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Kein Recht auf Akteneinsicht und Auskunft bei anonymer Anzeige
von OStA a.D. Raimund Weyand, St. Ingbert
| Steuerpflichtige haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Einsicht in oder Auskunft über den Inhalt einer anonymen Anzeige, wenn berechtigte Geheimhaltungsinteressen des Hinweisgebers oder der Finanzverwaltung überwiegen (BFH 15.7.25, IX R 25/24). |
Sachverhalt
Ein als OHG geführter Gastronomiebetrieb war Ziel einer beim FA vorgelegten anonymen Anzeige. Die Behörde führte daraufhin eine Kassen-Nachschau (§ 146b AO) durch, die beanstandungsfrei verlief. Das Unternehmen beantragte Akteneinsicht und verlangte Auskunft über die personenbezogenen Daten in der Anzeige, um Einzelheiten zu deren Inhalt und Verfasser zu erfahren. Vor dem BFH blieb die Klage gegen die abschlägige Entscheidung des FA ‒ wie in der Vorinstanz (FG Berlin-Brandenburg 25.9.24, 16 K 16096/23) ‒ ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Ein generelles Recht auf Einsicht in Akten oder Auskunft über den Inhalt einer anonymen Anzeige gibt es nicht. Das FA muss vielmehr im Einzelfall abwägen, ob das Interesse des Steuerpflichtigen an Informationen schwerer wiegt als die Geheimhaltungsinteressen Dritter. Das Steuergeheimnis (§ 30 AO) umfasst auch den Schutz des Anzeigeerstatters (st. Rspr.; s. grundlegend BFH 8.2.94, VII R 88/92). Der Senat betonte erneut, dass die Funktionsfähigkeit der Steuerverwaltung darauf angewiesen ist, dass Hinweise anonym abgegeben werden können. Eine Offenlegung würde die Bereitschaft potenzieller Hinweisgeber erheblich verringern.
Auch datenschutzrechtlich ergibt sich kein weitergehender Anspruch. Zwar können in einer Anzeige personenbezogene Daten enthalten sein, doch ist der prinzipiell nach Art. 15 DSGVO bestehende Auskunftsanspruch gegenüber der Finanzverwaltung durch § 32c AO eingeschränkt. Diese Vorschrift erlaubt die Limitierung von Betroffenenrechten, wenn dies zur Wahrung des Steuergeheimnisses oder zur Sicherstellung wirksamer Kontrollen notwendig ist. Der BFH sieht diese Regelung als mit der DSGVO vereinbar an.
Nach Auffassung des Gerichts würde eine Einsicht in die Anzeige häufig Rückschlüsse auf die Identität des Hinweisgebers zulassen. Dessen Schutz wiegt daher regelmäßig schwerer als das Informationsinteresse des Steuerpflichtigen, insbesondere wenn ‒ wie im vorliegenden Fall ‒ keine Nachteile oder Falschbehauptungen nachweisbar sind. Auch der Anspruch auf eine Kopie der Anzeige nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO lehnte der BFH ab, weil diese Vorschrift keinen eigenständigen Anspruch begründet.
Relevanz für die Praxis
Ein zwingender Anspruch auf Offenlegung kommt nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, so bei bewusst falschen Anzeigen, die den Tatbestand des § 164 StGB erfüllen. Hier gilt das Steuergeheimnis nicht (§ 30 Abs. 5 AO).