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  • 01.04.2007 | Beratungspraxis

    Vermieterregress bei nachbarlichen Störungen

    von RA Dr. Hans Reinold Horst, Hannover/Solingen

    Bauarbeiten in der Nachbarschaft beeinträchtigen die Lebensqualität der Anwohner und das Umfeld für die Ausübung eines Gewerbes. Dem begegnen Mieter oft mit Mietminderungen. Es stellt sich die Frage, ob – die Berechtigung des Minderungsanspruchs vorausgesetzt – Vermieter daraufhin Regress beim störenden Bauherrn nehmen können. Die folgende Checkliste beantwortet die häufigsten Fragen zu dieser Problematik.  

     

    Checkliste: Beratungsschwerpunkt Vermieterregress – die 7 häufigsten Fragen

    1. Stellt Baulärm einen zur Minderung berechtigenden Mangel dar? 

    Ja. Baulärm und sonstige durch den Betrieb einer Baustelle anfallende Immissionen, z.B. Staub, Dreck, (teilweise) Sperrung von Straßen und Zugängen zu den Mietobjekten, stellen als Umweltfehler einen Mangel der Mietsache dar (BayObLG NJW 87, 1950; OLG München NJW-RR 94, 654; Bub/Treier/Kraemer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III B Rn. 1341; Horst, Mietminderung, 2. Aufl., S. 33). Denn das Minderungsrecht des Mieters als Teil der mietrechtlichen Sachmängelgewährleistung trägt für den Vermieter den Charakter einer Garantiehaftung. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der Vermieter als Voraussetzung eines Minderungsrechts die Beeinträchtigungen verhindern kann oder selbst dulden muss. Ebenso ist es ohne Belang, ob der Vermieter als Grundstücksnachbar die Beeinträchtigungen selbst dulden muss oder gegen den störenden Bauherrn Schadenersatz- und Ausgleichsansprüche erfolgreich geltend machen kann (BayObLG, a.a.O.; Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl., § 536 BGB Rn. 142).  

     

    Ursächlich hierfür ist die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit des Minderungsrechts in § 536 BGB einerseits und ein zu prüfender nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB andererseits. Beide Rechte sind im Entstehungstatbestand sowie in der Bewertung voneinander unabhängig. Durch § 906 BGB wird nur die Duldungspflicht unter benachbarten Grundstückseigentümern, nicht aber die Frage geregelt, ob und inwieweit ein Mieter berechtigt ist, die Miete wegen etwaiger, vom Vermieter z.B. nach § 906 BGB zu duldender, den Gebrauch der Mietsache aber beeinträchtigender Immissionen zu mindern.  

     

    2. Sind vertragliche Minderungsbeschränkungen zulässig?  

    Aus der Konfliktsituation beim Vermieter, mit Minderungen seiner Mieter wegen nachbarlichen Baulärms unabhängig von seiner eigenen Duldungspflicht oder Abwehrmöglichkeit belastet zu werden, resultiert der Versuch, auch durch Formularklausel das Minderungsrecht zu beschränken und für Fälle nicht beherrschbarer Umweltmängel auszuschließen. § 536 Abs. 4, § 556b Abs. 2 BGB vereiteln diesen Versuch bei der Wohnraummiete im Keim und unabhängig davon, ob es sich um Formularklauseln oder Individualvereinbarungen handelt. Denn bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist jede minderungsbeschränkende Vereinbarung unabhängig davon unwirksam, ob sie als Individualvereinbarung oder als Formularklausel ausgebildet worden ist.  

     

    Für Gewerberaummiete gilt § 536 Abs. 4 BGB nicht ausdrücklich. Hier ist das Minderungsrecht in den Grenzen von §§ 536d, 138, 242 BGB dispositiv. Auch AGB-rechtliche Schutznormen existieren speziell für Minderungsrechte nicht (Horst, Abkopplungsklauseln im Gewerbemietrecht, S. 97). Daher kann bei Gewerberaum die Gewährleistungs- und Garantiehaftung des Vermieters auch durch Formularklausel eingeschränkt werden. So verstößt eine Formularklausel, nach der eine Mietminderung ausgeschlossen ist, wenn durch Umstände, die der Vermieter nicht vertreten muss, z.B. Verkehrsumleitung, Straßensperre, Bauarbeiten in der Nachbarschaft, die gewerbliche Nutzung der Räume beeinträchtigt wird und sich daraus Umsatz- und Geschäftsrückgänge ergeben, nicht gegen § 307 BGB (OLG Hamburg GuT 04, 168; LG Hamburg NZM 04, 948; AG Hamburg NZM 05, 222).  

     

    3. Sind nichtvertragliche Minderungsausschlüsse denkbar? 

    Ja. Unabhängig von vertraglichen Möglichkeiten zur Minderungsbeschränkung kann ein Minderungsrecht des Mieters aufgrund anderer Umstände ausgeschlossen sein. So entsteht z.B. gerade bei einem Umweltmangel kein Minderungsrecht, wenn der beeinträchtigende Zustand zumindest in seiner ursprünglichen Anlage bereits bei Anmietung der Wohnung bestand (§ 536b BGB). Das wurde in einem Fall von Lärmstörungen durch eine benachbarte Schule angenommen, die bereits bei Anmietung der Wohnung vorhanden war, später aber zusätzlich mit einem Bolzplatz versehen wurde (LG Hamburg WuM 98, 19). Ebenso entschied das OLG München in einem Fall, in dem vor der Anmietung in ihrem Ausmaß erkennbare, in die Mietzeit fallende Baumaßnahmen auf einem Nachbargrundstück mit entsprechender beeinträchtigender Wirkung für den Gebrauchswert der Mietsache zu bewerten waren (NJW-RR 94, 654; jetzt auch: LG Berlin GE 06, 1295; OLG Düsseldorf ZMR 06, 518; KG NZM 03, 718. Auch hier ist der Mieter mit Minderungsrechten ausgeschlossen, wenn nicht ausdrücklich Entgegenstehendes im Mietvertrag vereinbart wurde.  

     

    Abgesehen von dieser unmittelbar nachbarlichen Einzelbetrachtung zur bautechnischen Lage der umliegenden Grundstücke hat die Rechtsprechung auch eine „Quartier-Betrachtung“ vorgenommen und bei Vorhersehbarkeit von Baumaßnahmen in diesem Areal Minderungsrechte verworfen (OLG München 26.3.93, 21 U 6002/92). In all diesen Fällen, in denen ein Minderungsrecht für baustellenbedingte Immissionen unabhängig vom Charakter eines Mietverhältnisses als Wohnraummietverhältnis oder als Gewerberaummietverhältnis ausgeschlossen ist, kann der Mieter vom Vermieter auch nicht verlangen, dass er gegen den verantwortlichen Emittenten im Außenverhältnis tätig wird (AG Frankfurt/M. NZM 05, 217; Horst, Rechtshandbuch Nachbarrecht, 2. Aufl., Rn. 1724).  

     

    4. Hat der Vermieter einen Schadenersatzanspruch gegen den Bauherrn? 

    Im Rahmen des Ausgleichs zwischen dem Vermieter und dem störenden Bauherrn als Grundstücksnachbarn für minderungsbedingt erlittenen Mietausfall ist in erster Linie an Schadenersatzansprüche zu denken. Sie können sich aus §§ 903, 862 BGB, §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB, §§ 823 Abs. 2, 906 Abs. 1 BGB, § 14 S. 2 BImSchG, eventuell auch aus der positiven Forderungsverletzung des gesetzlichen Nachbarschaftsverhältnisses (§§ 903bis 924 BGB) gemäß §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 S. 1, 282, 241 Abs. 2 BGB ergeben. Allen diesen Anspruchsgrundlagen ist gemein, dass den störenden Bauherrn ein rechtswidriges, bzw. verschuldensgetragenes Handeln vorgeworfen werden kann. Im Rahmen von § 906 Abs. 1 BGB kommt es weiter auf die Ortsüblichkeit der Benutzung des Grundstücks durch Bauarbeiten an. Davon ist bereits immer auszugehen, wenn es sich bei dem Nachbargrundstück um öffentlich-rechtlich ausgewiesenes Bauland handelt, das aufgrund und im Rahmen einer erteilten Baugenehmigung bebaut wird. In diesem Fall muss der Vermieter auch wesentliche Beeinträchtigungen dulden, wenn sie sich nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindern lassen (§ 906 Abs. 2 S. 1 BGB). Zwar handelt es sich bei einer berechtigten Mietminderung durchaus im Rahmen der Immobilienbewirtschaftung um eine wirtschaftlich wesentliche Beeinträchtigung, doch ist sie nach dem o.g. nur vorwerfbar, wenn sie durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen des bauenden Nachbarn nicht verhindert werden kann. Das kann etwa beim Einsatz defekter und deshalb besonders lauter Baumaschinen oder durch eine übermäßige Verzögerung der Bauarbeiten im Hinblick auf die Dauer der Beeinträchtigung der Fall sein. Für den Regelfall aber kann davon ausgegangen werden, dass mit Baumaßnahmen immer Lärm, Staub und Schmutzimmissionen sowie Zugangsbehinderungen zusammenhängen, die sich durch wirtschaftliche Maßnahmen eben nicht in zumutbarer Weise verringern lassen.  

     

    Baut der Nachbar auf der Grundlage einer erteilten Baugenehmigung und hält er sich mit seinem Bauvorhaben in deren Rahmen, kann ihm ebenfalls kein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden. Für eine Betrachtung unter schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten bleiben nur Fälle übrig , in denen der Nachbar ohne Baugenehmigung baut (Schwarzbau) oder in denen er den durch eine erteilte Baugenehmigung gesteckten Rahmen überschreitet (illegaler Bau). Die hier mögliche Lösung über Schadenersatzansprüche hat ihren Grund darin, dass die Sperrwirkung von § 906 Abs. 1 BGB wegfällt. Denn rechtswidrige Baumaßnahmen stellen keine ortsübliche Grundstücksnutzung dar. Daher besteht auch ein Schadenersatzanspruch nach §§ 823 Abs. 2, 906 BGB ohne weiteres i.H.d. minderungsbedingt erlittenen Mietausfalls (OLG Düsseldorf NJWE-MietR 97, 271).  

     

    5. Kann sich ein Anspruch aus nachbarrechtlichem Ausgleichsanspruch ergeben? 

    Anspruchsgrundlage ist § 906 Abs. 2 S. 2 BGB. Sie setzt voraus, dass der Nachbar durch ortsübliche Benutzung seines Grundstücks das eigene Grundstück des Anspruchstellers oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Auf ein Verschulden an der Beeinträchtigung kommt es dabei nicht an (Horst, a.a.O., Rn. 379). Die Miete ist als Ertrag aus dem Grundstück anzusehen (BayObLG NJW 87, 1952). Die erlittene Mietminderung wirft im Rahmen von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB die Frage nach ihrer Zumutbarkeit auf. Denn wenn die Beeinträchtigung nicht das zumutbare Maß übersteigt, besteht nach der genannten Vorschrift kein Ausgleichsanspruch.  

     

    Um die Frage nach dem Rechtsgrund eines nachbarlichen Ausgleichsanspruchs und auch um dessen Höhe beantworten zu können, sind deshalb Zumutbarkeitskriterien zu entwickeln, jenseits derer ein Anspruch des Vermieters ausgelöst wird. Dabei soll die Höhe der erlittenen Mietminderung als Ansatz ausscheiden, da zwischen der Höhe des Minderungsbetrags und der Höhe des Ausgleichsanspruchs des Vermieters gegen den Bauherrn kein Zusammenhang besteht (h.M. Blank/Börstinghaus, a.a.O., § 536 BGB Rn. 142; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 8. Aufl., § 536 BGB Rn. 10; Schelinski, NZM 05, S. 211). Aufgrund der rechtsdogmatischen Unabhängigkeit von Minderungsrecht und nachbarrechtlichem Ausgleichsanspruch ist dieser Ansicht beizupflichten.  

     

    Das LG Hamburg stellt daher auf die Frage ab, ob unter einschließender Betrachtung der Minderung das Grundstück noch wirtschaftlich betrieben werden kann (NZM 99, 169). Dabei geht es auf der Grundlage von § 287 ZPO von einer – gerichtsbekannten – Renditesituation in der Immobilienbewirtschaftung von 6 Prozent aus. Daraus zieht das LG den Schluss, dass Minderungsbeträge höher als 6 Prozent im Rahmen der Betrachtung eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB für den Vermieter unzumutbar und damit beim störenden Bauherrn liquidierbar sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die angenommene Rendite aus der Vermietung in Höhe von 6 Prozent bis zum Stand 0 durch vom Vermieter nicht vertretbare störende Einflüsse von außen entschädigungslos aufgesogen werden darf. Kurz: Das Gericht betrachtet eine nur kostendeckende Immobilienbewirtschaftung mit dem kompletten Verlust eines Ertrags noch als zumutbar und sieht jenseits dieser Grenze nur Verluste, die als Gesamtergebnis der Immobilienbewirtschaftung unabhängig von der Höhe einzelner Mietminderungen verbleiben.  

     

    Wiederum einen anderen Ansatz vertritt der BGH. Er stellt auf eine angemessene Geldentschädigung ab, die nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bemessen ist (NJW 01, 1865). Obgleich der BGH den Unterschied zur Naturalrestitution im Rahmen des Schadenersatzes aus § 249 Abs. 1 BGB betont, bekräftigt er, dass sich der Ausgleichsanspruch auf die Beseitigung der durch die Störung eingetretenen Vermögenseinbußen beschränkt. Insoweit sieht er auch – im Gegensatz zum LG Hamburg – einen Ertragsverlust als entschädigungspflichtig an. Dann aber kann ein in ungeschmälerten Mieteinkünften wurzelnder Ertrag aus einer Immobilienbewirtschaftung nicht pauschal im Rahmen des nachbarlichen Ausgleichsanspruchs verweigert werden. Vielmehr ist es dann Aufgabe des vermietenden Eigentümers, in einer konkreten Wirtschaftlichkeitsberechnung die Ertragssituation seines Mietgrundstücks und damit auch seine Rendite vor den störenden nachbarlichen Baumaßnahmen unter Berücksichtigung einer ungekürzt erhaltenen Miete vorzutragen und unter Beweis zu stellen. Gelingt ihm dieser Beweis, ist ihm auch im Rahmen des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB der durch Mietminderung eingetretene Wegfall seiner Grundstücksrendite zu entschädigen.  

     

    6. Wie verteilt sich in diesen Fällen die Beweislast? 

    Der Betroffene muss beweisen, dass die Einwirkung vom Grundstück des Gegners ausgeht, eine Beeinträchtigung vorliegt und ein Kausalzusammenhang zwischen beiden besteht. Dagegen hat der Störer die Unwesentlichkeit der von seinem Grundstück ausgehenden Beeinträchtigungen nachzuweisen. Liegen keine Einwirkungen oder hierauf beruhende Beeinträchtigungen vor, zeigt sich ein non liquet oder kann der Störer die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigungen nachweisen, hat der Betroffene keine Entschädigungsansprüche aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB (ausführlich Horst, Rechtshandbuch Nachbarrecht, 2. Aufl., Rn. 374, dort auch zum Klageantrag).  

     

    Zu betrachten bleiben die Fälle, in denen das Nachbargrundstück nicht vom Eigentümer selbst bebaut, sondern von dessen Mieter bebaut wird. Dies kann im Rahmen des Mietvertrags liegen als auch vom Mieter des Nachbarn eigenmächtig erfolgen. In der ersten Fallalternative kann der Eigentümer des Nachbargrundstücks als Vermieter als mittelbarer Handlungsstörer für die Störungshandlungen seines Mieters zur Verantwortung gezogen werden, weil er dem Mieter den Gebrauch seiner Sache mit der Erlaubnis zu der störenden Handlung überlassen hat. Ebenso ist es, wenn der Mieter des Nachbarn zwar ohne vertragliche Grundlage baut, der Vermieter es aber unterlässt, seinen Mieter von dem nach dem Mietvertrag nicht gedeckten, fremdes Eigentum beeinträchtigenden Gebrauch der Mietsache durch Bebauung des Grundstücks abzuhalten (BGH MietRB 06, 294).  

     

    7. Besteht ein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch gegen hoheitlich handelnde Bauherrn? 

    Ja. Der Anspruch ist als Parallele zum privatrechtlichen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch zu begreifen. Er kommt generell in Frage, wenn der Abwehranspruch aufgrund einer die Zumutbarkeitsgrenze des § 906 BGB überschreitenden Duldungspflicht ausgeschlossen ist (grundlegend Horst, a.a.O., Rn. 382). Es wurde bereits gezeigt, dass im Falle des rechtmäßig bauenden Nachbarn eine entsprechende Duldungspflicht des Grundstückseigentümers aus § 906 BGB besteht, so dass die Konstellation auch eines öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs anzunehmen ist. Dieser Entschädigungsanspruch ist ebenfalls im Zivilrechtsweg zu verfolgen (§ 40 Abs. 2 VwGO). Folgende Unterarten sind zu unterscheiden:  

     

    • Enteignender Eingriff: Im Unterschied zur Enteignung, die zielgerichtet erfolgt, stellt sich der enteignende Eingriff mit seinen nachteiligen Einwirkungen für den Betroffenen nur als ungewollte Begleiterscheinung der rechtmäßigen hoheitlichen Maßnahme dar. Dadurch wird den Betroffenen ein unzumutbares Sonderopfer auferlegt, das zu entschädigen ist. Anspruchsgrundlagen sind neben Art. 14 GG auch §§ 1004, 906 BGB analog (Horst, a.a.O., Rn. 383). Von diesen Tatbestandvoraussetzungen ist bei dem störenden Bauvorhaben des hoheitlich handelnden Nachbarn auszugehen. Es unterliegt keinem Zweifel, anzunehmen, dass sich die hinzunehmenden Mietminderungen für den Vermieter nur als ungewollte Begleiterscheinung einer rechtmäßigen hoheitlichen Maßnahme darstellen. Die Höhe der Entschädigung bemisst sich auch hier nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung. Dies kann bis zum vollen Schadensausgleich reichen. So wurde einem Kläger in einem Fall unzumutbarer Geruchsimmissionen durch eine Kläranlage der vom Mieter einbehaltene Minderungsbetrag in voller Höhe zuerkannt. Damit wurde er so gestellt, als wenn er die volle Miete ohne Abzug erhalten hätte (LG Konstanz MDR 80, 667). Auch der BGH stellt bei der Bemessung des Entschädigungsanspruchs aus enteignendem Eingriff auf den Betrag ab, den ein Mieter für die ungeschmälerte gewerbliche Nutzung des Grundstücks, vermindert um die Miete für die verbleibende Nutzung, zahlen würde (NJW 83, 1663). Das ist der Minderungsbetrag, den der durch den Mietausfall geschädigte Grundstückseigentümer vom hoheitlich handelnden Bauherrn als Nachbar im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs aus enteignendem Eingriff verlangen kann.

     

    • Enteignungsgleicher Eingriff: Während sich der enteignende Eingriff als Nebenfolge rechtmäßigen staatlichen Handelns darstellt, ist von einem enteignungsgleichen Eingriff auszugehen, wenn die hoheitliche Maßnahme rechtswidrig ist, dem Einzelnen dadurch ein Sonderopfer auferlegt und unmittelbar in dessen geschützte Rechte eingegriffen wird. Davon ist im Regelfall des rechtmäßig bauenden hoheitlichen Nachbarn nicht auszugehen, aber immer, wenn dem öffentlichen Baurecht nicht Genüge getan ist. Anspruchsgrundlage ist Art. 14 GG. Anspruchsauslösend sind bereits unmittelbare Auswirkungen staatlichen Handelns, auch wenn darin kein gewollter und gezielter Eingriff liegt (Horst, a.a.O., Rn. 387). Dies ist im Fall eines rechtswidrigen Bauvorhabens für den sich aufgrund der Immissionen nach durchgeführter Mietminderung ergebenden Mietausfallschaden des Vermieters als Nachbarn anzunehmen.
     

    Quelle: Ausgabe 04 / 2007 | Seite 70 | ID 88590