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  • · Fachbeitrag · Kapitalgesellschaften

    Drohenden Untergang von Verlustvorträgen durch Mantelkauf mit Besserungsschein vermeiden

    von Prof. Dr. Dennis Klein Steuerberater, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Hannover/Toppenstedt

    | Verlustvorträge sind in der Praxis ein probates Mittel, um die Steuerlast zu senken. Das Steuersparpotenzial ist enorm. Im Jahr 2013 betrug das geschätzte Verlustvortragsvolumen rund 600 Mrd. EUR (Dorenkamp, 39. Berliner Steuergespräch, abrufbar über www.berlinersteuergespraeche.de ). Allerdings ist man dabei zahlreichen Verrechnungsbeschränkungen des Fiskus ausgesetzt. Während in einem früheren Beitrag Strategien für natürliche Personen im Mittelpunkt standen (vgl. GStB 15, 426 ), geht es hier um Strategien zur Verlustnutzung oder Verlustkonservierung bei Kapitalgesellschaften. |

    1. Verlustvernichtung durch Anteilsübertragung

    Systematisch ist die Ausgangslage bei natürlichen Personen bzw. Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften grundverschieden. Verlustvorträge gemäß § 10d EStG verfallen bei natürlichen Personen im Erbfall, da sie nicht vererblich sind (BFH 17.12.04, GrS 2/04, BStBl II 08, 608). Wegen des Trennungsprinzips und des Fortsetzungsprinzips dürften sich derartige Konsequenzen bei Kapitalgesellschaften eigentlich nicht ergeben (vgl. FG Hamburg 4.4.11, 2 K 33/10, DStR 10, 1172). Erst mit der endgültigen Liquidation und der Löschung im Handelsregister dürften bis dahin ungenutzte Verlustvorträge verfallen.

     

    MERKE | Der Gesetzgeber hat jedoch in Durchbrechung des Trennungsprinzips mit § 8c KStG Ausnahmetatbestände geschaffen, die für die Verlustnutzung zusätzlich auf die sog. wirtschaftliche Identität der Kapitalgesellschaft abstellen (BFH 30.11.11, I R 14/11, BStBl II 12, 360). Systematisch zwar ein Verstoß gegen Besteuerungsprinzipien - doch das Steuerrecht ist bekanntlich voll von Ausnahmen und Widersprüchen. Bei einem schädlichen Beteiligungserwerb von mehr als 25 % gehen bestehende Verlustvorträge daher quotal unter (§ 8c Abs. 1 S. 1 KStG), bei einem Anteilseignerwechsel von mehr als 50 % innerhalb von fünf Jahren sogar vollständig (§ 8c Abs. 1 S. 2 KStG).

     

    Anders als ursprünglich beim sog. Mantelkauf (Neyer, Der Mantelkauf, 2008, S. 37) geht es hierbei nicht ausschließlich um Kapitalgesellschaften, die nach anhaltender wirtschaftlicher Erfolglosigkeit ihren Geschäftsbetrieb eingestellt und außer ihrer formellen Hülle als wesentlichen „Wert“ nur noch die bestehenden Verlustvorträge führen. § 8c KStG soll nach dem Willen des Gesetzgebers keine bloße Missbrauchsbekämpfungsvorschrift sein, sondern die wirtschaftliche Identität zur Bedingung für die Verlustverrechnung machen (BMF 4.7.08, IV C 7 - S 2745 -a/08/10001, BStBl I 08, 736; Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG/GewStG/UmwStG, § 8c KStG Rn. 4).

     

    Beachten Sie | Für alle Kapitalgesellschaften stellt sich daher im Hinblick auf Unternehmensnachfolgeregelungen, Unternehmenserwerbe oder auch Sanierungen regelmäßig die Problematik, das vorhandene Verlustvortragsvolumen noch möglichst weitgehend zu nutzen (vgl. Roser in: Gosch (Hrsg.), KStG, 3. Aufl. 2015, § 8c Rn. 107).

    2. Verlustnutzung durch Forderungsverzicht

    Eine Strategie ist die möglichst frühzeitige Verlustverrechnung durch Generierung außerordentlicher Erträge (vgl. Stegemann, GStB 12, 55). Grenzen ergeben sich über § 8 Abs. 1 KStG zwar durch die Mindestbesteuerung des § 10d Abs. 2 EStG, zumindest teilweise lassen sich Verlustvorträge aber noch retten. Eine sich hierzu anbietende Variante ist der Forderungsverzicht mit Besserungsschein und erst anschließendem Verkauf des Gesellschaftsmantels. Zum Forderungsverzicht ist ein Erlassvertrag nach § 397 Abs. 1 BGB notwendig (BGH 19.3.87, IX ZR 166/86, NJW 87, 3203; Watermeyer, GmbH-StB 04, 369).

     

    • Beispiel

    Eine Kapitalgesellschaft verfügt über steuerliche Verlustvorträge von 1 Mio. EUR, die sie voraussichtlich nicht in absehbarer Zeit mit Gewinnen aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit verrechnen und damit nutzen kann. Zugleich ist die Gesellschaft mit Verbindlichkeiten gegenüber einem Gläubiger in Höhe von 600.000 EUR belastet, die sie derzeit nicht bedienen kann. Wenn der Gläubiger in der Situation auf seine Forderung verzichtet, erzielt die Gesellschaft einen außerordentlichen Ertrag von 600.000 EUR, der sich mit den steuerlichen Verlustvorträgen verrechnen lässt.

     

    Formulierungsbeispiel / Forderungsverzicht

    Der Gläubiger verzichtet hiermit gemäß § 397 Abs. 1 BGB mit sofortiger Wirkung auf die Rückzahlung des bezeichneten Darlehensbetrags einschließlich aufgelaufener rückständiger Zinsen; der Schuldner nimmt diesen Verzicht an.

     

    Ist der Gläubiger ein außenstehender Dritter, wird er sich nicht so leicht zu einem Verzicht bewegen lassen. Häufig stellen indes die Gesellschafter Fremdkapital in Form von Darlehen für die Gesellschaft zur Verfügung. Wegen gleichgerichteter oder koordinierbarer Interessen lässt sich ein Forderungsverzicht dann leichter einsetzen.

     

    Der Forderungsverzicht führt auch beim Gesellschafterdarlehen dazu, dass die Verbindlichkeit entfällt. Sie ist entsprechend bei der Kapitalgesellschaft auszubuchen. Soweit das Gesellschafterdarlehen im Zeitpunkt des Verzichts noch werthaltig gewesen ist, liegt eine verdeckte Einlage des Gesellschafters vor. Soweit es hingegen wertlos ist, entsteht ein außerordentlicher Ertrag bei der Kapitalgesellschaft, mit dem die Verlustvorträge genutzt werden können (BFH 9.6.97, GrS 1/94, BStBl II 98, 307; Roser in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 1480; Schulze zur Wiesche, GmbHR 13, 454). Zumindest bei nachhaltiger Erfolglosigkeit oder bei bereits inaktiven Gesellschaften dürfte die Wertlosigkeit der Regelfall sein.

    3. Anschließender Mantelverkauf

    Erst nach diesem Forderungsverzicht erfolgt die Abtretung der Geschäftsanteile. Die Verlustvorträge sind dann bereits verbraucht, sodass § 8c KStG unschädlich ist. Entscheidend ist es, die Wirkung des Forderungsverzichts und der Verlustverrechnung zeitlich vor der Anteilsabtretung eintreten zu lassen.

     

    • Beispiel

    Der Forderungsverzicht erfolgt im Jahr 2014, sodass im Besteuerungsjahr 2014 bestehende Verlustvorträge verbraucht werden können. Erst im Jahr 2015 erfolgt die Anteilsübertragung.

     

    Sonderprobleme wirft die unterjährige Anteilsabtretung auf. Denn wegen des Jährlichkeitsprinzips der Einkünfte- und Gewinnermittlung nach § 7 Abs. 3 S. 2 KStG ist lange Zeit nicht sicher gewesen, ob eine Ergebnisabgrenzung innerhalb des Jahres möglich ist (vgl. Dötsch in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, § 8c Rn. 27).

     

    • Beispiel

    Eine GmbH hat zum 31.12.13 Verlustvorträge von 500.000 EUR. Am 2.5.14 erzielt sie durch Erlass von Verbindlichkeiten einen außerordentlichen Ertrag von 500.000 EUR. Zum 1.7.14 werden sämtliche GmbH-Anteile abgetreten.

     

    Nach früherer Verwaltungsauffassung sollte die unterjährige Anteilsabtretung ein schädlicher Beteiligungserwerb sein. Ein bis zum Beteiligungserwerb erzielter Gewinn konnte nicht mit noch nicht genutzten Verlusten verrechnet werden (BMF 4.7.08, IV C 7 - S 2745 - a/08/10001, BStBl I 08, 736). Dieser restriktiven Auffassung hat die Rechtsprechung jedoch widersprochen (BFH 30.11.11, I R 14/11, BStBl II 12, 360; FG Münster 30.11.10, 9 K 1842/10 K, EFG 11, 909). Bei unterjährigem Beteiligungserwerb kann nunmehr ein bis zu diesem Zeitpunkt in diesem Wirtschaftsjahr erzielter Gewinn mit dem bisher noch nicht genutzten Verlust verrechnet werden.

     

    MERKE | Wenn der Gesetzgeber auf die wirtschaftliche Identität abstellt, differenziert er selbst nach „altem und neuem wirtschaftlichen Engagement“ der Anteilseigner (BFH 30.11.11, I R 14/11, BStBl II 12, 360). Dies rechtfertigt auch eine unterjährige Ergebnisabgrenzung. Der außerordentliche Ertrag erfolgte dann noch für das alte wirtschaftliche Engagement, sodass bis dahin bestehende Verlustvorträge verrechenbar sind. Erst danach erfolgt durch die Zäsur des Beteiligungserwerbs das „neue wirtschaftliche Engagement“.

     

    Die Finanzverwaltung hat diese Sichtweise mit der Veröffentlichung im Bundessteuerblatt auch akzeptiert. Für Steuerpflichtige und ihre Berater besteht insoweit Gestaltungssicherheit.

    4. Bedingter Forderungsverzicht mit Besserungsschein

    Statt eines unbedingten Verzichts empfiehlt sich die Kombination mit einem Besserungsschein. Der Gläubiger verzichtet in dem Fall nicht endgültig und unbedingt auf seine Forderung, sondern nach § 158 Abs. 2 BGB unter der auflösenden Bedingung der wirtschaftlichen Erholung. Diese wirtschaftliche Erholung tritt in Folge der Anteilsübertragung ein, weil etwa der Neugesellschafter das Unternehmen saniert oder mit neuen geschäftlichen Aktivitäten füllt.

     

    Beachten Sie | Auflösende Bedingungen sind bei der steuerlichen Bewertung des Betriebsvermögens nicht zu beachten. Zum Verzichtszeitpunkt bleibt es daher bei der Ausbuchung der Verbindlichkeit (Schulze zur Wiesche, GmbHR 13, 455).

     

    Erst im Zeitpunkt des Besserungsfalls lebt die Forderung wieder auf, entsprechend ist dann wieder eine Verbindlichkeit bei der Kapitalgesellschaft zu passivieren. Dies führt (erneut) zu Betriebsausgaben, wenn denn die ursprüngliche Forderung bzw. Verbindlichkeit betrieblich veranlasst war (BFH 30.5.90, I R 41/87, BStBl II 91, 588). Die (erneute) Einbuchung erfolgt aber nicht etwa rückwirkend zum damaligen Ausbuchungszeitpunkt, sondern erst zum aktuellen Zeitpunkt der wirtschaftlichen Erholung. Erst mit Eintritt dieser Bedingungen treten nämlich auch die Rechtsfolgen ein. Darum sollten Steuerpflichtige bei der Besserungsabrede eine Rückbeziehung i. S. von § 159 BGB vermeiden (Roser in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 131 u. 1480).

     

    Für die Vergangenheit bleibt es also bei dem Verzicht und damit auch bei der damaligen Verlustnutzung. Ein sonst schädlicher Beteiligungserwerb nach § 8c KStG ist dadurch unschädlich geworden, da es jetzt nicht mehr um Altverluste, sondern um neue Verbindlichkeiten geht.

     

    Wichtig ist daher, die Besserungsabrede korrekt als auflösende Bedingungen nach § 158 Abs. 2 BGB zu formulieren.

     

    Formulierungsbeispiel /  Besserungsschein

    Der Erlass der Forderung ist auflösend bedingt. Soweit die Schuldnerin künftig einen Jahresüberschuss erzielt (ermittelt vor Bedienung dieses Besserungsscheins) und über liquide Mittel im Sinne von § 266 Abs. 2 B IV HGB verfügt, lebt die Forderung des Gläubigers gegen die Schuldnerin zum Ende des Wirtschaftsjahres wieder auf.

     

    Entscheidend ist dabei, den Besserungsfall exakt zu definieren und zugleich die konkreten Auswirkungen der unternehmerischen Krise zu berücksichtigen. Die Besserungsabrede muss bereits im Zeitpunkt des Forderungsverzichts so eindeutig abgefasst sein, dass bei Bedingungseintritt die Forderung automatisch wieder auflebt. Hierzu gehört die Festlegung, ob die Forderung erst bei vollständiger wirtschaftlicher Erholung wieder aufleben soll oder aber schon anteilig bei teilweiser Erholung.a


     

    Ferner ist zu klären, wie zwischenzeitlich mit der Verzinsung zu verfahren ist. Es gibt die Möglichkeit, Zinsen erst wieder ab dem Besserungsfall zu verlangen. Es können aber nachträglich auch Zinsen für den Zwischenzeitraum fällig werden - allerdings nicht rückwirkend für die Vergangenheit. Als Modalitäten der Forderungsbedienung kommen für den Besserungsfall ferner in Betracht: eine sofortige Auszahlung, die Auszahlung in festen Raten, die Streckung auf eine bestimmte Laufzeit oder die Rückzahlung eines bestimmten Prozentsatzes vom Gewinn (Schulze zur Wiesche, GmbHR 13, 455).

     

    Musterschreiben / Quotale Besserungsabrede mit Nachverzinsung

    Der Erlass der Forderung ist auflösend bedingt. Soweit die Schuldnerin künftig einen Jahresüberschuss erzielt (ermittelt vor Bedienung dieses Besserungsscheins) und über liquide Mittel im Sinne von § 266 Abs. 2 B IV HGB verfügt, lebt die Forderung des Gläubigers gegen die Schuldnerin zum Ende des Wirtschaftsjahres wieder auf - jedoch maximal bis zu dem Betrag bis zu dem die Forderung nach der Handelsbilanz wieder aufleben kann, ohne das Stammkapital nach § 30 GmbHG anzugreifen.

     

    Für den Fall des Bedingungseintritts sind auch die für die Zeit des Forderungsverzichts aufgelaufenen Zinsen nachzuzahlen. Lebt die Forderung aufgrund des Bedingungseintritts jeweils zum Jahresende nur teilweise auf, so bezieht sich dies vorrangig auf den Zinsanspruch und erst hiernach auf den Stammanspruch.

     

    Beachten Sie | Bei unklarer oder unvollständiger Formulierung besteht jedenfalls für Gesellschafterdarlehen das Risiko verdeckter Gewinnausschüttungen nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG. In diesem Fall darf die Gesellschaft die Zahlung im Besserungsfall nicht gewinnmindernd als Betriebsausgabe berücksichtigen. Entsprechende Sorgfalt ist daher geboten.

     

    Obwohl die Wirkungen von § 8c KStG vermieden werden, stellen die beiden Elemente Forderungsverzicht mit Besserungsschein und anschließender Mantelkauf keinen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO dar. Es sprechen gewichtige außersteuerliche Gründe für diese Verfahrensweise. Sie sind auch weder für sich genommen noch zusammen gekünstelte oder unangemessene rechtliche Gestaltungen.

     

    MERKE | Der Forderungsverzicht mit Besserungsschein ist ein übliches Instrument zur Sanierung eines Unternehmens (Becker/Pape/Wobbe, DStR 10, 506; K. Schmidt, GmbHR 99, 9). Es spricht nichts dagegen, dass ein Gläubiger auf eine wertlos gewordene Forderung verzichtet, sich aber vorbehält, im Fall einer wirtschaftlichen Erholung doch noch auf der Bedienung seiner Forderung zu bestehen. Auch das Vorziehen des Forderungsverzichts vor den Mantelkauf hat regelmäßig tragende außersteuerliche Gründe. Ein Erwerber dürfte regelmäßig nicht bereit sein, ein mit geringen Aktiven ausgestattetes Unternehmen zu erwerben, das noch erhebliche Verbindlichkeiten gegenüber seinen Gesellschaftern oder Dritten aufweist. Insofern schafft der Forderungsverzicht erst die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine mögliche Anteilsübertragung.

     

    Dass die gewählte Reihenfolge die Wirkung des schädlichen Beteiligungserwerbs nach § 8c Abs. 1 KStG umgeht, ist ebenso unbedenklich. Denn Steuerpflichtigen ist es unbenommen, bei zulässigen Gestaltungen die für sie steuerlich günstigste zu wählen (BFH 29.11.82, GrS 1/81, BStBl II 83, 272; Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 42 AO Rn. 39).

    5. Mantelkauf mit gleichzeitiger Besserungsanwartschaft

    Die eigentlich interessante Gestaltung ist nunmehr, neben dem Gesellschaftsmantel auch die Besserungsanwartschaft zu erwerben. Ansonsten ergibt sich für den Anteilserwerber nämlich die Problematik, dass seine Kapitalgesellschaft im Besserungsfall mit Verbindlichkeiten gegenüber Dritten belastet ist (vgl. FG Schleswig-Holstein 24.4.15, 3 K 19/11, EFG 15, 1150). Die wirtschaftlichen Vorteile aus der bislang beschriebenen Gestaltung kommen insofern nicht dem Anteilserwerber, sondern noch den früheren Gesellschaftern zugute. Bei gleichzeitigem Erwerb der Besserungsanwartschaft ließen sich stattdessen vom wirtschaftlichen Ergebnis her die Verluste entgegen § 8c KStG konservieren.

     

    • Beispiel

    A ist Gesellschafter der X-GmbH, die ihren Geschäftsbetrieb weitgehend eingestellt hat, aber noch über Verlustvorträge verfügt. Gegenüber A hat die X-GmbH eine Verbindlichkeit von 400.000 EUR. A verzichtet mit Besserungsabrede auf seine Forderung, die X-GmbH erzielt entsprechend einen außerordentlichen Ertrag von 400.000 EUR, den sie zur Verlustvortragsverrechnung nutzt. Anschließend veräußert A seine Anteile an der X-GmbH zum symbolischen Kaufpreis von 1 EUR an B. Außerdem erwirbt B von A für 5.000 EUR die Besserungsanwartschaft. Danach reaktiviert B die X-GmbH mit neuen wirtschaftlichen Aktivitäten, sodass die X-GmbH alsbald wieder Gewinne erzielt und die Forderung auflebt. Die Neueinbuchung der Verbindlichkeit von 400.000 EUR behandelt die X-GmbH als gewinnmindernde Betriebsausgabe.

     

    In einem ähnlich gelagerten Fall hatten Finanzverwaltung und FG München einen schädlichen Beteiligungserwerb angenommen (BMF 2.12.03, IV A 2 - S 2743 - 5/03, BStBl I 03, 648; FG München 22.2.11, 6 K 1451/08, EFG 11, 1086). Der aus der Neueinbuchung der Verbindlichkeit resultierende steuerliche Aufwand solle danach § 8c KStG unterfallen, wenn zwischen Ausbuchung und Neueinbuchung die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8c KStG vorlägen. Der I. Senat des BFH ist dieser Auffassung jedoch in einer Entscheidung zur Vorgängerregelung von § 8c KStG - dem § 8 Abs. 4 KStG a. F. - nicht gefolgt (BFH 12.7.12, I R 23/11).

     

    § 8 Abs. 4 KStG a. F. sanktionierte einen Anteilserwerb unabhängig davon, ob im Einzelfall ein Gestaltungsmissbrauch vorlag. Der BFH sprach sich aber für eine restriktivere Auslegung aus. Über den spezifischen gesetzlichen Tatbestand zum Verlustabzug hinaus sei in das Gesetz keine allgemeine Wertung hineinzuinterpretieren, dass sämtliche Gestaltungen zur Verlustkonservierung zu neutralisieren seien. Das Aufleben der Verbindlichkeit sei ein neuer Sachverhalt, der keine „Wurzel in der Vergangenheit“ hat (BFH 29.1.03, I R 50/02, BStBl II 03, 768).

     

    Ob die Kombination von Mantelkauf und Abtretung der Besserungsabrede ein Gestaltungsmissbrauch ist, bleibt ungewiss. So hatte der IV. Senat des BFH entschieden, dass ein (endgültiger) Forderungsverzicht vor der Anteilsabtretung der „Normalfall“, die Abtretung der Gesellschafterforderung zusammen mit der Anteilsabtretung hingegen kompliziert und gekünstelt sei (BFH 1.2.01, IV R 3/00, BStBl II 01, 520). Der I. Senat hatte von einer Divergenzanfrage aus formalen Gründen abgesehen (BFH 12.7.12, I R 23/11), sodass die Sache noch nicht abschließend geklärt ist. Da die Entscheidungen zum alten § 8 Abs. 4 KStG ergangen sind, hat sich die Divergenz durch § 8c KStG zwar formal erledigt. Materiell bleibt es jedoch bei einer Restunsicherheit.

     

    Die besseren Argumente sprechen jedoch für die steuerliche Zulässigkeit dieses Gestaltungswegs. So ist nämlich nicht ausgemacht, dass allein der endgültige Forderungsverzicht dem Ziel und den Wertungen des Gesetzes entsprochen hätte. Die zu beurteilende wirtschaftliche Situation ist der Erwerb einer bedingt entschuldeten GmbH (Schulze zur Wiesche, GmbHR 13, 457). Der Veräußerer möchte seine Position bestmöglich verwerten, der Erwerber will im Anschluss nicht mit Verbindlichkeiten gegenüber Dritten belastet sein. Diese Ziele können sie wirtschaftlich aber ebenso durch die Veräußerung bzw. den Erwerb der Besserungsanwartschaft erreichen.

     

    MERKE | Hierfür sprechen auch außersteuerliche Gründe. Für den Erwerber besteht die Aussicht, dass die erworbene GmbH wieder solvent, die Forderung wieder aufleben und bedient werden kann. Diese Aussicht zu nutzen ist wirtschaftlich vernünftig. Der endgültige Verzicht oder die Abtretung der Besserungsanwartschaft sind insofern zwei gleichwertige Gestaltungsformen (BFH 12.7.12, I R 23/11; Roser in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 1480). Steuerpflichtigen steht es dann frei, die für sie günstigere Variante zu wählen.

     

    Vor einem Risiko ist aber noch zu warnen: Wenn bereits im Zeitpunkt des Forderungsverzichts die nachfolgende Abtretung und der Eintritt des Besserungsfalls sicher feststehen, ist die Forderung doch noch werthaltig (Schulze zur Wiesche, GmbHR 13, 457). Dann liegt aber anstelle eines a.o. Ertrags bei der Kapitalgesellschaft eine verdeckte Einlage vor. Die Verlustvorträge werden nicht aufgebraucht, die nachfolgende Anteilsübertragung ist vielmehr ein schädlicher Beteiligungserwerb nach § 8c KStG.

     

    GESTALTUNGSHINWEIS | Dem lässt sich durch zweierlei begegnen. Entweder erfolgt der Forderungsverzicht unabhängig von der späteren Abtretung, am besten mit zeitlichem Abstand. Oder aber die spätere wirtschaftliche Erholung der übernommenen Kapitalgesellschaft ist zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss oder verzögert sich. Dann bedingen sich Forderungsverzicht, Abtretung und Besserungsfall nicht gegenseitig, sondern sind isoliert zu beurteilen. Fraglich bleibt, wie das Finanzamt im Nachhinein und damit in Kenntnis der weiteren Entwicklung entscheiden wird. Als Berater sollte man seine Mandanten bei Empfehlung dieses Gestaltungswegs jedenfalls dringend auf dieses Restrisiko hinweisen.

     

    Zum Autor | Der Verfasser ist Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht sowie Rechnungslegung an der Leibniz-Fachhochschule in Hannover und zugleich Steuerberater, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in Toppenstedt bei Hamburg.

    Quelle: Ausgabe 02 / 2016 | Seite 45 | ID 43736327

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