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  • · Fachbeitrag · Kündigung

    Kein beruflicher Musikunterricht in der Wohnung ohne Erlaubnis des Vermieters

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    • 1. Unter den nach der Verkehrsanschauung zu bestimmenden Begriff des „Wohnens“ fallen nur solche berufliche Tätigkeiten des Mieters, die in einer nicht nach außen in Erscheinung tretenden Weise ausgeübt werden. Geschäftliche Aktivitäten des Mieters, die der Mieter in ausschließlich zu Wohnzwecken vermieteten Räumen ausübt und die nach außen in Erscheinung treten, muss der Vermieter nicht ohne vorherige Vereinbarung dulden.
    • 2. Eine Verpflichtung des Vermieters, eine vertragswidrige Nutzung der Mieträume zu gestatten, kommt nur dann in Betracht, wenn von der beabsichtigten Tätigkeit - was der Mieter darzulegen und zu beweisen hat - keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzung.
     

    Sachverhalt

    Als seine Mutter pflegebedürftig wurde, zog der Beklagte in 06 zu ihr in die vom Kläger gemietete Wohnung. Da er seinen Beruf als Musiklehrer wegen der Pflegetätigkeit nur noch beschränkt ausüben konnte, gab er in der Wohnung an drei Werktagen in der Woche zehn bis zwölf Schülern Gitarrenunterricht. Eine Erlaubnis des Klägers holte er nicht ein. Mit Schreiben vom 4.2.11 zeigte der Beklagte den Tod seiner Mutter (14.1.11) an und erklärte den Eintritt in das Mietverhältnis. Der Kläger kündigte das Mietverhältnis am 2.3.11 außerordentlich nach § 563 Abs. 4 BGB wegen des über Jahre hinweg ohne Erlaubnis in der Wohnung erteilten Musikunterrichts. Der Beklagte habe diese damit entgegen dem vertraglich vereinbarten Nutzungszweck gewerblich genutzt. Wegen des hierdurch verursachten Lärms sei es zu den Hausfrieden unzumutbar beeinträchtigenden Streitigkeiten mit Mitmietern gekommen. Die Räumungsklage hat in allen Instanzen Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Der Streitfall weist die Besonderheit auf, dass es nicht um eine außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses gegenüber dem Mieter aus wichtigem Grund i.S. des § 543 Abs. 1 BGB geht, sondern um eine außerordentliche Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses gegenüber dem in dieses eingetretenen Erben des Mieters. Nach § 563 Abs. 4 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis innerhalb eines Monats, nachdem er von dem endgültigen Eintritt in das Mietverhältnis Kenntnis erlangt hat, außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen. Hierfür muss in der Person des Eingetretenen ein wichtiger Grund vorliegen. Dieser liegt hier darin, dass der Beklagte noch zu Lebzeiten seiner Mutter ohne Erlaubnis des Klägers in der Wohnung Gitarrenunterricht erteilt hat. Der BGH lässt offen, ob und gegebenenfalls in welcher Weise sich der in § 563 Abs. 4 BGB genannte wichtige Grund zur außerordentlichen Kündigung von dem in § 543 Abs. 1 BGB genannten wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung unterscheidet. Grund: Dieser Kündigungsgrund muss jedenfalls so beschaffen sein, dass er dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund von Umständen unzumutbar macht, die in der Person des Mieters liegen (BGH 20.4.10, VIII ZR 254/09). Der Kläger stützt die Kündigung auf den ohne seine Erlaubnis erteilten Musikunterricht. Ihre Berechtigung, hängt davon ab, ob es sich um erlaubnisfreie Wohnnutzung oder um genehmigungspflichtige geschäftliche Tätigkeit handelt. Unter den Begriff des „Wohnens“ fallen nach der Verkehrsanschauung nur berufliche Tätigkeiten, die der Mieter - etwa im häuslichen Arbeitszimmer - in einer nicht nach außen in Erscheinung tretenden Weise ausübt, z.B.

    • Unterrichtsvorbereitung eines Lehrers,
    • Telearbeit eines Angestellten,
    • schriftstellerische Tätigkeit eines Autors und

     

    Da diese Tätigkeiten mit dem vertraglich vereinbarten Nutzungszweck im Einklang stehen, bedürfen sie keiner Erlaubnis des Vermieters.

     

    Geschäftliche Aktivitäten des Mieters - sowohl gewerbliche als auch freiberufliche - mit Außenwirkung muss der Vermieter in ausschließlich zu Wohnzwecken vermieteten Räumen dagegen nicht dulden. Nach diesen Grundsätzen wertet der BGH den von dem Beklagten in den ausschließlich zu Wohnzwecken vermieteten Räumen an drei Werktagen in der Woche für zehn bis zwölf Schüler erteilten Gitarrenunterricht als vertragswidrige geschäftliche Aktivität mit Publikumsverkehr, für deren Zulässigkeit es an einer Vereinbarung der Parteien fehlt. Darauf, ob es wegen des hierdurch verursachten Lärms zu den behaupteten, vom Berufungsgericht offen gelassenen Streitigkeiten mit Mitmietern gekommen ist, geht der BGH nicht ein. Folge: Die Kündigung ist wirksam. Der Beklagte ist gemäß § 546 Abs. 1 BGB verpflichtet, die Wohnung zu räumen und an den Kläger herauszugeben.

     

    Ausnahme: Im Einzelfall kann der Vermieter nach Treu und Glauben verpflichtet sein, eine Erlaubnis zur teilweisen gewerblichen oder freiberuflichen Nutzung zu erteilen. Das setzt voraus, dass

    • der Geschäftsumfang keinen Mitarbeitereinsatz erfordert und
    • ein ins Gewicht fallender Kundenverkehr fehlt.

     

    Grund: Auch eine selbstständige berufliche Tätigkeit, kann im Einzelfall so organisiert sein oder einen so geringen Umfang haben, dass sie im Wesentlichen am Schreibtisch erledigt wird, in der Wohnung keine Mitarbeiter beschäftigt werden und von etwaigem Publikumsverkehr keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzung (BGH, a.a.O.). Hieran hält der VIII. Senat fest. Das heißt: Unter den genannten Voraussetzungen muss der Vermieter die Erlaubnis zur teilgewerblichen Nutzung der Wohnung erteilen, selbst wenn es zu gelegentlichen Kundenbesuchen kommt.

     

    Beachten Sie | Ob die Voraussetzungen vorliegen, insbesondere ob ein nicht ins Gewicht fallender Kundenverkehr anzunehmen ist, muss der Mieter darlegen und beweisen.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 113 | ID 39865240