Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Finanzgerichtliche Verfahren

    Ist eine „Nachberechnung“ der vorab fälligen Verfahrensgebühr zulässig?

    von Dipl.-Finanzwirt Walter Jost, Rehlingen-Siersburg

    | Weit über die Hälfte der bei den FG eingelegten Klagen beinhalten keinen konkreten Klageantrag. Wird der Streitwert erst im laufenden Verfahren näher beziffert bzw. in späteren Schriftsätzen ein Klageantrag gestellt, stellt sich die Frage, ob die bereits ergangene Rechnung über die vorab fällige Verfahrensgebühr geändert werden darf oder ob dies erst nach Beendigung des Verfahrens erlaubt ist. Gleiches gilt, wenn die beklagte Behörde während eines finanzgerichtlichen Verfahrens einen (Änderungs)bescheid erlässt, der zum Anlass genommen wird, die Klage zu erweitern. |

    Rechtslage

    Nach § 52 Abs. 5 GKG sind, „solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nr. 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, die Gebühren vorläufig nach dem in Abs. 4 Nr. 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.“ In finanzgerichtlichen Verfahren wird der Streitwert weder zu Beginn noch im Laufe eines Verfahrens festgesetzt (vgl. § 63 Abs. 1 S. 1 und 3 GKG). In Kindergeldfällen und in Fällen des § 155 S. 2 FGO gilt der Mindeststreitwert nicht.

    Folgen für die Praxis

    Aufgrund von § 52 Abs. 5 GKG müssen die Kostenbeamten des Gerichts bei Eingang der Klageschrift überprüfen, ob sich der tatsächliche Streitwert bereits ermitteln lässt. Ist das der Fall, wird dieser ‒ unter Beachtung des Mindeststreitwerts ‒ als Grundlage für die Erhebung der vorab fälligen Verfahrensgebühr genommen. Somit ist die Rechnung über die vorab fällige Verfahrensgebühr entweder ausgehend vom Mindeststreitwert (1.500 EUR) oder vom tatsächlichen, höheren Streitwert zu errechnen. Nur in Kindergeldfällen oder in den Fällen des § 155 S. 2 FGO ist ein geringerer Streitwertansatz möglich.

     

    Wird in der Klageschrift der über dem Mindeststreitwert liegende Wert angegeben oder lässt er sich ermitteln, wird dieser von den FG bereits bei der Erhebung der vorab fälligen Verfahrensgebühr angesetzt. Um zu vermeiden, dass sofort zu Beginn des Verfahrens die vollen Gebühren erhoben werden, verzichten aber immer mehr Prozessvertreter in der Klageschrift auf die Angabe des Streitwerts oder die Stellung eines Klageantrags. Daher ergeht i. d. R. seitens der FG die Rechnung über die vorab fällige Verfahrensgebühr ausgehend vom Mindeststreitwert.

     

    Beachten Sie | Auf Basis des Mindeststreitwerts von 1.500 EUR ergeben sich damit 284 EUR, die sofort zu entrichten sind.

     

    Manche FG ändern aber die von ihnen bereits übersandte Rechnung, sobald sich der Streitwert aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt. Aber: Ist das rechtens?

    Fälligkeit und Erhebung der Gebühren

    Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 GKG wird die Verfahrensgebühr mit der Einreichung der Klageschrift oder mit Abgabe der entsprechenden Erklärung fällig. Nach § 15 Abs. 1 KostVfg sind ‒ soweit nichts anderes bestimmt ist ‒ die Kosten alsbald nach Fälligkeit anzusetzen. Der Begriff „alsbald“ ist nicht näher definiert und gewährt den Gerichten somit eine gewisse Freiheit, wann die Kosten erhoben werden. Nach Meinung des Autors ist „alsbald“ i. d. R. mit „innerhalb von sechs Wochen“ auszulegen. Demnach wären die FG unter Beachtung des § 52 Abs. 5 GKG gehalten, innerhalb dieses Zeitraums eine Rechnung über die vorab fällige Verfahrensgebühr zu erlassen, um nicht gegen § 15 Abs. 1 KostVfg zu verstoßen.

    Berichtigung der Kostenrechnung

    Auch in § 15 Abs. 4 S. 1 KostVfg wird festgehalten, dass sofern der Streitwert noch nicht ermittelbar ist, dieser „unter dem Vorbehalt späterer Berichtigung“ mit einer vorläufigen Wertannahme angesetzt wird. Des Weiteren wird in S. 2 bestimmt, dass auf eine rechtzeitige Berichtigung zu achten ist. Dabei wird unter anderem auf § 20 GKG verwiesen (andere Bezüge gelten nicht für finanzgerichtliche Verfahren). Das Wort „rechtzeitig“ soll dabei nach Meinung des Autors nur auf eventuelle Fristen hinweisen, zu denen der Erlass einer Gerichtskostenrechnung noch möglich ist (vgl. § 5 GKG Verjährung, Verzinsung). Das Wort „rechtzeitig“ steht also inhaltlich nicht für „zügig“, „alsbald“ oder „unmittelbar“.

     

    • (1) Wegen eines unrichtigen Ansatzes dürfen Kosten nur nachgefordert werden, wenn der berichtigte Ansatz dem Zahlungspflichtigen vor Ablauf des nächsten Kalenderjahrs nach Absendung der den Rechtszug abschließenden Kostenrechnung (Schlusskostenrechnung), in Zwangsverwaltungsverfahren der Jahresrechnung, mitgeteilt worden ist. Dies gilt nicht, wenn die Nachforderung auf vorsätzlich oder grob fahrlässig falschen Angaben des Kostenschuldners beruht oder wenn der ursprüngliche Kostenansatz unter einem bestimmten Vorbehalt erfolgt ist.
    • (2) Ist innerhalb der Frist des Abs. 1 ein Rechtsbehelf in der Hauptsache oder wegen der Kosten eingelegt worden, ist die Nachforderung bis zum Ablauf des nächsten Kalenderjahrs nach Beendigung dieser Verfahren möglich.
    • (3) Ist der Wert gerichtlich festgesetzt worden, genügt es, wenn der berichtigte Ansatz dem Zahlungspflichtigen drei Monate nach der letzten Wertfestsetzung mitgeteilt worden ist.
     

    § 20 Abs. 1 S. 1 GKG lässt also eine Berichtigung einer Kostenrechnung zu, die einen unrichtigen Ansatz beinhaltet. Erhebt das Gericht jedoch eine vorab fällige Verfahrensgebühr und hat es zu dem Zeitpunkt des Erlasses der Kostenrechnung § 52 Abs. 5 GKG korrekt angewendet, so kann nach Meinung des Autors auch dann nicht von einem unrichtigen Ansatz gesprochen werden, wenn sich im Laufe des Verfahrens ein höherer Streitwert herausstellen sollte. Zudem geht § 20 Abs. 1 S. 1 GKG davon aus, dass die Berichtigung nach Absendung der Schlusskostenrechnung erfolgen soll und nicht im laufenden Verfahren. Auch § 20 Abs. 1 S. 2 GKG lässt nur die Berichtigung eines unrichtigen Ansatzes zu, wenn die Nachforderung auf vorsätzlich oder grob fahrlässig falschen Angaben des Kostenschuldners beruht oder wenn der ursprüngliche Kostenansatz unter einem bestimmten Vorbehalt erfolgt ist.

     

    Zwar steht in § 52 Abs. 5 GKG, dass die Gebühren vorläufig nach dem in Abs. 4 Nr. 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen sind; dies stellt jedoch keinen „Vorbehalt“ in oben genanntem Sinne dar. Auch widerspräche eine solche Auslegung dem Sinn und Zweck des § 20 GKG, denn diese Vorschrift soll den Kostenschuldner gegen eine verspätete Nachforderung von Gerichtskosten schützen. Letztlich kann also § 15 Abs. 4 S. 1 KostVfg nicht für eine Berichtigung der Kostenrechnung über die vorab fällige Verfahrensgebühr herhalten.

    Ständige Anpassung: unerwünscht und aufwendig

    Es würde dem Sinn und Zweck einer „vorab fälligen Verfahrensgebühr“ widersprechen, wenn diese stetig angepasst werden dürfte und somit jeweils die maximal vollen (nämlich 4,0 nach KV-Nr. 6110 GKG) Gebühren bereits im Laufe des Verfahrens erhoben werden. Abgesehen davon entsteht durch eine entsprechende Handhabung innerhalb der FG ein erheblicher Verwaltungsaufwand. Die Kostenbeamten müssten quasi die Verfahren überwachen und die ursprüngliche Rechnung ändern, sobald sich der Streitwert ermitteln lässt. Dies würde zu einem sehr umständlichen sowie unübersichtlichen Verfahrensablauf führen und weitere Verzögerungen bei der Bearbeitung des Falls durch den Richter bedeuten. Zudem käme es in den Fällen von Klagerücknahmen, Hauptsachenerledigungen oder Quotelungen der Kostenpflicht immer zu Rückerstattungen, die nicht nur zusätzliche Arbeit bei den FG, sondern auch bei den Justizkassen und den Prozessbevollmächtigten mit sich bringen.

     

    FAZIT | Der Gesetzgeber hat durch die Einführung des § 52 Abs. 5 GKG für Ungerechtigkeiten gesorgt. Bei lediglich fristwahrend eingelegten Klagen wird derzeit nur der Mindeststreitwert angesetzt, und es werden Gebühren in Höhe von 284 EUR erhoben. Klagen, die hingegen schon einen bezifferten Klageantrag enthalten oder die Berechnung des tatsächlichen Streitwerts ermöglichen (z. B. durch Beifügung des angefochtenen Bescheids), erhalten eine Rechnung, die vom tatsächlichen Streitwert ausgeht und somit die vollen Gebühren umfasst. Die Berichtigung einer Rechnung über eine vorab fällige Verfahrensgebühr hält der Autor jedoch nicht für rechtens. Diese Auffassung wird gestützt durch eine BFH-Entscheidung (19.7.16, IV E 2/16, Abruf-Nr. 188830). Dieser hat entschieden, dass für die vorab fällige Verfahrensgebühr der seitens des FG errechnete Streitwert maßgebend ist und nicht der von der Kostenstelle des BFH bereits errechnete tatsächliche Wert. Die dort ebenfalls vertretene Auffassung, dass im Fall von Feststellungsbescheiden (deren Streitwerte werden in der Regel pauschaliert) oder Gewerbesteuermessbescheiden grundsätzlich der Mindeststreitwert anzusetzen ist und dieser auch noch pro Verfahrensgegenstand gelten soll, teilt der Autor nicht. Diesbezüglich dürfte es sich um eine Einzelfallentscheidung handeln, die darüber hinaus keine Anwendung findet (vgl. auch FG Sachsen-Anhalt 14.9.15, 3 KO 964/15, Urteil unter dejure.org).

     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2017 | Seite 116 | ID 44612725

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents