Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.01.2007 | Checkliste

    Diese 8 BGH-Entscheidungen zum betreuten Wohnen und zum HeimG müssen Sie kennen

    Das Thema Altersdemenz stand in den letzten Monaten verstärkt im Fokus der Öffentlichkeit. In einer Vielzahl von Informationsveranstaltungen konnten sich Betroffene und Interessierte über die mit dem Abschluss von Heim- und Betreuungsverträgen verbundenen Rechtsprobleme unterrichten. Die Kenntnis der aktuellen BGH-Rechtsprechung zu diesen Fragen ist daher für die zivilrechtliche Mandatsbearbeitung unerlässlich. Der Beitrag setzt die Checkliste aus MK 05, 62 (Abruf-Nr. 050769) fort.  

     

    Checkliste: Aktuelle BGH-Entscheidungen zum betreuten Wohnen und zum HeimG
    Die Klauseln in einem kombinierten Miet- und Servicevertrag über betreutes Wohnen (Service-Wohnen):

     

    1. „Der Vermieter wird von sich aus das Mietverhältnis grundsätzlich nicht auflösen. Er kann jedoch in besonderen Ausnahmefällen das Mietverhältnis schriftlich unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen kündigen, wenn berechtigtes Interesse des Vermieters eine Beendigung des Mietverhältnisses notwendig macht. Der Mieter erkennt an, dass der Vermieter ein berechtigtes Interesse daran hat, dass die Wohnung für „Service-Wohnen“ zur Verfügung steht. Aus diesem Grund wird ausdrücklich vereinbart, dass das Mietverhältnis unter der auflösenden Bedingung steht, dass zwischen dem Mieter und der Vermieterin der Service-Vertrag abgeschlossen wird. Dieser Service-Vertrag und seine Fortdauer sind konstitutiver Bestandteil dieses Vertrags. Wird dieses Service-Verhältnis nicht eingegangen oder aber aus welchen Gründen auch immer beendet, kann der Vermieter nach § 565a Abs. 2 BGB (a.F.) unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist im Rahmen seines Betriebsbedarfs zur Garantie der Fortführung des „Service-Wohnens“ in diesem Gebäudekomplex das Mietverhältnis zum nächstmöglichen Termin kündigen. Der Mieter erkennt hiermit die Abhängigkeit des Bestandes des Mietverhältnisses vom Bestand des Service-Vertrages ausdrücklich an“,

     

    2. „Zusammen mit dem Mietvertrag bildet der Servicevertrag die Basis für die Partnerschaft ...Bei einer Kündigung endet der Servicevertrag mit Beendigung des Mietvertrags“, sind grundsätzlich weder sittenwidrig noch unangemessen i.S. des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

     

    Durch die „Koppelung“ von Service- und Mietvertrag werden die Mieter, was die Gefahr einer Schlechterfüllung des Servicevertrags anlangt, nicht rechtlos gestellt. Zwar wird ihnen dadurch, dass bei einer Kündigung der Servicevertrag erst mit der Beendigung des Mietvertrags endet, in praxi die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung des Servicevertrags (§§ 620, 621 BGB) nahezu verwehrt. Ihnen bleibt aber die außerordentliche Kündigung allein des Servicevertrags unbenommen, wenn nur die Fortsetzung des Servicevertrags, auch unter Berücksichtigung der Tragfähigkeit des Gesamtkonzepts, für sie untragbar (§ 626 BGB) ist. Für von dem Dienstverpflichteten vertretbar nicht oder in unbrauchbarer Form geleistete (nicht nachholbare) Dienste braucht der Dienstberechtigte die Vergütung nicht zu zahlen (vgl. §§ 614, 320, 326 Abs. 1 BGB). Hat der Dienstverpflichtete die Unmöglichkeit der Dienstleistung zu vertreten, kommt ein Schadenersatzanspruch des Dienstberechtigten in Betracht (§ 280 Abs. 1i.V.m. § 283 BGB).

     

    Nach § 5 Abs. 8 HeimG hält eine Klausel in einem Heimvertrag, nach der für den Fall einer Abwesenheit von bis zu drei Tagen keine Erstattung ersparter Aufwendungen vorzunehmen ist, der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand (Abgrenzung zu BGH NJW 01, 2971, Abruf-Nr. 050766). In Heimverträgen mit Leistungsempfängern der Pflegeversicherung und Sozialhilfeempfängern muss eine Regelung über die Erstattung ersparter Aufwendungen bei vorübergehender Abwesenheit aber den in diesen Bereichen getroffenen normativen Vereinbarungen entsprechen.

     

    In Heimverträgen mit Leistungsempfängern der Pflegeversicherung muss die Gewährung und Berechnung von Zusatzleistungen (hier: Einzelzimmer in Pflegeheim) vorher schriftlich vereinbart werden, sonst hat der Heimträger wegen der Nutzung der Zusatzleistung keinen Bereicherungsanspruch.

     

    Verlangt der Betreuer in Übereinstimmung mit dem behandelnden Arzt, dass die künstliche Ernährung des betreuten einwilligungsunfähigen Patienten eingestellt wird, kann das Pflegeheim diesem Verlangen jedenfalls nicht den Heimvertrag entgegensetzen. Auch die Gewissensfreiheit des Pflegepersonals rechtfertigt für sich genommen die Fortsetzung der künstlichen Ernährung in einem solchen Fall nicht (Anschluss an BGHZ 154, 205).

     

    Der Grundsatz, dass Träger von Pflegeeinrichtungen ihre Leistungen nach allgemein anerkanntem Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse bzw. soweit Heimverträge betroffen sind, für die das zum 1.1.02 in Kraft getretene HeimG (BGBl. I 01, S. 2970) gilt, nach jeweils allgemein anerkanntem Stand fachlicher Erkenntnisse erbringen müssen, ist auch bei der Frage zu beachten, wie sie auf eine Sturzgefährdung von Heimbewohnern reagieren müssen (Anschluss an BGH FamRZ 05, 1074).

     

    Befindet sich der Heimbewohner nicht in einer konkreten Gefahrensituation, die gesteigerte Obhutspflichten auslöst und deren Beherrschung einer speziell dafür eingesetzten Pflegekraft anvertraut worden ist (BGH VersR 91, 310), kann allein aus dem Umstand, dass der Heimbewohner im Bereich des Pflegeheims gestürzt ist und sich dabei verletzt hat, nicht auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Pflegepersonals geschlossen werden. Darlegungs- und beweispflichtig ist vielmehr insoweit der Heimbewohner als Anspruchsteller. Das, was sich dem medizinischen Dienst der im Schadensfall eintrittspflichtigen Krankenkasse an Sicherungsmaßnahmen (hier: Fixierung bzw. Hochfahren von Bettgittern) nicht aufdrängt, muss sich bei unverändertem Befund auch der Leitung eines Altenheims nicht aufdrängen.

     

    Bedarf der Bewohner beim Aufstehen nicht stets der Hilfe und ist in seiner Reichweite eine Klingel bereitgestellt, mit der er im Bedarfsfall Hilfe herbeirufen kann, würde die Forderung einer generellen Hilfe beim Aufstehen auf eine lückenlose Überwachung durch Mitarbeiter des Pflegeheims hinauslaufen. Dies würde über das einem Pflegeheim wirtschaftlich Zumutbare hinausgehen und zudem auch den Interessen der Heimbewohner an der Wahrung ihrer Privatsphäre widersprechen.

     

    Parteien eines Vertrags, der das betreute Wohnen zum Gegenstand hat, für dessen vielfältige Erscheinungsformen es an hierauf zugeschnittenen gesetzlichen Regelungen fehlt, dürfen ihren Beziehungen Kündigungsbestimmungen zugrunde legen, die an das HeimG angelehnt sind.

     

    Beim mietvertraglich vereinbartem betreuten Wohnen in den hierfür mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnanlagen kann der Mieter die Betreuungsleistungen nicht kündigen und sich dabei die preisgünstige Wohnung erhalten.
     

    Quelle: Ausgabe 01 / 2007 | Seite 12 | ID 88495