Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Mietspiegel

    Begründung des Mieterhöhungsverlangens: Nicht jede Gemeinde ist vergleichbar

    von RiOLG a.D. Günther Geldmacher, Düsseldorf

    | Welche Mieterhöhung ist angemessen? Nicht immer lässt sich die Frage einfach beantworten. Vor allem kleinere Gemeinden verfügen oft nicht über einen eigenen Mietspiegel oder einen Mietspiegel, der die gesetzlichen Vorgaben erfüllt. Für diese Fälle sieht § 558a Abs. 4 S. 2 BGB vor, dass der Vermieter sein Erhöhungsverlangen mit dem Mietspiegel einer vergleichbaren Gemeinde begründen kann. Aber wann ist eine Gemeinde vergleichbar? Mit dieser Frage musste sich der BGH für die Nachbarstädte Stein und Fürth befassen. |

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin war Vermieterin, die Beklagte Mieterin eines großen Anwesens in der Stadt Stein. Diese grenzt unmittelbar an das westliche Gemeindegebiet der Stadt Nürnberg an. Die monatliche Nettokaltmiete betrug seit Mietbeginn unverändert 3.000 EUR. Ihr schriftliches Verlangen, einer Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete auf 3.450 EUR zuzustimmen, begründete die Vermieterin mit dem beigefügten Mietspiegel der Stadt Fürth.

     

    Die Zustimmungsklage scheitert in den Vorinstanzen. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Gemeinden Stein und Fürth nicht vergleichbar seien, sodass das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin nicht formell ordnungsgemäß gewesen sei. Der BGH weist die Revision der Klägerin zurück (21.8.19, VIII ZR 255/18, Abruf-Nr. 211598).

     

    Entscheidungsgründe

    Das Berufungsgericht ist von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen, indem es unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls geprüft hat, ob die Gemeinden Fürth und Stein vergleichbar sind. Das Berufungsgericht hat zutreffend insbesondere darauf abgestellt, dass in der Stadt Fürth etwa 125.000 Einwohner leben, während die Stadt Stein nur circa 15.000 Einwohner hat. Auch stellt die Stadt Fürth ein sogenanntes Oberzentrum im Sinne des bayerischen Landesentwicklungsprogramms dar, in dem über die zentralörtlichen Einrichtungen der Grundversorgung hinaus für die Einwohner ihres Nahbereichs auch weitere Einrichtungen des spezialisierten höheren Bedarfs vorgehalten werden.

     

    Demgegenüber handelt es sich bei der Stadt Stein nicht um einen solchen zentralen Ort mit überörtlich relevanten Einrichtungen (etwa Theatern, Kinos, Krankenhäusern). Zudem befinden sich im Stadtgebiet von Stein im Gegensatz zu Fürth weder eine U-Bahn- noch eine S-Bahn-Haltestelle, was für die Erreichbarkeit der infrastrukturellen Angebote sowohl innerhalb der Stadt als auch in der Gesamtregion für die Einwohner von Bedeutung ist.

     

    In hinreichender Weise hat das Berufungsgericht dabei beachtet und gewürdigt, dass die beiden Gemeinden Fürth und Stein jeweils an der Stadtgrenze zu Nürnberg liegen und Nürnberg mit seinem vielfältigen kulturellen, infrastrukturellen und wirtschaftlichen Angebot von beiden Nachbarstädten aus aufgrund des gemeinsamen Verkehrsverbunds des Großraums Nürnberg ‒ mit der oben dargestellten Ausnahme ‒ gut zu erreichen ist.

     

    Insbesondere ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht der stark divergierenden Einwohnerzahl in Verbindung mit der unterschiedlichen Bevölkerungsdichte von Stein und Fürth unter Gesamtwürdigung der übrigen Umstände des Einzelfalls das ausschlaggebende Gewicht zugemessen hat, um die Nachbargemeinden Stein und Fürth als nicht vergleichbare Gemeinden im Sinne von § 558a Abs. 4 S. 2 BGB anzusehen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung ist unzulässig, wenn ihr kein formell ordnungsgemäßes Mieterhöhungsverlangen vorausgegangen ist. Ein Mieterhöhungsverlangen ist auch dann nicht wirksam, wenn der Vermieter die begehrte Mieterhöhung mit dem Mietspiegel einer Nachbargemeinde begründet, diese aber nicht vergleichbar ist (BGH MK 14, 39, Abruf-Nr. 140006). Hieran hält der BGH fest.

     

    Gemäß § 558a Abs. 1 BGB ist das Erhöhungsverlangen dem Mieter zu erklären und zu begründen. Damit soll der Mieter die Möglichkeit erhalten, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen, um überflüssige Prozesse zu vermeiden (BGH MK 19, 78, Abruf-Nr. 205429; MK 14, 39, Abruf-Nr. 140006).

     

    Beachten Sie | Einerseits dürfen im Hinblick auf das Grundrecht des Vermieters aus Art. 14 Abs. 1 GG an die Begründung des Erhöhungsverlangens keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Andererseits muss das Erhöhungsverlangen ‒ in formeller Hinsicht ‒ Angaben über die Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und diese zumindest ansatzweise überprüfen zu können.

     

    Hieran gemessen hat die Klägerin ihr Mieterhöhungsverlangen nicht formell ordnungsgemäß nach § 558a BGB begründet. Zwar enthält § 558a Abs. 2 BGB mit den vier dort aufgeführten Begründungsmitteln keine abschließende Regelung. Das Erhöhungsverlangen kann unter den in § 558a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 S. 2 BGB genannten Voraussetzungen auch mit dem Mietspiegel einer vergleichbaren Gemeinde begründet werden. Hierbei muss es sich jedoch de facto um eine vergleichbare Gemeinde handeln. Im vorliegenden Fall billigt der BGH die Auffassung des LG, dass die Städte Stein und Fürth nicht vergleichbar sind.

     

    Nach dem Rechtsentscheid des OLG Stuttgart (NJW 82, 945; ebenso Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 14. Aufl., § 558a BGB Rn. 45) ist das Erhöhungsverlangen bereits formell ordnungsgemäß begründet, wenn die Behauptung des Vermieters, die Gemeinden seien vergleichbar, nicht offensichtlich unbegründet ist. Diese Auffassung lehnt der VIII. Senat strikt ab. Er sieht keinen Anlass, die ohnehin nicht hohen Anforderungen an die Begründung eines Mieterhöhungsverlangens in diesem Sinn abzusenken.

     

    Beachten Sie | Für die in erster Linie dem Tatrichter obliegende Prüfung, ob es sich bei den in Rede stehenden Städten um vergleichbare Gemeinden handelt, lassen sich aus Sicht des BGH keine allgemeinverbindlichen Regeln aufstellen. Der Tatrichter muss alle Kriterien des jeweiligen Einzelfalls in einer Gesamtschau würdigen, gewichten und hiernach abwägen, ob die Gemeinden vergleichbar sind oder nicht.

     

    In diese Gesamtschau hat das Berufungsgericht einbezogen:

     

    • unterschiedlich ‒ stark divergierende ‒ Bevölkerungsdichten von Stein und Fürth,
    • wirtschaftliche, kulturelle und infrastrukturelle Unterschiede und die
    • unterschiedliche Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr.

     

    Soweit beide Gemeinden jeweils an der Stadtgrenze zu Nürnberg liegen und Nürnberg mit seinen vielfältigen überörtlich relevanten Einrichtungen und Angeboten von beiden Nachbarstädten aus aufgrund des gemeinsamen Verkehrsverbunds des Großraums Nürnberg ‒ mit der in den Urteilsgründen dargestellten Ausnahme ‒ gut zu erreichen ist, hat das LG diesem Umstand bei seiner Gesamtschau keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Das hat der BGH revisionsrechtlich nicht beanstandet.

     

    Dass die Nähe beider Gemeinden zu Nürnberg die Entwicklung der Grundstückspreise beeinflusst, lässt verlässliche Rückschlüsse auf eine ortsübliche (Vergleichs-)Miete (§ 558 Abs. 1 BGB) ebenso wenig zu.

     

    Beachten Sie | Die fehlende Vergleichbarkeit der Stadt Stein mit der Stadt Fürth kann auch nicht durch einen prozentualen Abschlag auf die Fürther Mieten ersetzt werden (BGH MK 14, 39).

     

    PRAXISTIPP | Vermieter sollten von der Bezugnahme auf den Mietspiegel einer Nachbargemeinde nur sehr zurückhaltend Gebrauch machen. Die minimale Schranke der formellen Ordnungsgemäßheit des Mieterhöhungsverlangens sind mit einem sog. „Typengutachten“ eines Sachverständigen (§ 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB) oder mit drei (selbst eigenen) Vergleichswohnungen (§ 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB) leichter zu überwinden.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Auch einfache Mietspiegel haben Indizwirkung, MK 19, 162
    • Mietspiegel: Bei ungewöhnlichen Steigerungen ist ein Stichtagszuschlag zulässig, MK 17, 97
    • Mietprozess: So werden Einwendungen gegen einen qualifizierten Mietspiegel geprüft, MK 14, 29
    Quelle: Ausgabe 01 / 2020 | Seite 3 | ID 46228202