Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Kündigung

    Verjährungsbeginn: Rückgabe durch Schlüsseleinwurf?

    Bild: © PixelBiss - stock.adobe.com

    von VRinLG Astrid Siegmund, Berlin

    | Gibt der Mieter die Mietsache zurück, beginnt für den Vermieter „die Uhr zu ticken“. Das gilt für alle Mietverhältnisse. Will er sicherstellen, mit Ersatzansprüchen wegen Verschlechterungen der Mietsache nicht ausgeschlossen zu sein, ist er gehalten, die Sechs-Monatsfrist des § 548 Abs. 1 BGB im Blick zu behalten. Diese knüpft (ausschließlich) an den Rückerhalt der Mietsache an, während z. B. für etwaige Miet- oder Nutzungsentschädigungsansprüche auch die Beendigung des Mietverhältnisses relevant ist. Der XII. Zivilsenat des BGH hatte Gelegenheit, die Frage zu klären, ob ein Rückerhalt der Mietsache i. S. d. § 548 Abs. 1 BGB auch angenommen werden kann, wenn der Mieter sich gegen den ausdrücklichen Willen des Vermieters durch den Einwurf der Schlüssel in dessen Briefkasten der Mietsache „entledigt“. |

    Sachverhalt

    Mit Vertrag vom 17.6.09 vermietete der Kläger der Beklagten eine Halle nebst Lagerbüro und außenliegenden Stellplätzen. Durch Nachtrag vom 28.3.12 mietete die Beklagte vom Kläger weitere Gewerbeflächen mit Wirkung ab dem 5.6.12. Gleichzeitig vereinbarten die Vertragsparteien, dass sich das Mietverhältnis für die gesamten Flächen nach Ablauf des ersten Jahres ab Übergabe der weiteren Teilflächen jeweils um ein Jahr verlängert, falls es nicht von einer Vertragspartei unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten vor Ablauf der Mietzeit gekündigt wird. Mit Schreiben vom 10.3.20 erklärte die Beklagte die Kündigung des Mietverhältnisses „zum nächstmöglichen Zeitpunkt 17.6.20“. Der Kläger wies darauf hin, dass das Mietverhältnis aufgrund der Kündigung deutlich später ende. In der Folgezeit nutzte die Beklagte das Mietobjekt bis zum 31.12.20 weiter und warf an diesem Tag die Schlüssel in den Hausbriefkasten des Klägers. Mit Schreiben vom 7.1.21 erklärte der Kläger, dass die Rückgabe der Schlüssel gegen seinen Willen erfolgt und er nicht empfangsbereit sei. In 6/21 forderte er die Beklagte schriftlich unter Androhung der Selbstvornahme auf, im Einzelnen benannte Mängel und Schäden an der Mietsache zu beseitigen. Nach Ablauf der im Schreiben gesetzten Frist verlangte er Schadenersatz sowie den Ausgleich rückständiger Mieten.

     

    Der auf Antrag des Klägers vom 26.8.21 wegen dieser Forderungen erlassene Mahnbescheid ist der Beklagten am 30.8.21 zugestellt worden. Im Streitverfahren hat der Kläger gemeint, das Mietverhältnis habe erst zum 4.6.21 ordentlich gekündigt werden können. Die Beklagte sei mangels ordnungsgemäßer Rückgabe des Mietobjekts verpflichtet, die Instandsetzungskosten zu erstatten, die sich unter Verrechnung mit einem Kautionsguthaben auf 32.075,52 EUR beliefen. Die Beklagte hat hinsichtlich der geltend gemachten Schadenersatzansprüche die Einrede der Verjährung erhoben und die Ansprüche im Übrigen in Abrede gestellt. Das LG hat die Beklagte verurteilt, rückständige Mieten zu zahlen und die Klage i. Ü. wegen Verjährung der Schadenersatzansprüche abgewiesen. Die mit der Berufung verfolgte weitergehende Verurteilung wegen des geltend gemachten Schadenersatzes hat das OLG zurückgewiesen. Die zugelassene Revision hatte keinen Erfolg (BGH 29.1.25, XII ZR 96/23, Abruf-Nr. 247366).

    Entscheidungsgründe

    Der BGH folgt den Vorinstanzen. Die Schadenersatzansprüche wegen vertragswidrigen Zustands der Mieträume sind verjährt. Gemäß § 548 Abs. 1 S. 1 BGB verjähren Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in sechs Monaten. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält (S. 2).

     

    Voraussetzungen des „Rückerhalts“ der Mietsache

    Nach der BGH-Rechtsprechung setzt der Rückerhalt der Mietsache i. S. der Vorschrift eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus, weil dieser erst durch die unmittelbare Sachherrschaft in die Lage versetzt wird, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache zu machen (BGH 27.2.19, XII ZR 63/18, NZM 19, 408; Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 3. Aufl. § 548 BGB Rn. 21) und ggf. verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen (OLG Düsseldorf NZM 06, 866; Blank/Börstinghaus/Siegmund, Miete, 7. Aufl., § 548 BGB Rn. 17). Weiter ist für den Rückerhalt erforderlich, dass der Mieter den Besitz vollständig und eindeutig aufgibt. Nicht ausreichend ist es, dem Vermieter (vorübergehend) die Möglichkeit einzuräumen, während des (auch nur mittelbaren) Besitzes des Mieters die Mieträume zu besichtigen. Denn § 548 Abs. 1 BGB soll eine rasche Auseinandersetzung zwischen den Parteien des Mietvertrags gewährleisten und eine beschleunigte Klarstellung der Ansprüche wegen des Zustands der überlassenen Sache bei Rückgabe erreichen (BGH 8.1.14, XII ZR 12/13, NZM 14, 242 Rn. 16).

     

    Beachten Sie | Die Rückgabe der Mietsache i. S. d. § 546 Abs. 1 BGB und die Beendigung des Mietverhältnisses setzt der Rückerhalt i. S. d. § 548 Abs. 1 S. 2 BGB daneben nicht voraus. Er ist vielmehr auch für den Verjährungsbeginn maßgeblich, wenn der Mietvertrag noch nicht beendet ist, dies mit der Folge, dass ein Anspruch i. S. d. § 548 Abs. 1 S. 1 BGB bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses verjähren kann. Dementsprechend hat der BGH ein Zurückerhalten i. S. d. § 548 Abs. 1 S. 2 BGB bejaht, wenn der Mieter nach Kündigung, aber vor Beendigung des Mietverhältnisses dem Vermieter bzw. dessen Bevollmächtigtem die Schlüssel zurückgibt.

     

    Beginn der Verjährung durch Schlüsseleinwurf?

    Der BGH wirft dann die umstrittene Frage auf, unter welchen Voraussetzungen der Lauf der Verjährungsfrist nach § 548 Abs. 1 BGB beginnt, wenn der Mieter dem Vermieter anbietet, die Mietsache zurückzuerhalten, dieser sie jedoch nicht zurücknimmt. Auch die Frage, ob der Mieter vor Beendigung des Mietverhältnisses zur Rückgabe der Mietsache berechtigt bzw. der Vermieter zur Rücknahme verpflichtet ist, sei höchstrichterlich bisher offen. Geklärt sei nur, dass der Vermieter nicht verpflichtet ist, die Mietsache jederzeit „auf Zuruf“ zurückzunehmen, etwa wenn der Mieter kurzfristig auszieht, ihm den Schlüssel sofort aushändigen will (BGH 23.10.13, VIII ZR 402/12) und diesen nach gescheiterter Übergabe in den Briefkasten des Mietobjekts einwirft (BGH 12.10.11, VIII ZR 8/11). Hat der Vermieter die Mietsache ‒ wie hier ‒ zurückerhalten, komme es auf die vorgenannten Fragen jedoch nicht an.

     

    Der Lauf der Verjährungsfrist wurde hier durch Einwurf der Schlüssel in den Hausbriefkasten des Klägers in Gang gesetzt. Dadurch hat er die Mieträume zurückerhalten. Nach dem Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten des Klägers ist die für einen Rückerhalt erforderliche Änderung des Besitzes zugunsten des Klägers als Vermieter im Sinne eines Übergangs des unmittelbaren Besitzes jedenfalls im Zeitpunkt seiner Kenntnis von der vollständigen Besitzaufgabe der Beklagten und der eigenen Sachherrschaft eingetreten.

     

    MERKE | Dass diese Änderung der Besitzverhältnisse dem Kläger durch den Einwurf der Schlüssel in seinen Briefkasten aufgedrängt wurde, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Entscheidend war, dass die Beklagte keinen Zugang mehr zu den Mieträumen hatte, während der Kläger ungehinderten Zugriff und damit die Möglichkeit der ungestörten Untersuchung erhalten hatte.

     

    Der BGH räumt ein, dass die Erlangung des unmittelbaren Besitzes zwar grundsätzlich einen Besitz(begründungs)willen voraussetze. Hierfür genüge aber der nach außen erkennbar gewordene Besitz- oder Sachbeherrschungswille. Dieser sei auch bei einer aufgedrängten Sachherrschaft anzunehmen, wenn der Vermieter ‒ wie hier ‒ im (alleinigen) Besitz der Schlüssel ist und diese nicht etwa an den Mieter zurückgibt. Der fehlende Rücknahmewille sei nicht ohne Weiteres dem fehlenden Besitzwillen gleichzusetzen. Dem Interesse des Vermieters entspreche es im Regelfall nicht, dass an der Mietsache kein unmittelbarer Besitz mehr besteht, also ein besitzloser Zustand eintritt. Daher sei es nicht zu beanstanden, dass das OLG aus dem Umstand, dass der Kläger den in den Briefkasten eingeworfenen Schlüssel in der Folgezeit behalten hat, auf dessen Besitzwillen geschlossen hat und aufgrund seiner späteren Einlassung angenommen hat, dass es ihm mit dem Protest gegen die Schlüsselrückgabe nur darum gegangen sei, einen Verlust seiner Ansprüche auf weitere Mietzahlungen zu vermeiden. Sein Wille richtete sich danach nicht gegen die Besitzerlangung und den Rückerhalt des Mietobjekts als solchen.

     

    Die BGH-Rechtsprechung, wonach der Vermieter nicht verpflichtet ist, die Mietsache jederzeit ‒ sozusagen „auf Zuruf“ ‒ zurückzunehmen (BGH 12.10.11, VIII ZR 8/11, NZM 12, 21 und 23.10.13, VIII ZR 402/12, NZM 14, 128), steht dem nicht entgegen. Denn hat der Vermieter die Mietsache ‒ wie hier ‒ tatsächlich i. S. d. § 548 Abs. 1 S. 2 BGB zurückerhalten, ist die Frage, ob er zur Rücknahme vor Ablauf der Mietzeit verpflichtet gewesen wäre, für den Verjährungsbeginn ohne Belang. Den Entscheidungen lagen zudem Fälle zugrunde, in denen es aufgrund der Weigerung des Vermieters, den Schlüssel an der Haustür sofort in Empfang zu nehmen, zu einem Besitzwechsel zugunsten des Vermieters gerade nicht gekommen war, dieser vielmehr ‒ anders als hier ‒ die Wohnungsschlüssel nicht erhalten und so auch nicht den Besitz zurückerlangt hatte.

     

    Ein unbilliger Nachteil entsteht dem Vermieter dadurch nicht. Es wird vielmehr eine rasche Auseinandersetzung zwischen den Mietvertragsparteien gewährleistet, eine beschleunigte Klarstellung der Ansprüche wegen des Zustands der Mietsache bei Rückgabe erreicht und damit dem Gesetzeszweck Rechnung getragen. Durch den Rückerhalt der Mietsache beginnt zwar die Verjährung und der Vermieter ist in Bezug auf Schadenersatzansprüche gezwungen, zeitnah verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen. Der Rückerhalt lässt aber weder etwaige Mietzahlungsansprüche entfallen noch schließt er Schadenersatzansprüche des Vermieters wegen Pflichtwidrigkeiten des Mieters vor Ende der Mietzeit aus.

    Relevanz für die Praxis

    Die eine sehr praxisrelevante Streitkonstellation betreffende Entscheidung mag Nichtjuristen spitzfindig erscheinen. Es handelt sich jedoch „nur“ um konsequente Rechtsanwendung. Sowohl in der Beratung des Mieters als auch der des Vermieters muss sauber differenziert werden. Der Mieter sollte motiviert werden, die Mietsache zügig zurückzugeben. Das heißt konkret, er muss seinen Besitz vollständig aufgeben und den Vermieter durch die Rückgabe ‒ aller ‒ Schlüssel in den Besitz setzen. Ob er ggf. noch Mietzahlungen schuldet, ist damit nicht geklärt. Dem Vermieter nutzt es nicht viel, die Entgegennahme der Schlüssel zu verweigern. Ihm muss klar sein (oder klar gemacht werden), dass er sich alsbald über den Zustand der Mietsache informieren muss, um sich nicht dem Risiko eines Verlustes von Schadenersatzansprüchen wegen Verschlechterungen auszusetzen. Das etwaige Fortbestehen von Zahlungsansprüchen aus § 535 Abs. 2 BGB kann unabhängig davon geklärt werden.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2025 | Seite 183 | ID 50538178