordnen. Die Klage scheitert in allen Instanzen.

     

    Ein 20 Jahre alter Mietspiegel ist mangels eines Informationsgehalts für den Mieter zur Begründung eines Mieterhöhungsbegehrens ungeeignet. Ein auf diese Weise begründetes Mieterhöhungsverlangen ist deshalb aus formellen Gründen unwirksam (Abruf-Nr. 212224).

     

    Entscheidungsgründe

    Die Bezugnahme auf einen Mietspiegel, der seit rund 20 Jahren nicht mehr aktualisiert wurde, ist schon im Ansatz nicht geeignet, das Erhöhungsverlangen zu begründen.

     

    Das Gesetz geht, wie sich aus § 558c Abs. 3, § 558d Abs. 2 BGB ergibt, grundsätzlich von einem Aktualisierungserfordernis für Mietspiegel innerhalb einer Frist von zwei Jahren aus. Zwar gestattet § 558a Abs. 4 S. 2 BGB zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens grundsätzlich auch die Bezugnahme auf einen veralteten Mietspiegel, wenn bei Abgabe des Mieterhöhungsverlangens des Vermieters kein Mietspiegel vorhanden ist, bei dem die Vorschriften zur Aktualisierung eingehalten sind. Aus dieser Regelung folgt allerdings nicht, dass das Alter des Mietspiegels bedeutungslos wäre, der Vermieter somit einen beliebig veralteten Mietspiegel heranziehen könnte, um sein Mieterhöhungsverlangen zu begründen.

     

    § 558a Abs. 4 S. 2 BGB soll sicherstellen, dass die formelle Wirksamkeit eines sachlich berechtigten Erhöhungsverlangens nicht allein von den in § 558c Abs. 3, § 558d Abs. 2 BGB genannten Fristen abhängt (vgl. zu § 2 Abs. 6 MHG BT-Drucks. 9/2079, S. 17). Hierdurch wird aber von dem grundsätzlich bestehenden Aktualisierungserfordernis gerade nicht Abstand genommen. Für die formelle Wirksamkeit des Erhöhungsverlangens kommt es deshalb auch bei einem veralteten Mietspiegel darauf an, ob diesem (noch) ein in § 558a Abs. 1 BGB vorausgesetzter Informationsgehalt zukommt.

     

    Dies ist jedenfalls bei einem ‒ wie hier ‒ zum Zeitpunkt des Erhöhungsverlangens fast 20 Jahre alten Mietspiegel nicht der Fall. Die in § 558 Abs. 2 BGB genannten Wohnwertmerkmale, nach denen sich die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete für eine Wohnung richtet, unterliegen typischerweise mit fortschreitender Zeit einem Wandel. So können etwa im Laufe der Zeit bestimmte Einrichtungen, die einer Wohnung besonderen Wert verleihen und deshalb Gegenstand eines Mietspiegels sind, zur Standardausstattung werden. Auch kann die Bewertung einer (Wohn-)Lage durch mit der Zeit auftretende strukturelle Veränderungen beeinflusst werden.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der BGH vervollständigt seine Rechtsprechung zu Inhalt und Reichweite der Begründungsalternativen des § 558a Abs. 4 S. 2 BGB. Ebenso wie in der Entscheidung vom 21.8.19 (MK 20, 3, Abruf-Nr. 211598) zur Vergleichbarkeit von Gemeinden scheitert auch hier die Klage daran, dass das Erhöhungsverlangen formell nicht ordnungsgemäß war.

     

    § 558a Abs. 4 S. 2 BGB dient dem Informationsbedürfnis des Mieters, der anhand der mitgeteilten Begründung entscheiden soll, ob die verlangte Miete sachlich gerechtfertigt ist und er dem Zustimmungsverlangen des Vermieters zustimmt oder es auf einen Prozess ankommen lässt. Anerkannt ist, dass der Mieter das Erhöhungsverlangen nicht prüfen kann, wenn der Vermieter bei der Begründung von falschen Voraussetzungen ausgeht oder wenn das Erhöhungsverlangen in wesentlichen Punkten unvollständig, unverständlich oder widersprüchlich erscheint (Nachweise Urteil Tz. 15). Solch unzureichenden Begründungsvarianten stellt der BGH zu Recht den Fall gleich, dass der Vermieter sich auf einen Mietspiegel bezieht, der ‒ wie hier ‒ seit ca. 20 Jahren nicht mehr aktualisiert wurde. Ein derart veralteter Mietspiegel hat keinerlei Informationsgehalt. Der Mieter kann deshalb nicht überprüfen, ob die verlangte höhere Miete sachlich berechtigt ist.

     

    Wie im Fall der fehlenden Vergleichbarkeit ist der Vermieter gut beraten, wenn er sein Erhöhungsverlangen statt mit einem 20 Jahre alten Mietspiegel besser mit den Mitteln des § 558a Abs. 2 Nr. 3 und 4 BGB begründet.

     

    PRAXISTIPP | Ist dem Vermieter durch die auf der Hand liegende fehlerhafte Begründung des Mieterhöhungsverlangens ein Schaden in Form entgangener höherer Miete entstanden, kann er diesen aufgrund der formell unwirksamen Erhöhungserklärung gemäß § 280 Abs. 1 i. V. m. §§ 675, 611 BGB bei der ausführenden Hausverwaltung liquidieren. Wer als Anwalt bei dieser Sachlage nicht von einem Zustimmungsprozess abrät, haftet dem Vermieter zugleich aus anwaltlicher Pflichtverletzung.

     
    Quelle: Ausgabe 01 / 2020 | Seite 6 | ID 46228201