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  • · Fachbeitrag · Werbungskosten

    Reparaturkosten infolge Falschbetankung neben der Entfernungspauschale absetzbar

    von RiFG Prof. Dr. Volker Kreft, Dipl.-Finw., Bielefeld

    | Das FG Niedersachsen hat jüngst einer Klage stattgegeben, in der ein Steuerpflichtiger außergewöhnliche Kfz-Reparaturkosten neben der Entfernungspauschale als Werbungskosten berücksichtigt haben wollte. Die Aufwendungen waren dem Kläger entstanden, weil er auf dem Weg zur Arbeit falsch getankt und damit einen Motorschaden verursacht hatte. Das Gericht hat sich dabei gegen die zu diesem Problemkreis bisher ergangene FG-Rechtsprechung und die Auffassung der Finanzverwaltung gestellt und die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale auf gewöhnliche, laufende Kfz-Kosten beschränkt ( FG Niedersachsen 24.4.13, 9 K 218/12, Rev. BFH VI R 29/13 ). |

    1. Sachverhalt

    Der Kläger hatte auf dem Weg zur Arbeit sein Fahrzeug versehentlich mit Benzin statt mit Diesel betankt und dies erst kurz nach Fortsetzung der Fahrt bemerkt. Er gelangte noch bis zu einer nahe gelegenen Werkstatt, die den Motorschaden reparierte. Die Versicherung lehnte die Erstattung der Reparaturkosten von ca. 4.300 EUR ab, weil der Kläger seine Sorgfaltspflicht verletzt habe. Auch das Finanzamt erteilte dem Kläger eine „Abfuhr“. Es versagte den Werbungskostenabzug mit der Begründung, neben der Pendlerpauschale seien nur Kosten eines Unfalls abziehbar (BMF 3.1.13, IV C 5 - 
S 2351/09/10002 - DOK 2012/11700915, FR 13, 190, Tz. 4). Die Falschbetankung sei aber kein Unfall. Erst beim FG Niedersachsen fand der Kläger Gehör.

    2. Anmerkungen

    Seit Einführung der Entfernungspauschale haben sich bis heute zahlreiche Steuergerichte mit dem Umfang der Abgeltungswirkung befasst.

     

    2.1 Rechtsprechung des BFH

    Der BFH hatte bislang nur Fälle zu entscheiden, in denen es um den Bereich der gewöhnlichen, vorhersehbaren, laufenden Kfz-Kosten ging. Danach greift die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale selbst dann ein, wenn Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wegen atypischer Dienstzeiten zweimal arbeitstäglich erfolgen (BFH 11.9.03, VI B 101/03, BStBl II 03, 893 betr. Opernchorsänger). Eine Einschränkung des Anwendungsbereiches im Wege einer teleologischen Reduktion auf „normale“ oder „typische“ Arbeitsverhältnisse sei nicht möglich (BFH 11.9.12, VI B 43/12, BFH/NV 12, 2023).

     

    In 2010 hat der BFH die Abgeltungsreichweite der Entfernungspauschale insoweit präzisiert, als regelmäßig sämtliche mit dem Betrieb des Fahrzeugs verbundenen Aufwendungen abgegolten sind (BFH 15.4.10, VI R 20/08, BStBl II 10, 805). Diese Abgeltungswirkung erfasse auch eine Leasingsonderzahlung. Dagegen sei der Abzug der Kosten für ein in der Semestergebühr enthaltendes Semestertickets nicht von der Abgeltungswirkung des § 9 Abs. 2 S. 1 EStG erfasst, wenn die Entrichtung des mitenthaltenen Betrags auf einem anderen Veranlassungszusammenhang - z.B. der für das Studium erforderlichen Erlangung des Studentenstatus - beruhe (vgl. BFH 22.9.11, III R 38/08, BStBl II 12, 338).

     

    MERKE | Jedenfalls zur Rechtslage vor 2001 hat der BFH die Auffassung vertreten, dass in den alten Kilometerpauschbeträgen des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 1 EStG a.F. Unfallkosten und sonstige Kosten, die ihrer Natur nach außergewöhnlich sind und sich einer Pauschalierung entziehen, nicht berücksichtigt sind (BFH 22.9.10, VI R 54/09, BStBl. II 11, 354 zu Personalkosten für einen Chauffeur).

     

    2.2 Auffassung der anderen Finanzgerichte

    Die bislang mit der Rechtsproblematik befassten Finanzgerichte sind einhellig der Auffassung, dass durch außergewöhnliche Ereignisse wie Diebstahl, Unfall oder Motorschaden verursachte Aufwendungen auf dem Weg zur Arbeitsstelle nicht zusätzlich als Werbungskosten neben der Entfernungspauschale geltend gemacht werden können (vgl. u.a. FG München 21.4.09, 13 K 4357/07 betr. Motorschaden aufgrund vorzeitigem Verschleiß; FG Hamburg 5.7.06, 1 K 4/06, EFG 06, 1822 betr. auf der Fahrt zur Arbeit gestohlenem PKW; FG Nürnberg 4.3.10, 4 K 1497/08, EFG 10, 1125 betr. Verkehrsunfall auf dem Weg zur Arbeit; FG Hessen FG 18.3.05, 8 K 4194/04, DStRE 06, 258 betr. Diebstahl eines Motorrollers; FG Rheinland-Pfalz 29.5.08, 3 K 1699/05, DStRE 08, 1498 betr. Kfz-Unfall; siehe auch aktuell FG Münster 19.12.12, 
11 K 1785/11 F, EFG 13, 419, Rev. BFH: VIII R 12/13 betr. sog. Dreiecksfahrten).

     

    2.3 Auffassung des FG Niedersachsen

    Im Besprechungsfall ist das FG Niedersachsen der langjährigen FG-Rechtsprechung zur Abgeltung auch der außergewöhnlichen Kfz-Kosten nun entgegengetreten. Nach der Auffassung der Richter des 9. Senats können durch den Ansatz einer Entfernungspauschale nur solche Kosten abgegolten sein, die einer Pauschalierung überhaupt zugänglich sind. Deshalb kann die Abgeltungswirkung nur die gewöhnlichen (laufenden) Kfz-Kosten erfassen.

     

    MERKE |  

    Im Ergebnis hat das FG damit im Wege der Gesetzesauslegung die Rechtslage wiederhergestellt, die vor 2001 mehrere Jahrzehnte bestand. Danach waren neben der früheren Kilometerpauschale stets außergewöhnliche Wegekosten (z.B. Motorschaden, Diebstahl, Unfall) als Werbungskosten abzugsfähig (vgl. z.B. BFH 29.1.82, VI R 133/79, BStBl II 82, 325). Nach Überzeugung der Richter entspricht allein diese Auslegung dem in den Gesetzesmaterialien ausreichend klar zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzesgebers, der bei Einführung der Entfernungspauschale keine Schlechterstellung gegenüber der vorherigen Rechtslage bewirken wollte.

     

    Im Übrigen sei eine solche Auslegung auch verfassungsrechtlich geboten, da anderenfalls § 9 Abs. 2 S. 1 EStG einem Abzugsverbot für Werbungskosten gleichkomme. Für eine solche Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips fehle aber die erforderliche sachliche Rechtfertigung.

     

     

    PRAXISHINWEISE |  

    Da das Finanzamt aktuell die Möglichkeit der Revisionseinlegung wahrgenommen hat (Az. des BFH: VI R 29/13), darf man gespannt sein, ob der BFH die umfangreiche Begründung des FG teilt. Setzt sich die Auffassung des FG durch, wäre wie vor Einführung der Entfernungspauschale zwischen gewöhnlichen, laufenden Kfz-Kosten und außergewöhnlichen Kfz-Kosten zu unterscheiden:

     

    • Normale, voraussehbare Kosten, die dem Arbeitnehmer bei Benutzung des eigenen privaten PKW für berufliche Zwecke entstehen, sind danach abgegolten. Deshalb können insbesondere Benzin, Kfz-Steuer, Verschleißreparaturen, Haftpflichtversicherungsprämien, Parkgebühren, Leasinggebühren und AfA nicht neben der Entfernungspauschale als Werbungskosten abgezogen werden.

     

    • Etwas anderes würde danach für alle außergewöhnlichen Kfz-Kosten/-Schäden gelten. Außergewöhnlich sind nur solche Schäden, die nicht voraussehbar und damit für den Steuerpflichtigen unabwendbar sind, ohne dass es dabei auf den Grad des Verschuldens ankäme (BFH 29.1.82, VI R 133/79, BStBl II 82, 325). Dazu zählen Unfallkosten und sonstige Kosten, die ihrer Natur nach außergewöhnlich sind und sich einer Pauschalierung entziehen (z.B. außergewöhnlicher Motorschaden, Diebstahl, Beseitigung einer Beschädigung des während der Arbeitszeit auf dem Firmenparkplatz oder vor dem Betrieb geparkten Pkw o.Ä.). Solche Aufwendungen sollte der steuerliche Berater künftig neben der Entfernungspauschale als normale Werbungskosten geltend machen. Der Ansatz kommt in Betracht sowohl für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als auch für Familienheimfahrten im Rahmen einer beruflich begründeten doppelten Haushaltsführung.

     

    • Wichtiga | Bei Versagung des Abzugs sollte unter Hinweis auf die Besprechungsentscheidung Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens bis zur höchstrichterlichen Klärung beantragt werden.
     

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 220 | ID 39754140

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