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  • 11.06.2025 · IWW-Abrufnummer 248593

    Landgericht Darmstadt: Urteil vom 14.03.2025 – 19 O 271/23

    Die Verzugspauschale aus § 288 Abs. 5 BGB fällt auch dann mehrfach an, wenn eine Forderungsmehrheit einheitlich verfolgt wird.


    LG Darmstadt 19. Zivilkammer, Urteil vom 14.03.2025, Az. 19 O 271/23

    Tenor

    1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 9.996,00 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. aus jeweils EUR 833,00 seit dem 04.11.2022, seit dem 04.12.2022, seit dem 04.01.2023, seit dem 04.02.2023, seit dem 04.03.2023, seit dem 04.04.2023, seit dem 04.05.2023, seit dem 04.06.2023, seit dem 04.07.2023, seit dem 04.08.2023, seit dem 04.09.2023 und seit dem 04.10.2023 zu zahlen.

    2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin EUR 480,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. aus jeweils EUR 40,00 seit dem 04.11.2022, seit dem 04.12.2022, seit dem 04.01.2023, seit dem 04.02.2023, seit dem 04.03.2023, seit dem 04.04.2023, seit dem 04.05.2023, seit dem 04.06.2023, seit dem 04.07.2023, seit dem 04.08.2023, seit dem 04.09.2023 und seit dem 04.10.2023 zu zahlen.

    3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

    4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

    Beschluss:

    Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 9.996,00.

    Tatbestand
    Die Parteien streiten um Mietzahlungen im Hinblick auf einen Mietvertrag, den der Beklagte als Scheingeschäft erachtet.

    Der Beklagte war mit der Tochter der Geschäftsführerin, Frau A, verlobt. Frau A ist alleinige Eigentümerin der Immobilie […]. 2014 zog der Beklagte mit Frau A zusammen in deren Wohnung in der […].

    Frau A und die Geschäftsführerin der Klägerin sind Geschäftsführerinnen bzw. (Allein-)Gesellschafterinnen zahlreicher Gesellschaften mit dem Firmensitz […]. Der Beklagte war anwaltlich für diese Gesellschaften tätig.

    Die Parteien verband ein „Anwaltsvertrag“ vom 31.01.2015, nach dem die Klägerin dem Beklagten monatlich EUR 1.000 zzgl. USt für anwaltliche Tätigkeiten des Beklagten schuldete.

    Am 31.12.2015 unterzeichneten der Beklagte und die Geschäftsführerin der Klägerin ein als „Untermietvertrag“ überschriebenes Dokument, das als Anlage K1 (Bl. 5 f. d. A.) vorgelegt wurde. Das Dokument bezieht sich auf die Immobilie […]. In dem Dokument, das die Klägerin als Vermieterin und den Beklagten als Mieter bezeichnet, heißt es unter anderem:

    „§ 1 Mietgegenstand

    Die Vermieterin vermietet an den Mieter ein Büro incl. Einrichtung und Logistik, 1 Parkplatz, Mitbenutzung Besucherparkplatz, Mitbenutzung der sanitären Einrichtungen, der Küche und des Konferenzzimmers.

    § 2 Mietzins und Nebenkosten

    Für die Überlassung des Mietgegenstandes hat der Mieter der Vermieterin eine monatliche Warmmiete wie folgt zu bezahlen:

    Büroraum möbliert, ausgestattet mit EDV und Kommunikationslogistik inkl. 1 Parkplatz 700,--€

    zzgl. gesetzlicher MwSt., z. Zt. 19% 133,--€

    833,-- €

    Der Mietzins zzgl. MwSt. ist bis auf Widerruf monatlich im Voraus, jeweils bis zum 3. eines Monats per Dauerauftrag auf das Konto der Vermieterin […] zu begleichen.“

    Zum 30.09.2022 kündigte der Beklagte den Anwaltsvertrag mit der Klägerin (Schreiben vom 04.07.2022 als Anlage B5 bei Bl. 46 d. A.).

    Am 02.06.2023 kam es nach einem heftigen Streit zwischen A und dem Beklagten zur Trennung. Der Beklagte wurde von A mit einem Hausverbot belegt. Der Beklagte lebt seit dem 02.06.2023 in Bad Homburg v.d.H. und geht keiner Tätigkeit für die Klägerin sowie für die weiteren Gesellschaften der Geschäftsführerin der Klägerin und deren Tochter mehr nach.

    Darüber hinaus wurde der Beklagte durch den damaligen Rechtsbeistand von A aufgefordert, sich der Liegenschaft […] fernzuhalten, bis die Wogen der Trennung sich geglättet hätten.

    Im Zeitraum November 2022 bis Oktober 2023 leistete der Beklagte an die Klägerin keine Mietzahlungen.

    Das Mietverhältnis der Parteien über die Kanzleiräume des Beklagten endete aufgrund der von der Klägerin mit Schreiben vom 13.11.2023 erklärten fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung (Anlage K2, Bl. 203 d. A.).

    Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe den gezahlten Netto-Mietzins in seiner Steuererklärung als Betriebsausgaben angegeben.

    Die Klägerin beantragt,

    1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 9.996,00 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. aus jeweils EUR 833,00 seit dem 04.11.2022, seit dem 04.12.2022, seit dem 04.01.2023, seit dem 04.02.2023, seit dem 04.03.2023, seit dem 04.04.2023, seit dem 04.05.2023, seit dem 04.06.2023, seit dem 04.07.2023, seit dem 04.08.2023, seit dem 04.09.2023 und seit dem 04.10.2023 zu zahlen.

    2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin EUR 480,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. aus jeweils EUR 40,00 seit dem 04.11.2022, seit dem 04.12.2022, seit dem 04.01.2023, seit dem 04.02.2023, seit dem 04.03.2023, seit dem 04.04.2023, seit dem 04.05.2023, seit dem 04.06.2023, seit dem 04.07.2023, seit dem 04.08.2023, seit dem 04.09.2023 und seit dem 04.10.2023 zu zahlen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er behauptet, der Mietvertrag sei nur zum Schein abgeschlossen worden.

    Dafür sprächen verschiedene Indizien:

    So sei der Kläger nicht mehr als Anwalt tätig gewesen, sondern arbeitnahmerähnlich gegen ein monatliches Nettogehalt von EUR 4.500 ausschließlich für die Gesellschaften der Geschäftsführerin der Klägerin und deren Tochter. Die Vergütung sei dabei zur Verschleierung dieses Umstandes auf der Grundlage von Anwalts- und Beratungsverträgen erfolgt.

    Die Miete sei außergewöhnlich hoch für […].

    Die Miete sei nicht monatlich beglichen worden, sondern durch einen Abzug von der monatlichen Vergütungsrechnung des Beklagten.

    Der angeblich angemietete Raum sei zudem sehr klein und der Beklagte habe diesen mit Frau A teilen müssen.

    Der Beklagte habe in dem Büroraum „keine nennenswerten anwaltlichen Tätigkeiten ausgeführt“, sondern ausschließlich für die mit der Klägerin verbundenen Unternehmen gearbeitet.

    Zweck der Vereinbarung sei es gewesen, dass der Beklagte damit seinen Beitrag zum Lebensunterhalt der Familie leisten sollte.

    Zweck der Vereinbarung sei es aber auch gewesen, eine steuerliche Absetzbarkeit zu erzielen.

    Jedenfalls aber habe eine Verbindung zwischen dem Untermietvertrag und dem Anwaltsvertrag bestanden, sodass die Kündigung des letzteren auch ersteren beendet habe.

    Gegen die Forderung spreche zudem, dass dem Beklagten jedenfalls ab 12.06.2023 die Nutzung der Räumlichkeiten nicht mehr möglich war.

    Selbst wenn man einen Mietvertrag unterstellen würde, sei dieser aufgrund eines sittenwidrigen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Denn der Beklagte habe nur die Hälfte des 16 m² großen Raums genutzt, was einen Quadratmeterpreis von EUR 87,50 ergebe. Dieser sei für […] völlig unangemessen. Ortsüblich seien EUR 8,00 pro m².

    Entscheidungsgründe
    Die zulässige Klage ist begründet.

    Der nicht nachgelassene Schriftsatz vom 07.02.2025 fand bei der Entscheidungsfindung insoweit Berücksichtigung, als dort Rechtsvortrag gehalten wurde. Im Hinblick auf neuen tatsächlichen Vortrag war der Schriftsatz verspätet und bot keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 296a ZPO.

    1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Mietzahlungen in der geltend gemachten Höhe aus § 535 BGB.

    Der Beklagte konnte nicht zur Überzeugung des Gerichts beweisen, dass es sich bei dem „Untermietvertrag“ um ein Scheingeschäft nach § 117 Abs. 1 BGB handelte und daher die hierauf gerichteten Willenserklärungen nichtig wären. Wer sich auf das Vorliegen eines Scheingeschäfts beruft, trägt die Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die Erklärungen nur zum Schein abgegeben worden sind (Armbrüster in: Münchener Kommentar zum BGB, 10. Auflage 2025, § 117, Rn. 24).

    Der Kläger hat für seine Behauptung, wonach der Vertrag nur zum Schein geschlossen worden sei, kein Beweisangebot gemacht, er ist insoweit also beweisfällig geblieben.

    Das Gericht kann sich die Überzeugung vom Vorliegen bestimmter Tatsachen auch aufgrund von Indizien oder Hilfstatsachen bilden (Nober in: Anders/Gehle ZPO, 83. Aufl. 2025, § 286 Rn. 27 f.). Dabei darf sich das Gericht allerdings nur auf solche Indizien stützen, die unstreitig oder bewiesen, also sicher festgestellt sind (BGH, Urteil vom 12.12.2023 ‒ VI ZR 76/23, NJW 2024, 1037, 1039). Dies erfolgt nach § 286 ZPO im Wege der freien Beweiswürdigung. Ein Indizienbeweis ist überzeugungskräftig, wenn andere Schlüsse aus den Indiztatsachen ernstlich nicht in Betracht kommen (BGH a.a.o.).

    Auch anhand der vom Beklagten vorgetragenen, unstreitigen oder bewiesenen Indizien gelangt das Gericht aber nicht zu einer Überzeugung davon, dass es sich bei dem Mietvertrag um einen Scheinvertrag gehandelt hat.

    Ein starkes Indiz gegen ein Scheingeschäft ist dabei zunächst, dass der Beklagte unstreitig die in dem „Untermietvertrag“ in Bezug genommenen Räumlichkeiten tatsächlich beruflich genutzt hat. Das wird auch nicht durch den vom Beklagten nicht bewiesenen Umstand entkräftet, dass er sich als arbeitnehmer- oder angestelltenähnlich erachtete. Denn er trägt auch vor, dass gerade dieser Anschein einer arbeitnehmerähnlichen Funktion habe vermieden werden sollen, was wiederum für den „echten“ Abschluss eines Mietvertrages über die Büroräumlichkeiten spricht.

    Soweit der Beklagte zunächst vorträgt, der Vertrag sei deshalb fingiert worden, um „Steuern zu sparen“, ist festzuhalten, dass zur Erreichung dieses Ziels der Vertrag gerade wirksam sein muss. Will man nur „Steuern sparen“ ‒ gemeint sein dürfte insoweit eine Steuerhinterziehung nach § 370 ZPO ‒ genügt es auch, die angeblichen Mietzahlungen tatsächlich in der Steuererklärung anzugeben. Hierfür ist es weder erforderlich, einen schriftlichen Vertrag vorzuhalten, noch die Zahlungen tatsächlich fließen zu lassen. Dahingestellt bleiben kann dabei auch, dass durch zusätzliche Mieteinnahmen keine Steuern „gespart“ werden können, sondern diese Einnahmen ihrerseits zu versteuern sind, § 21 EStG.

    Kein Indiz für den Scheincharakter des Mietvertrages ist weiter die behauptete Höhe der Miete. Zu sehen ist dabei zunächst, dass der Beklagte sich bei seinen Darlegungen nur auf die Fläche der Räumlichkeiten beschränkt, ohne in den Blick zu nehmen, dass es sich um eine Warmmiete mit Stellplatz handelt, die Räumlichkeiten zudem möbliert sind und die Miete auch die EDV und Kommunikationslogistik umfasst. Der entsprechende Vortrag des Beklagten ist damit bereits nicht erheblich. Selbst aber wenn man annähme, dass die Miethöhe außergewöhnlich hoch wäre, so folgt doch daraus nichts hinsichtlich der Frage, ob der Vertrag zum Schein abgeschlossen worden ist. Denn ebensogut könnte man annehmen, dass die außergewöhnliche Höhe gerade für ein „echtes“ Geschäft spricht, hätte man doch bei einem reinen Scheingeschäft auch eine größere, bessere Fläche behaupten können, wenn diese in Wirklichkeit nicht als Mietraum genutzt werden soll.

    Kein klares Indiz für ein Scheingeschäft ist der streitige Umstand, dass der Beklagte die Räumlichkeiten nicht allein habe nutzen können. Zunächst kommt der Beklagte auch insoweit seiner Beweislast nach, sodass der Umstand nicht herangezogen werden kann. Er ist aber auch für sich kein Umstand, der klar für oder gegen das Bestehen eines Mietvertrages spricht. Denn auch dem Mieter ist es möglich, die Räume tatsächlich mit anderen zu teilen. Dass ein Mieter die Räume gemeinsam mit seiner Verlobten nutzt ist dabei keineswegs in einem Maße ungewöhnlich, dass die einzige Annahme zuließe, dass kein Mietvertrag besteht.

    Unerheblich für die Frage der Beurteilung, ob ein Mietvertrag geschlossen wurde, ist die Frage, in welchem Umfang der Beklagte freiberuflich als Anwalt tätig war. Denn der Mietvertrag wurde nicht zu einem konkreten Zweck abgeschlossen. Und selbst wenn dem so wäre, macht es einen Mietvertrag nicht unwirksam, wenn der Mieter der im Mietvertrag avisierten Nutzung tatsächlich nicht nachgeht.

    Unstimmig ist weiter der Vortrag des Beklagten, er habe die Miete nie tatsächlich bezahlt, sondern sie sei von seiner monatlichen Vergütungsrechnung abgezogen worden ‒ an anderer Stelle führt er dagegen aus, er habe für unterschiedlichste Gesellschaften der Geschäftsführerin der Klägerin und deren Tochter Rechnungen geschrieben, es habe also gar keine einheitliche Vergütungsrechnung gegeben. Das aber kann auch dahinstehen, da es kein wesentliches Merkmal eines „echten“ Mietvertrages darstellt, auf welche Weise der Mietzins bezahlt wird. Sei es in bar, durch Überweisung oder durch Verrechnung, oder gar nicht. Das berührt nicht die Wirksamkeit des Vertragsschlusses. Die vom Beklagten behauptete regelmäßige Verrechnung spricht denn auch ‒ wenn man sie als gegeben annähme ‒ für das Bestehen des Mietvertrages, da andernfalls kein Grund für eine solche Verrechnung bestanden hätte.

    Ein Anbeweis des Scheinvertrages ist damit nicht anzunehmen, sodass auch der Beklagte nicht nach § 448 ZPO als Partei zu vernehmen war.

    Gegen einen Anspruch der Klägerin spricht auch nicht der (streitige) Umstand, dass der Beklagte die Räumlichkeiten ab 12.06.2023 nicht mehr nutzen konnte. Denn dies beruhte auf seinem Verhalten gegenüber der Tochter der Geschäftsführerin der Klägerin und dem daraus folgenden Gewaltschutzverfahren. Beruht die fehlende Nutzbarkeit der Mietsache auf dem Verhalten des Mieters, so entbindet ihn dies nicht von der Pflicht, die Miete zu zahlen. Erforderlich hierfür wäre ein dem Vermieter zurechenbares Verhalten oder Unterlassen, welches vorliegend nicht behauptet wird.

    Auch der Umstand, dass die Klägerin den Beklagten nicht bzw. nicht schon früher zur Zahlung des Mietzinses anhielt, spricht nicht gegen die Wirksamkeit des Vertragsschlusses. Der Grund hierfür kann ebensogut in der persönlichen Verbindung des Beklagten mit der Tochter der Geschäftsführerin der Klägerin gefunden werden. In engen familiären Beziehungen ist es wohl eher als üblich anzusehen, nicht beim ersten Zahlungsverzug offiziell zu mahnen. Die Beziehung ging denn auch erst im Juni 2023 zuende und wenig später wurde die hiesige Klage erhoben.

    Der Mietvertrag wurde auch nicht durch die Kündigung des Anwaltsvertrages beendet. Soweit der Beklagte sich auf eine entsprechende Verknüpfung der beiden Verträge beruft, ergibt sich diese nicht aus den im Rechtsstreit vorgelegten Dokumenten und der Beklagte bietet für seine Behauptung auch keinen Beweis an.

    Der Vertrag ist auch nicht als wucherähnliches Geschäft nach § 138 BGB nichtig. Denn wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, fehlt es insoweit jedenfalls am subjektiven Element.

    2. Die Klägerin hat gemäß § 288 Abs. 5 BGB einen Anspruch auf EUR 480,00 aufgrund des Verzugs des Beklagten.

    § 288 Abs. 5 BGB regelt, dass im Verzugsfall ein gesetzlicher Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von EUR 40,00 besteht. Voraussetzung ist eine Entgeltforderung, worunter auch der Anspruch auf die Miete fällt. Hiervon ist lediglich der Wohnungsmieter als Verbraucher nicht betroffen (Ernst in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2022, § 288, Rn. 33). Der Anspruch entsteht mit Eintritt des Verzuges der Mietzahlung, § 286 Abs. 1 BGB. Eine Mahnung ist gemäß Art. 6 Abs. 2 Zahlungsverzugs-RL (RL 2011/7/EU) nicht erforderlich.

    Der Beklagte ist durch das Ausbleiben der Mietzahlungen mehrfach in Verzug geraten. Bestehen zwischen denselben Parteien mehrere Forderungen, so kann der Schuldner grundsätzlich mit jeder dieser Forderungen in Verzug geraten. Dem entsprechend kann die Pauschale auch mehrfach anfallen (Ernst in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2022, § 288 Rn. 36; Staudinger/​Feldmann (2019) BGB § 288, Rn. 66 f.; Dornis in: beck-online Groß-kommentar, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.06.2024, § 288, Rn. 69).

    Umstritten ist indes, ob bei periodisch entstehenden Forderungen wie dem Mietzins die Verzugspauschale mit jeder einzelnen Forderung neu entsteht (so etwa Grüneberg in: Grüneberg BGB, § 288, Rn. 15; Staudinger/​Feldmann (2019) BGB § 288, Rn. 66) oder ob jedenfalls dann, wenn zweckmäßigerweise und zumutbar die Forderungsgesamtheit nur einmal verfolgt wird, auch die Verzugspauschale nur einmal verlangt werden kann (so etwa Ernst in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2022, § 288 Rn. 36; Dornis in: beck-online Großkommentar, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.06.2024, § 288, Rn. 69; Witschen/Röleke, NJW 2017, 1702, 1705; Schulte-Nölke in: Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Auflage 2021, § 288, Rn. 18).

    Für die erstgenannte Ansicht spricht zunächst der Wortlaut der Norm, die von „einer“ Entgeltforderung spricht und daher den Schluss nahelegt, dass es auf jede einzelne Forderung ankommt, bei der hier gegenständlichen Mietforderung also auf jeden einzelnen Monat des Mietzinses.

    Für die andere Auffassung spricht, dass der Aufwand des Gläubigers beim Verzug einer Forderungsgesamtheit aus dem selben Rechtsgrund, die auch als Gesamtheit verfolgt wird, auf ein einmaliges Tätigwerden beschränkt ist und daher auch mit einer einmal anfallenden Pauschale angemessen abgebildet ist.

    Gesetzgebungshistorisch ist zu sehen, dass nach dem Erwägungsgrund Nr. 19 der Zahlungsverzugs-RL (RL 2011/7/EU), die der deutsche Gesetzgeber mit § 288 Abs. 5 BGB umsetzen wollte, soll die Pauschale „Eine gerechte Entschädigung der Gläubiger für die aufgrund eines Zahlungsverzugs des Schuldners entstandenen Beitreibungskosten“ darstellen und „von der Überschreitung der Zahlungsfristen abzuschrecken“. Während das gesetzgeberische Ziel der Abschreckung umso besser erreicht werden kann, je höher die Verzugspauschale insgesamt ausfällt, so ist die Absicht, eine „gerechte Entschädigung für die Beitreibungskosten“ abzubilden nur dann erfüllt, wenn man den tatsächlichen Aufwand der Beitreibung in den Blick nimmt.

    Der EuGH hat zu der Frage bislang insoweit Stellung genommen, als dass bei einem Vertrag über periodisch wiederkehrende Lieferungen von Waren oder Erbringungen von Dienstleistungen die Verzugspauschale für jeden einzelnen Zahlungsverzug geschuldet sein soll (EuGH, Urteil vom 01.12.2022 ‒ C-370/21, EuZW 2023, 149 und EuGH, Urteil vom 01.12.2022 ‒ C-419/21, EuZW 2023, 293). Ob dies auch im Falle eines Dauerschuldverhältnisses gelten soll, bei dem der Gläubiger der Entgeltforderung die Gegenleistung nicht periodisch erbringt, sondern wie bei Mietvertrag den Besitz an einer Sache einmal zu Beginn des Vertrages übergibt und dann der Schuldner der Entgeltforderung fortlaufend den Nutzen der Sache zieht, hat der EuGH bislang nicht entschieden.

    Die Norm ist auch insoweit richtlinienkonform auszulegen, als der deutsche Gesetzgeber die Zahlungsverzugs-RL überschießend auch für Verträge außerhalb des „Geschäftsverkehrs“ umgesetzt hat (vgl. Martens, JuS 2025, 199, 200). Die Erwägungen des EuGH in den vorgenannten Entscheidungen finden auch auf einen Mietvertrag Anwendung, mit der Folge, dass auch in einem solchen Fall die Verzugspauschale kumuliert werden kann. Denn auch in diesem Falle entsteht dem Gläubiger der Entgeltforderung mit jeder ausbleibenden Zahlung ein Verwaltungsaufwand (Buchhaltung, ggf. Refinanzierung) einher, der unabhängig davon ist, ob die einzelnen Forderungen separat oder kumuliert beigetrieben werden. Der Streit ist damit im Sinne der von Grüneberg und Feldmann vertretenen Ansichten zu entscheiden.

    3. Die klägerischen Forderungen sind wie beantragt zu verzinsen, §§ 286, 288 BGB.

    4. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

    5. Der Streitwert ergibt sich aus dem Antrag zu 1). Der Antrag zu 2) blieb als Nebenforderung außer Betracht.

    RechtsgebietGewerberaummieteVorschriften§ 535 BGB, § 117 BGB, § 288 BGB