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  • · Fachbeitrag · Veräußerung

    Zur Anwendung des § 566 BGB bei fehlender Identität von Eigentümer und Vermieter

    Fallen Vermieter- und Eigentümerstellung von vornherein und dauerhaft auseinander, genügt eine identitätswahrende Umwandlung der Eigentümer-Gesellschaft nicht für eine (analoge) Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB (BVerfG 12.9.13, 1 BvR 744/13, Abruf-Nr. 133922).

     

    Sachverhalt

    Die Beschwerdeführerin schloss mit der Beklagten des Ausgangsverfahrens (nachfolgend: Beklagte), einer GmbH, in 1995 einen Mietvertrag über eine Wohnung. Im Grundbuch war zu diesem Zeitpunkt als Grundstückseigen­tümerin nicht die Beklagte, sondern die L-A-GmbH eingetragen. Am 28.2.00 wurde die L-B-GmbH als neue Eigentümerin eingetragen. Das beruhte auf der bereits in 1992 erfolgten Umfirmierung der L-A-GmbH in die L-B-GmbH. Die Beklagte und die L-B-GmbH (zuvor die L-A-GmbH) sind Schwester­gesellschaften, deren Gesellschafter das Land Nordrhein-Westfalen ist. Die Beschwerdeführerin erhob in 2010 eine Instandsetzungsklage gegen die ­Beklagte. Diese verwies auf die Grundbucheintragung vom 28.2.00 und ­wandte ein, sie habe bereits in 2000 gemäß § 566 Abs. 1 BGB ihre Vermieterstellung verloren und sei nicht passivlegitimiert. Daraufhin wies das AG die Klage ab. Das LG hat § 566 BGB analog angewandt und ist nach Hinweis ­gemäß § 522 Abs. 2 ZPO verfahren. Die von den Beschwerdeführern erhobene Anhörungsrüge wies das LG zurück. Das BVerfG hebt den Zurückweisungsbeschluss auf und verweist die Sache an das LG zurück. Der Beschluss über die Anhörungsrüge ist damit gegenstandslos.

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Ein Richterspruch verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG), wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand ­objektiver Kriterien festzustellen. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht objektiv willkürlich. Schlechterdings unhaltbar ist sie vielmehr erst, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird (BVerfGE 89, 1; 96, 189). Nach diesem Maßstab steht die Zurückweisung der Berufung durch den ­angegriffenen Beschluss des LG mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht in ­Einklang. So hat das LG die Zurückweisung begründet:

     

    Die Beklagte sei nicht mehr passivlegitimiert. In analoger Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB sei durch dingliche Grundstücksübertragung in 2/00 die L-B-GmbH als neue Eigentümerin anstelle der Beklagten als Vermieterin in deren Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis mit der Beschwerde­führerin eingetreten. Der Rechtsgrund, auf welchem die der Grundbuch­berichtigung zugrunde liegende Grundstücksübertragung beruht habe, sei unerheblich.

     

    § 566 BGB solle die Erfüllung von Mietverträgen nach einem Eigentumsübergang sichern. Die entsprechende Anwendung der Norm hänge deshalb in ­einem Fall wie diesem nur davon ab, ob der Grundstückseigen­tümer dadurch ungebührlich belastet werde. Dies lasse sich weder für die ­L-A-GmbH als ­ursprüngliche noch für die L-B-GmbH als neue Eigentümerin feststellen. ­Beide Gesellschaften befänden sich unter dem Dach der Muttergesellschaft, sodass die Vermietung der zum Wohnungsbestand gehörenden Mietobjekte im Interesse der jeweiligen Tochtergesellschaft liege. Das impliziere ein Einverständnis der beteiligten Gesellschaften mit den jeweiligen ­Veräußerungs- und Vermietungsvorgängen. Vermiete eine juristische Person wie die ­Beklagte als eine der Tochtergesellschaften im eigenen Namen, aber doch letztlich für eine andere Tochtergesellschaft der gemeinsamen Muttergesellschaft als ­Eigentümerin, so sei trotz des Nichtvorliegens des Identitätserfordernisses von Vermieter und Eigentümer bei Abschluss des Mietvertrags eine entsprechende Anwendung des § 566 BGB gerechtfertigt.

     

    Das BVerfG stellt zutreffend fest, dass diese Ausführungen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar sind. Das beruht auf zwei ­Erwägungen:

     

    • Das LG hat die Grundlagen des Vertragsrechts verkannt. Der Mietvertrag wurde zwischen der Beschwerdeführerin und der Beklagten geschlossen und besteht unverändert zwischen ihnen fort. Für seine Wirksamkeit ist es ohne Belang, dass die Beklagte als Vermieterin zu keinem Zeitpunkt Eigentümerin des Mietobjekts war. Die Beklagte konnte und kann den Miet­vertrag offenkundig noch immer erfüllen, da den Beschwerdeführern der Besitz an der Mietwohnung überlassen wurde und ihnen auch nicht von der L-B-GmbH, nunmehr firmierend unter L-C-GmbH, streitig gemacht wird. Eine etwaige anfängliche subjektive Unmöglichkeit der Beklagten zur Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten aus dem Mietvertrag gemäß § 275 Abs. 1 BGB hätte zudem gemäß § 311a Abs. 1 BGB keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Mietvertrags gehabt. Die Eigentumsverhältnisse zum Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses und später sind für den Bestand dieses Vertrags­verhältnisses unerheblich. Durch den Mietvertragsabschluss der ­Beklagten mit der Beschwerdeführerin ist die damalige Eigentümerin des Miet­objekts, die L-A-GmbH, nicht Vertragspartei geworden. Das wäre nur möglich ­gewesen, wenn die Beklagte beim Vertragsschluss als ihre Vertreterin ­gehandelt hätte. Ein solches Vertretungsgeschäft scheitert hier aber ­bereits gemäß § 164 Abs. 2 BGB an der fehlenden Offenlegung des Handelns der Beklagten als Vertreterin der L-A-GmbH.

     

    • Das LG hat die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB ohne tragfähige oder auch nur nachvollziehbare Begründung bejaht. Die L-A-GmbH als Eigentümerin des Mietobjekts zum Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses war nie Partei des Mietvertrags auf der ­Vermieterseite. Die Beklagte als Vermieterin war nie im Grundbuch als Eigentümerin des Mietobjekts eingetragen. Die Vermieter- und Eigen­tümerstellung fielen von vornherein und dauerhaft auseinander. Entgegen § 566 Abs. 1 BGB wurde das Mietobjekt auch nicht von der Beklagten als Vermieterin an einen ­Dritten veräußert. Die Eigentümerin im Zeitpunkt des Mietvertrags­schlusses, die L-A-GmbH, firmierte lediglich identitäts­wahrend in die L-B-GmbH um. Eine solche identitätswahrende Umwandlung einer Gesellschaft genügt nicht, weil in diesen Fällen der Rechts­träger, dem das Eigentum zugewiesen ist, identisch bleibt, es also keinen Eigentumswechsel gibt (Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 11. Aufl. 13, § 566 Rn. 33).

     

    Beachten Sie | Nach allgemeiner Auffassung setzt § 566 Abs. 1 BGB Identität zwischen Vermieter, Eigentümer und Veräußerer voraus (BGH MK 12, 93, ­Abruf-Nr. 120026; BGHZ 154, 171). Einer analogen Anwendung der Vorschrift werden traditionell enge Grenzen gesetzt. Der BGH lässt es z.B. nicht aus­reichen, wenn - bei fehlender Identität - der veräußernde Eigentümer mit der Vermietung einverstanden ist oder der Eigentümer Alleingesellschafter der Vermieter-GmbH ist (NZM 08, 732; MK 04, 19 Abruf-Nr. 040164).

     

    Eine entsprechende Anwendung von § 566 BGB kommt danach allenfalls in Betracht, wenn der von dem Veräußerer verschiedene Vermieter kein ­eigenes Interesse an dem Mietvertrag hat (BGH, a.a.O.). Weitergehend wird im Schrifttum diskutiert, ob eine analoge Anwendung des § 566 BGB gerechtfertigt sein kann, wenn ein Dritter zwar im eigenen Namen, aber doch letztlich für den Eigentümer vermietet (Schmidt-Futterer/Streyl, a.a.O., Rn. 69; Günter, WuM 13, 264). Das setzt zumindest voraus, dass auf der Eigentümerseite ein ­Wechsel stattgefunden hat. Hieran fehlte es im Streitfall, sodass auch diese Begründung des LG ins Leere ging.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 9 | ID 42442284