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  • · Fachbeitrag · Finanzgerichtliche Verfahren

    Neudefinition des Streitwertbegriffs im GKG: Änderungen und Folgen für die Praxis

    von Dipl.-Finw. Walter Jost, Rehlingen

    | In einem finanzgerichtlichen Verfahren bestimmt sich der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache (§ 52 Abs. 1 GKG). Dieser gilt jedoch nicht nur für die Abrechnung der Gerichtsgebühren, sondern auch für die Abrechnung eines finanzgerichtlichen Verfahrens bzw. des außergerichtlichen Vorverfahrens (§ 45 StBVV i.V. mit § 23 Abs. 1 S. 3 RVG). Der Gesetzgeber hat mit dem Inkrafttreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes (2. KostRMoG) zum 1.8.13 den Streitwert teilweise neu definiert. Welche Fälle aber sind davon betroffen? |

    Definitionen der Streitwertbegriffe

    Im finanzgerichtlichen Kostenrecht gibt es fünf wesentliche Streitwertbegriffe.

     

    Eingangsstreitwert

    Der Eingangsstreitwert bemisst sich nach der ersten Stufe der Tabelle. Bei der StBVV sind das 300 EUR, im RVG und GKG 500 EUR.

     

    Hauptsachenstreitwert

    Der Hauptsachenstreitwert muss nur in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ermittelt werden. Hier beträgt der Streitwert nach herrschender Meinung grundsätzlich 10 % des Streitwerts in der Hauptsache. Ist kein Hauptsacheverfahren anhängig, muss der Streitwert fiktiv ermittelt werden.

     

    Mindeststreitwert

    Der Mindeststreitwert wurde für ab dem 1.8.13 anhängig gemachte Verfahren von 1.000 auf 1.500 EUR deutlich angehoben. Zum gleichen Zeitpunkt wurde die Anwendung des Mindeststreitwerts in Verfahren nach § 155 S. 2 FGO sowie - und das ist erheblich - in Kindergeldangelegenheiten ausgenommen. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes greift der Mindeststreitwert nach ständiger Rechtsprechung ebenfalls nicht.

     

    MERKE | Der Mindeststreitwert gilt für das Verfahren, unabhängig davon, wie viele Streitgegenstände ein solches Verfahren beinhaltet: ein Aktenzeichen = ein Verfahren.

     

    Auffangwert

    Der Auffangwert blieb durch das 2. KostRMoG unberührt. Er beträgt weiterhin 5.000 EUR. Im Gegensatz zum Mindeststreitwert wird dieser jedoch für jeden Verfahrensgegenstand angesetzt. Er findet z.B. dann Anwendung, wenn Schätzungsbescheide erlassen und weder im Einspruchs- noch im Klageverfahren Steuererklärungen eingereicht werden. Hier wird dann pro Kalenderjahr und pro Steuerart jeweils der Auffangwert angesetzt. Das kann teuer werden.

     

    Tatsächlicher Streitwert

    Der tatsächliche Streitwert bemisst sich grundsätzlich nach der Bedeutung der Sache und wird nach Ermessen bestimmt. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 S. 1 GKG). Der Streitwert wurde nunmehr angehoben, denn künftig sind nicht nur die direkt auf den angefochtenen Verwaltungsakt bezogenen Auswirkungen für den Kläger zu berücksichtigen, sondern auch die „offensichtlich absehbaren Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte“. Begrenzt hat der Gesetzgeber den Betrag jedoch auf das Dreifache des ursprünglichen Werts nach § 52 Abs. 3 S. 1 GKG.

    Für welche finanzgerichtlichen Verfahren gilt die neue Regelung?

    Es geht - dies scheint eindeutig - nur um die Fälle, in denen der Antrag des Klägers einen Verwaltungsakt mit einer bezifferten Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft. Nach dem Gesetzeswortlaut ebenfalls eindeutig ist, dass nur die offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger mit einzubeziehen sind. Aber was sind denn eigentlich „offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen“?

    Auslegungsfähige Begriffe in der Neudefinition

    Mit den folgenden Begriffen lässt der Gesetzgeber Sie allein. Das wird unweigerlich zu einer Vermehrung von Streitwertfestsetzungsanträgen an die Finanzgerichte führen, die letztendlich nach pflichtgemäßem Ermessen darüber entscheiden müssen, ob alle Kriterien für eine Streitwerterhöhung erfüllt sind.

     

    Betrachtet man den Begriff „offensichtlich absehbar“, so muss man feststellen, dass diese Regelung sehr auslegungsfähig ist. Für wen muss die Auswirkung „offensichtlich absehbar“ sein? Ist es für den Kläger selbst, seinen Prozessvertreter, den Beklagten oder nur den Kostenbeamten des Gerichts? Oder muss er für alle „offensichtlich“ sein? Müssen z.B. Steuerakten der nichtstreitigen Jahre angefordert werden oder gelten nur die offenbaren Auswirkungen, die sich aus der Finanzgerichtsakte ergeben?

     

    Auch der so eindeutig scheinende Begriff „zukünftig“ lässt direkt die Frage aufkommen, ob zukünftige Auswirkungen nur in Folgejahren auftreten können oder bereits im Rahmen der Folgebescheidregelung. Sind bei einer Änderung des Körperschaftsteuerbescheids also auch die Auswirkungen bei der Gewerbesteuer zu berücksichtigen, obwohl diese nicht streitgegenständlich ist? Wird die bisher außer Betracht gelassene Kirchensteuer (weil Folgesteuer) nunmehr doch mit einbezogen, da der Kirchensteuerbescheid aufgrund eines geänderten Einkommensteuerbescheids ja ebenso mit einer geänderten Festsetzung erlassen wird?

    Folgen für die Finanzgerichtsbarkeit

    Wie Sie sehen können, ist die neu eingeführte Regelung in § 52 Abs. 3 GKG für die Finanzgerichtsbarkeit schwierig. Auch wenn der Gesetzgeber die Erhöhung des eigentlichen Streitwerts auf den dreifachen Wert begrenzt, ist eine genaue Berechnung der zukünftigen Auswirkungen unrealistisch, zeitaufwendig und i.d.R. gar nicht durchführbar. Nach Ansicht des Autors werden sich die Finanzgerichte dieser Vorschrift nur selten widmen. Und auch Sie werden voraussichtlich weitestgehend davon Abstand nehmen, da der Ertrag einer solchen Berechnung den Aufwand nicht rechtfertigt.

    Besonders schwierig: Kindergeldfälle

    Für die Finanzgerichte wird die Regelung vor allem in Kindergeldfällen schwierig, da diese nach dem Willen des Gesetzgebers sozialverträglich gestaltet werden sollen. Daher wurden diese Fälle durch § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG auch vom Mindeststreitwert ausgenommen. Es gibt aber häufig Kindergeldfälle, in denen sich der Klageantrag auch in die Zukunft richtet. Wird z.B. beantragt, Kindergeld ab September 2013 weiterhin festzusetzen, da das Kind behindert ist, hat dies im Erfolgsfall unweigerlich auch Auswirkungen für die Zukunft. Hier müsste man gemäß § 52 Abs. 3 S. 2 GKG letztendlich das Dreifache des eigentlichen Streitwerts ansetzen. Damit wiederum kämen viele Kindergeldfälle aber über den Mindeststreitwert. Man darf auf die Rechtsprechung in diesen Fällen gespannt sein.

    Fazit: Kriterien für die Streitwertbemessung präzisieren

    Zusammenfassend und unter Berücksichtigung der Schwierigkeit der Anwendbarkeit des § 52 Abs. 3 S. 2 GKG vertritt der Autor folgende Auffassung. Bei der Streitwertbemessung bleiben weiterhin unberücksichtigt:

     

    • Auswirkungen auf andere Steuerarten, die nicht Klagegegenstand sind
    • Auswirkungen auf andere Veranlagungsjahre
    • Auswirkungen im Rahmen der Folgebescheidregelung
    • Auswirkungen auf andere Personen

     

    In der Praxis wird es i.d.R. an der „offensichtlichen Absehbarkeit“ fehlen. Für die Kindergeldverfahren sollten die Finanzgerichte Wege finden, den Gesetzgeber in seiner nachvollziehbaren Intension, Kindergeldfälle sozialverträglich zu gestalten, zu unterstützen. Nach Ansicht des Autors schlägt die Vorschrift aufgrund der „offensichtlichen Absehbarkeit“ in finanzgerichtlichen Verfahren i.d.R. fehl und wird wohl nur selten Anwendung finden.

     

    Weiterführende Hinweise

    • „Das 2. KostRMoG: Vorab fällige Verfahrensgebühr in Kindergeldsachen?“ in KP 14, 24
    • „Abrechnung eines finanzgerichtlichen Verfahrens bei unterschiedlichen Streitwerten“ in KP 13, 187

    Zum Autor | Walter Jost istAutor von „Vergütungs- und Kostenrecht im FG- und BFH-Verfahren - Ratgeber für Steuerberater und Rechtsanwälte“, 4. Auflage (Erich Schmidt Verlag, Berlin 2014).

    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 82 | ID 42566050

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