Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Mieterhöhung

    Mietprozess: So werden Einwendungen gegen einen qualifizierten Mietspiegel geprüft

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    Zu den Anforderungen an das Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels (BGH 6.11.13, VIII ZR 346/12, Abruf-Nr. 133899).

     

    Sachverhalt

    Die Beklagte ist Mieterin einer Drei-Zimmer-Wohnung der Klägerin. Die Klägerin forderte die Beklagte unter Benennung von sechs Vergleichswohnungen vergeblich auf, der Erhöhung der Nettokaltmiete von 4,34 EUR je m2 auf 4,89 EUR je m2 zuzustimmen. Das Schreiben enthielt auch Angaben für die Wohnung nach dem Berliner Mietspiegel 09. Die Zustimmungsklage wird in den Instanzen abgewiesen. Wegen methodischer Fehler hebt der BGH das Berufungsurteil auf und verweist den Rechtsstreit zurück.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Entscheidung betrifft den Umgang mit einem qualifizierten Mietspiegel i.S. des § 558d Abs. 1 BGB und gibt wichtige Hinweise für die Prozessführung.

     

    • Liegt - wie hier - ein formell wirksames Mieterhöhungsverlangen vor, muss der Tatrichter materiell-rechtlich prüfen, ob die konkret vom Vermieter verlangte Mieterhöhung der ortsüblichen Vergleichsmiete entspricht und damit nach § 558 BGB tatsächlich berechtigt ist.

     

    • Die ortsübliche Vergleichsmiete darf nur auf der Grundlage von Erkenntnisquellen bestimmt werden, die die tatsächlich und üblicherweise gezahlten Mieten für vergleichbare Wohnungen in einer für die freie tatrichterliche Überzeugungsbildung (§ 286 ZPO) hinreichenden Weise ermittelt haben (BGH MK 10, 184, Abruf-Nr. 102344; 21.11.12, VIII ZR 46/12, Abruf-Nr. 130228).

     

    • Der Tatrichter ist im Rahmen seiner freien Überzeugungsbildung nicht auf das im Erhöhungsverlangen des Vermieters genannte Begründungsmittel i.S. des § 558a Abs. 2 BGB beschränkt. Existiert ein ordnungsgemäßer Mietspiegel (§ 558c BGB, § 558d BGB), der Angaben für die in Rede stehende Wohnung enthält, darf dieser vom Tatrichter berücksichtigt werden. Hieran hält der BGH fest.

     

    Merke | Bei einem Mietspiegel, der nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der Gemeinde oder Interessenvertretern von Vermietern und Mietern anerkannt worden ist (qualifizierter Mietspiegel, § 558d Abs. 1 BGB), wird gemäß § 558d Abs. 3 BGB, § 292 ZPO vermutet, dass er die zeitlichen Vorgaben des § 558d Abs. 2 BGB einhält und die darin bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben (BGH, a.a.O.). Grund: Der Gesetzgeber misst einem solchen Mietspiegel eine besondere Gewähr für die Richtigkeit und Aktualität der in ihm enthaltenen Daten und breite Akzeptanz zu (BT-Drucksache 14/4553, S. 57).

     

    Der BGH bestätigt, dass die gesetzliche Vermutung voraussetzt, dass der vom Tatrichter herangezogene Mietspiegel die Tatbestandsmerkmale des § 558d Abs. 1 BGB unstreitig, offenkundig (§ 291 ZPO) oder nachweislich erfüllt (BGH, a.a.O.). Es ist nicht entscheidend, ob der Mietspiegel von seinem Ersteller als qualifizierter Mietspiegel bezeichnet oder von der Gemeinde und/oder von den Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter als solcher anerkannt und veröffentlicht worden ist. Grund: Hierdurch wird noch nicht bewiesen, dass der Mietspiegel i.S. des § 558d Abs. 1 BGB nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden ist.

     

    Beachten Sie | Einwendungen gegen die Wissenschaftlichkeit der Datenerhebung und -auswertung ist - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - methodisch schon bei der Prüfung nachzugehen, ob die für das Eingreifen der Vermutung erforderlichen Voraussetzungen des § 558d Abs. 1 BGB gegeben sind, und nicht erst im Rahmen der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 558d Abs. 3 BGB. Die Untersuchung erfolgt inzident im Rahmen des Zivilprozesses über die Berechtigung der Mieterhöhung und nicht im Verwaltungsprozess.

     

    Diese Vorgehensweise stellt erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast dessen, der das Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels bestreitet. Das kann der Mieter, aber auch der Vermieter sein, der eine höhere Miete verlangt als im Mietspiegel ausgewiesen. Der BGH hält daran fest, dass die bestreitende Partei im Rahmen des Möglichen substanziierte Angriffe gegen den Mietspiegel vorbringen muss, sofern die Erstellung des Mietspiegels in allgemein zugänglichen Quellen dokumentiert ist (BGH, a.a.O.). Informationen, die sich aus einer solchen Dokumentation ergeben, können nicht mehr mit Nichtwissen bestritten werden. Das heißt: Die darlegungsbelastete Partei muss sich mit dem Inhalt der Dokumentation substanziiert auseinandersetzen, soweit dies ohne Fachkenntnisse - etwa auf dem Gebiet der Statistik - möglich ist.

     

    Folge: Bei substanziiertem Bestreiten ist über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 558d Abs. 1 BGB - soweit diese nicht offenkundig sind oder vom Gericht in (darzulegender) eigener Sachkunde beurteilt werden können - gegebenenfalls unter Einholung amtlicher Auskünfte gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 2 oder § 358a Nr. 2 ZPO Beweis zu erheben. Häufig wird die Streitfrage nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden können. Es mag daneben - wie der BGH (a.a.O.) formuliert - auch Fälle geben, in denen eine ausreichende Klärung durch die Anhörung von sachverständigen Zeugen (§ 414 ZPO) - etwa von Experten, die an der Erstellung des Mietspiegels maßgeblich beteiligt waren - herbeigeführt werden kann.

     

    Beachten Sie | Ob es der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf, hängt - so der BGH - vorrangig ab von

    • der Art der gegen den Mietspiegel vorgebrachten Einwendungen,
    • der Aussagekraft der vorhandenen und zugänglichen Dokumentation der Datenerhebung und Datenauswertung,
    • dem Inhalt der Erläuterungen zu der im Mietspiegel angewandten Methodik und
    • der eigenen Sachkunde des Gerichts.

     

    Ist die sachverständige Klärung unumgänglich, kann unter Umständen ein in einem anderen Verfahren über die Frage der Einhaltung anerkannter wissenschaftlicher Methoden erhobenes Gutachten entweder nach § 411a ZPO als Sachverständigenbeweis oder nach §§ 415 ff. ZPO als Urkundenbeweis verwertet werden (so schon BGH, a.a.O.).

     

    Merke | Der Vermieter kann zwar zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens nach § 558a BGB auf den eigenen Bestand zurückgreifen (BGH 3.7.13, VIII ZR 354/12). Eine Auswahl von - hier sechs - Wohnungen, die sämtlich dem die Mieterhöhung begehrenden Vermieter gehören, ist aber eine zu geringe Datengrundlage, um im Prozess die ortsübliche Vergleichsmiete zu beweisen.

     

    Praxishinweis

    Angesichts der hohen Kosten einer risikobehafteten Beweisaufnahme über die Voraussetzungen eines qualifizierten Mietspiegels - die die erstrebte Mieterhöhung oft aufzehren - sollte jede Partei sorgfältig prüfen, ob nicht eine vergleichsweise Einigung auf eine geringer Erhöhung angezeigt sein kann.

    Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 29 | ID 42476839