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  • · Haftung

    Mandantenpflichten im Beratungsverhältnis

    Bild: © SOMKID ‒ stock.adobe.com

    von RA Dr. Gottfried Wacker, FAStR, Münster

    | Für Steuerberater ist es unerlässlich, die aktuelle Rechtsprechung zur Haftung im Mandatsverhältnis genau zu kennen ‒ insbesondere, wenn Mandanten versuchen, eigene Versäumnisse dem Berater anzulasten. Der hier besprochene Fall vor dem LG Münster (5.2.25, 110 O 44/23) zeigt anschaulich, wo die Grenzen der Beraterverantwortung liegen und welche Mitwirkungspflichten Mandanten tragen. Wer sich vor unbegründeten Regressforderungen schützen will, sollte diesen Beitrag aufmerksam lesen ‒ er liefert wertvolle Argumente für die Praxis und stärkt die berufsrechtliche Position. |

    Sachverhalt

    Der Beklagte war seit 2006 langjähriger Steuerberater des Klägers und seiner Ehefrau, sowohl in privaten als auch in unternehmerischen Belangen. Das Mandat endete spätestens am 21.3.21. Die Buchführung wurde von der Ehefrau selbst übernommen. Für die Veranlagungszeiträume 2015 bis 2017 wurden bis zur Mandatsbeendigung keine Steuererklärungen abgegeben. Die Finanzverwaltung erließ daher Schätzungsbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Alle genannten Bescheide seien dem Steuerberater zugegangen und bestandskräftig geworden. Daraus sei dem Mandanten ein Steuerschaden in Höhe von 47.429,03 EUR entstanden. Der Kläger meint, der Steuerberater hätte die steuerlichen Pflichten für ihn und seine Ehefrau wahrnehmen müssen. Falls ihm das ‒ aus welchen Gründen auch immer ‒ nicht möglich gewesen sei, hätte er sie rechtzeitig umfassend informieren müssen, damit sie einen anderen Berater hätten beauftragen können. Da dies unterblieben sei, hätten sie auf eine ordnungsgemäße Mandatsausführung vertraut.

     

    Der Steuerberater entgegnete, er habe trotz mehrfacher Nachfragen nicht alle für die Erstellung der Erklärungen erforderlichen Informationen erhalten. So hätten die Eheleute ihm weder mitteilen können, ob ein 2015 erteilter Auftrag zur Lieferung einer Produktionsmaschine dem Unternehmen des Klägers oder dem der Ehefrau zuzuordnen sei, noch wohin genau die Maschine geliefert wurde. Ohne diese Angaben habe er keinen Jahresabschluss erstellen können. Auch eine Begründung der Einsprüche sei mangels Informationen nicht möglich gewesen.

    Entscheidungsgründe

    Nach Auffassung des LG Münster hat der Mandant weder einen eigenen noch einen durch seine Ehefrau abgetretenen Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten dargelegt. Schadenersatzansprüche gegen einen Steuerberater erfordern die Darlegung einer Pflichtverletzung durch den Steuerberater und die Verursachung eines kausalen Schadens. Nach dem Parteivortrag ist schon eine Pflichtverletzung nicht erkennbar.

     

    Nicht-Anfertigen der Steuererklärungen

    Das Gericht sieht in der bloßen Nicht-Anfertigung von Steuererklärungen keine Pflichtverletzung des Steuerberaters. Zwar obliegt diesem laut LG eine sorgfältige und fachkundige Beratung sowie die rechtzeitige Vorbereitung aller Schritte, die für fristgebundenes Handeln des Mandanten nötig sind. Eine Garantie für den rechtzeitigen Erfolg übernimmt der Steuerberater jedoch nicht.

     

    Nach Ansicht des Gerichts ergeben sich aus einem laufenden Mandat lediglich dienstvertragliche Pflichten, nicht aber werkvertragliche Erfolgsgarantien ‒ auch nicht in Bezug auf steuerliche Abgabefristen. Das Versäumen solcher Fristen begründet weder Verzug noch eine Schlechterfüllung, da die Abgabefristen allein den Steuerpflichtigen binden. Für den Berater sind sie nur dann verpflichtend, wenn sie ausdrücklich zum Vertragsinhalt gemacht wurden.

     

    Ohne eine eindeutige Zusage haftet der Berater nicht dafür, dass Erklärungen fristgerecht erstellt werden. Ein werkvertragsähnliches Erfolgsversprechen kann nach Auffassung der Kammer schon deshalb nicht einseitig verlangt werden, weil der Berater auf die Mitwirkung des Mandanten angewiesen ist und der Arbeitsaufwand im Vorfeld oft nicht absehbar ist.

     

    Keine konkrete Beauftragung bei Nicht-Übergabe von Unterlagen

    Im vorliegenden Fall fehlt bereits die Darlegung einer konkreten Beauftragung zur Erstellung der Steuererklärungen. Ein solcher Auftrag erfolgt im laufenden Steuerberaterverhältnis üblicherweise durch Übergabe der Unterlagen, insbesondere der Finanzbuchhaltung. Dazu fehlt jeder Vortrag, insbesondere dazu, wann und in welchem Umfang dem Beklagten die Buchhaltung und sonstigen Belege übergeben wurden. Die Buchführung wurde ‒ unstreitig ‒ von der Ehefrau des Klägers erstellt. Laut Beklagtem lagen ihm für alle Veranlagungszeiträume wesentliche Belege nicht vor. Für 2016 und 2017 wurden ihm keine Unterlagen übergeben.

     

    Nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen muss der Mandant, der Schadenersatz verlangt, die vollständige Übergabe aller erforderlichen Unterlagen darlegen. Dieser Pflicht ist der Kläger nach Auffassung des LG Münster nicht nachgekommen. Die pauschale Behauptung, dem Beklagten seien alle Unterlagen übergeben worden, genügt ‒ zumindest im vorliegenden Fall ‒ nicht. So schilderte der Beklagte beispielhaft für 2015 einen konkreten Vorgang: Trotz ausdrücklicher Nachfrage konnte ihm weder mitgeteilt werden, ob die bestellte Produktionsmaschine einem Unternehmen des Klägers oder seiner Ehefrau zuzuordnen war, noch wohin sie geliefert wurde. Auch lagen ihm keine Teil- oder Schlussrechnungen vor. Er wies darauf hin, dass ohne diese Angaben keine vollständige Erklärung erstellt werden könne. 2018 habe er daher eine vorläufige Erklärung für das Jahr 2015 auf Basis unvollständiger Daten eingereicht. Dieses Beispiel blieb vom Kläger vollständig unkommentiert. Stattdessen wurde nur allgemein behauptet, es seien keine konkreten Nachfragen gestellt worden. Ebenso fehlt jeder Vortrag dazu, welche konkreten Angaben in der vorläufigen Erklärung gefehlt haben. Das betrifft insbesondere die Angaben zu Auftraggeber, Lieferort und Rechnungen, die laut Beklagtem erforderlich waren. Wenn der Kläger meint, die Erklärung sei pflichtwidrig unvollständig gewesen, hätte er darlegen müssen, welche fehlenden Informationen er hätte liefern können. Für 2016 und 2017 trug der Beklagte vor, ihm seien überhaupt keine Daten übergeben worden. Hier wäre es Sache des Klägers gewesen, konkret darzulegen, wann und wie die Finanzbuchhaltung übermittelt wurde. Rechtsirrig geht der Kläger davon aus, der Beklagte müsse darlegen, welche Unterlagen fehlten ‒ obwohl dieser ausdrücklich geltend gemacht hat, dass ihm für diese Jahre keinerlei Daten vorlagen.

     

    Einspruch war Berater faktisch nicht möglich

    Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 11.1.25 behauptet, der „Umgang des Beklagten mit den Bescheiden“ sei pflichtwidrig gewesen, lässt auch dieser Vortrag keine Pflichtverletzung erkennen. Es bleibt bei pauschalen Vorwürfen: Der Beklagte habe nicht über die Bescheide informiert, notwendige Schritte nicht erläutert, keine Informationen angefordert, keine Erklärung abgegeben und Einsprüche nicht begründet. Laut Gericht bleibt dabei bereits unklar, über welchen konkreten Inhalt der Beklagte nicht informiert haben soll. Nach Ansicht des LG Münster sind Schätzungsbescheide verständlich und selbsterklärend. Dass die erforderlichen Informationen ‒ insbesondere Buchführungsdaten ‒ vom Beklagten und auch im Rahmen der Betriebsprüfung von der Finanzverwaltung angefordert wurden, wurde bereits dargestellt. Die Ausführungen des Klägers, er habe die Entscheidung des FA hingenommen, die Bescheide vom 26.6.20 nicht mehr zu ändern, machen deutlich: Die Bescheide müssen dem Kläger selbst oder seinem Folgeberater zugegangen sein, der dann entschieden hat, nicht weiter dagegen vorzugehen. Dieses Verhalten kann dem Beklagten nicht zugerechnet werden ‒ insbesondere, wenn er die Bescheide nicht erhalten hat und deren Inhalt nicht kannte.

    Relevanz für die Praxis

    Das Urteil des LG Münster ist ein wichtiges Signal für Steuerberater, die sich mit unkooperativen Mandanten konfrontiert sehen, die im Nachhinein versuchen, eigene Versäumnisse auf den Berater abzuwälzen. Es stellt klar: Die Mitwirkungspflicht des Mandanten ist zentrale Voraussetzung für eine ordnungsgemäße steuerliche Beratung. Ohne vollständige und rechtzeitige Übergabe relevanter Unterlagen kann kein wirksamer Auftrag zur Erstellung von Steuererklärungen entstehen. Dass die Buchführung von der Ehefrau des Mandanten geführt wurde, ohne dem Berater die nötigen Daten zur Verfügung zu stellen, entbindet diesen von jeglicher Haftung. Das Gericht betont, dass ein Steuerberater nicht für den Erfolg haftet, sondern eine Dienstleistung schuldet ‒ insbesondere dann, wenn Fristen oder Zuständigkeiten nicht ausdrücklich vereinbart wurden. Die Entscheidung schützt Berater vor pauschalen Regressforderungen, wenn Mandanten ihre eigenen Pflichten vernachlässigen, z. B. durch unterlassene Belegübermittlung oder fehlende Rückmeldung auf Rückfragen. Dieses Urteil schafft Klarheit darüber, dass Schadenersatz nur bei klarer Pflichtverletzung möglich ist ‒ und nicht als Folge unspezifischer Vorwürfe im Nachhinein.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2025 | Seite 145 | ID 50389006