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  • · Fachbeitrag · Gewerbliche Weitervermietung

    Mieter einer Mieter-Selbsthilfegenossenschaft können sich nicht auf § 565 BGB berufen

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    | Soll der Mieter nach dem Mietvertrag den gemieteten Wohnraum gewerblich einem Dritten zu Wohnzwecken weitervermieten, tritt der Vermieter nach § 565 Abs. 1 S. 1 BGB bei der Beendigung des Mietverhältnisses in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis mit dem Dritten ein. Anders liegt der Fall, wenn es sich bei dem Zwischenmieter um eine Mieter-Selbsthilfegenossenschaft handelt. Dieser fehlt ‒ wie der BGH entscheidet ‒ die für die Annahme einer gewerblichen Weitervermietung erforderliche Gewinnerzielungsabsicht bzw. das eigene wirtschaftliche Interesse. |

     

    Sachverhalt

    Anfang 92 schloss die Wohnungsbaugesellschaft P (Rechtsvorgängerin der Klägerin und „zukünftigen Eigentümerin“) mit der aus den damaligen Nutzern bestehenden Hausgenossenschaft H. eG (eine gemeinnützige Genossenschaft) einen Vertrag. Die H. eG sollte mit Hilfe öffentlicher Fördergelder Sanierungsmaßnahmen vornehmen. Für die Dauer des für 20 Jahre abgeschlossenen Nutzungsvertrags war die H. eG berechtigt, Mietverträge mit den bisherigen Nutzern abzuschließen. Sie war ferner berechtigt, nach Ablauf des Nutzungsvertrags bisherige Nutzer als Mieter für die jeweils eigengenutzte Wohnung zu benennen. Die zukünftige Eigentümerin sollte verpflichtet sein, mit diesen Nutzern Mietverträge nach üblichem Standardformular unter Vereinbarung der ortsüblichen Vergleichsmiete abzuschließen.

     

    In der Folgezeit sanierte die H. eG die Wohnungen. Anschließend vermietete sie sie sehr günstig an ihre Mitglieder. Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin nach § 565 BGB in die zwischen der H. eG und den Beklagten abgeschlossenen Mietverträge eingetreten war. Der BGH stellt fest, dass mietvertragliche Beziehungen zwischen den Parteien nicht bestehen.

     

    • 1. Eine gewerbliche Weitervermietung i. S. d. § 565 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass der Zwischenmieter ‒ nach dem Zweck des mit dem Eigentümer abgeschlossenen Vertrags ‒ die Weitervermietung zu Wohnzwecken mit der Absicht der Gewinnerzielung oder im eigenen wirtschaftlichen Interesse ausüben soll.
    • 2. Hieran fehlt es, wenn der Eigentümer mit einer Mieter-Selbsthilfegenossenschaft einen Mietvertrag abschließt, der die Weitervermietung des Wohnraums an deren Mitglieder zu einer besonders günstigen Miete vorsieht. Bei einem derartigen Handeln des Zwischenmieters im Interesse der Endmieter kommt eine analoge Anwendung der Vorschrift schon deshalb nicht in Betracht, weil es an einer der gewerblichen Weitervermietung vergleichbaren Interessenlage der Beteiligten fehlt.

    (Abruf-Nr. 184101)

     

    Entscheidungsgründe

    Eine gewerbliche Weitervermietung nach § 565 BGB setzt eine geschäftsmäßige, auf Dauer gerichtete, mit der Absicht der Gewinnerzielung oder im eigenen wirtschaftlichen Interesse ausgeübte Vermietungstätigkeit des Zwischenmieters voraus. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht diese Voraussetzung bereits deshalb als erfüllt angesehen, weil es sich bei einer gemeinnützigen Genossenschaft um ein eigenwirtschaftliches, selbstverantwortliches Unternehmen handele. Grund: Damit lässt das Berufungsgericht jedes mehr als nur gelegentliche Anbieten von Leistungen gegen Entgelt genügen und hat die Voraussetzung der Gewinnerzielungsabsicht jedenfalls im praktischen Ergebnis aufgegeben.

     

    Auf dieses Erfordernis kann jedoch bei der Definition der gewerblichen Weitervermietung i. S. d. § 565 BGB ‒ entgegen einer auch im Schrifttum vertretenen Auffassung (Urteil Tz. 23) ‒ nicht verzichtet werden. Zwar wird im Handelsrecht inzwischen zunehmend infrage gestellt, ob eine gewerbliche Tätigkeit eine Gewinnerzielungsabsicht zwingend voraussetzt. Auch der Senat hat ‒ für den Bereich des Verbrauchsgüterkaufs ‒ entschieden, dass das Vorliegen eines Gewerbes und damit einer Unternehmerstellung nicht voraussetzt, dass die Geschäftstätigkeit mit der Absicht erfolgt, Gewinn zu erzielen (BGHZ 167, 40).

     

    Der BGH leitet aus der Entstehungsgeschichte und dem gesetzlichen Regelungszweck des § 565 BGB ab, dass kein Anlass besteht, von der bisher engen Definition der „gewerblichen Weitervermietung“ abzurücken. Grund: Sie ermöglicht Zwischenvermietungsfälle sachgerecht abzugrenzen, bei denen unter Berücksichtigung auch der Eigentümerinteressen ein sozialer Kündigungsschutz der Endmieter geboten ist. Hierzu gehören nicht die Fälle, in denen mit der Weitervermietung gemeinnützige, karitative oder ähnliche Zwecke verfolgt werden. Nichts anderes gilt für den vorliegenden Fall, dass eine Selbsthilfegenossenschaft mit der Weitervermietung die Interessen ihrer Mitglieder wahrnimmt.

     

    Beachten Sie | Für § 565 BGB kommt es zudem entscheidend darauf an, ob die gewerbliche Weitervermietung zu Wohnzwecken Vertragszweck des Hauptmietvertrags ist.

     

    Das heißt: Im Rahmen des § 565 BGB ist maßgeblich, ob nach dem Zweck des Hauptmietvertrags ‒ hier also des Nutzungsvertrags zwischen der H. eG und der Rechtsvorgängerin der Klägerin ‒ eine gewerbliche Weitervermietung der streitigen Wohnungen zu Wohnzwecken erfolgen sollte. Dies ist aufgrund einer Auslegung des vorbezeichneten Nutzungsvertrags unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten zu verneinen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung hat erhebliche praktische Bedeutung. Sie schließt zu Recht nicht nur Mieter-Selbstgenossenschaften, sondern grundsätzlich alle sozialen Trägergesellschaften vom Anwendungsbereich des § 565 BGB aus, deren satzungsmäßige Aufgabe darin besteht, angemieteten Wohnraum zu gemeinnützigen, karitativen oder ähnlichen Zwecken an Mitglieder oder sonstige bedürftige Dritte weiterzuvermieten. Der Gesetzgeber wollte mit der Kodifizierung der gewerblichen Weitervermietung auf die zum Bauherrenmodell ergangene Rechtsprechung des BVerfG reagieren. Danach verstieß es gegen Art. 3 Abs. 1 GG, einem Mieter, der ‒ in Kenntnis der Eigentumsverhältnisse ‒ Wohnraum von einem gewerblichen Zwischenmieter und nicht unmittelbar vom Eigentümer gemietet hat, den Kündigungsschutz des sozialen Mietrechts zu versagen. Diese und ähnliche Fallgestaltungen sollten mit der neugeschaffenen Norm des § 549a BGB a. F. (= § 565 BGB) abgedeckt werden.

     

    Das ist durch das Tatbestandsmerkmal „gewerblich“ eindeutig belegt (Guhling in: Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer, Gewerberaummiete, § 565 BGB Rn. 14). Wenn soziale Trägergesellschaften mieten und weitervermieten, liegt dagegen eine völlig andere Interessenlage vor. Die Zwischenvermietung dient in diesem Fall gerade nicht dazu, die Wohnung auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt zu üblichen Bedingungen anzubieten. Anders als bei einer gewerblichen Weitervermietung besteht deshalb in diesen Fällen ein gewichtiges Interesse des Eigentümers, die Wohnung nach Ende des Hauptmietvertrags zurückzuerhalten.

     

    Beachten Sie | Der BGH hebt hervor, dass es nicht darauf ankommt, ob der Zwischenvermieter neben den Wohnräumen ebenfalls zur Wohnanlage gehörende Gewerberäume weitervermietet, hinsichtlich anderer von ihm sanierter Objekte gewerblich gehandelt oder aus Sicht der Finanzbehörden eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt hat. Nur wenn die Weitervermietung gerade nach dem Zweck des Hauptmietvertrags i. S. d. § 565 BGB als gewerblich einzustufen ist, tritt der Vermieter bei Beendigung des (Haupt-) Mietvertrags in den zwischen dem Mieter und dem Dritten abgeschlossenen Mietvertrag ein. Übt der Zwischenvermieter lediglich außerhalb des konkreten Vertragszwecks eine gewerbliche Tätigkeit aus, ist ‒ so verstehe ich den BGH ‒ der Anwendungsbereich des § 565 BGB nicht eröffnet.

     

    Mietet ein Arbeitgeber Wohnraum an, um ihn an Betriebsangehörige weiterzuvermieten, ist der Vertragszweck zwar nicht auf Gewinnerzielung gerichtet. Die Weitervermietung dient aber dem eigenen wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers und dürfte mithin als gewerblich i. S. d. § 565 BGB einzustufen sein (Guhling, a. a. O.).

     

    Auch eine analoge Anwendung des § 565 BGB lehnt der BGH ab. Diese kommt nur bei einer der gewerblichen Weitervermietung entsprechenden Interessenlage der Beteiligten (insbesondere Eigentümer und Endmieter) in Betracht. Diese ist regelmäßig nicht gegeben, wenn es sich bei dem Zwischenmieter um einen gemeinnützigen Verein handelt, der seine satzungsmäßigen Aufgaben erfüllt, indem er an von ihm betreute Personen und Mitarbeiter weitervermietet.

     

    Der VIII. Senat hat in NJW 03, 3054 und WuM 03, 563 ausgeführt, dass sich ein Endmieter, der von einem nicht gewerblichen Zwischenmieter angemietet hat, im Einzelfall gegenüber dem Herausgabeanspruch des Hauptvermieters nach Ende der Zwischenvermietung auf die Kündigungsvorschriften des Wohnungsmietrechts berufen kann. Maßgeblich hierfür war die Annahme, dass der Hauptvermieter die Wohnungen in den konkreten Fällen zu vergleichbaren Bedingungen auch unmittelbar an die Endmieter vermietet hätte. Da diese Voraussetzung hier nicht vorliegt, konnte der BGH offenlassen, ob an dieser Auffassung festzuhalten ist.

     

    PRAXISHINWEIS | Nach KG (WuM 15, 666; GE 16, 257) können die Vertragsparteien bei einem Mietvertrag, wonach dem Mieter (hier: gemeinnütziger Verein) die Räume zur Weitervermietung zu Wohnzwecken überlassen werden, vereinbaren, dass Wohnraummietrecht angewendet wird.

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 04 / 2016 | Seite 57 | ID 43931390