Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Herausgabeanspruch

    Zwangsräumung erledigt Hauptsache nicht

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    Der Besitzverlust, den der Besitzer einer Sache infolge einer (drohenden) Zwangsvollstreckung eines auf die Herausgabe der Sache gerichteten vorläufig vollstreckbaren Titels erleidet, lässt den Herausgabeanspruch nach § 985 BGB nicht entfallen und hat daher nicht die Erledigung der Hauptsache zur Folge (BGH 14.3.14, V ZR 115/13, Abruf-Nr. 141803).

     

    Sachverhalt

    Die Kläger hatten ihre Wohnung an den Lebensgefährten der Beklagten vermietet. Nach dessen rechtskräftiger Verurteilung zur Räumung und Herausgabe blieb die Beklagte weiter in der Wohnung. Die Kläger verklagten sie daraufhin auf Herausgabe der Wohnung. Gegen die Beklagte erging ein VU. Auf dieser Grundlage räumten die Kläger die Wohnung im Wege der Zwangsvollstreckung. Nach Einspruch gegen das VU erklärten die Kläger wegen der erfolgten Räumung einseitig die Erledigung der Hauptsache. Während das AG die Klage unter Aufhebung des VU abwies, stellte das Berufungsgericht fest, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Die Kläger nahmen im Revisionsverfahren von ihrer Erledigungserklärung Abstand. Der BGH weist die Revision der Beklagten mit der Maßgabe zurück, dass unter Abänderung des Schlussurteils des AG dessen VU aufrechterhalten wird.

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Die Entscheidung betrifft die Frage, welche Folgen die Zwangsräumung einer Wohnung aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Herausgabeanspruchs für das weitere Verfahren hat. Auch wenn die Revision im Ergebnis keinen Erfolg hat, nutzt der BGH die Gelegenheit, die hierfür maßgeblichen Grundsätze zusammenfassend darzustellen.

     

    Die Hauptsache ist erledigt, wenn die Klage im Zeitpunkt des nach ihrer Zustellung eingetretenen erledigenden Ereignisses zulässig und begründet ist. Wird aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil, einem Arrestbefehl oder einer einstweiligen Verfügung vollstreckt, tritt keine Erfüllung i.S. des § 362 Abs. 1 BGB (BGHZ 86, 267) und damit auch keine Erledigung ein. Grund: Die Leistung erfolgt in beiden Fällen unter dem Vorbehalt des Rechtskrafteintritts, sofern der Schuldner nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt. Das heißt: Auch die Räumung im Wege der Zwangsvollstreckung stellt grundsätzlich keine Erfüllung des Rückgewähranspruchs nach § 546 Abs. 1 BGB (BGH NJW 04, 1736; OLG Düsseldorf ZMR 11, 269) und damit kein die Hauptsache erledigendes Ereignis dar (BGH NJW 11, 1135). Der BGH überträgt diese Grundsätze auf den Herausgabeanspruch nach § 985 BGB und erteilt der auch vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung, jeder Besitzverlust führe zum Wegfall der Vindikationslage und habe deshalb die Erledigung der Hauptsache zur Folge, eine Absage. Grund: Ein sachgerechter Grund für eine unterschiedliche Behandlung der Rechtsfolgen einer Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel bei einem Herausgabeanspruch nach § 985 BGB ist nicht erkennbar. Die zwangsweise Herausgabe erfolgt unter dem Vorbehalt des Rechtskrafteintritts und soll nur für diesen Fall materiell-rechtliche Wirkungen entfalten. Der Streitgegenstand des Verfahrens wird hierdurch nicht beseitigt. Das rechtfertigt es, bis zum Eintritt der Rechtskraft für den Herausgabeanspruch von einer fortbestehenden Vindikationslage zwischen den Parteien auszugehen (Nachweise Urteilsgründe Tz. 11). Konkurriert der Anspruch aus § 546 BGB - wie häufig - mit einem Anspruch aus § 985 BGB, wäre es unverständlich, wenn die Vollstreckung aus einem stattgebenden Urteil den einen Anspruch unberührt, den anderen dagegen entfallen ließe. Damit war der Antrag der Kläger, die Erledigung der Hauptsache festzustellen, zunächst unbegründet und die Entscheidung des AG, das VU aufzuheben und die Feststellungsklage abzuweisen, zutreffend. Die Kläger waren aber nicht gehindert, zu ihren ursprünglichen Anträgen zurückzukehren.

     

    Merke |Eine Erledigungserklärung ist frei widerruflich, solange sich die beklagte Partei ihr nicht angeschlossen und das Gericht keine Entscheidung über die Erledigung der Hauptsache getroffen hat (BGH NJW 13, 2686).

     

    Das heißt: Bis zu diesem Zeitpunkt kann die klagende Partei regelmäßig von der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung Abstand nehmen und ohne das Vorliegen weiterer Voraussetzungen zu ihrem ursprünglichen Klageantrag zurückkehren. Die darin liegende Klageänderung, die der Kläger als Berufungsbeklagter auch ohne Anschlussberufung vornehmen kann, ist ebenso wie die einseitige Erledigungserklärung eine gemäß § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Klageänderung. Sie ist - wie der BGH bestätigt - noch in der Revisionsinstanz zulässig, wenn - wie hier - der Sachverhalt, auf den sich die früheren Anträge stützen, vom Tatrichter bereits gewürdigt worden ist. Ist der Widerruf der Erledigungserklärung zulässig, hat die Klage nach dem bisherigen Antrag Erfolg, wenn dieser begründet ist. Das ist hier der Fall. Die Kläger können als Eigentümer von der Beklagten die Herausgabe der Räume nach § 985 BGB verlangen, da ein Recht zum Besitz (§ 986 BGB) von der Beklagten nicht dargelegt worden ist.

     

    Beachten Sie | Während der Vermieter im Rahmen des Rückgabeanspruchs aus § 546 Abs. 1 BGB die Darlegungs- und Beweislast für die Beendigung des Mietverhältnisses trägt, muss der Besitzer gegenüber dem Herausgabeverlangen des Eigentümers nach § 985 BGB darlegen und beweisen, dass ihm ein Recht zum Besitz zusteht (BGH NJW-RR 86, 282). Das heißt: Die Beklagte hätte darlegen müssen, dass das Mietverhältnis zwischen den Klägern und ihrem Lebensgefährten fortbestand und sie die Berechtigung zum Mitbesitz der Wohnung von dem Mieter ableitete. Hieran fehlte es. Der BGH stellt klar, dass sich die fehlende Besitzberechtigung nicht bereits aus dem rechtskräftigen Räumungsurteil gegenüber dem Lebensgefährten ergibt. Grund: Dieses Urteil wirkt nur inter partes, nicht aber auch im Verhältnis zu der Beklagten (BGH NZM 06, 699; NZM 10, 699).

     

    Etwas anderes käme nur in Betracht, wenn die Beklagte erst nach Rechtshängigkeit der gegen den Mieter erhobenen Räumungsklage in den Besitz der streitbefangenen Sache gekommen wäre (§ 325 Abs. 1 ZPO). Dies ist jedoch nicht festgestellt.

     

    Quelle: Ausgabe 09 / 2014 | Seite 153 | ID 42826192