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  • · Fachbeitrag · Checklisten

    Durchsuchung: Durchsicht von Daten und Durchsuchung bei Dritten

    von RAin Anne Laurinat und Dr. Johannes Stalberg, Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Köln

    | Im Anschluss an die Checklisten zur Durchsuchung von Tsambikakis ( PStR 12, 255 ) folgen zwei weitere Hilfsmittel. Sind die Beweismittel erst einmal gesichert, stellt sich die Frage, wer die Unterlagen sichten darf und wie weit die Befugnisse der Ermittler reichen. Darüber hinaus sind an eine Durchsuchung, die nicht beim Verdächtigen, sondern bei einem nicht verdächtigen Dritten vollzogen werden muss, strengere rechtliche Maßstäbe anzulegen. |

     

    Checkliste / Durchsicht von Daten

    § 110 StPO regelt die Befugnisse, Papiere des von der Durchsuchung Betroffenen durchzusehen und damit Einblick in ihren Inhalt zu erhalten. Die Durchsicht dient der Prüfung, was als Beweisgegenstand in Betracht kommt - ob eine richterliche Beschlagnahme zu beantragen ist oder die Papiere zurückgegeben werden müssen. Auch wenn der Wortlaut anderes vermuten lässt, ist § 110 StPO nicht auf Durchsuchungen beschränkt, sondern soll entsprechende Anwendung finden auf Papiere, die auf anderem Weg in den Gewahrsam der Strafverfolgungsbehörden gelangt sind. Liegt bereits ein richterlicher Beschlagnahmebeschluss vor und sind die Papiere dort konkret benannt, stellt die Kenntnisnahme vom Inhalt keine Durchsicht i.S. des § 110 StPO dar. Die Durchsicht ist zeitlich begrenzt. Sie muss zwar nicht innerhalb der Sechsmonatsfrist (BVerfG 30.1.02, 2 BvR 2248/00, NStZ 02, 377, 378), wohl aber in angemessener Zeit beendet sein (BGH 5.8.03, StB 7/03, NStZ 03, 670, 671).

    • 1. Was wird durchgesehen?

    § 110 StPO gilt für Papiere im Gewahrsam (nicht notwendigerweise im Eigentum) des Betroffenen. Unerheblich ist, ob bei dem Beschuldigten oder bei einem Dritten durchsucht wird.

    Der Begriff „Papiere“ ist weit zu verstehen. Er umfasst alles, was wegen seines Gedankeninhalts Bedeutung hat und auf Papier geschrieben ist. Darunter fallen insbesondere: Briefe, Tagebücher, Inventuraufstellungen, Bilanzen, Buchungsunterlagen, Werk- und Lagezeichnungen oder -skizzen. Ausnahmen gelten dort, wo der Inhalt nicht mehr der Geheimhaltung unterliegt, sondern bereits öffentlich gemacht wurde (z.B. Druckwerke, im Handel erhältliche Bücher; persönliche Anmerkungen unterfallen wiederum § 110 StPO). Auch elektronische Datenträger oder Datenspeicher sind von der Norm erfasst, etwa USB-Sticks, CDs/CD-Roms, Disketten und Notebooks, auch Tonträger und Magnetbänder. Zur Vorlage bei Behörden bestimmte Unterlagen (z.B. Personalausweis, Führerschein) unterfallen § 110 StPO dagegen nicht.

    • 2. Werden die Papiere vom Staatsanwalt oder von anderen Personen gesichtet?

    Grundsätzlich sind der Staatsanwalt oder auf dessen Anordnung seine Ermittlungspersonen i.S. des § 152 GVG zur Durchsicht von Papieren befugt (§ 110 Abs. 1 StPO). Wer Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft (StA) ist, bestimmen die einzelnen Landesregierungen durch Rechtsverordnung. Es sind regelmäßig Polizeibeamte, nicht alle Polizeibeamten sind jedoch gleichzeitig Ermittlungspersonen. Daneben können auch Zoll- und Finanzbeamte, Beamte der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsverwaltung, Beamte der Bergämter oder der Forst- und Fischereiverwaltungen etc. zu den Ermittlungspersonen zählen. Abzeichen oder spezielle Ausweise für die Eigenschaft als Ermittlungsperson existieren nicht; teilweise enthalten Polizeidienstausweise einen entsprechenden Hinweis. Neben der StA bleibt auch der Richter zuständig, was in der Praxis jedoch nur selten zum Tragen kommt.

    In Zoll- und Steuerstrafverfahren sind auch die Zollfahndungsämter und die Steuerfahndung zur Durchsicht befugt (§ 404 S. 2 AO). Deren Beamte haben die Befugnis nur, soweit sie für die Fahndungsstelle in deren Auftrag tätig werden oder ihnen als Ermittlungspersonen der StA die Durchsicht durch Anordnung übertragen wurde.

    Der Staatsanwalt darf sich bei der Durchsicht der Hilfe von Dolmetschern, Wirtschaftsreferenten und Sachverständigen bedienen. Das bedeutet jedoch nicht, dass diesen die Entscheidung über die Durchsicht oder die Auswahl der zu beschlagnahmenden Dateien überlassen werden darf.

    Bei Durchsicht durch Ermittlungspersonen der StA: Liegt eine Anordnung des Staatsanwalts vor?

    Sofern Ermittlungspersonen der StA die Papiere durchsehen wollen, ist darauf zu achten, dass die erforderliche Anordnung des Staatsanwalts vorliegt. Es soll allerdings ausreichen, wenn die Anordnung fernmündlich oder vorab erfolgt, dennoch sollte sie aber in der Akte dokumentiert sein. Ohne Anordnung stehen die Ermittlungspersonen anderen Dritten gleich, sodass es darauf ankommt, ob der Inhaber einer Durchsicht zustimmt.

    Bei Durchsicht durch Dritte: Liegt die Genehmigung des Inhabers vor?

    Sofern Dritte die Papiere durchsehen wollen, stellt sich die Frage, ob die Durchsicht durch den Inhaber genehmigt werden sollte (§ 110 Abs. 1 S. 1 StPO). Denn häufig werden die durchsuchenden Beamten darauf verweisen, dass die Unterlagen andernfalls zur Durchsicht in die Räume der Staatsanwaltschaft verbracht werden müssten - und zwar häufig in größerem Umfang als erforderlich.

    Die Genehmigung kann beschränkt, etwa für bestimmte Beamte oder bestimmte Papiere, erteilt und widerrufen werden. Eine Genehmigung des Vertreters reicht nicht aus. Wird keine Genehmigung erteilt, müssen die Beamten die Papiere, deren Durchsicht sie für geboten erachten, verschlossen an die StA abliefern, § 110 Abs. 2 S. 2 StPO. Die vorgefundenen Papiere dürfen dann lediglich nach äußeren Merkmalen ausgesondert werden; eine inhaltliche grobe Sichtung ist unzulässig.

    • 3. Werden Unterlagen mitgenommen?

    Sofern Unterlagen mitgenommen werden, kann dies auf Grundlage eines richterlichen Beschlagnahmebeschlusses, zum Zweck der Beschlagnahme (die Durchsicht ist bereits erfolgt) oder zur Durchsicht (die Beamten sind nicht zur Durchsicht befugt oder die Unterlagen sind zu umfangreich) geschehen. Der Betroffene sollte die Unterlagen in jedem Fall exakt erfassen und bei Bedarf kopieren.

    Mitnahme auf Grundlage eines richterlichen Beschlagnahmebeschluss

    Sofern bestimmte Papiere auf Grundlage eines richterlichen Beschlagnahmebeschlusses mitgenommen werden sollen, sodass § 110 StPO keine Anwendung findet, ist zu prüfen, ob ein solcher richterlicher Beschluss tatsächlich vorliegt und ob die Papiere überhaupt von diesem erfasst sind.

    Mitnahme zum Zweck der Beschlagnahme

    Sind die Papiere bereits am Durchsuchungsort gesichtet worden, kann unmittelbar über die Beschlagnahme entschieden werden. Der Staatsanwalt darf die Beschlagnahme mangels Gefahr im Verzug aber regelmäßig nicht selbst vornehmen, sondern hat die als Beweismittel in Betracht kommenden Unterlagen dem Richter mit dem Antrag auf Beschlagnahme vorzulegen.

    Mitnahme zur Durchsicht

    Schließlich können die Papiere oder Teile davon auch zur Durchsicht in die Diensträume der StA mitgenommen werden - bei umfangreichen Geschäftsunterlagen kann dies angesichts der sonst teilweise erheblichen Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs von Vorteil sein.

    Die Mitnahme zur Durchsicht ist zwingend für die zur Durchsicht nicht befugten Beamten. Sie müssen die Papiere, deren Durchsicht sie für geboten erachten, versiegelt in einem Umschlag bzw. einer anderen angemessenen Verpackung (z.B. Zeichenrolle, Paket) der StA abliefern.

    Mitnahme zur Durchsicht:

    • Versiegelung

    Die Verpackung muss in Gegenwart des Inhabers mit dem Amtssiegel verschlossen werden. Gegebenenfalls ist anzuregen, zusätzlich zu dem Amtssiegel ein eigenes Siegel anzubringen. Bei Unternehmensdurchsuchungen kann es sich empfehlen, den Beamten für die Sichtung der Unterlagen einen Raum zur Verfügung zu stellen. Dort sollten die zur Durchsicht bestimmten Papiere deponiert und der Raum anschließend versiegelt werden.

    Mitnahme zur Durchsicht:Entsiegelung und Durchsicht

    Anders als früher sieht § 110 StPO nicht mehr vor, den Inhaber zur Teilnahme an Entsiegelung und Durchsicht aufzufordern. Dies schließt jedoch nicht aus, dem Inhaber die Gelegenheit zur Teilnahme zu geben. Das BVerfG hält die Einbeziehung des Inhabers jedenfalls im Einzelfall zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs für geboten (BVerfG 16.6.09, 2 BvR 902/06, NJW 09, 2431, 2437). Die Möglichkeit zur Teilnahme sollte frühzeitig angesprochen werden. Auch empfiehlt es sich, den Wunsch nach Teilnahme aktenkundig zu machen.

    Daneben kommt grundsätzlich auch eine Teilnahme des Verteidigers in Betracht, auf die dieser hinwirken sollte. Sie kann dazu dienen, frühzeitig zu erfahren, worauf es den Ermittlungsbehörden ankommt, und auf entlastende Unterlagen hinzuweisen. Zwar hat der Verteidiger kein Recht auf Teilnahme, bei Zustimmung des Inhabers wird es jedoch kaum einen durchschlagenden sachlichen Grund geben, den Verteidiger von der Teilnahme auszuschließen.

    • 4. Was passiert mit den Papieren, die nicht als Beweismittel in Betracht kommen oder einem Beschlagnahmeverbot unterliegen?

    Wenn eine Durchsicht noch in den Privat- bzw. Geschäftsräumen stattgefunden hat, ist darauf zu achten, dass diejenigen Papiere, die nicht als Beweismittel in Betracht kommen sowie insbesondere diejenigen, die einem Beschlagnahmeverbot unterliegen, sofort wieder ausgehändigt werden.

    Vor allem wenn geschützte Unterlagen betroffen sind, die einem Beschlagnahmeverbot unterliegen (insbesondere Schriftstücke von bzw. Schriftverkehr mit Rechtsanwälten, Steuerberatern, Ärzten etc.), muss der Betroffene aufmerksam sein. Besondere Brisanz kommt dabei der (Grob-)Sichtung von Verteidigerunterlagen zu. Wenn ein Beschlagnahmeverbot offensichtlich ist, dürfen die Papiere nicht gelesen werden. Jegliche Einsicht durch die Beamten ist augenblicklich zu unterbinden. Ist das Beschlagnahmeverbot nicht offensichtlich, kann eine begrenzte Sichtung noch zulässig sein. In Zweifelsfällen sollte daher angeregt werden, die problematischen Unterlagen zu versiegeln und dem Ermittlungsrichter zur Prüfung zuzuleiten.

    • 5. Durchsicht elektronischer Speichermedien (§ 110 Abs. 3 StPO)

    Die Durchsicht eines elektronischen Speichermediums darf auch auf hiervon räumlich getrennte Speichermedien, soweit auf sie von dem Speichermedium aus zugegriffen werden kann, erstreckt werden (§ 110 Abs. 3 S. 1 StPO). So etwa wenn der Speicherplatz auf einem Server im Intra- oder Internet liegt (z.B. Cloud-Computing, Cloud-Storage). Potenziell beweiserhebliche Daten dürfen anschließend gesichert, also gespeichert werden (§ 110 Abs. 3 S. 2 StPO).

    Voraussetzungen

    Voraussetzung für die Durchsicht ist, dass ansonsten der Verlust beweiserheblicher Daten droht. Die Daten müssen daher

    • für die Untersuchung von Bedeutung sein (können) und
    • es muss deren Verlust - etwa die Löschung von Daten vor Sicherstellung des externen Speichermediums - drohen.

    Daneben muss der externe Speicherplatz überhaupt von dem Zugangsgerät aus zugänglich sein, etwa beim Abruf von E-Mails durch Zugriff auf den Provider. Es genügt, wenn der Zugang durch vorgefundene Passwörter ermöglicht wird.

    Sonderfall: Zugriff auf Daten im Ausland

    Zum Teil befinden sich die Daten auf die zugegriffen werden soll im Ausland. Dabei ist zu differenzieren: Auf öffentlich zugängliche Daten darf zugegriffen werden, nicht öffentlich zugängliche Daten dürfen mit Zustimmung des Berechtigten gesichert werden (Art. 32 Cybercrime-Convention). Andernfalls bedarf es grundsätzlich eines

    förmlichen Rechtshilfeersuchens (Art. 31 Cybercrime-Convention). Um den Beweisverlust zu vermeiden, wird aber meist die umgehende Sicherung der Daten im Wege der vorläufigen Rechtshilfe erfolgen (Art. 29 Cybercrime-Konvention, in dringenden Fällen per Fax- oder E-Mail-Abfrage gemäß Art. 25 Abs. 2 Cybercrime-Konvention).

    Sonderfall: Inhaber des externen Speichermediums ist ein Dritter

    Zur Wahrung der Rechte des Inhabers ordnet § 110 Abs. 3 S. 2 StPO die entsprechende Anwendung des § 98 Abs. 2 StPO an: Der Beamte soll die Sicherung der externen Daten innerhalb von drei Tagen gerichtlich bestätigen lassen. Bestätigt das Gericht die Sicherung nicht, ist der alte Zustand durch Löschung der Daten oder Vernichtung des Datenträgers wiederherzustellen.

    • 6. Rechtsbehelfe

    Die Mitnahme zur Durchsicht ist Teil der Durchsuchung und noch keine Beschlagnahme, sondern bereitet diese erst vor. Da sie der StA bzw. ihren Ermittlungspersonen obliegt, ist analog § 98 Abs. 2 S. 2 StPO Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen. Schwerwiegende Verstöße gegen § 110 Abs. 1 und 2 StPO können zu einem Verwertungsverbot führen.

    Der Inhaber des elektronischen Speichermediums kann nach § 110 Abs. 3 S. 2 StPO i.V. mit § 98 Abs. 2 S. 2 StPO analog ebenfalls Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen, sofern bei der Durchsicht Daten gesichert wurden. Hierüber ist er entsprechend § 98 Abs. 2 S. 6 StPO zu belehren.

     

    Checkliste / Durchsuchung bei Dritten - Auffindung von Beweismitteln

    • 1. Schriftform des Durchsuchungsbeschlusses und Bekanntmachung

    Auch dem vom Grundrechtseingriff betroffenen Dritten ist der vollständige Durchsuchungsbeschluss mit seinen Gründen unmittelbar vor der Durchsuchung auszuhändigen, damit er die Durchsuchung vor Ort kontrollieren kann. Bei der Durchsuchung bei Dritten genügt es unter Berücksichtigung der Wahrung der Interessen des Beschuldigten zunächst nicht, dem Dritten nur die Beschlussformel des Beschlusses bekannt zu geben. Nur die Gründe selbst, insbesondere die Darlegung des Tatvorwurfs, können aber zum Schutz des Beschuldigten verkürzt erfolgen. Dies gilt auch, wenn durch eine vollständige Bekanntmachung der Durchsuchungszweck gefährdet würde. Auf die teilweise Weglassung der Gründe ist aber sodann hinzuweisen. Zum Verhalten bei Fehlen eines schriftlichen richterlichen Beschlusses siehe die Checkliste zur richterlichen Durchsuchung nach § 102 StPO (beim Verdächtigen; Tsambikakis, PStR 12, 255, 258).

    • 2. Wer ist zuständig?

    Bei der richterlichen Zuständigkeit und der Inanspruchnahme der Eilkompetenz durch den Staatsanwalt sowie seiner Ermittlungspersonen gelten keine Besonderheiten gegenüber der Durchsuchung nach § 102 StPO. Insofern siehe die Checklisten zur richterlichen Durchsuchung sowie nichtrichterlichen Durchsuchung bei Gefahr im Verzug (Tsambikakis, PStR 12, 255, 258).

    • 3. Ist der Beschluss mit einem Datum versehen?

    Die richterliche Anordnung verliert spätestens nach Ablauf eines halben Jahres ihre die Durchsuchung rechtfertigende Wirkung.

    • 4. Spricht der Beschluss den Beschuldigten oder einen Dritten an?

    Das Gesetz (§ 103 StPO) spricht von Durchsuchungen bei „anderen Personen“. Dies sind all diejenigen, die in Abgrenzung zu § 102 StPO nicht Verdächtige sind und deshalb kein Strafverfahren gegen sie geführt wird. Ein Blick auf die beschuldigte Person im Durchsuchungsbeschluss („gegen den …“) bringt zunächst Aufschluss darüber, wer Beschuldigter ist. Wer Dritter ist, muss so konkret wie möglich aufgeführt werden und findet sich in der Regel bereits in der Formel des Beschlusses bei der Angabe des Durchsuchungsobjekts („die Wohnung/Betriebsräume des …“). Die Zitierung der Norm „§ 103 StPO“ sowie die Personenverschiedenheit zwischen Beschuldigtem und Drittem zeigen, dass eine Durchsuchung bei Dritten vorliegt.

    Für Durchsuchungen bei juristischen Personen (als „andere Person“) gelten die niedrigeren Voraussetzungen des § 102 StPO, wenn der Beschuldigte im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs als deren Organ oder deren befugter Vertreter gehandelt hat. Dagegen sind die Maßstäbe des § 103 StPO anzuwenden, wenn die juristische Person Geschädigte oder aus sonstigen Gründen im Besitz von Beweismitteln ist.

    • 5. Sind Durchsuchungsobjekte und Tatvorwurf hinreichend genau bestimmt?

    Es gelten keine Besonderheiten gegenüber dem richterlichen Durchsuchungsbeschluss; insofern siehe die Checkliste zum richterlichen Durchsuchungsbeschluss (Tsambikakis, PStR 12, 255, 257).

    • 6. Sind die sicherzustellenden Beweismittel hinreichend konkret angegeben?

    Eine genaue Umschreibung, d.h. eine hinreichende Individualisierung der Beweismittel, ist stets erforderlich. Die allgemeine Aussicht, irgendwelche relevanten Beweismittel zu finden, rechtfertigt die in die Rechte des Dritten eingreifende Durchsuchung nicht. Da die Durchsuchung nach § 103 StPO nur zur „Beschlagnahme bestimmter Gegenstände“ zulässig ist, müssen die Angaben so weit konkretisiert werden, dass weder beim Betroffenen noch beim vollziehenden Beamten Zweifel über die zu suchenden und zu beschlagnahmenden Gegenstände entstehen können. Nicht das bloße Auffinden von Gegenständen ist das Ziel, sondern vielmehr die Beschlagnahme konkreter Gegenstände. Es ist es zwar nicht notwendig, dass sie in allen Einzelheiten umschrieben werden. Erforderlich ist jedoch, dass sie zumindest ihrer Gattung nach bestimmt sind (grundlegend: BGH 21.11.01, StB 20/01, NStZ 02, 216).Werden bei der Durchsuchung andere Beweismittel als die bezeichneten aufgefunden, dürfen auch diese beschlagnahmt werden, wenn sie dieselbe Straftat betreffen. Auch wenn sie andere Straftaten betreffen, dürfen sie als Zufallsfund nach § 108 StPO in Beschlag genommen werden.

    Bei zur Zeugnisverweigerung berechtigten Personen (Steuerberater nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO) dürfen keine Durchsuchungen zu dem Zweck vorgenommen werden, Mitteilungen, Schriftstücke, Aufzeichnungen und Gegenstände, die vom Beschlagnahmeverbot des § 97 erfasst sind, zu beschlagnahmen.

    • 7. Besonderes Augenmerk ist auf die Darstellung der Auffindungsvermutung zu legen

    Um den schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Sphäre des Dritten zu rechtfertigen, müssen im Durchsuchungsbeschluss konkrete Tatsachen (nicht bloß Vermutungen) genannt werden, aus denen sich ergibt, dass der gesuchte Beweisgegenstand bei dem unverdächtigen Dritten aufgefunden werden kann (grundlegend: BVerfG 28.4.03, 2 BvR 358/03, NJW 03, 2670). Dieser Schluss muss nicht zwingend, aber vertretbar sein. Im Gegensatz zur Durchsuchung beim Verdächtigen (§ 102 StPO) reicht hier die allgemeine Vermutung, dass die gesuchten Beweismittel gefunden werden könnten, nicht aus. Auch die abstrakte Klausel, aus den „vorliegenden Tatsachen“ ergebe sich die Vermutung, reicht nicht aus.

    • 8. Inwiefern muss der Beschluss Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit enthalten?

    Durchsuchungen bei Dritten müssen ebenso wie Durchsuchungen bei Berufsgeheimnisträgern (§ 53 StPO) Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit enthalten. Erhöhte Anforderungen sind in den Fällen des § 103 StPO aber nicht per se zu stellen. Soweit jedoch ein Berufsgeheimnisträger von der Durchsuchung betroffen ist - sei es als Beschuldigter oder Dritter - reicht grundsätzlich ein bloßer Anfangsverdacht oder die Begehung einer nur „leichten“ Straftat nicht mehr aus. Der Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Berufsgeheimnisträger und „Mandant“ bzw. „Patient“ bedarf im Interesse der Allgemeinheit besonderer Beachtung. Das Verhältnis dieser Rechtsprechung zum neu eingefügten § 160a StPO ist bislang noch ungeklärt.

    Ob der Dritte i.S. eines milderen Mittels vor der Durchsuchung aufgefordert bzw. ihm die Möglichkeit gegeben werden muss, die gesuchten Beweismittel freiwillig herauszugeben (Abwendungsbefugnis), ist im Hinblick auf die Durchsuchung bei Dritten in der Rechtsprechung noch nicht entschieden. Für die Durchsuchung beim Verdächtigen nach § 102 StPO gilt dies jedenfalls nicht (BVerfG 28.9.08, 2 BvR 1800/07, Rn 26; a.A. LG Berlin 24.7.03, 502 Qs 49/03, 502 Qs 50/03, NJW 03, 2695). Dennoch ist hierauf im Hinblick auf eine spätere etwaige Rechtsmitteleinlegung zu achten.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2012 | Seite 283 | ID 36185890

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