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  • · Fachbeitrag · Kanzleientwicklung

    Einstieg in die digitale Beratung der Mandanten ‒ wann, wenn nicht jetzt?

    von StB Doris Reimann, Wirtschaftsmediatorin, Brandenburgwww.dorisreimann.com

    | Die Corona-Krise zeigt eines sehr deutlich: Auf einmal wird Unmögliches möglich. Mitarbeiter werden ins Homeoffice geschickt, was vor der Pandemie noch undenkbar war. Plattformen, die digitale Meetings mit dem Team ermöglichen, erfreuen sich plötzlich hoher Beliebtheit. Und auch Fortbildungsangebote in Form von Webinaren werden wegen des Veranstaltungsverbots öfter wahrgenommen. Warum jetzt nicht noch einen ‒ wichtigen ‒ Schritt weiter gehen und in die digitale Beratung der Mandanten einsteigen. Die Vorteile überwiegen die Vorurteile. |

    Den Vorurteilen keine Chance

    In unserem Berufsstand ist das Thema Digitalisierung (vor allem, wenn es um Belegfluss und Aktenablage geht) sehr weit fortgeschritten. Die übrigen Möglichkeiten, die mit der Digitalisierung einhergehen, werden jedoch noch immer recht wenig genutzt. Ich bin fest davon überzeugt, dass Kanzleien die digitale Beratung von Mandanten dauerhaft in ihr Portfolio aufnehmen und sich nicht von gängigen Vorurteilen leiten lassen sollten.

     

    In meiner täglichen Arbeit werden von Kanzleiinhabern diese Vorurteile am häufigsten angeführt:

    • Digitale Beratung funktioniert nicht für Steuerberatungskanzleien.
    • Die Mandanten sind es gewohnt, in die Kanzlei zu kommen und wollen nichts anderes. Wir verprellen sie, wenn wir ihnen Online-Beratung anbieten.
    • Das alles ist viel zu kompliziert, nur schwer umsetzbar und die Technik ist viel zu teuer.

     

    Digitale Beratung funktioniert für alle Branchen. Warum sollte die Steuerberatung die Ausnahme sein?

    Ihre Mandanten sind es doch schon gewohnt, mit der Kanzlei per E-Mail oder Telefon in Kontakt zu treten. Über diese Kanäle werden längst die laufenden Informationen ausgetauscht und bereits die meisten Fragen beantwortet.

     

    PRAXISTIPP | Wissen Sie, wie viele persönliche Treffen in Ihrer Kanzlei durchschnittlich stattfinden? Verschaffen Sie sich zuerst darüber einen Überblick. Nehmen Sie einen repräsentativen Zeitraum, z. B. das 4. Quartal 2019. Notieren Sie gleich noch den Gesprächsanlass (z. B. Jahresabschlussgespräch), die Gesprächsdauer sowie die Teilnehmer (Anzahl, Position etc.).

     

    Termine von bis zu zwei Stunden können Sie sehr gut als digitales Meeting abhalten. Die Online-Meetingplattformen ermöglichen, dass sich die Teilnehmer sehen und hören. Dazu genügt die eingebaute Webcam eines Laptops oder Tablets. Auch Informationen kann man sehr gut darüber austauschen. Sie können den Bildschirm teilen, damit z. B. der Jahresabschluss oder eine Präsentation mit Kennzahlen gezeigt werden kann.

     

    Wollen Sie sich die Abläufe von den Mandanten vorgeben lassen?

    Der Furcht, dass die proaktive Einführung der digitalen Beratung die Mandanten verschrecken könnte, möchte ich Folgendes entgegensetzen:

     

    • Jede Gewohnheit kann durch eine andere Gewohnheit ersetzt werden.
    • Zeigen Sie Ihren Mandanten die Vorteile und sie werden eher bereit sein, digitale Formen der Zusammenarbeit auszuprobieren und zu akzeptieren.
    • Achten Sie auf generationstypische Vorlieben. So wird Ihre Kanzlei gerade für eine jüngere Klientel interessant und Sie gewinnen neue Mandate.

     

    Wichtig ist es, den Klienten die „Angst“ (oder nennen wir es die „Vorbehalte“) zu nehmen. Es ist ein großer Fehler zu meinen, man wisse, wie die Mandanten ticken. Das können Sie erst herausfinden, wenn Sie mit ihnen sprechen. Machen Sie ihnen den Einstieg so leicht wie möglich, z. B. durch Erklärungen, wie die Bedienung funktioniert.

     

    PRAXISTIPP | Zeigen Sie doch bei einem der nächsten Termine in der Kanzlei, wie einfach und komfortabel die Nutzung ist. Aber zwingen Sie niemanden zu seinem Glück. Es ist nicht erforderlich, dass jeder Mandant diese Form der Beratung akzeptiert.

     

    Zu teuer, zu kompliziert, klappt eh nicht

    Die Technik ist der einfachste Part an der digitalen Beratung. Lassen Sie mich eines vorwegnehmen: Ich bin kein IT-Spezialist. Aber das Aufsetzen der virtuellen Meetings gehört zu den einfachsten Dingen, die ich je probiert habe. Es gibt eine Fülle an qualitativ hochwertigen Anbietern für digitale Meetings. Inzwischen kann man sich sogar über Social-Media-Plattformen und Messenger-Dienste virtuell treffen, wovon für eine digitale Beratung der Mandanten aus Gründen des Datenschutzes dringend abzuraten ist.

     

    Nutzen Sie unbedingt Plattformen, die ausschließlich für den professionellen Bedarf entwickelt wurden. Im Grunde genommen erstellen Sie einfach ein Meeting, senden den Gesprächspartnern den entsprechenden Link zu und das war es auch schon. Mit wenigen Klicks ist alles eingerichtet ‒ nach Ihren Vorstellungen: Sie können Meetings z. B. als wiederkehrende Termine anlegen, den Hintergrund individualisieren oder einen Warteraum einrichten.

     

    Da es sich bei den Meeting-Plattformen um webbasierte Anwendungen handelt, fallen keine Kosten für eine Installation an. Oftmals reichen bereits die Anwendungsmöglichkeiten in der kostenfreien Grundversion. Beachten Sie bitte: Mandantengespräche sind vertraulich. Stellen Sie daher sicher, dass die Plattform Ihrer Wahl eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung benutzt. Im Internet finden Sie Vergleiche zu den Möglichkeiten, Preisen sowie den Vor- und Nachteilen der einzelnen Anbieter. Nehmen Sie sich ein wenig Zeit für die Recherche, damit Sie lange Freude an dem Anbieter Ihrer Wahl haben.

    Digitale Beratung bietet darüber hinaus Vorteile

    Der wohl wichtigste Punkt: Digitale Beratung spart viel Zeit, sowohl dem Mandanten als auch der Kanzlei. So entfallen z. B. die Fahrzeiten, die Parkplatzsuche und die Kanzlei muss keinen Konferenzraum herrichten.

     

    Als zweiter Pluspunkt ist zu nennen, dass die digitale Beratung eine überregionale Mandantenakquise ermöglicht. Das eröffnet ein höheres Umsatzpotenzial, denn in Regionen mit hoher Honorarsensibilität oder geringer Wirtschaftsleistung ist es oft schwer, bestimmte Honorare zu erzielen oder Zusatzdienstleistungen zu verkaufen.

     

    In der Steuerberatung hat der persönliche Kontakt einen hohen Stellenwert. Mandatsverhältnisse auf weite Entfernungen sind oft nur telefonisch möglich oder mit langer Reisetätigkeit verbunden und führen dazu, dass potenzielle Mandanten aufgrund dieser Entfernung ein Mandatsverhältnis oft gar nicht erst in Erwägung ziehen. Die digitale Beratung macht es möglich; denn durch das gleichzeitige Sehen und Sprechen gelingt ein besserer Beziehungsaufbau. Als Berater können Sie die Stimmung und Reaktionen Ihres Gesprächspartners viel besser einschätzen und direkt darauf eingehen. Insgesamt werden sich Ihre Mandanten stärker mit Ihnen verbunden fühlen und das wirkt sich sehr auf die Qualität des Mandatsverhältnisses aus.

    Eine Anregung zum Schluss

    Einen wichtigen Aspekt sollten Sie noch bedenken: Die digitale Beratung kann aufgezeichnet werden. Das betrifft Bild, Ton und Chat. So erhält man nach dem Ende der Sitzung eine Videodatei und ggf. eine Audiodatei. Außerdem kann man in diesen Sitzungen auch einen Chat nutzen, in dem man mit dem Mandanten Informationen teilen kann, z. B. einen Link. Auch der Chat kann in der Regel heruntergeladen werden. Statt individuelle Mitschriften anzufertigen, könnte man auf diese Weise die wesentlichen Gesprächsinhalte stichpunktartig im Chat protokollieren. Den Chatverlauf kann man für die Kanzlei als Nachweis aufbewahren und außerdem dem Mandanten als Erinnerungsstütze schicken. Genauso verhält es sich mit der Video- oder Audiodatei.

     

    PRAXISTIPP | Im Gespräch entstehen manchmal Ideen, die sich später nur schwer rekapitulieren lassen ‒ für beide Seiten. Da ist die Möglichkeit, auf eine Aufnahme zurückgreifen zu können, enorm wertvoll. Gleiches gilt, wenn man Dinge erläutert, z. B. wie der Mandant mit einem von Ihrem EDV-Anbieter zur Verfügung gestellten Programm umgehen soll. Diese Schulung können Sie aufnehmen. Das minimiert die Rückfragen und ist somit für den Mandanten kostengünstiger und spart der Kanzlei wertvolle Zeit.

     

    Dieser Aspekt ruft womöglich eine Abwehrhaltung hervor, da Sie dies als unüblich oder übergriffig empfinden könnten. Allerdings birgt das Aufnehmen der Sitzung zwei große Vorteile: Es dient zur Dokumentation und es schafft einen hohen Mehrwert für den Mandanten. Zugegeben, im persönlichen Gespräch sitzt man sich normalerweise auch nicht mit Diktiergerät gegenüber. Lassen Sie diese Möglichkeit einfach ein wenig wirken und probieren Sie es aus.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2020 | Seite 128 | ID 46528519

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