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  • · Fachbeitrag · Kapitalgesellschaften

    „Cash-Circle“ durch Gesellschaftereinlagen im Regelfall kein Gestaltungsmissbrauch!

    von Prof. Dr. Hans Ott, StB/vBP, Köln

    | Bei einem „Cash-Circle“ leisten die Gesellschafter Einlagen in eine überschuldete GmbH, die nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB als andere Zuzahlungen in der Kapitalrücklage ausgewiesen werden. Die erhaltenen Finanzmittel nutzt die GmbH, um damit anschließend Gesellschafterdarlehen oder Fremdverbindlichkeiten zu tilgen, für die sich die Gesellschafter verbürgt haben. Während bei einem Cash-Circle nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung i. S. v. § 17 Abs. 2a EStG in Höhe der Einlage entstehen, können bei einem Forderungsausfall oder einem Forderungsverzicht bei stehengelassenen Finanzierunghilfen diese regelmäßig nur mit dem Wert im Zeitpunkt des Kriseneintritts als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt werden. Von der Finanzverwaltung wird dieses Modell von jeher kritisch gesehen, die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs sollte man aber im Regelfall nicht kampflos hinnehmen. |

     

    MERKE | Der Cash-Circle steht oftmals unter steuerlichem Missbrauchsverdacht nach § 42 AO, weil nach Ansicht der Finanzverwaltung ein solches Vorgehen nur dem Ziel dient, die oftmals nachteiligen steuerlichen Folgen bei einem Forderungsverzicht oder beim Ausfall einer im Wert geminderten (stehengelassenen) Darlehensforderung des Gesellschafters zu vermeiden. Die nachfolgende Analyse der einschlägigen Finanzrechtsprechung zeigt, dass die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs jedoch nur gerechtfertigt ist, wenn der Cash-Circle in der Finanzbuchhaltung lediglich über Verrechnungskonten abgewickelt wird. Bei einer tatsächlichen Einzahlung von Geldmitteln liegt kein Gestaltungsmissbrauch vor, selbst wenn diese Einlagen „in letzter Minute“, d. h. in zeitlicher Nähe zur Veräußerung der Beteiligung, geleistet werden.

     

    1. „Einlagen in letzter Minute“ nach dem BFH-Urteil vom 20.7.18

    Bei einer kurz vor dem Liquidationsbeschluss geleisteten Einzahlung auf das Bankkonto einer GmbH hatte seinerzeit das FG Niedersachsen (26.9.12, 2 K 13510/10, GmbHR 13, 613) einen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO angenommen, weil die neu zugeführten Finanzmittel nur dazu dienten, zuvor gewährte Gesellschafterdarlehen oder ‒ wie im Streitfall ‒ die Einlage des Gesellschafters im Rahmen einer typisch stillen Gesellschaft zurückzugewähren. Bei einem solchen Vorgehen erleide nämlich der Gesellschafter im wirtschaftlichen Ergebnis den gleichen finanziellen Verlust wie bei einem Darlehensausfall, gleichwohl könne er aber mit der zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung führenden Einlage seine steuerliche Position insbesondere bei sog. stehengelassenen Gesellschafterdarlehen verbessern. Somit bestehe der Zweck des Hin-und-her-Zahlens nur darin, dem Gesellschafter die steuermindernde Berücksichtigung wirtschaftlich bereits entstandener Vermögensverluste des Privatvermögens nach § 17 EStG zu ermöglichen.

     

    Das FG Düsseldorf hatte sich in mehreren Urteilen vom 18.12.14 (11 K 3614/13 E, EFG 15, 480, vgl. auch die Az. 11 K 3615/13 E, 11 K 3617/13 E) der vom FG Niedersachsen vertretenen Auffassung in einem ähnlich gelagerten Fall angeschlossen. Zur Abwendung einer drohenden Inanspruchnahme aus Bürgschaften hatten die Gesellschafter Einlagen geleistet, um damit Verbindlichkeiten der GmbH abzulösen, für die sie sich verbürgt hatten. Gegen diese Urteile wurden Revisionen beim BFH (IX R 6/15, IX R 7/15 und IX R 5/15) eingelegt.

     

    Der BFH hat die Entscheidungen des FG Düsseldorf vom 18.12.14 jedoch aufgehoben (BFH 20.7.18, IX R 5/15, BStBl II 19, 194; inhaltsgleich IX R 6/15 und IX R 7/15). Er hat klargestellt, dass ‒ freiwillige und ohne Gewährung von Vorzügen seitens der GmbH erbrachte ‒ Einzahlungen, die Gesellschafter in zeitlicher Nähe zur Veräußerung der Beteiligung in die Kapitalrücklage leisten (sog. Einlagen in letzter Minute), als Zuzahlung nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB zu qualifizieren sind und die Anschaffungskosten der GmbH-Beteiligung erhöhen. Dies gilt auch, wenn die Einlagen dem Zweck dienen, die Inanspruchnahme aus einer Gesellschafterbürgschaft zu vermeiden. Dieser Rechtsprechung hat sich auch das BMF mit Schreiben vom 7.6.22 angeschlossen (IV C 6 - S 2244/20/10001 :001, BStBl I 22, S. 897, Rn. 4; ausführlich dazu Ott, GStB 22, 321).

     

    Im Streitfall hatten die Gesellschafter einer GmbH Bürgschaften für ein der GmbH gewährtes Bankdarlehen übernommen, das zudem durch eine Grundschuld gesichert war. Die GmbH hatte in den Jahren 2008 und 2009 Verluste erwirtschaftet und zum Ende des Jahres 2009 ihren Geschäftsbetrieb eingestellt. Im Jahre 2010 leisteten die Gesellschafter Bareinzahlungen in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB von insgesamt 281.800 EUR, um eine ansonsten drohende Liquidation der Gesellschaft zu vermeiden. Die GmbH zahlte ‒ nach einem Teilverzicht der Bank ‒ Darlehensverbindlichkeiten von insgesamt 275.000 EUR an die Bank zurück. Anschließend veräußerten die Gesellschafter ihre Anteile an der GmbH zum Kaufpreis von 0 EUR an eine andere GmbH. Unter Berücksichtigung der Stammeinlage sowie der nachträglichen Anschaffungskosten aus der Einzahlung in die Kapitalrücklage entstand hierbei jeweils ein Veräußerungsverlust nach § 17 EStG, den das Finanzamt in der beantragten Höhe nicht anerkannte.

     

    Nach erfolglosem Einspruch hat das FG Düsseldorf mit den o. a. Urteilen vom 18.12.14 die Klage als unbegründet zurückgewiesen. Neben dem Verlust der anteiligen Stammeinlage berücksichtigte das FG nur den anteiligen Differenzbetrag zwischen der gesamten Einzahlung in die Kapitalrücklage von 281.800 EUR und dem seitens der GmbH an die Bank zurückgezahlten Betrag von 275.000 EUR als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung. Zur Begründung führte das FG aus, die Einzahlung in die Kapitalrücklage habe bis zur Höhe von 275.000 EUR wirtschaftlich betrachtet nur der Ablösung der gewährten Sicherheiten (Grundschuld und Bürgschaften) gedient und könne nicht als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung i. S. d. § 17 EStG anerkannt werden, weil dem Kläger zu keinem Zeitpunkt ein werthaltiger Rückgriffsanspruch gegen die GmbH zugestanden habe. Die Bürgschaft sei erst durch „Stehenlassen“ bei Kriseneintritt im Jahre 2008 eigenkapitalersetzend geworden, sodass die wertlose Bürgschaftsregressforderung nur mit dem gemeinen Wert von 0 EUR im Zeitpunkt des Kriseneintritts berücksichtigt werden könne.

     

    Unter Anwendung der mit dem Grundsatzurteil vom 11.7.17 (IX R 6/15, BStBl II 19, 208) geänderten Rechtsprechung hat der BFH in dem o. a. Urteil vom 20.7.18 die Einlagen der Gesellschafter in vollem Umfang als nachträgliche Anschaffungskosten i. S. d. § 17 EStG anerkannt. Dem Umstand, dass die Einzahlung kurz vor der Veräußerung der Anteile, also „in letzter Minute“ erfolgt ist, hat der BFH keine Bedeutung beigemessen. Weiterhin ist es steuerrechtlich auch ohne Bedeutung, wie die GmbH den eingezahlten Betrag verwendet. Der Berücksichtigung als nachträgliche Anschaffungskosten des Gesellschafters steht auch nicht entgegen, dass die zugeführten Mittel von der GmbH zur Ablösung eigener (betrieblicher) Verbindlichkeiten verwendet werden, für die sich der Gesellschafter verbürgt hat.

     

    Schließlich hat der BFH auch keinen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO angenommen. Die Einlage eines Gesellschafters zwecks Ablösung der betrieblichen Verbindlichkeiten widerspricht nämlich nicht den Wertungen des Rechts, sondern entspricht ihnen vielmehr, wie etwa aus der Nachschusspflicht des GmbH-Gesellschafters gem. den §§ 26 ff. GmbHG folgt. Durch die Kapitaleinzahlungen ermögliche es nämlich der Gesellschafter seiner Gesellschaft, wechselnde Kapitalbedürfnisse durch Eigen- statt durch Fremdkapital zu decken. Ein solches gesellschaftsrechtskonformes Vorgehen kann somit nicht zugleich einen Gestaltungsmissbrauch darstellen.

     

    Für die Praxis ist somit geklärt, dass Einlagen der Gesellschafter in die Kapitalrücklage ‒ unabhängig vom Zeitpunkt der Leistung und der Verwendung ‒ zu nachträglichen Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG führen. Dies gilt auch, wenn die Einzahlung im Wege der formellen Erhöhung des Stammkapitals nach den §§ 55 ff. GmbHG erfolgt. Die nachträglichen Anschaffungskosten wirken sich im Rahmen des § 17 EStG nach dem Teileinkünfteverfahren zu 60 % aus. Allerdings können diese erst berücksichtigt werden, wenn die Anteile an der Kapitalgesellschaft veräußert werden oder ein der Veräußerung gleichgestellter Tatbestand i. S. d. § 17 Abs. 4 (z. B. Auflösung, Liquidation) oder Abs. 5 EStG (Beschränkung oder Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts) verwirklicht wird.

     

    MERKE | Einzahlungen in die Kapitalrücklage führen bei der GmbH zu einem Zugang zum steuerlichen Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG, auf dessen Erfassung in der Feststellungserklärung nach § 27 KStG unbedingt geachtet werden sollte. Damit wird sichergestellt, dass der Betrag später einmal als Einlagenrückgewähr ‒ ohne Einbehalt von Kapitalertragsteuer ‒ nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG steuerfrei an die Gesellschafter ausgeschüttet werden kann. Eine unterlassene Erfassung im steuerlichen Einlagekonto kann ggf. (so BFH 8.12.21, I R 47/18) als offenbare Unrichtigkeit korrigiert werden, wenn sich aus den Erläuterungen im Jahresabschluss ergibt, dass der GmbH die Erhöhung der Kapitalrücklage zugeflossen ist.

     

    2. Urteil des FG Düsseldorf vom 22.12.21

    Das FG Düsseldorf hat mit Urteil vom 22.12.21 (7 K 101/18 K, G F, EFG 22, 721, Rev. BFH: I R 11/21) bei einem Cash-Circle einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i. S. v. § 42 AO angenommen.

     

    Im Streitfall hatte eine GmbH in einem Konzernverbund von ihrer Alleingesellschafterin eine Einzahlung in die Kapitalrücklage erhalten. Der alleinige Zweck der Kapitaleinlage bestand darin, die eingelegten Mittel zur Rückzahlung der gegenüber der Alleingesellschafterin bestehenden Darlehensverbindlichkeiten zu verwenden. Anstelle einer Bareinzahlung wurde sowohl die Kapitaleinlage als auch die Tilgung der wertlosen Gesellschafterforderung lediglich im konzerninternen Verrechnungskontensystem abgebildet. Das Finanzamt und diesem folgend das FG Düsseldorf nahmen einen Gestaltungsmissbrauch i. S. v. § 42 AO an und behandelten die gewählte Gestaltung als Forderungsverzicht der Alleingesellschafterin.

     

    Der angenommene Verzicht auf die wertlose Forderung führte zur Ausbuchung der passivierten Verbindlichkeit und damit zu einem steuerpflichtigen Ertrag in Höhe der Differenz zwischen dem bilanzierten Nennwert der Verbindlichkeit und ihrem niedrigeren Teilwert. Nur bei einem betrieblich veranlassten Forderungsverzicht (z. B. bei einem Verzicht zusammen mit Fremdgläubigern) kommt ggf. bei einer unternehmensbezogenen Sanierung die Steuerbefreiung nach § 3a EStG in Betracht (vgl. Levedag in: Schmidt, EStG, § 3c Rz. 8 ff., 25). Ist der Verzicht dagegen gesellschaftsrechtlich veranlasst, liegt kein steuerfreier Sanierungsertrag vor und die Ausbuchung des wertlosen Teils löst eine Besteuerung aus, sofern die Schuldner-GmbH nicht über ausreichende steuerliche Verluste bzw. Verlustvorträge verfügt. Soweit der Ertrag aus der Ausbuchung der Verbindlichkeit den Betrag von 1 Mio. EUR übersteigt, tritt selbst bei ausreichenden Verlustvorträgen die sog. Mindestbesteuerung nach § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 10d Abs. 2 EStG ein. Danach können nicht ausgeglichene negative Einkünfte nur bis zu 60 % des über 1 Mio. EUR hinausgehenden Betrags in den folgenden Jahren abgezogen werden, während der verbleibende Betrag steuerpflichtig ist.

     

    Nach Ansicht des FG Düsseldorf war im Streitfall ein Gestaltungsmissbrauch darin zu sehen, dass die Alleingesellschafterin eine Einlage von Geldmitteln in die Kapitalrücklage geleistet hatte, um wenige Minuten später eine Tilgung der zuvor gewährten Darlehen zu ermöglichen. Sowohl die Einlage als auch die Darlehenstilgung wurden lediglich über das konzerninterne Verrechnungssystem buchhalterisch vollzogen. Mit dieser als unangemessen qualifizierten und nicht durch außersteuerliche Gründe gerechtfertigten Vorgehensweise sollte die bei einem Verzicht auf die Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens eintretende Rechtsfolge vermieden werden. Die vonseiten der GmbH vorgebrachte Begründung, die Maßnahme hätte dazu gedient, das Bilanzbild zu verbessern, hielt das FG Düsseldorf für nicht überzeugend, weil die GmbH sich bereits in Abwicklung befand. Ein weiteres Indiz für eine unangemessene Gestaltung hat das FG Düsseldorf darin gesehen, dass sich durch das gegenläufige und in zeitlicher Nähe erfolgte Hin-und-her-Buchen beide Vorgänge neutralisiert haben.

     

    Die offene Einlage von Barmitteln in eine GmbH mit anschließender Tilgung von Gesellschafterdarlehen (sog. Cash-Circle) dient in der Praxis regelmäßig dem Ziel, die Anschaffungskosten der Beteiligung i. S. v. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG zu erhöhen, die bei der Verwirklichung eines Tatbestands i. S. d. § 17 EStG (z. B. bei Anteilsveräußerung oder bei Liquidation bzw. Insolvenz) nach dem Teileinkünfteverfahren zu 60 % berücksichtigt werden können. Im Gegensatz dazu führt im Falle eines stehengelassenen Darlehens bei Verlust nur der im Zeitpunkt des Eintritts der Krise werthaltige Teil der Forderung zu nachträglichen Anschaffungskosten (§ 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG; siehe BMF 7.6.22, IV C 6 - S 2244/20/10001 :001, BStBl I 22, 897, Rn. 17). Dagegen kann der nicht mehr werthaltige Teil ‒ soweit der Gesellschafter hierfür Anschaffungskosten getragen und eine Einkunftserzielungsabsicht vorgelegen hat ‒ unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 i. V. m. S. 2 EStG nur bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden.

     

    Ist die Darlehensgewährung nach dem 31.12.08 und vor dem 1.1.21 erfolgt, führt der nicht mehr werthaltige Teil des Darlehens bei einem zu mindestens 10 % an der GmbH beteiligten Gesellschafter derzeit noch zu einem voll ausgleichsfähigen Verlust im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen. Nach der Änderung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 S. 1 Buchst. b EStG greift aber ab dem VZ 2024 die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 S. 6 EStG, wonach Darlehensverluste zum einen nur i. H. v. 20.000 EUR mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden dürfen, während nicht verrechnete Verluste in den Folgejahren ebenfalls nur i. H. v. 20.000 EUR mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden dürfen. Bei einer Darlehensgewährung nach dem 31.12.20 greift die Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 20 Abs. 6 S. 6 EStG bereits ab dem VZ 2021.

     

    Vor diesem Hintergrund ist es in der Praxis interessant, spätestens bis zum Ende des VZ 2023 z. B. im Wege eines steuerlich anerkannten Cash-Circle mit Darlehenstilgung ein stehengelassenes Darlehen durch eine offene Einlage in die Kapitalrücklage zu ersetzen und damit nachträgliche Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG zu generieren.

    3. Weitere finanzgerichtliche Entscheidungen

    Bereits in der Vergangenheit war die Frage nach einem Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO bei einem Cash-Circle Gegenstand mehrerer finanzgerichtlichen Entscheidungen:

     

    • Das FG Berlin-Brandenburg (13.4.10, 6 K 53/06, EFG 10, 1671) hatte seinerzeit einen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO angenommen. Der Gesellschafter einer GmbH hatte sich zu einer Einlage verpflichtet, die aber nicht in bar zu leisten war, sondern mit seiner nicht mehr werthaltigen Darlehensforderung gegen die GmbH aufgerechnet wurde. Nach Ansicht des Gerichts war diese nicht durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe zu rechtfertigende Vorgehensweise steuerlich wie ein Forderungsverzicht auf die nicht werthaltige Gesellschafterforderung zu behandeln.

     

    • Dagegen hatte das FG München mit Urteil vom 27.10.09 (6 K 3941/06, EFG 10, 462) einen Gestaltungsmissbrauch unter Hinweis auf die zivilrechtliche und auch steuerrechtliche Finanzierungsfreiheit verneint. Im dortigen Streitfall hatten im Rahmen einer Betriebsaufspaltung die Gesellschafter bei der Betriebs-GmbH eine kreditfinanzierte Kapitalerhöhung durch Bareinlagen vorgenommen. Die GmbH verwendete die erhaltenen Barmittel, um damit unverzüglich Kredite zu tilgen, welche die Besitz-KG gewährt hatte. Anschließend wurden die Barmittel bei der Besitz-KG entnommen, um damit die Kredite zur Finanzierung der Kapitalerhöhung zu tilgen. Schließlich wurden die Anteile an der Betriebs-GmbH an die KG veräußert.

     

    Nach Ansicht des FG München hatten die Gesellschafter mit der Einlagelösung keinen unüblichen bzw. gekünstelten Weg der Gesellschafterfremdfinanzierung gewählt. Im Übrigen stelle auch ein denkbarer Forderungsverzicht keine Alternative dar, weil die Bareinzahlung von im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Nachschüssen nach § 26 Abs. 2 GmbHG als gesetzlicher Normalfall geregelt ist. Tragend für die Entscheidung des FG München war, dass hier tatsächlich Geldeinlagen auf ein externes Bankkonto geleistet wurden, die damit einem Vollstreckungszugriff von Drittgläubigern ausgesetzt waren.

     

    Zumindest bis zur Revisionsentscheidung des BFH zum o. a. Urteil des FG Düsseldorf vom 22.12.21 lässt sich aus den vorstehenden finanzgerichtlichen Entscheidungen für einen Cash-Circle in der Praxis folgern:

     

    • Werden Gesellschaftereinlagen ‒ ohne tatsächlichen Zahlungsfluss ‒ lediglich über Verrechnungskonten gebucht oder durch Aufrechnung mit Darlehensforderungen erbracht, liegt ein Gestaltungsmissbrauch nahe.
    • Um eine Erhöhung der Anschaffungskosten der Beteiligung i. S. v. § 17 Abs. 2a EStG durch eine Einlage herbeizuführen, sollten tatsächliche Zahlungen auf ein Bankkonto der GmbH geleistet werden, das auch nicht in einen etwaigen Cash-Pool einbezogen ist.
    • Eine ausdrückliche Anweisung an die Geschäftsleitung, wonach die erhaltenen Mittel zur Darlehenstilgung zu verwenden sind, ist zu vermeiden.

     

    Anschließend kann ‒ mit einem gewissen zeitlichen Abstand ‒ die tatsächliche Tilgung von Gesellschafterdarlehen erfolgen.

     

    In der anhängigen Revision gegen das Urteil des FG Düsseldorf vom 22.12.21 wird der BFH sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob allein die Verbuchung über ein Verrechnungskonto ‒ wie z. B. bei einem Cash-Pool ‒ bereits missbräuchlich ist bzw. welche Anerkennungsvoraussetzungen vorliegen müssen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch bei der Verbuchung über Verrechnungskonten nach § 135 InsO das Risiko besteht, dass Drittgläubiger die Darlehenstilgung anfechten können und somit die erhaltenen Tilgungsleistungen zurückzugewähren sind, wenn die Darlehensnehmerin innerhalb eines Jahres insolvent wird (vgl. dazu Mihm, BB 22, 1265).

     

    FAZIT | Einlagen der Gesellschafter in eine GmbH mit anschließender Tilgung von Darlehen der Gesellschafter oder von Fremdgläubigern (sog. Cash-Circle) stellen grundsätzlich keinen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO dar, sondern führen zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung i. S. d. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG. Dies gilt zumindest in den Fällen, in denen Einzahlungen der Gesellschafter tatsächlich auf ein Bankkonto der Kapitalgesellschaft geleistet werden, das dem Vollstreckungszugriff von Drittgläubigern ausgesetzt ist. Bei einer Einzahlung mit anschließender Darlehenstilgung, die lediglich durch Verbuchung über ein Verrechnungskonto erfolgt, könnte nach dem Urteil des FG Düsseldorf vom 22.12.21 ein Gestaltungsmissbrauch vorliegen. Hier bleibt abzuwarten, ob der BFH in der anhängigen Revision diese Auffassung teilen wird.

     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2022 | Seite 434 | ID 48548939

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